Wie Christus als Gottes Sohn erkannt werden kann - weiterführende Betrachtungen
Auf meine Ausführungen zu der Frage "Ist Jesus Christus der Sohn Gottes?", die ich auch Bekannten und Freunden zukommen ließ, die zwar nicht Bezieher der EINSICHT sind, von denen ich aber wußte, daß sie Interesse an fundamental-theologischen Problemen haben, bekam ich unterschiedliche Reaktionen. Ein früherer Klassenkamerad, der nach dem Abitur Theologie studierte, schrieb mir: "Habe versucht, Deinen Artikel zu lesen - aber für mich sind diese philosophischen Gedanken über Jesu Gottessohnschaft einfach nicht nachvollziehbar. M. A. kann ich mich dem tiefsten Geheimnis Jesu nur biblisch-theologisch annähern. Meine ratio ist zu klein, um das Geheimnis Jesu auszuloten. Mein Rat: Lies doch bitte einmal Mt 11,1 ff ([der Täufer Johannes - selbst im Gefängnis - läßt durch seine Jünger Jesu fragen] "Bist du es, der da kommen soll - oder sollen wir auf einen anderen warten?" - und die Antwort Jesu darauf.) Eine andere Antwort ist nicht möglich!"
Meine Antwort darauf: Johannes, der in Erwartung des künftigen Messias lebte und von dem Christus selbst als dem Größten "unter den vom Weibe Geborenen" (Matt. 11,11) redet, konnte die Antwort Christi sehr wohl als Beleg für dessen göttliche Sendung verstehen: "Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium verkündet und selig ist, wer nicht Anstoß nimmt an mir." (Matt. 11, 5 f.) Aber diese Antwort ist sehr wohl an die Erkenntnisfähigkeit des Johannes gerichtet, der in diesen Beispielen das Wirken Gottes bzw. des Gottes-Sohnes sehen mußte.
Eine zustimmende Antwort erhielt ich von einem Studienkollegen, der sich sehr intensiv mit der nach-konziliaren Entwicklung der Kirche beschäftigt hat und aus dessen Brief ich einige Sätze zitieren möchte: "Deinen Ausführungen über die Frage, wie Christus als Gottes Sohn erkannt werden kann, stimme ich weitgehend zu. Einige Anmerkungen: - Du sagst: Das (bloß) Tradierte - Schrift und Tradition - ... legen ... aus sich keine Basis, aus Überzeugung sagen zu können, daß er das "Fleisch gewordene Wort" (Joh. 1.1ff) ist. Andererseits muß aber das gesuchte Moment doch in diesem Material enthalten sein. Es legt also doch die Basis für die noch zu gewinnende Erkenntnis, nur ist die Stelle noch nicht geortet und ausgewertet, die zu der Erkenntnis führt. (…) - Du sagst: Damit wäre die eingangs gestellte Frage: Ist Christus Gottes Sohn? zumindest in groben Zügen beantwortet. Diese Frage ist aber noch nicht beantwortet, sondern es ist wohl nur verdeutlicht, was geleistet werden muß, damit sie beantwortet werden kann."
Was nun das zu suchende Moment in der Tradition angeht, so hatte ich bereits in EINSICHT Nr. 3 vom Sept. 2013, S. 84 postuliert: "In der Tradition muß ein Moment enthalten sein, ein genetisches, das mir den Zugang zu der absoluten Person weist, die sich dann auch als solche zeigen, sich offenbaren muß." Dieses Moment hatte ich dann weiter bestimmt als eines, welches sich selbst bezeugt.
"Dieses Moment muß – formal gesehen -, da es die Ebene des bloß behaupteten Gott-Seins überschreiten soll/muß, nicht von außen bzw. von etwas anderem herangetragen werden, sondern muß sich selbst bezeugen. Da es sich bei Gott nicht um ein bloßes Sein handelt, sondern um eine absolute Sollens-Forderung, die ihrerseits ihre absolute Erfüllung fordert, also ein Soll, das auch sein Soll-Sein verlangt." (EINSICHT Nr. 4 vom Dez. 21013, S. 115)
Um nun der Forderung nachzukommen, was noch geleistet werden muß, um eine voll-ständige Antwort auf die aufgestellte Frage "Ist Jesus Christus der Sohn Gottes?" zu geben, möchte ich fortfahren mit weiteren Bestimmungen zu dem Problem der Selbstbezeugung, welche aber eher als Kommentierung denn als systematische Fortführung an-zusehen sind.
