Unerwartete 'Hilfe'
von
Eberhard Heller
Unsere Situation gibt wenig Anlaß zum Jubeln. Daß sich bei einer Reihe
von Gläubigen und Klerikern Resignation und Gleichgültigkeit einstellt,
kann man nachvollziehen: die Hindernisse, die man aus dem Weg räumen
müßte, scheinen unüberwindlich. Sich einzugestehen, daß man keinen
Ausweg sieht, wäre aufrecht. Wenn aber die Resignation ihre Stimme im
Gewande der skeptischen Bescheidenheit erhebt und, um sich aus der
Öffentlichkeit abzumelden, nicht ohne andere, die sich weiter
abstrampeln, zu verteufeln (sic!), dann kann ich das nicht als
Freundschaftsdienst ansehen, sondern fühle micht verpflichtet, dazu
etwas zu sagen. Um was geht es?
* * *
In seinem Rundbrief vom Februar 2001 schreibt Herr Dr. W. Grössler, der
Leiter der "Christen-Initiative e.V. zur Erhaltung der göttlichen
Ordnung und des Glaubens", u.a.:
"Liebe Mitarbeiter und Freunde !
Der rasante Verfall aller sittlichen Werte, der überhandnehmende
Glaubensschwund innerhalb der Hirtenschar, die sich häufenden
Naturkatastrophen wie auch das Auftreten bisher unbekannter und
gefährlicher Seuchen lassen nun auch den letzten Schläfer aus seinem
Traum von einer noch einigermaßen heilen Welt aufwachen. Satan ist
wirklich losgelassen und weiß, daß er keine Zeit mehr hat. Rückblickend
muß man feststellen, daß alle unsere Bemühungen zur Abwehr oder
Änderung letztlich vergeblich gewesen sind. (...) Es ist natürlich,
sich in solcher Situation zu fragen, ob man nicht selbst etwas bei
diesem Abwehrkampf falsch gemacht hat. Es ist doch Christenpflicht,
nicht tatenlos zuzusehen, wenn Unrecht oder gar Böses geschieht. Man
hat Pläne für den Abwehrkampf ge-schmiedet, sich zu Demonstrationen,
Tagungen und anderen Veranstaltungen zusammengeschlossen, um die
Verantwortlichen in Kirchen und Regierungen zu mobilisieren. (...)
Trotzdem aber konnte keine Änderung zum Guten erreicht werden. Woran
lag das nur? (...)
Und plötzlich erkannte ich die Ursache: Es ist eine ganz natürliche
Reaktion, wenn man mit einem Übel konfrontiert wird, irgend etwas zur
Abwehr zu unternehmen. (...) Als Christ wird man dabei auch nicht auf
das Gebet um Unterstützung vergessen. So gerüstet schreitet man zur
Tat. Wo aber ist bei diesem Vorgehen Raum, daß nicht unser Wille,
sondern der Wille Gottes geschehe? Liegt nicht vielleicht der Grund für
die Erfolglosigkeit des Unternehmens darin, daß Gottes Plan und Wille
anders gerichtet war? Wäre es darum nicht besser gewesen, vor der
eigenen Planung und Durchführung zu versuchen, den Willen Gottes zu
erforschen und dann IHM unter hingebender Mitwirkung das Handeln zu
überlassen? So sollte man wohl besser zuerst einmal bedenken, daß
gerade auch die Tatsache, daß Gott etwas zuläßt, ein Zeichen dafür ist,
daß hier eine bestimmte Absicht, ein Grund vorhanden ist, den wir zu
respektieren haben. Denn Seine Wege sind nicht unsere Wege.
Daraus wird jetzt klar, daß jede eigene Eigenmächtigkeit, jedes
eigenmächtige Denken und Handeln, selbst auch dann, wenn wir
Sturmgebete für das Gelingen veranstalten, vergeblich sein muß, wenn es
Gottes Willen nicht entspricht. So kann sogar die an sich gute
Unternehmung zum Unheil werden, ja sogar für den Gegner zur
Unterstützung werden.
