CHRIST SEIN OHNE KIRCHE?
- EIN THESENPAPIER -
von
Eberhard Heller
Anmerkung:
Nachfolgendes Thesenpapier wurde für eine Diskussionsrunde mit dem
Thema "Christ sein - ohne Kirche?" im Rahmen des
Volkshochschulprogramms Ottobrunn bei München vorbereitet, die der
Direktor der Volkshochschule, Herr Eisfeld, am 22.4.99 im
Wolf-Ferrari-Haus, Ottobrunn leitete.
Zum besseren internen Verständnis, aber auch als Vorbereitung auf eine
weitere, intensivere Behandlung dieser Problematik möchte ich im
Anschluß an das Thesenpapier die eigene kirchliche Situation, die sich
für uns aus der Sedisvakanz ergibt, und den Schlußpassus aus dem
Thesenpapier weiter erläutern: "Das Dilemma (von fehlender kirchlicher
Autotrität und der Verpflichtung zur Restitution der Kirche als
Heilsinstitution) kann m. E. nur gelöst werden, wenn sämtliche
diesbezüglichen Aktivitäten diese Restitution antizipieren und unter
dem Vorbehalt einer späteren, endgültigen Legitimierung durch die
wiederhergestellte Hierarchie stehen."
***
Christus hat seine Kirche nicht als bloße Glaubensgemeinschaft, deren
Mitglieder die gleichen Überzeugungen hegen, sondern vornehmlich als
Heilsinstitution gegründet, um Sein Heilswerk fortzusetzen. Die eine
Kirche besitzt in der Person des hl. Petrus und seinen Nachfolgern die
höchste Autorität über die Ausübung und Bewahrung des Lehr-, Hirten-
und Priesteramtes - eine Autorität, die Petrus unmittelbar von Christus
übergeben worden war. Nur die Kirche ist durch Christus legitimiert,
das Offenbarungsgut zu verwalten, nur in ihr erfährt der Christ den
authentischen Heilswillen Gottes. Zum integralen Christ-Sein gehört
demnach nicht nur das Bekennen der geoffenbarten Glaubenssätze, die
Annahme bestimmter Moralprinzipien, sondern auch die Annahme und der
Empfang der von Christus gestifteten Heilsmittel, insbesondere der von
der Kirche als Heilsinstitution verwalteten Sakramente, durch die den
Christen eine zwar verborgene, aber dennoch reale (personale)
Anteilnahme am göttlichen Leben geschenkt wird.
Man könnte der Auffassung sein, zum Christ-Sein genüge es im
wesentlichen, an Gott zu glauben, der sich in Jesus Christus offenbart
habe, und die entsprechenden Moralvorschriften zu befolgen. Die
Erfüllung dieser Postulate, zu der man keine Kirche nötig habe, sei
ausreichend, um sich als Christ bezeichnen zu können.
Das ist ein Irrtum. Es geht nicht darum, bloß bestimmte Glaubenssätze
für wahr zu halten, bestimmte Gebote zu erfüllen, sondern um die
Annahme des Heilsangebotes Gottes, der durch seinen Sühnetod den
Menschen die Möglichkeit gegeben hat, sich wieder mit Ihm zu vereinigen
- es geht um die Schließung des Neuen Bundes. Das Schließen dieses
Bundes ist nur möglich durch die Annahme der Heilsmittel, die die
Kirche spendet, insbesondere durch das Sich-Einbeziehen in das von der
Kirche gefeierte Meßopfer. "Salus extra Ecclesiam non est" - "Außerhalb
der Kirche gibt es kein Heil" (Cyprian v. Carthago, 73. Brief, 21.
Kap.), bedeutet, daß Christus nur der von Ihm gegründeten Kirche die
Heilswahrheiten und -mittel anvertraut und nur sie berechtigt hat, sie
zum Heil der Seelen zu verwalten. Wer um den Charakter der Kirche als
der wahren und einzig legitimierten Heilsinstitution weiß, darf sich
ihr nicht entziehen, sie ist heilsnotwendig. Die Heilsvermittlung durch
die Kirche ist Gottes Wille und nicht menschliche Anmaßung.
