"Dominus Iesus"
- Rückkehr zur wahren Kirche oder ökumenischer 'Störfall'? -
von
Eberhard Heller
Anfang September letzten Jahres sorgte eine vatikanische Erklärung für
erhebliche Aufregung, die ihren Niederschlag in zahlreichen
Presseverlautbarungen und Leserbriefen fand: gemeint ist die von der
vatikanischen "Glaubenskongregation" vorgelegte und von deren
Präfekten, Kard. Ratzinger, am 5. September letzten Jahres
unterzeichnete Erklärung "Dominus Iesus" (über die "Einzigkeit und die
Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche" - verwirklicht in der
kath. Kirche), die Johannes Paul II. "kraft seiner apostolischen
Autörität" bestätigt hat und die deshalb Verbindlichkeit im Glauben -
zumindest - beansprucht.
Die einen sind über diesen Anspruch nach Jahren des interreligiösen
Dialogs empört z.B. der Ratsvorsitzende der EKD, Manfred Kock, der von
einem "Rückschlag für das ökumenische Miteinander" spricht (AACHENER
ZEITUNG vom 6.9.00). Das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche,
'Erzbischof' George Carey kritisierte, das Dokument "vernachlässige
drei Jahrzehnte des ökumenischen Dialogs (so u.a. die in Bozen
erscheinende Zeitung DOLOMITEN vom 6.9.00). Schlagworte wie "Eiszeit",
"römischer Fundamentalismus", "Ende der Umarmungen" (AZ vom 7.9.00)
fallen. Ablehnung erfährt die Erklärung auch von den Orthodoxen, den
Juden und den Muslimen.
Während auf der einen Seite der Sprecher der sog. 'Kath.
Kirchen-Volksbewegung' "Wir sind Kirche", Christian Weisner, von einer
"Kriegserklärung gegen die Kirchen der Reformation" (AZ vom 6.9.00)
spricht, freuen sich konservative Kreise, daß nun nach Zeiten der
Anpassung und der Vernachlässigung des Anspruchs auf Einzigartigkeit,
den die Kirche stellen muß, diesen endlich wieder klar betont hat.
Bevor wir dieses Dokument, welches u.a. auch in unseren Kreisen die
Frage aufgeworfen hat, ob sich Johannes Paul II. durch diese Erklärung
möglicherweise wieder als Papst rehabilitiert habe (in der Terminologie
der Des-Lauriersisten: ob der materialiter Papst Wojtyla nun auch
wieder formaliter Papst sei), weiter besprechen, möchten wir die
entscheidenden Passagen vorstellen, auf die sich die
unterschiedlichsten Emotionen beziehen.
"Die immerwährende missionarische
Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien
gefährdet, die den religiösen Pluralismus nicht nur de facto, sondern
auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen ... Die Wurzeln
dieser Auffassungen sind in einigen Voraussetzungen philosophischer wie
auch theologischer Natur zu suchen, die dem Verständnis und der Annahme
der geoffenbarten Wahrheit entgegenstehen... Um dieser relativistischen
Mentalität, die sich immer mehr ausbreitet, Abhilfe zu schaffen, muss
vor allem der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung
Jesu Christi bekräftigt werden... Nicht selten wird der Vorschlag
gemacht, in der Theologie Ausdrücke wie 'Einzigkeit', 'Universalität'
oder 'Absolutheit' zu vermeiden, weil dadurch der Eindruck entstünde,
die Bedeutung und der Wert des Heilsereignisses Jesu Christi würde
gegenüber den anderen Religionen in übertriebener Weise betont. In
Wirklichkeit bringen diese Worte nur die Treue zum Offenbarungsgut zum
Ausdruck, weil sie sich aus den Glaubensquellen selbst ergeben ... Die
Gläubigen sind angehalten zu bekennen, dass es eine geschichtliche, in
der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität zwischen der von
Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt... Es gibt also
eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert
und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm
geleitet wird. Die Kirchen, die zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft
mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande, wie die
apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie, mit ihr verbunden
bleiben, sind echte Teilkirchen. Deshalb ist die Kirche Christi auch in
diesen Kirchen gegenwärtig und wirksam, obwohl ihnen die volle
Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die
katholische Lehre vom Primat nicht annehmen, den der Bischof von Rom
nach Gottes Willen objektiv innehat und über die ganze Kirche ausübt.
Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und
die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen
Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen
Sinn; die in diesen Gemeinschaften Getauften sind aber durch die Taufe
Christus eingegliedert und stehen deshalb in einer gewissen, wenn auch
nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche... Diese getrennten
Kirchen (sind) trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben
anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles ..."
(kna) (AACHENER ZEITUNG vom 6.9.00) (Weitere Auszüge können über
die Internet-Adresse
abgerufen werden.
Wie ist diese Erklärung vom wahren katholischen Standpunkt aus zu
bewerten? Hat die 'Konzils-Kirche' damit ihre Souveränität und
Rechtgläubigkeit wieder hergestellt bzw. kann diese Erklärung für den
Glaubens-Status, den die 'Konzils-Kirche' auf und nach dem II.
Vatikanum definiert und eingenommen hat, überhaupt geltend gemacht
werden?
Auch wenn die Bemerkungen zu den schismatischen Kirchen und den
häretischen Gemeinschaften eher ungenau sind, wollen wir einmal davon
ausgehen, daß diese Erklärung im Sinne der Rechtgläubigkeit
interpretiert werden kann und an die Bestimmungen über die Kirche, die
u.a. auf dem Laterans-Konzil von 1215 getroffen wurden 1), in der Bulle
"Unam sanctam" von Papst Bonifaz VIII. aus dem Jahre 1302 enthalten ist
2) oder auf dem Konzil von Florenz 3) definiert wurden.
Mit dieser Kirchen- und Ämterdefinition erhebt die Erklärung Anspruch
auf Exklusiviät und Autorität: Exklusivität hinsichtlich der Gründung
und Beauftragung durch Unsern Herrn Jesus Christus, Autorität
hinsichtlich der uns geoffenbarten Wahrheit. Kann diese
'Konzils-Kirche' - denn sie kann sich ja nur selbst meinen - diese
Ansprüche erfüllen? Hier muß man mit einem klaren "Nein" antworten.
Beide wurden bereits auf dem Konzil preisgegeben.
Hinsichtlich der aufgegebenen Exklusiviät läßt sich u.a. verweisen auf
die vatikanische Erklärung "Lumen gentium", der "Dogmatischen
Konstitution über die Kirche" vom 21.11.1964, in der es u.a. heißt:
"Der Heilswille umfaßt aber auch die, die den Schöpfer anerkennen,
unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Glauben Abrahams
bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barm-herzigen, der die
Menschen am Jüngsten Tag richten wird" (Kap. 16).
Bereits in seiner Antrittsenzyklika weist Johannes Paul II. darauf hin,
daß die feste Überzeugung der Bekenner nicht-christlicher Religionen
aus dem "Heiligen Geist" hervorgehe.
Seit seiner Afrika-Reise 1978 verkündet Wojtyla, Christen, Moslems und
Juden glaubten "an denselben Gott" - mit den letzteren, den Juden,
wartet er auch noch auf die Ankunft des Messias. (Daß dieses Bekenntnis
implizit auch die Leugung des Dreieinigen Gottes bedeutet, durch welche
Leugnung sich Wojtyla zugleich als Apostat darstellt, ist vielen nicht
klar.)