Da ich die Seinsweise Gottes nicht selbst erzeugen kann - wenn ich es könnte, wäre ich selbst Gott! -, muß er sich selbst bezeugen (Ego eimi eimi - ich bin der, der ich bin). Er muß sich als Gott zeigen, offenbaren, so wie er als Gott ist, wobei seine Gottheit als solche in der Erscheinung hervortritt, hervortreten muß.
Der Begriff von Gott muß auf Christus angewandt und von daher mit Realität (dessen, was Gott aussagt, erfüllt werden. Der Begriff Gottes bzw. des Absoluten als das bonum (das Gute) und verum (das Wahre) muß den erfassen bzw. den umfassen, der sich als solcher zeigt. Es geht bei der Anwendung also nicht um das verum und bonum als solche, sondern um den schlechthin Guten, den Wahren. D.h. der Begriff des Absoluten muß mit der historischen, realen Person Christi verbunden und identifiziert werden können. Darum muß das (begrifflich) absolut Gute/Wahre) sich nicht nur mit dem, was sich mir via Tradition von Christus vorstellt bzw. mir vorgestellt wird, verbinden lassen, sondern muß mit dieser Vorstellung identisch sein: bonum/verum = Christus (bonus/verus). Es muß sich zeigen, daß Christus der Gute schlechthin ist. Bonum und Christus müssen identisch sein: Ab = Ac
Aber welche Bedingungen kann ich angeben, unter denen es möglich ist, diese Einsicht zu gewinnen? Ich muß einsichtig vollziehen können, daß die Vorstellung von Liebe/Sühne-Liebe, die Christus via Schrift und Tradition (Weitervermittlung seiner Intention auf der interpersonalen Schiene durch die Zeit hindurch) die absolute Setzung von Gut-Sein schlechthin ist.
Aufgabe der (Religions-)Philosophie ist es u.a. die Bedingungen aufzuzeigen, unter denen ich - um die historische Person Jesu wissend - ihn als den sich offenbarenden Gott erkennen und von ihm als Gott wissen kann. Erst durch diese Erkenntnis kann man eine klare Überzeugung seines Glaubens aufbauen. Klare Begrifflichkeit bezieht sich also auf den Begriff von Gott, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat. Es gilt eine Überzeugung auszuprägen, auszubilden, daß sich in der historisch verifizierbaren Person Jesus Gottes Sohn offenbart hat, geboren aus Maria, der Jungfrau, die ihn vom Hl. Geist empfangen hat: der absolut Heilige, der gekommen ist, - um seine Liebe real interpersonal zu verbreiten, - um für unsere Sünden zu sühnen, damit wir wieder fähig zu werden, uns als Sünder zu entsühnen, um wieder fähig werden, mit Ihm zu kommunizieren.
Aus dieser Überlegung, daß Christus der Absolute ist, der einzig und allein wahre Maßstäbe setzen kann und darf, entsteht dann auch die Basis für ein religiöses Verhältnis zu ihm, ein religiöses Leben, in dem ich bemüht bin, mit ihm (im Gebet oder durch die Sakramente, die mir Anteil am lebendigen Vollzug des göttlichen Lebens geben) zu kommunizieren, d.h. zu dem ich ein interpersonales Verhältnis eigener Art entwickeln kann, d.h. das den Unterschied von Schöpfer und Geschöpf, von Vater und Kind berücksichtigt, welches sich nicht in Furcht vor dem Absoluten noch in der Gleichrangigkeit - wie z.B. zu anderen Personen in unserem Umfeld - ausgestaltet, sondern von der Ehrfurcht vor Gott geprägt ist. Habe ich das begriffen - Gottes Sohn der einzig wahre Absolute -, dann schließen sich Irrtum und falsche Propheten, andere Religionen als gleichberechtigte Heilswege aus. (Exodus, 20,2: "Ich bin der Herr, dein Gott (…). Du sollst keine anderen Götter neben mir zum Trotz haben.") D.h. aber auch, daß ich jemand, der eine andere Religion angenommen hat, in dem (subjektiven) Glauben, die richtige gewählt zu haben, durchaus respektieren kann/muß, da der Zugang zu Gott, der Glaube an ihn, immer auch ein Akt der Gnade, der freien Zueignung Gottes ist, den man aufnehmen oder ablehnen kann. Ich kann den anderen, der einer falschen Religion anhängt, daher auch in Hoffnung annehmen, weil dieser ja prinzipiell zu einer Konversion fähig ist.