Nun wird eingewendet, die Kirche als Heilsinstitution verfremde ihren
Auftrag, vertrete eigene Interessen, würde zu einem reinen
Machtinstrument mutieren, das die Gläubigen durch ihre Moralforderungen
psychisch terrorisiere; Mitglieder ihrer Hierarchie würden gegenüber
ihren Gläubigen das am wenigsten praktizieren, was sie von ihnen
verlange: Nächstenliebe, etc... Darum hätten häufig die besseren
Christen die Kirche - wie sie sagen würden: die Amtskirche - verlassen,
um sich ohne deren verfremdende Belastungen der Erfüllung des
christlichen Ideals zu widmen.
Wie bereits gesagt, ist nur die Kirche berechtigt, durch die Spendung
der Sakramente die Voraussetzung zur Erlangung des Heiles, der
Wiedereingliederung in den Bund mit Gott, zu schaffen. Deshalb wird ein
religiöses Leben an der Kirche vorbei - ohne die von ihr verwalteten
Gnadenmitteln, die erst die Anteilnahme am göttlichen Leben eröffnen -
scheitern. Dieser Weg ist den Christen auch deshalb verboten - trotz
aller berechtigten Kritik an bestimmten Amtsinhabern -, weil sie
dadurch die Mittlerrolle der Kirche zu Gott, dem sie angeblich
verbunden sein wollen, ablehnen und sich damit implizit auch von Gott
entfernen würden.
Unabhängig davon läßt sich aber die Frage stellen, ob eine Situation
eintreten könnte, die es gerechtfertigt erscheinen ließe, sich von der
derzeitigen Amts-Kirche abzuwenden, obwohl die Zugehörigkeit zu der von
Christus gegründeten Kirche als heilsnotwendig akzeptiert wird.
Nach den bisherigen Darlegungen dürfte klar sein, daß die Kirche sich
in ihrem Selbstverständnis nur als Christi Heilsinstitution begreifen
kann und darf. Die jeweiligen Amtsinhaber sind nur Vwalter - und nicht
die Besitzer - der Heilswahrheiten und -mittel. Die Gläubigen haben
sehr wohl die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Verlautbarungen und
Verfügungen der jeweiligen Hierarchie diesem göttlichen Willen
entsprechen, da dieser sich manifestiert hat und unveränderlich gilt.
Eine Abwendung von der derzeitigen Hierarchie wäre nur dann erlaubt,
wenn diese direkt die ihr anvertrauten Heilswahrheiten und -güter
offensichtlich verfälschen und manipulieren, sie das Erbe und den
Auftrag Christi verraten würde. Dieses Abwenden bedeutete aber nicht
ein Verlassen der Kirche als Heilsinstitution, sondern nur einen
besonderen Treuebeweis gegenüber Christus, dem Haupt der Kirche, dem in
dieser extremen Situation der Vorrang eingeräumt würde. In dem
genannten Fall hätte man als Christ nicht nur das Recht, sondern auch
die Pflicht, dem Tatbestand des Verrates und des Abfalls der Hierarchie
Rechnung zu tragen und sich gegen die Vertreter einer mißbrauchten, zur
heil-losen Institution mutierten Kirche zu wenden, die man nicht länger
als legitime Autorität anerkennen dürfte.
Ein solcher Fall des Verrates zentraler Glaubenswahrheiten hat m.W. auf
dem II. Vatikanum eingesetzt, wurde bereits auf ihm manifest und danach
fortgeführt (als "Revolution von oben"). In "Nostra Aetate", Art. 3,
heißt es z.B.: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime,
die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden,
barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der
zu den Menschen gesprochen hat". Hier wird Gott, der sich in Christus
uns Menschen offenbart hat, mit Allah, den Mohammed verkündet hat,
gleichgesetzt, d.h. die Einzigartigkeit der Offenbarung Christi wird
geleugnet. Im Zuge der sog. Liturgiereform wurde der Ritus der Messe so
verfälscht, daß Feiern nach dem neuen "N.O.M." heilsunwirksam sind.
(Von dieser Reform hat selbst Kard. Ratzinger als "Verwüstung" -
Vorwort zu Gamber "Die Liturgiereform" Le Barroux 1992, S. 6 - und "vom
Zusammenbruch der Liturgie" - "La mia vita, ricordi 1927-1997" Rom 1997
- gesprochen.)