Hingewiesen werden sollte auch auf das skandalöse, sog. Gebetstreffen
in Assisi, das so recht die synkretistische Einstellung Wojtylas
demonstrierte, mit seinen vielen Nachfolgetreffen. 4)
Fast gleichzeitig mit der Veröffentlichung obiger Erklärung läßt sich
Wojtyla durch den Kurienkard. Francis Arinze auf der am 28. August
eröffneten Konferenz zur Gründung der "One World Religion" vertreten,
zu deren Initiatoren laut KNA auch der bekannte Häretiker Hans Küng
zählt. Laut "Schwarzem Brief" Nr. 31/2000, dessen Herausgeber C. Peter
Clausen ein dezidierter Anhänger Wojtylas ist, gleichwohl konservative
Interessen vetritt, hat die "One World Religion" folgende Ziele: "Die
in Pittsburgh jetzt offiziell gegründete 'Eine-Welt-Religion' ist eine
Idee der Hochgradlogen und soll in erster Linie dazu dienen, die
römisch-katholische Kirche und das Papsttum zu beseitigen. An der
Spitze der Bewegung stehen die Freimaurer in den USA, von denen die UNO
gesteuert wird." - Vertritt jemand Exklusivität, der zugleich auf dem
Altar der Freimaurerei aufopfert?
Was die Autorität, die sich nur auf der Treue zu der uns geoffenbarten
Wahrheit aufbauen kann, betrifft, so brauche ich nur auf die über
dreißig Jahre andauernde Dokumentation der Häresien und Apostasien
hinweisen, die in dieser Zeitschrift festgehalten sind. Ich denke hier
an die theologisch akkribischen Untersuchungen über den so. N.O.M., in
denen minutiös dargestellt wurde, daß der neue Ritus in sich ungültig
ist und daß derjenige, der einen solchen ungültigen Ritus promulgiert,
ipso facto aufhört Papst zu sein.
In Amerika ist eine Publikation erschienen, in der sich der Autor die
Mühe gemacht hat, 101 Häresien von Johannes Paul II. (mit
entsprechendem Verweis auf die kirchlichen Lehrentscheidungen)
aufzulisten. 5)
Um auf ein weiteres Dokument hinzuweisen, in welchem die sich als
rechtgläubig darstellende 'Konzils-Kirche' gegen den Glauben der Kirche
verfehlt, nenne ich schließlich noch die von Protestanten und sog.
'Katholiken' unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung",
in der die angeblich katholische Seite protestantische Positionen
bezieht. 6)
Und wie geht man mit dem Problem der Autorität schließlich in den
Kreisen um, die sie beanspruchen? Zwei Tage nach seiner Ernennung
zum 'Kardinal' sprach der Ökumenist Kaspar von einer "schmerzlichen
Erfahrung", die ihm das Dokument "Dominus Iesus", welches ja
verbindliche Lehrautorität beansprucht, zugefügt habe. Auch der als
Kardinal nachnominierte Lehmann sprach von einer "unglücklichen
Geschichte" um "Dominus Iesus". Und noch ein Beispiel
inner-'kirchlicher' (Lehr)Autorität: Während die übrigen deutschen
Bischöfe ihre Schwangeren-Beratung auf der Basis eines anderen Modells
durchführen müssen, berät der Limburger 'Bischof' Kamphaus nach dem
alten Modell weiter, nach welchem Scheine zur Abtreibung ausgestellt
werden... denn auch eine 'katholische' Frau muß straffrei abtreiben
dürfen.
Aber wie wichtig ist dem Vatikan selbst die Autorität? Nach der
Veröffentlichung von "Dominus Iesus" hatte sich ein Proteststurm gegen
den Vatikan gerichtet. Wenn man einem Bericht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG
vom 23.2.01 Glauben schenken darf, sah "'der Präfekt des Päpstlichen
Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Edward Cassidy, schon das
Haus einstürzen, das wir mühevoll gebaut hatten.' Auch dem Papst
blieben die Proteste nicht verborgen, erschrocken rief er seinen
Freund, den polnischen Bischof Alfons Nossol, an, wie man sich im
Vatikan erzählt. Seither macht Johannes Paul immer wieder deutlich, wie
wichtig ihm die Ökumene ist." - Eine solche Geste kommt fast einer
Rücknahme der Erklärung gleich.
Es soll aber auch erinnert werden an die zahlreichen Skandale, die
Johannes Paul II. vor der Öffent-lichkeit gegeben hat. Ich denke hier
zum einen an die Bezeichnung mit dem Tilak-Symbol während seines
Indien-Besuches und das Treffen, auf dem Wojtyla den Koran küßte - eine
Ehrerbietung, die nur dem Worte Gottes zusteht! - Kann man auf
Autorität pochen, wenn man nicht nur die geoffenbarte Wahrheit
verleugnet, sondern auch sich selbst?