Wenn ich davon ausgehe, daß sich mir Gott als absoluter Herr gezeigt hat, dann ist es auch Pflicht jedes Christen, dieses Verhältnis zu Gott nicht solipsistisch - in und auf mich zurückgezogen zu gestalten, sondern dafür auch andere Personen - meine Nächsten - zu gewinnen, ihnen die "gute Botschaft" ("Gutbotschaft") das Evangelium zu eröffnen, wo-bei die gute Botschaft (Eu angelion) nicht immer froh sein muß. Diese Erkenntnis, daß der Absolutheitsanspruch gerechtfertigt ist, schließt ein, daß die Forderungen und Einrichtungen, die Christus erhoben bzw. eingerichtet hat - die Gründung der Kirche als Heilsinstitution, die Einsetzung der Sakramente, die theologischen Lehrsätze und die moralischen Grundsätze - unbedingt gelten, ausnahmslos. Dann weiß ich auch, daß ich durch den Empfang der Kommunion Ihn unmittelbar empfange, er also bei mir einkehrt, nicht wie er als reale Person den Jüngern begegnete und bei ihnen einkehrte, sondern verborgen, eben unter den Gestalten von Brot und Wein. Diese Verborgenheit ist aber auch die besondere Schwierigkeit, ein personales Verhältnis zu Christus als interpersonales Verhältnis zu gestalten, wie man es zu seiner Frau, bzw. sie zu ihrem Ehemann, den Kindern oder Freunden aufbaut.
"Von der Position dieses Wissens aus gesehen wird es auch verständlich, daß durch das willentliche Negieren, durch das Mißachten und das radikale Verwerfen der absolut geforderten Liebe zu Gott, diese Gottesliebe nicht vollzogen wird. Da diese Liebe jedoch absolute Voraussetzung für jede interpersonale Beziehung ist, die ihre moralische Erfüllung sucht, wird infolgedessen jede andere Form einer mitmenschlichen Beziehung - eine Form etwa, die sich nur noch auf einen ‘Humanismus‘ als Gehalt berufen kann - pervertiert und muß notwendigerweise scheitern. Denn wird diese mitmenschliche Beziehung nicht durch die in Gott erscheinende absolute Liebe und aus der Liebe zu dieser Liebe gespeist, dann kann der Inhalt, der notwendigerweise für eine Interpersonalitätsbeziehung als Einheit angesetzt werden muß, nur mehr Ausdruck absoluter Willkür und Grausamkeit sein, die zumindest implizit die selbständige Vernünftigkeit der anderen Person negiert, sie in praxi vernichtet, besonders dann, wenn dieses Surrogat einer interpersonalen "Einheit" die deklarierte willentliche Ablehnung der Liebe Gottes darstellt." (meine Ausführungen in: "Die Theorie der Interpersonalität im Spätwerk J. G. Fichtes" München 1974, S. 307)
Habe ich diese Glaubensüberzeugung nicht, d.h. habe ich nicht die Gewissheit, daß Christus Gottes Sohn ist, der nach seiner irdischen Laufbahn in den Himmel aufgefahren und nun zur Rechten Gottes thront, dann bleibt meine religiöse Position, die ich meinetwegen aus Gründen der Tradition (durch das Elternhaus) übernommen habe, ungesichert, hypothetisch. Unter Glauben wird dann, wie es die Volksseele tut, das subsummiert, was ich eben glaube, aber nicht weiß. Es ergibt sich dann folgendes Muster: wenn A gilt, dann auch B. Wenn Christus Gottes Sohn ist, dann gilt auch sein Gebot. Aber ich weiß nicht, habe keine Überzeugung, daß Christus Gottes Sohn ist, ich nehme es nur an, weswegen auch sein Gebot, seine Gründung, seine Bedeutung für unser Heil hypothetisch, fragwürdig bleiben. Das Wort Christi "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6) bleiben im Zweifel hängen. Wenn also A nicht gesichert ist, dann bleiben auch alle anderen Momente relativ ungesichert, auch zu anderen Institutionen, die sogar ansetzen B = B, wie der Islam, der ansetzt "Allah ist Gott und Mohammed sein Prophet", der darüber keinen Zweifel aufkommen läßt. Teilweise schauen überzeugte Mohammedaner nicht ohne Grund mit Verachtung auf ein Christentum herunter, welches sich nicht in der zentralsten Position sicher ist, daß nämlich Christus Gottes Sohn ist.