Der heute von Johannes Paul II. propagierte Synkretismus ("Juden,
Christen, Muslime glauben alle an den gleichen Gott") leugnet nicht nur
implizit die Offenbarung Gottes in Christus - und damit die Trinität
Gottes -, sondern läßt auch die Vorstellung von Gott zu einem bloßen
theistischen Bild verkümmern. Dagegen sagt Christus: "Niemand kommt zum
Vater außer durch MICH!" (Jo 14,6) Denn: "Wer den Sohn nicht hat, hat
auch den Vater nicht!" (1 Jo 2,23). Wer also CHRISTUS, den Sohn Gottes,
nicht hat, hat auch Gott-Vater nicht! Die lebendige Wahrheit wird den
Bestrebungen um eine Einheit der Religionen geopfert.
Der Tatbestand des Abfalls der Hierarchie hat in der Vakanz-Erklärung
des Römischen Stuhls von S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-din-Thuc, dem
ehemaligem Erzbischof von Hue / Vietnam, die dieser am 21. März 1982 in
München verkündet hatte, seine kirchlich verbindliche Fassung erhalten.
Man kann nun einwenden: diejenigen, die die derzeitige
Kirchen-Institution als nicht legitimiert betrachten, haben sich damit
de facto auch in jene Situation begeben, die sie selbst als illegitim
bezeinet haben: religiöses Leben abseits der Kirche bzw. 'Kirche'.
Darauf ist zu sagen: obwohl die Gläubigen und Priester, die dem
christlichen Glauben treu geblieben sind, mit dem sich vollziehenden
Abfall - ungewollt! - konfrontiert wurden -, können sie sich nicht
einfach auf einen Notstand berufen und tun, was sie wollen, sondern sie
müssen versuchen, diesen für sie institutionslosen Zustand durch die
Restitution der Kirche als Heilsinstitution zu beenden und dabei ihr
religiös-kirchliches Handeln als von der Kirche legitimiert
auszuweisen. Hier ergibt sich jedoch ein Dilemma. Einerseits fehlt
derzeit die zur Erfüllung dieser Aufgabe nötige kirchliche
Autorisierung, andererseits ist die Erfüllung dieser Aufgabe die
notwendige Voraussetzung der Wiederherstellung eben dieser kirchlichen
Autorität. Das Dilemma kann m.E. nur gelöst werden, wenn
sämtliche diesbezüglichen Aktivitäten diese Restitution antizipieren
und unter dem Vorbehalt einer späteren, endgültigen Legitimierung durch
die wiederhergestellte Hierarchie stehen.
***
"Extra Ecclesiam nulla salus est"
(Cyprian v. Carthago)
Diese Feststellung des Bischofs Cyprian von Carthago, die er im 73.
Brief, 21. Kap. getroffen hat, und die uns für die folgenden
Überlegungen als Motto dienen soll, ist die treffendste Antwort auf das
Problem einer Podiumsdiskussion in Ottobrunn bei München am 22.4.99 mit
dem Thema "Christ sein ohne Kirche?" (Leitung: Karl Eisfeld), zu der
auch Vertreter unserer Richtung geladen waren und zu dem obiges
Thesenpapier von mir verfaßt worden war, in welchem ich unsere
Position, d.h. die Position der Sedisvakantisten, zusammenfassen wollte.
Auch wenn sich vorstehende Frage - "Christ sein ohne Kirche?" -
vornehmlich an Personen richtete, die auf Distanz zur offiziellen
Amts-Kirche gegangen waren - aus den unterschiedlichsten Gründen (so
u.a. wegen der angeblichen Stagnation der Reformen, aus persönlicher
Enttäuschung oder wegen geistiger Verkrustung bzw. 'Intoleranz' in
Glaubens- besonders auch in Sittenfragen), so müssen obige Frage und
Cyprians Antwort in besonderem Maße auch auf unsere Situation mit ihren
spezifischen Problemen angewendet werden.
Man sollte die Realitäten nüchtern beurteilen: Auch wir befinden uns,
zwar unverschuldet - durch die "Revolution von oben" - in der
Situation, daß wir unsere christliche Existenz außerhalb der Kirche
(als Heilsinstitution) führen (müssen), daß aber dennoch auch für uns
gilt "extra Ecclesiam nulla salus - "außerhalb der Kirche kein Heil":
Das Meßzentrum in X ist nicht die Kirche, Pater Y nicht die Autorität,
obwohl er an ihr partizipieren kann, wenn er sich bzw. sein Handeln -
im noch zu beschreibenden Sinne - aus ihr legitimiert.
