Gott wird Mensch - Weihnachten 2012
von
Eberhard Heller
Auch wenn die christliche Botschaft der Liebe und der Versöhnung der Menschen mit Gott durch Christi Sühnetod bald auf fruchtbaren Boden fiel und vielerorts christliche Gemeinschaften entstanden, so hat es doch noch lange gedauert, bis dieser Sachverhalt - Gott wird Mensch - begrifflich bzw. fundamentaltheologisch aufgearbeitet worden war. So hatte z.B. der hl. Paulus mit der Verkündigung des Evangeliums in Griechenland auch deswegen einen solchen Erfolg - man betrachte nur seine Briefe an die Gemeinden in Korinth, Ephesos oder Thessalonich -, weil er bereits einen vorbereiteten Nährboden für das Christentum vorfand. Die Griechen des späten Hellenismus hatten längst die Haltlosigkeit ihres Götterglaubens durchschaut und sogar schon einen Tempel für den "unbekannten Gott" gebaut, der ihnen nun von Paulus verkündet wurde. Die theologische Aufarbeitung, wie zu verstehen sei, daß Gott Mensch werden könne - ewiger Gott und zugleich wahrer Mensch -, d.h. wie sich der Ewige und Absolute in die Zeitlichkeit und die Ohnmacht eines Kindes versetzen könne, löste eine länger anhaltende theologische Diskussion aus. Diese wurde erst in der Lehre von der hypostatischen Union, wonach Christus zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch sei, daß also göttliche und menschliche Natur in der Person (Hypostase) Christi verbunden seien, auf den Konzilien von Ephesos (431), von Chalcedon (451) und dem 2. Konzil von Konstantinopel (553) beendet. "Der strikte Monotheismus der griechischen Philosophie wurde für die christliche Theologie ein Problem. Als die christliche Kirche unter Kaiser Konstantin die äußere Freiheit erhielt, brach das Problem auf. Im Konzil von Nicäa (325) ging es um die Frage, ob Jesus nur Mensch, oder ob er wirklich Gott war. In der Treue zu den Aussagen der christlichen Bibel hielt das Konzil gegen die Vorgaben der griechischen Philosophie daran fest, daß Jesus von Nazareth wirklich Gottes Sohn ist. Es stellte fest, daß er nicht geschaffen, sondern der aus dem Vater gezeugte Sohn und damit wirklich Gott ist. Gibt es also in Gott doch mehrere Subjekte? Um zu einer weiteren begrifflichen Klärung zu kommen, hat das I. Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 die Gottheit, die allen göttlichen Personen gleichermaßen zugeschrieben wird, mit Ousia (Wesen, Sein) benannt und die Unterschiedenheit der drei Personen mit Hypostase. Eine Ousia in drei Hypostasen war also die Begrifflichkeit, die man ein halbes Jahrhundert nach dem Konzil von Nicäa gewählt hat. Wenn Jesus aber Gott ist, dann ergibt sich sofort das Problem, wie in Jesus Christus Gottheit/Gott-Sein und Menschheit/Mensch-Sein unterschieden werden können. War die Menschheit Jesu nur „Schein“ oder war nur der Körper Jesu menschlich und die göttliche Hypostase, nämlich die zweite göttliche Person, an die Stelle der menschlichen Seele getreten? Alle Varianten wurden durchgespielt." (Eckhard Bieger in www.kath.de) Gegen die Auffassung von Theodoret, Bischof von Cyrus in den Jahren 423-466, der folgendes geschrieben hatte: "Wenn nur jede Natur ihre Vollkommenheit besitzt, aber beide in eins zusammengekommen sind, ... dann ist es fromm, eine Person und ebenso einen Sohn und Christus zu bekennen, und es ist nicht unvernünftig, sondern ganz folgerichtig, von zwei vereinigten Hypostasen oder Naturen zu sprechen", wendet sich nun Cyrill von Alexandriner. Im Jahre 431 schreibt er in der Verteidigung seiner 12 Kapitel gegen Theodoret von Cyrus, zu Kap.2: "Es erfolgt die Einigung nach der Hypostasis, wobei der Ausdruck nach der Hypostasis nichts anderes bedeutet als nur dies, daß die Natur oder Hypostasis des Logos, d.h. der Logos selbst, mit seiner menschlichen Natur wahrhaft geeint wird ohne jede Veränderung und Vermischung und … als Ein-Christus gedacht wird und es auch ist, derselbe Gott und Mensch." Hypotaktische Union meint, daß die Einheit von Gottheit und Menschheit, also beide Naturen, in der Person Christi vereinigt sind. In der sog. Unionsformel zwischen beiden Schulen - der von Cyrus und der von Alexandrien - aus dem Jahr 433 heißt es schließlich: "Wir bekennen, daß unser Herr Jesus Christus, der einziggeborene Sohn Gottes, vollkommener Gott und vollkommener Mensch aus vernünftiger Seele und Leib, vor den Weltzeiten aus dem Vater nach der Gottheit, aber am Ende der Tage als derselbe um unseretwillen und um unserer Errettung willen aus Maria der Jungfrau nach der