Was allerdings übrig bleiben kann, ist eine moralische Gewißheit, die mit der religiösen Position verbunden sein kann. So gelten z.B. Reformtheologen, die die orthodox katholische Position verlassen haben, aber gegen die Abtreibung, Prostitution oder Homosexualität protestieren, schon als konservativ (Wojtyla, Ratzinger).
Die hypothetische Glaubensposition hat auch eine traditionalistische Variante, die als solche kaum aufgedeckt wurde. Obwohl auch da die Unmittelbarkeit der Glaubensüberzeugung fehlt, gibt es eine ganze Reihe von sog. Traditionalisten, die sich auf ihr theologisches Wissen stützen. Sie vergleichen vor- und nach-konziliare Positionen und stellen die Abweichungen fest, wobei schnell klar wird, daß sich die verschiedenen Positionen zum gleichen Thema widersprechen. Auf Grund der Wahrheitsforderung nach Eindeutigkeit entscheiden sie sich dann für die vor-konziliare Bestimmung, da sie bis heute in Geltung war (eben in der Tradition).
Bin ich aber der festen Überzeugung, daß Christus Gottes Sohn ist, der sich als Person historisch manifestiert hat (et incarnatus est - der Mensch geworden ist) und sich als Gott geoffenbart hat, dann sind alle anderen Religionen, die sich ebenfalls auf "Gott" berufen, als wahre Religionen ausgeschieden. Sie können auch nicht als alternative Heilswege betrachtet werden - wie es die Reform-Kirche tut, die das Judentum und den Islam als (legitime) Heilswege betrachtet! (EINSICHT vom Feb. 2014, Nr. 1, S. 9-12)
*** Anmerkungen zum Sühnegedanken
Nach dem Verlust des Wesentlichen im Christentum müßte eine Rückkehr und Konzentration auf das Prinzip, das Einfache, auch in der Kunst erfolgen, d.h. Hervorhebung der zentralen Botschaft Christi: die Liebe (gegenüber Gott und dem Nächsten), die in der Sühneliebe noch einmal eine Überhöhung erfährt. Die Erfahrung, aus dem Sumpf, aus der Asche neu zu erwachen. Der Sühnegedanke ist der, der die eigentliche Qualitätsstufe gegenüber der Liebe darstellt (absolut heiliger Wille), der nicht nur den Willensschluß in der Liebe sucht (= Einheit von einem Ich-Soll und einem anderen Du-Soll), sondern das Sein des Nicht-Sollens aufhebt, um das Soll (voll) zu realisieren, das die Überwindung des Nicht-Soll miteinschließt. Die Sühne-Liebe will nicht nur die Sphäre des Soll-Seins gestalten, sondern sie beachtet auch die Sphäre des Nicht-Solls und lotet sie aus, um sie durch Hineinnahme in den eigenen Sühne-Willen aufzuheben, um dadurch die Sphäre eines Soll-Seins (wieder) zu ermöglichen. Alles soll Soll-Sein sein. (EINSICHT vom Mai 2014, Nr. 2, S. 51)
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Die Frage bleibt: Ist Jesus Christus der Sohn Gottes?
„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." Goethe: "Faust" Teil 1 (Nacht)
Wenn eines heute im geistigen Leben der christlichen Welt besonders auffällt, dann ist es die Beliebigkeit der Positionen und Inhalte, wenn nur eine formale Beziehung zwischen den divergierenden Systemen vorhanden ist. Das sind häufig Positionen, die sich vom Inhalt her eher widersprechen. Nur so kann man die nach-konziliaren Bemühungen zu einer synkretistischen Einheitsreligion verstehen, die sich in einer sonst säkularisierten Welt ausbreitet.