Ein Beispiel: Papst JOHANNES PAUL II.: Er wurde zweifellos gesetz- und
formgerecht gewählt und ins Amt eingesetzt. Trotz behaupteter oder
bewiesener Häresien oder Handlungen wird er bis zum heutigen Tage von
Gott in vollem Amt wirkend belassen trotz aller scheinbaren
Verfehlungen. Nun aber haben sich gerade aus den Reihen seiner
Untergebenen wie auch anderer guter Gläubigen Zusammenschlüsse
gebildet, die das Recht und die Verpflichtung zu haben glauben, diesem
unguten Oberhaupt aufgrund seiner gegen Glaubensaussagen erscheinenden
Haltung nicht nur den Gehorsam zu verweigern und ihn herabzusetzen,
sondern ihm auch das Amt abzuerkennen.
Diese Schriftgelehrten und Gesetzeskundigen warnen nun ihre Mitmenschen
vor der weiteren Gefolgschaft, zeigen die Mängel und gravierenden
Fehler auf etc., so daß das Oberhaupt als Kollaborateur erscheint. Was
für Folgen ergeben sich daraus? Anstatt gerade in dieser gefährlichen
Situation alles daran zu setzen, die so notwendige Einheit und
geschlossene Front gegen den satanischen Feind zu bewahren, verursachen
sie in dem unwissenden Volk der einfachen und führungsbedürftigen
Gläubigen große Unsicherheit, Zweifel und Spaltung. Das wird noch
dadurch verstärkt, daß diese Gläubigen gar nicht die Möglichkeit haben,
den 'für das Heil so notwendigen Anweisungen' und Vorschriften dieser
Papstkritiker zu folgen. Verbreitung von Unsicherheit und Spaltung aber
sind immer ein Zeichen dafür, daß hier Satan am Werk ist. So kommt es,
daß also letztlich aus dem für den Gläubigen gut und hilfsnotwendig
gehaltenen Bemühungen letzten Endes eine Unterstützung des Bösen wird.
Und das, weil der Mensch es nicht lassen kann, gerade in kritischen
Situationen nach eigenem Gutdünken zu handeln und nicht demütig Gott
das Handeln zu überlassen. Wir sollten daraus die Lehre ziehen, viel
mehr Gott das Handeln zu überlassen, IHM jedoch dabei stets unsere
Bereitschaft zur dienenden Mithilfe zuzusichern."
***
Sehr geehrter Herr Grössler!
Vielen Dank für die offenherzige Einschätzung unserer Arbeit, die Sie
für die "Verbreitung von Unsicherheit und Spaltung" halten und als
Zeichen deuten, "daß hier Satan am Werk ist". So negativ ordnet nicht
einmal der von uns bekämpfte Kard. Ratzinger unsere Bemühungen ein,
wenn er ähnliche Feststellungen zur Liturgiereform trifft wie wir. Er
als dezidierter Vertreter der Konzils-Kirche schreibt z.B., die
Liturgiereform als Resultat der Reform Pauls VI. sei "in seiner
konkreten Verwirklichung keine Neubelebung, sondern eine Verwüstung"
(Vorwort zu Gamber "Die Liturgiereform" Le Barroux 1992, S. 6). In
"Mein Leben, Erinnerungen 1927-1997" Rom 1997, äußerte sich Ratzinger
noch deutlicher: "Ich bin überzeugt, daß die kirchliche Krise, in der
wir uns heute befinden, zum großen Teil vom Zusammenbruch der Liturgie
herrührt."
Häresien haben Konsequenzen für die Amtsinhaber. Es ist z.B. völlig
undenkbar, daß ein Papst als Nachfolger des Stellvertreters Christi auf
Erden leugnen dürfte, daß dieser Gottes Sohn ist. Er würde dadurch vom
Glauben abfallen und ipso facto auch sein Amt verlieren. Wie soll man
aber die Aussagen Johannes Pauls II. verstehen, wenn er mit dem II.
Vatikanum davon redet, Christen, Juden und Muslime beten den gleichen
Gott an. Diese Gleichsetzung bedeutet nicht nur die Leugnung der
Einzigartigkeit der Offenbarung Gottes "in seinem Sohn" (Hbr. 1,1),
sondern implizit auch die der Trinität. Das aber bedeutet Apostasie.