Menschheit geboren wurde, dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit. Denn es ist eine Einigung der Naturen erfolgt. Einen Christus, Einen Sohn, Einen Herrn bekennen wir daher. Gemäß dieser Vorstellung von der unvermischten Einigung bekennen wir die heilige Jungfrau als Gottesmutter, weil der Gott-Logos Fleisch und Mensch geworden ist und unmittelbar von der Empfängnis an den aus ihr genommenen Tempel (d.i. sein Leib) mit sich vereinigt hat. Wir wissen aber, daß die von Gott lehrenden Männer die evangelischen und apostolischen Worte über unseren Herrn teils gemeinsam auf eine Person (Prosopon) beziehen, teils gleichsam auf zwei Naturen verteilen und die gottgemäßen Worte der Gottheit Christi, die niedrigen aber entsprechend seiner Menschheit erklären." Wenn man sich nun die Gegenpositionen betrachtet, wonach Christus nur ein vollkommener Mensch gewesen sein sollte, was Arius (+ 336) behauptet hatte, oder wenn man die Auffassung des Monophysitismus anschaut, so sieht man bald, welche Sprengkraft die Formel "wahrer Gott und wahrer Mensch" in sich birgt. Denn ist Christus wahrer Gott, dann gilt sein Gebot unbedingt. Ist er aber nur ein vollkommener Mensch, wie es Arius auslegte, dann kann seine Forderung nur relative Geltung beanspruchen. Nicht umsonst hatten die oströmischen Kaiser aus diesem Grund zunächst die Position des Arius eingenommen, nachdem die christliche Kirche unter Kaiser Konstantin die äußere Freiheit erhalten hatte. Nimmt man die Position des Monophysitismus ein, wonach das menschliche Dasein Jesu Christi nur ein Schein-Dasein gewesen sein soll, weil man sich nicht vorstellen konnte, daß sich Gott wirklich in Knechtsgestalt entäußern könne, dann fehlt dem irdischen Da-sein Christi die eigentliche Rechtfertigung, dann fehlt auch seinem Kreuzesopfer - da ja nur Schein - die erlösende Wirkung… also eine echte Entsühnung und (Wieder)Versöhnung hätte nicht stattgefunden. Die Fehlposition des Arianismus zieht sich bis heute durch. Wenn man die Auffassung Ratzingers/Benedikt XVI. über den Gottessohn beurteilt, wonach Christus Gottes Sohn ist, weil er den Willen des Vaters vollkommen adaptiert hat, dann taucht hier die Idee eines werdenden Gottes-Sohnes auf, die man als Semi-Arianismus bezeichnen könnte. Auf die Frage, ob nicht auch andere Personen den Willen Gottes vollkommen adaptieren könnten, muß Ratzinger zugestehen, daß es dann auch mehrere Söhne Gottes geben könnte. Die Auffassung des Monophysitismus trifft man auch in jener Haltung wieder, die sagt, alle Menschen wollten doch nur das Gute, man könne schlimmstenfalls nur von einem Irrtum sprechen. Wenn man das annimmt, muß man auch sagen, daß Christus, der doch am Kreuz für unsere Sünden gebüßt hat, diesen Tod umsonst durchlitten hat. In der Theologie wurde die Frage gestellt, warum nun Christus Mensch geworden ist. Der hl. Anselm von Canterbury (geb. um 1033, gest. 1109) benutzt diese Frage als Titel einer Abhandlung "Cur Deus homo" (Warum wurde Gott Mensch) und beantwortet sie folgendermaßen: Gott wurde Mensch (in Jesus Christus), um den Sündenfall der Menschen zu entsühnen und um diesen die Gelegenheit zu geben, sich wieder mit ihm zu versöhnen (in dem Neuen Bund). Nach dem hl. Anselm war also das Kommen Christi bedingt.
Die spanische Mystikerin Maria von Agreda (geb. 1602, gest. 1665) beantwortet die Frage, warum Gott Mensch wurde, auf eine umfassendere Weise. Auch wenn die Entsühnung ein Grund mit war für die Menschwerdung, so sei Gott auch als Mensch erschienen, wenn es keinen Sündenfall gegeben hätte. Er wollte uns - ohne Bedingung - seine Liebe, ja seine Über-Liebe bringen, damit wir an ihr teilnehmen sollten.
Also die Offenbarung Gottes, seine Menschwerdung, die als das ganz große Wunder an-zusehen ist, geschah aus Liebe zu uns Menschen. Gott, der Allmächtige hat sich herabgelassen, in der Ohnmacht eines kleinen Kindes zu erscheinen, in der allergrößten Ärmlichkeit, um uns reich zu machen. Er kam in der tiefsten Niedrigkeit, um auch den vergrämtesten und gedemütigtesten Menschen dort abzuholen, wo ihn das Schicksal hin versetzt hat oder wo er selbst aus Enttäuschung hin entflohen ist. Nicht umsonst wurden den Hirten auf dem Feld das Privileg zuteil, ihm als erste huldigen zu dürfen. Die Liebe, die er uns geschenkt hat, sollten wir erwidern und an unsere Mitmenschen bedingungslos weitergeben. So kann auch heute das Weihnachtsfest zu einem Fest der Freude werden.
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