Ganz anders dagegen verhält sich der intolerante Islam, der bereits in Deutschland beginnt, aggressiv seine Rechte im öffentlichen Leben einzufordern und der seine Dominanz mit Verfolgung der Christen dort brutal zum Ausdruck bringt, wo er über die Macht verfügt und wo er keinen Zweifel an der Berechtigung seiner eigenen fundamentalistischen Positionen aufkommen läßt. Es ist so auf der einen Seite ein Akt der Selbstbehauptung und Selbstachtung, die absolute Gerechtfertigtheit des (unverfälschten) Christentum aufzuweisen, um in diesem Kampf der Religionen zu bestehen.
Darum wollen wir uns mit jenem Problem (weiterhin) beschäftigen, in dem es nicht um Beliebigkeit, sondern um die Frage geht (die wir bereits mehrfach gestellt haben), ob sich der Anspruch, der an Jesus Christus (von den wahren Gläubigen) gestellt wird, nämlich wahrer Gott zu sein, der in dem Neuen Testament und durch die Kirche als Gottes Sohn vorgestellt wird, der sich den Menschen offenbart hat, durch und im Wissen rechtfertigen läßt. Von jenem Jesus Christus wird gesprochen, der von sich gesagt hat: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." (Joh. 14,6)
Wenn auch die Bilder vom 26.5.2014, die einen Bergoglio/Franziskus zeigen, der bei seinem Besuch der Klagemauer in Jerusalem einen jüdischen Rabbi und einen muslimischen Iman umarmte, längst den Schreckensbildern gewichen sind, die uns täglich das Grauen zeigen, welches Israel an den Palästinensern im Gaza-Streifen verübt, so bleibt doch die von Bergoglio ausgelöste Provokation relevant: Sind nicht er und seine Vorgänger Johannes Paul II./Wojtyla und Benedikt XVI./Ratzinger doch die weitsichtigeren Propheten, die trotz aller aktuellen Meinungsverschiedenheiten und der blutigen Verfolgungen der Christen seitens der Islamisten - die von diesen Protagonisten auch nicht geleugnet wurden bzw. werden - eine Einheit aller drei Offenbarungsreligionen aufleuchten sehen, die sie im Visier haben (obwohl gerade der, dessen Stellvertreter sie vorgeben hier auf Erden zu sein, sagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben") … Oder ist es nicht doch so, was wir behaupten, daß sich diese Religionen gerade in der Bewertung der Person Jesu Christi gegenseitig radikal ausschließen. Historisch kann man anmerken, daß seit der Französischen Revolution, die inspiriert war von deutschen Illuminaten, die Offenbarung Gottes in Jesus Christus abgelehnt wurde, welche sich in einem Kampf gegen Thron und Altar austobte, in dem die sog. kath. Kirche seit dem II. Vatikanum eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Darum war die Frage nach der Erkennbarkeit Jesu Christi als Sohn Gottes und dessen Bedeutung für die Geschichte der Menschheit u.a. Thema der letzten Ausgaben unserer Zeitschrift.
Denn ließe sich dieses Problem dahingehend lösen, daß ich in dem, was die Tradition bietet, ein Moment finden läßt, welches mir die Einsicht in die Göttlichkeit Christi zeigt, dann schließt diese Einsicht radikal jeden anderen religiösen Ansatz aus. Dann würde Mohammed der größte falsche Prophet sein und den Juden, die immer noch an die Ankunft des Messias glauben - diese Leute hätten ja noch ein ernstzunehmendes religiöses Ziel - könnte man sagen, daß sie in Ewigkeit vergeblich auf diese Ankunft warten würden, denn der Erwartete hat seine irdische Mission bereits vor gut 2000 Jahren erfüllt und sitzet nun "zur Rechten Gottes". Würde sich also herausstellen, daß sich Gott in Jesus Christus inkarniert hätte, würde das zugleich bedeuten, daß alle anderen religiösen Bekenntnisse subjektive Entwürfe wären und daß die Anerkennung der falschen Positionen seitens des Christentums Ausdruck von Apostasie wäre.
Ich versuche die Problematik noch einmal zu entfalten, da Rückfragen kamen, die mir die Verständnisschwierigkeiten bei vielen Lesern gezeigt haben. Darum greife ich noch einmal auf, was schon abgehandelt war, um es mit anderen Worten nochmals zu erläutern.