Wie soll das gehen? Wir sollen uns einer Institution (der Kirche)
unterstellen, die als legitime Institution aufgehört hat zu existieren
(durch den Abfall der Hierarchie). Dieses Dilemma anzuerkennen,
bedeutet schon einen mutigen Schritt in die richtige Richtung.
Man könnte einwenden, man habe doch Priester und Bischöfe, die die
Sakramente verwalten, die die Sukzession sichern..., das reicht für das
Seelenheil. Daß die Hierarchie ansonsten abgefallen sei, dafür könne
man nichts und man könne das auf keinen Fall den treu gebliebenen
Priestern zur Last legen bzw. sie deshalb in ihrem doch wohl
berechtigten und auch gerechtfertigten Handlen beschneiden.
In der Tat, die sakramentalen Vollmachten haben diese treu gebliebenen
Priester durch die Weihe(n) erhalten, aber es fehlt ihnen die konkrete
Beauftragung, das Mandat, die Legitimation durch die Autorität -
letztlich durch den Papst -, diese Vollmachten ausüben zu dürfen. Um
ein Beispiel zu nennen: ein Bischof, der für den Fortbestand der Kirche
wirken will, weiht einen Priester. Wie rechtfertigt dieser sein
pastorales Wirken, das Lesen der hl. Messe, das Beichthören etc.? Er
beruft sich auf den Auftrag seines Weibischofs, von wem aber ist dieser
beauftragt worden, im Sinne der Kirche zu wirken, wovon dann auch
wiederum die Beauftragung seines Priesters abhinge? Auf welche
Autorität stützt er sich?
Aber, so wendet man zu Recht ein, die Autorität fehlt. Und weil dieser
Tatbestand nicht wegdiskutiert werden kann, kommen die Legalisten, d.h.
diejenigen, die ausschließlich ihr Augenmerk auf angeblich primär
rechtlich relevante Momente lenken, zu dem Schluß, man könne zwar für
sich religiös weiter tätig sein, müsse sich aber jeder weiteren
Aktivität z.B. der Restitution der Kirche, der Erhaltung der Sukzession
etc. enthalten. Hinsichtlich der Kleriker wäre es aus dieser Sicht z.B.
strikte verboten - außer "in extremis", d.h. im Falle der
Todesbedrohung -, die Sakramente zu spenden.
Man kann dieser Position eine gewisse Konsequenz nicht absprechen.
Dennoch kann ich sie nicht teilen, und zwar aus folgendem Grund:
rechtliche Bestimmungen dürfen nicht für sich alleine gesehen werden,
sie sind nicht Selbstzweck. Sie dürfen nicht dazu führen, die
eigentliche Bestimmung der Gründung der Kirche als Heilsinstitution ad
absurdum zu führen. "Suprema lex salus animorum" - "das höchste Gesetz
ist das Heil der Seelen". Christus "sandte sie (d.s. die Apostel) aus,
das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen." (Lk. 9,2)
Unsere Frage ist also, wie mit dem Gesetz Christi Missionsauftrag
("Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen.
Wer glaubt und sich taufen läßt, wird selig werden; wer nicht glaubt,
der wird verdammt werden." - Mk. 16,16) durch die Kirche (denn kein
Heil ohne sie) unter den heutigen Umständen (Fehlen der beauftragenden
Autorität) realisiert werden kann.
Ich merke an, daß mit der Beantwortung theologisches Neuland
beschritten wird, da es in der Kirchengeschichte eine analoge Situation
noch nicht gab. Formal gesehen liegt folgendes Problem vor: man muß
etwas beanspruchen, was nicht (mehr) bzw. noch nicht wieder existiert -
die Autorität -, was aber wieder sein soll - restituiert durch
verschiedene Verfahrensschritte, die in sich (noch) nicht legitimiert
sind (durch die Autorität). Eine Lösung dieses (scheinbaren)
Widerspruchs ließe sich nur dahin gehend erreichen, wenn man das Ziel
(die Wiederherstellung der Kirche als Heilsinstitution) antizipiert und
wenn die verschiedenen Schritte dahin als provisorisch eingestuft
werden bis zur endlichen Restitution. Eine endgültige Rechtfertigung
dieses Restitutionsprozesses könnte erst durch die tatsächlich
restituierte Autorität erfolgen. (Das war auch die Auffassung des
inzwischen verstorbenen Bischofs Guérard des Lauriers).