Sie, Herr Dr. Grössler schreiben: "Anstatt gerade in dieser
gefährlichen Situation alles daran zu setzen, die so notwendige Einheit
und geschlossene Front gegen den satanischen Feind zu be-wahren,
verursachen sie [damit sind wir, die Sedisvakantisten gemeint] (...)
große Unsicherheit, Zweifel und Spaltung." Welchen Feind meinen denn
Sie, den Sie als Leiter der "Christen-Initiative e.V. zur Erhaltung der
göttlichen Ordnung und des Glaubens" zusammen mit einem Apostaten
bekämpfen wollen? Wollen Sie den "Teufel mit Belzebub" austreiben?
Welchen Teufel? Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, daß die
modernistische Theologie, an deren Verbreitung besonders Mgr. Wojtyla
einen entscheidenden Anteil hat, sich nicht nur im religiös-geistigen
Bereich auswirkt, sondern bereits das gesellschaftlich-politische Leben
infiziert hat? Sehen Sie nicht, wie sich die sog. Ökumene bzw. der
Synkretismus im kirchlichen Raum als Multi-Kult-Gesellschaft im
Politisch-Gesellschaftlichen präsentiert... jenes Monster, das
zwanghaft von unseren Politikern, auch den "schwarzen", als neue
Heilsbotschaft propagiert wird, dem wir aber die Kriege auf dem Balkan
verdanken, die anhaltend blutigen Auseinandersetzungen zwischen
Israelis und den Palästinensern oder die andauernden Kämpfe im Sudan,
wo Moslems die Christen abschlachten? Sehen Sie nicht, daß die
'Konzils-Kirche' längst mit all den kirchenfeindlichen Organisationen -
Freimaurern, UNO, Bnai-Brith etc. - kollaboriert? Haben Sie vergessen,
daß die sog. 'kath. Kirche' bis vor kurzem in die staatliche
Abtreibungsmaschinerie durch die Ausstellung der Beratungsscheine, die
nur den einen Zweck haben: straffrei abtreiben zu dürfen, involviert
war? Meinen Sie, diese früheren Beratungs-stellen ungehindert wirken zu
lassen, sei gottgefällig? Vielleicht sollten Sie einmal überlegen, ob
nicht Sie die Ursachen für diese Krise, der zugestandenermaßen viele
hilflos gegenüberstehen, falsch eingeschätzt oder am falschen Ort
gesucht haben und es immer noch tun.
Die Stimme des Gewissens, die uns da mahnt, Widerstand zu leisten, ist
doch nicht das Sprechen des individuellen Ichs, sondern das Vernehmen
der Stimme der Wahrheit, der Stimme Gottes mit ihren Forderungen an
uns. Die Stimme des Gewissens ist die Stimme Gottes! Man kann sehr wohl
die Mittel und Zwecke gegeneinander abwägen, auch aus Gründen der
Klugheit. Aber wenn man beginnt, die Stimme des Gewissens gegen die
Stimme (den Willen) Gottes auszuspielen, verliert man jeden Maßstab,
gerät in unlösbare Aporien und versinkt in bodenlosem Skeptizismus. Nun
frage ich Sie, Herr Dr. Grössler, der ja will, daß nicht unser Wille,
sondern der Wille Gottes geschehe, ist es in der Tat der Wille Gottes,
daß ein Apostat de facto auf der Kathedra Petri sitzt, daß also jemand,
der implizit die Offenbarung Gottes leugnet, der Nachfolger von dem
sein kann, den Er als seinen Stellvertreter eingesetzt hat, um der
geoffenbarten Wahrheit zu dienen? Zulassung bedeutet doch nicht
Zustimmung! Gott läßt den Menschen frei! Warum leiten Sie aus einem
Faktum - der Tatsache, daß Wojtyla auf dem Stuhl Petri sitzt - ab, daß
er dies auch rechtmäßig tut?
Mit freundlichen Grüßen Ihr Eberhard Heller |