Die Frage nach der Erkennbarkeit Christi als Gottessohn wirft gleich drei Probleme auf: 1. Klärung des Gottesbegriffs (philosophisch) 2. Wie kann gezeigt werden, daß Christus Gottes Sohn ist? 3. Wie ist das Problem der Trinität zu verstehen, d.i. die Frage nach dem Verhältnis von Gott und der göttlichen Inkarnation: Gott und Mensch-Sein zugleich. a) Gott in der Erscheinung b) Gott in der Transzendenz c) Beziehung zwischen Immanenz und Transzendenz
Bei der Lösung des spezifisch religions-philosophischen Problems gehe ich davon aus, daß der philosophische Gottesbegriff, wonach Gott der absolut Gute/Wahre ist, der sich absolut selbst genügt, reiner Geist, der der wahre Urgrund allen Seins ist, als gültig und gelöst vorausgesetzt werden darf, denn die Existenz Gottes wird von allen Seiten zugestanden. Strittig ist, ob Jesus Christus der absolut wahre Gott ist, dem sich „alle Knie beugen“ müssen.
Es gilt also aufzuzeigen, 1. daß sich dieser Gottesbegriff auf die Person Jesu Christi anwenden läßt, und zum 2. daß in den Überlieferungen ein Moment enthalten ist, welches die Identität vom Begriff Gottes mit der historischen Person des Gottes-Sohnes zuläßt.
Man kann nun so vorgehen, daß man den philosophisch gewonnenen Gottesbegriff, das absolute Bonum et Verum, das absolut Gute und Wahre auf das von der Kirche bezeugte Bild von Jesus Christus überträgt, um feststellen zu können, ob sich Begriff und historische Erscheinung Christi entsprechen. Trifft der Abgleich zu, d.h. die Person Jesu Christi entspricht den Anforderungen, die der Begriff aufstellt, kann gesagt werden, daß die Person Jesu Christi göttlicher Natur sein kann, weil die Kriterien dazu erfüllt sind: weil Christus die zu erbringenden Charakteristika des Absoluten erfüllt, ist er Gott. Das Problem dabei ist, daß dieses Gott-Sein erschlossen ist. Es könnte nicht gesagt werden, daß er - Christus - der einzige und wahre Sohn Gottes ist, von dem allein seine Gottes-Sohnschaft gedacht werden kann und darf. Könnten nicht auch andere historische Personen die Kriterien erfüllen, die an das Gott-Sein gestellt werden? Könnte man nicht z.B. beim hl. Franziskus auch einen durch und durch heiligen Willen konstatieren, der den Forderungen nach Heiligkeit in einem göttlichen Sinne genügen würde? Gut, man könnte sagen: Auch bei ihm gab es Willens-Defizite, zum anderen habe er sich ja auf Christi Beispiel gestützt, er sei nur Nachahmer, weswegen man wieder beim Vorbild (Christus) angekommen wäre. Aber man könnte dann aber auf Maria verweisen, von der es heißt, sie sei makellos geblieben. Aber diese sagt von sich: "Siehe, ich bin die Magd des Herren." (Lk. 1, 38) Doch das Problem bleibt: die Gottheit Christi wurde so nur erschlossen: es handele sich nur um die Identität von Bild (Begriff des Absoluten) und Sein (das historische bezeugte Leben Jesu). Die Frage nach der Singularität und Einzigartigkeit Christi - so wie er uns vorgestellt wird - wäre nicht zufriedenstellend gelöst.
Wir haben in der Regel unsere christliche Religion durch die Erziehung im Elternhaus, durch die Schule, die Medien und die Kirche vermittelt bekommen, also durch die Überlieferung, die auch unsere Eltern, die Schule und andere Vermittlungsstellen erfahren haben. Darin wurde uns als zentraler Punkt Christus als Sohn Gottes vorgestellt. In der Bibel konnten wir sein Leben und Sterben, aber auch seine Himmelfahrt in uns aufnehmen. Und aus dieser Überlieferung - Schrift und Tradition - aus diesen Quellen machten wir uns ein Bild vom Gottes Sohn und seinen Forderungen an die Gestaltung unseres Lebens in Heiligkeit. So haben aber auch die anderen Religionen, die Juden, die Mohammedaner, der Buddhismus, Hinduismus, Taoismus (zugleich auch Philosophie) - ihre Unterrichtungen in ihrer jeweiligen Religion erfahren.