Diese Antizipation der Wiederherstellung der Autorität und der Kirche
als Heilsinstitution und die Selbstzurückhaltung in der Beurteilung des
Handelns dazu (Handeln also unter Vorbehalt einer späteren
Rechtfertigung) sind m.E. die Voraussetzungen nicht nur für jedwede
Restituierungsversuche, sondern auch für das unter den gegebenen
Umständen kirchlich legitimierte Spenden der Sakramente und der
Anteilnahme an ihnen - und nur das ist für das Seelenheil jedes
einzelnen entscheidend. Hier wird sowohl beachtet, daß es außerhalb der
Kirche kein Heil geben kann, d.h. daß man nicht in sektiererischen
Zirkeln sein Heil, seine Heilsmittel sucht, zum anderen aber auch der
Versuch integriert, diesen autoritätslosen - d.h. auch "heillosen" -
Zustand zu beenden. Und nur unter dieser Voraussetzung ist meines
Erachtens religiös-kirchliches Handeln erlaubt (weil dadurch vorläufig
gerechtfertigt).
Man sollte sich über die Konsequenzen klar sein, wenn man sein
religiöses Leben ohne Rückbezug auf die Kirche, außerhalb der es ja
kein Heil gibt, ausrichtet, wenn man in bewußt heilsegoistischer Manier
Sakramente empfängt, die von Vaganten - mögen sie sogar gültig geweihte
Priester sein! - gespendet werden, die aber ihrerseits nicht anders als
sektiererische 'Kundendienstler' zu apostrophieren sind, die nicht dem
Wohl der Kirche dienen bzw. sie aufbauen (wollen), sondern vornehmlich
ihre Klientel im Auge haben. Diese Personen sind schlicht von
niemandem, d.h. von keiner kirchlichen Autorität beauftragt und auch
nicht in dem obigen Sinne dazu legitimiert.
Man sollte sich nichts vormachen: Empfang und Spendung wären unerlaubt,
sie wären hinsichtlich ihrer Heilswirkung, d.h. hinsichtlich des
gnadenhaften Aufbaus des Verhältnisses zu Gott zumindest problematisch,
wenn nicht sogar wirkungslos. (N.b. es empfiehlt sich, einmal unter
diesem Aspekt des effizienten Gnadenflusses und der Gnadenwirkung das
Verhalten seiner sog. Mit-Christen, die ständig bei irgendwelchen
obskuren bzw. sektiererischen Klerikern zu den Sakramenten gehen, etwas
genauer unter die Lupe zu nehmen! Man wird erstaunt sein!)
Ich mache hier einen Exkurs, denn hier ergibt sich die Gelegenheit, den
von mir häufig gebrauchten, möglicherweise sogar strapazierten Terminus
"Heilsegoismus" näher zu erläutern, damit keine Mißverständnisse
auftreten. Natürlich soll sich der Gläubige um sein Seelenheil bemühen!
Darum hat Christus ja seine Kirche als Heilsinstitution gegründet! ...
damit diejenigen, die die Früchte Seines Kreuzesopfers annehmen, wieder
den (zwar verborgenen, aber personal-realen) Bund mit Gott schließen
können. "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und
dies alles (d.s. die Güter zum täglichen Leben) wird euch dazugegeben
werden." (Mt. 6,33) Aber dieses Heilsangebot hat Christus Seiner Kirche
übergegeben, und deswegen gibt es dieses nur innerhalb der Kirche,
weswegen die Heilsaneignung auch nur in ihr vollzogen werden darf und
nicht außerhalb.
Außerhalb der Kirche befinden sich aber all die Sektierer und Vaganten,
d.h. Priestern - sogar ohne Anführungszeichen! -, die nicht zur
Sakramentenspendung berechtigt sind, die keinen kirchlichen Auftrag
dazu haben, die jedoch in letzter Zeit ihre Dienste verschiedenen
Zentren angeboten haben. Die Gläubigen dürfen nur bei Klerikern
Sakramente empfangen, die innerhalb der Kirche stehen und in ihr
wirken. (Was das in der heutigen Situation bedeutet, habe ich oben
erläutert.) Ein Heilsegoist ist demnach jemand, der bewußt extra
Ecclesiam (außerhalb der Kirche) oder sagen wir es etwas vorsichtiger:
sine Ecclesia (ohne die Kirche), d.h. unerlaubt sein Heil, und
besonders die Sakramente - nur für sich! zu finden hofft ... und damit
dem Sektierertum und der Heil(s)losigkeit verfällt.