Auch wenn gezeigt wird, daß diese Erklärung weder Exklusivität noch
Autorität de jure beanspruchen kann, könnte es nicht per salto die
vorherigen, dem Glauben wiedersprechenden aufheben?
Zunächst enthält "Dominus Iesus" keinen Hinweis, daß mit diesem
Dokument ein anderes außer Geltung gesetzt werden soll. D.h. es geht
von der Gegebenheit der 'Konzils-Kirche' in ihrem defacto-Zustand aus,
für die es die Geltung von Exklusivität und Autorität erhebt. Diesem
Anspruch kann aber die 'Konzils-Kirche' wie gezeigt nicht entsprechen!
Die gerade gestellte Frage könnte man verallgemeinern: Wie wäre denn
eine Rekonziliation der 'Konzils-Kirche' möglich? Wie könnte - um es
noch einmal in der leidigen Terminologie der Des-Lauriersisten zu
formulieren - denn der materialiter Papst Wojtyla wieder formaliter
Papst werden? Nehmen wir an, die Hierarchie würde ihre Irrtümer
einsehen und die Orthodoxie wieder herstellen. Wäre mit solchen
Operationen eine Rekonziliation vollzogen, könnten die jetzigen
Amtsinhaber nach einer solchen geistigen Reinigung ihre Ämter weiter
ausüben? Nach den Bestimmungen der Bulle "Cum ex apostolatus officio"
Pauls IV. vom 15. Februar 1559 sind Häretiker amtsunfähig, sie haben
die Ämter verloren.
"Wenn es jemals vorkommt, daß ein
Bischof, Pariarch, Kardinal, selbst ein Papst vor seiner Wahl oder
Erhebung ins Amt irgendwie vom Glauben abgewichen ist oder in
irgendeine Häre-sie gefallen ist, dann ist die Wahl, selbst wenn sie
von allen Kardinälen übereinstimmend vorgenommen worden ist, ungültig,
null und nichtig, ohne Wert. (...) Er hat weder geistliche noch
weltliche Befugnisse."
Eine Frage, deren Beantwortung jedoch diese Darstellung sprengen würde,
müßte noch gestellt werden: Ist dann überhaupt noch eine Rekonziliation
der Konzils-Kirche möglich? Welche Bedingungen müßten erfüllt werden?
Anmerkungen:
1) "Es gibt nur eine allgemeine Kirche der Gläubigen." (DS 430)
2) "Daß es nur eine heilige katholische und apostolische Kirche gebe,
zwingt uns der Glaube anzunehmen und festzuhalten. (...) Daher hat
diese eine und einzige Kirche nicht zwei Häupter wie eine Mißgeburt,
sondern nur einen Leib und ein Haupt, nämlich Christus und seinen
Stellvertreter, Petrus, und dessen Nachfolger." (DS 468; vgl. ebenso DS
694)
3) "Wir bestimmen, daß der Heilige Apostolische Stuhl und der römische
Papst den Vorrang über die ganze Welt inne hat, daß der römische Papst,
der Nachfolger des heiligen Petrus, des Apostelfürsten, der wahre
Stellvertreter Christi, das Haupt des gesamten Kirche und der Vater und
Lehrer aller Christen ist". (DS 694; vgl. dazu auch die Bestimmungen
des 1. Vatikanums, 4. Sitzung, DS 1821, 1822). Über die
Regierungsbefugnisse der Bischöfe vgl. DS 1828.
4) Über die theologischen Dimensionen dieses Treffens informiert Prof.
Johannes Dörmann: "Der theologische Weg Johannes Pauls II." (Sitta
Verlag, Senden/Westf.)
5) Diese Liste ist in deutscher Übersetzung als Apendix zu der
"Grundsatzerklärung zur Wahl eines Papstes" im Verlag "Pro fide
catholica", Durach 2000, erschienen.
6) Eine ausführliche Analyse dieses Dokuments steht noch aus.
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