Was berechtigt uns aber zu sagen, daß wir der Religion folgen, die den einen, wahren Gott als Ziel hat, der sich in Jesus Christus offenbart hat, und warum sprechen wir den anderen Religionen diesen absoluten Anspruch ab?
Das Problem, welches es dabei zu lösen gilt, weist folgende Schwierigkeit auf: Auf der einen Seite steht uns für die Lösung unserer Frage das Material zur Verfügung, was uns in der Tradition und der Schrift über die verschiedenen Institute - Kirche, Elternhaus, Schule, Medien - überliefert wurde. Mit Tradition meine ich all das, was uns neben der Bibel durch direkte interpersonale Beziehungen seit Christi Erdentagen an seinem Willen, seinen Willensmanifestationen auf uns gekommen ist. Andererseits kann ich das tradierte Gut nicht kritiklos übernehmen, um nicht einem einfachen Fideismus zu erliegen, auch wenn die meisten Gläubigen dabei stehen bleiben. Die Mitglieder anderer Religionen übernehmen mehrheitlich auch nur kritiklos deren Überlieferungen.
Es gilt also das einzulösen, was Goethe im "Faust" fordert: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." Also das Überlieferungsgut darf nicht einfachhin übernommen werden, sondern es muß uns inhaltlich überzeugen, damit wir mit dieser Überzeugung unser Leben und unsere Welt gestalten können und sollen.
Ich möchte hier gleich einem möglichen Mißverständnis begegnen. Was wir hier versuchen wollen, ist das Aufzeigen von Erkenntnisbedingungen zur Erfassung der Göttlichkeit der Person Jesu Christi. Da heißt aber nicht, daß damit die Erkenntnis der Göttlichkeit Jesu Christi schon vollzogen ist. Wenn ich jemandem sage, wenn Du da und da hinschaust, wirst Du das und das sehen. Wenn derjenige aber nicht hinschaut, wird er eben nichts sehen. Zur Erkenntnis müssen eben die aufgezeigten Schritte eigenständig vollzogen werden.
Ich muß hier zwei Einschränkungen machen. Jemand könnte einwenden, daß wir all das, was die Kirche (als Autorität) uns zu glauben vorsetzt, anzunehmen haben (im Vertrauen auf die Berechtigung der Institution). Da die Kirche selbst ihre Autorität in Glaubenssachen von der Person Christi her bezieht, müssen wir deren Anspruch auf Autorität so lange zurückstellen, bis wir die Frage nach der Göttlichkeit Christi geklärt haben.
Der zweite Einwand könnte lauten: Die Bibel ist eine vom hl. Geist inspirierte Schrift, weswegen wir ihren Inhalt bedenkenlos übernehmen können. Bevor aber deren Inspiration Teil unseres Problems ist, bleibt ihre Autorität vorerst ausgeklammert. Das heißt aber nicht, daß wir dennoch Bibelkunde (exegetische und historische) betreiben dürfen, bringen uns die Erkenntnisse hinsichtlich der genauen Bedeutung seiner Aussagen und seiner Lebensumstände - ich denke da an die Studie von Josef Blinzler "Der Prozeß Jesu" - im Kontext mit anderen Ereignissen sehr viel weiter. Zum anderen müssen wir klären, warum wir der Bibel als Quelle göttlicher Inspiration, in der die Vita und die Lehre Christi beschrieben wird, einen grundsätzlich anderen Stellenwert beimessen als den Biographien anderer großartiger Persönlichkeiten, in denen uns auch nachahmenswerte Charaktere entgegentreten können. Das (bloß) Tradierte – Schrift und Tradition – liefert zwar ein umfassendes Wissen über die Person Jesu Christi und von ihr – ähnlich wie andere historische Zeugnisse ebenfalls, legt aber aus sich (als bloße Überlieferung) noch keine Basis, aus Überzeugung sagen zu können, daß er das „Fleisch gewordene Wort“ (Johannes 1, 1 ff.) ist.