Man könnte einwenden: Diese Position, die eigene religiöse Einstellung
durch Antizipation des Wiederaufbaus der Kirche mit dem Vorbehalt, das
Wirken dafür einer späteren Beurteilung zu unterstellen, ist nicht
realistisch angesichts der Mentalität und des Engagements der meisten
Gläubigen und Kleriker, die kaum am Wiederaufbau, ja nicht einmal an
der Bildung von Gemeinde mitzuarbeiten bereit sind, geschweige denn an
die Durchführung einer Papstwahl denken.
Natürlich sehe ich die Schwierigkeiten bei der Umsetzung solcher
Unternehmungen, die so groß sind, daß eine ganze Reihe von Gläubigen
bereits resigniert hat. Aber es ist ein Unterschied zu machen zwischen
der berechtigten Konzeption einer Aufgabe und deren Durchführung. Auch
wenn sich der letzteren Schwierigkeiten in den Weg stellen sollten, ja
wenn sie unter gewissen Umständen zeitweise als undurchführbar
anzusehen ist, bedeutet das doch nicht, daß man die als richtig
erkannte Aufgabe fallen läßt. Entscheidend ist doch, daß ich an ihr
festhalte und um Gottes Beistand für ihre Durchführung bete... und dann
werden sich schon Wege dafür finden. "Bittet, so wird euch gegeben
werden, suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch
aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, der findet,
und wer anklopft, dem wird aufgetan." (Lk. 11,9-10) Wenn ich einem
Kranken helfen will, mir aber im Augenblick das entsprechende
Heilmittel fehlt, kann ich den Kranken doch nicht zum Gesunden
'stempeln' oder erklären, es ist unnütz, kranken Personen helfen zu
sollen, nur um das Problem, wie ich ein Heilmittel besorgen kann, zu
'lösen'!
In ethischen Kategorien formuliert: Das Soll-Sein des in sich
gerechtfertigten Solls (d.i. die Wiederherstellung der Kirche) kann
nicht deshalb nicht gelten, weil das faktisch-konkrete Sein (d.s. die
bisher ungelösten theoretischen und organisatorischen Probleme zu deren
Bewältigung, aber auch die Bequemlichkeit, das Desinteresse der
Betroffenen, also unsere eigenen Schwächen) diesem Soll-Sein
entgegensteht. Positiv formuliert: Das Soll-Sein gilt (soll sein) -
unabhängig von dessen Realisierungsproblemen.
Das Hauptproblem bei der Restitution ist sicherlich ein mentales. Der
Wiederaufbau muß bereits 'in unseren Köpfen' stattgefunden haben! Und
gingen wir mit dieser Einstellung an ihn heran, dann nähmen wir auch
jede Chance zur Umsetzung dieser Aufgabe wahr. Hinsichtlich der
Gemeinde-bildung innerhalb einer Region z.B. dürfte es eigentlich keine
besonderen Probleme geben: regionaler Zusammenschluß des rechtgläubigen
Klerus, der um sich die Gläubigen schart und für diese dauerhaft
pastorale Verantwortung trägt, Absprache und Organisation der
Seelsorgarbeit. Daß es dazu bis jetzt noch nicht gekommen ist, spricht
für sich. Was wäre aus der Kirche geworden, wenn die Apostel und die
ersten Christengemeinden sich so verhalten wie wir es teilweise tun? Ob
dann nicht dieses Kirchen-Gebilde schon nach kürzester Zeit von "den
Pforten der Hölle" überwunden worden und die Kunde davon nur noch in
einigen Lexikas der Antike verzeichnet wäre?
Man muß wissen, was man will: entweder religiös mehr oder weniger
konzeptlos dahinzudümpeln, um immer tiefer im sektiererischen,
heil-losen Milieu zu landen, oder mit einer klaren religiösen und
kirchlichen Perspektive bzw. Strategie am Wiederaufbau der Kirche
mitzuarbeiten, um in ihr sein Heil (wieder) finden zu können.
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