Ich hatte bereits geschrieben: „In der Tradition muß ein Moment enthalten sein, ein genetisches, das mir den Zugang zu der absoluten Person [Jesu Christi] weist, die sich dann auch als solche zeigen, sich offenbaren muß. Das Problem der Gottsuche für jede Person ist das: Glaube ist Gnade, die ich ohne das Zutun Gottes nicht erfahren würde. Gott muß sich mir also zeigen, mir das Tor zu [sich als] Gott als Person öffnen, mit dem ich in Verbindung trete, wenn er von sich aus den Kontakt aufnimmt (Johannes-Evangelium).“ (EINSICHT 43/3)
Mit Tradition meine ich Weitergabe des Willens Christi in seinem Handeln und Reden, den sich dann die Apostel in der Nachfolge Christi zu eigen gemacht haben: "Wer euch hört, hört mich; und wer euch verachtet, verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat." (Luk. 10, 16)
Von diesem genetischen Moment - damit meine ich ein Moment, welches seine Gültigkeit und seine Rechtfertigung aus sich aufzeigt und welches sich in der Beschreibung bzw. den Aussprüchen Jesu zeigen muß - hatte ich weiter ausgeführt: "Dieses muß einerseits in der Tradition verankert sein, zum anderen aber diese überragen. Es muß seine eigene Dignität aus sich heraus als absolut gültig zeigen, formal wie inhaltlich. (…) Dieses Moment muß – formal gesehen -, da es die Ebene des bloß behaupteten Gott-Seins überschreiten soll/muß, nicht von außen bzw. von etwas anderem herangetragen werden, sondern muß sich selbst bezeugen. Da es sich bei Gott nicht um ein bloßes Sein handelt, sondern um eine absolute Sollens-Forderung, die ihrerseits ihre absolute Erfüllung fordert, also ein Soll, das auch sein Soll-Sein verlangt. Es muß in seinem Sich-Bezeugen erscheinen als das, was es soll und es soll, was es ist. Im Alten Testament bezeugt sich Gott mit der Aussage: „Ich bin der, der ich bin.“ „Ego sum, qui sum.“ (Ex. 3,14) (EINSICHT 43/4)
Wie muß sich das genetische Moment zeigen, damit ich ihm Erkenntniskraft zusprechen darf? Anders ausgedrückt, was muß bzw. kann uns an der Beschreibung des Lebens Christi so gefangen nehmen, so faszinieren, daß ich nicht anders kann, als diesem Moment absoluten Charakter zuzuschreiben als einem ursprünglich absoluten Setzen?
Es muß seinen absoluten Charakter offenbaren, also sich von sich aus zeigen. Es muß erscheinen als ein Soll, eine Forderung, die sich an mich qua Person wendet, es muß so erscheinen, sich zeigen, was es soll, und soll so sein, wie es erscheint. Soll und Erscheinen müssen identisch sein.
Es muß nicht bloß eine Forderung sein, sondern als solche seine eigene Rechtfertigung mit sich bringen, die sich zugleich als Sollensforderung an mich als Adressaten wendet, diese als Sollensforderung mich zugleich auffordert, nun meinerseits diese aufzunehmen und selbst zu realisieren.
Es muß unverwechselbar als absolut erscheinen, nicht als relativ absolut - in dem Sinne, daß gesehen wird, daß tatsächlich ein absoluter Ursprung da ist, der nicht an eine (frühere) Vermittlung anknüpft, d.h. es muß sich so zeigen, daß es seine Originalität, sein Setzen als ursprüngliches Setzen verstanden werden kann. Es darf nicht erscheinen als etwas, was bereits in einer Sukzession des ursprünglich Absoluten erscheint. (Verweis auf Ratzinger: Christus ist nicht deswegen Gottes Sohn, weil er den Willen des Vaters vollkommen erfüllt - das wäre ein Prozeß durch die Zeit! sondern er ist Vollkommenheit in sich, die nicht erst wird, die sich aber durch die Zeit hindurch zeigt, sich offenbart.)
Es muß also noch ein anderes Kriterium gefunden werden, daß uns berechtigt von Christus als dem Sohn Gottes zu reden. Wenn es ein solches Kriterium geben soll, muß es innerhalb des tradierten Glaubensgutes zu finden sein, dieses aber überragen.
Es bleibt also die Frage zu beantworten, welches Handeln Christi unverwechselbar diesem absoluten Anspruch genügt. Dies soll die Aufgabe der nachfolgenden Untersuchung sein.
Es bleibt also die Frage zu beantworten, welches Handeln Christi unverwechselbar diesem absoluten Anspruch genügt. Dies soll die Aufgabe der nachfolgenden Untersuchung sein. (EINSICHT vom Aug. 2014.Nr. 3, S. 69-73)
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