"Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." (1 Joh. 4,16)
- Zur Wiedergewinnung der kirchlichen Souveränität -
von Eberhard Heller
Vielleicht sind manch einem noch die Bilder von den Trauungsfeierlichkeiten von Fürst Albert II. von Monaco mit Charlene Wittstock am 2. Juli in Erinnerung, bei denen noch ein großer Teil jener liturgischen Erhabenheit zum Ausdruck kam, der befähigt sein könnte, die Kirche in dem Glanz zu sehen, den sie einst besessen hatte. Aber das Ansehen, das Vertrauen in jene Institution, die immer noch vorgibt, Christi Heilsbotschaft zu vermitteln, ist immer mehr geschwunden, weil sichtbarer wird, daß sie sich der Welt gleichförmig gemacht hat.
Wir hatten mit unserer lehramtlich begründeten, theologischen Kritik an den Beschlüssen des II. Vatikanums begonnen, indem wir zunächst einzelne Reformen auf ihre dogmatische Fundierung hin untersuchten, u.a. auch deshalb, weil anfangs die umfassende Revolution in ihrem gesamten Umfang so noch nicht sichtbar war. Um aber auf eine bestimmte Situation reagieren zu wollen, muß man sich mit der Idee beschäftigen, die all diesen sog. Reformen zugrunde liegt.
Wenn man von allen Verirrungen, Verfälschungen und Verkürzungen im einzelnen einmal absieht, die das vorgebliche Reform-Konzil gebracht hat, und sich darauf besinnt, welche zentrale Wahrheit des christlichen Glaubens davon am stärksten betroffen ist, so wird man mir nach einigem Nachdenken sicherlich zustimmen, wenn ich behaupte, der Absolutheitsanpruch des Glaubens und der Kirche als Heilsinstitut ist aufgegeben worden. Von dieser Aufgabe sind alle anderen Bereiche, die die Kirche konstituieren, auch mitbetroffen.
Diese Relativierung, die alle Momente von Christi Gründung, der Kirche, in ihrem innersten Wesen getrofffen hat, ist die Negierung der Formel des hl. Cyprian, nach der es "extram Ecclesiam nulla salus est" (außerhalb der Kirche kein Heil) und hat ihre theologische Festlegung gefunden in der neuen Bestimmung der kath. Kirche, die nicht mehr die Kirche Christi sein will, sondern nur teilhaben (subsistit) will an ihr, was anderen 'Kirchen' dann auch zugestanden wird. Bisher galt: die kath. Kirche ist die Kirche Chrristi, wobei kath. Kirche und die Kirche Christi als identisch angesetzt wurde. Christus sprach zu Petrus: "Auf diesen Felsen will ich meine Kirche (Singular!) bauen" (Mt. 16,18) und nicht: meine Kirchen (Plural). Mit der Aufgabe ihres ausschließenden Wesens hinsichtlich der Heilsvermittlung hat die 'Konzils-Kirche' nicht nur allen christlichen Sekten kirchliche Legitimität zuerkannt, sondern auch heidnischen Religionen, die nach Karl Rahner ja auch den Glauben haben, nur "unbewußt". Das erste Gebot wurde außer Kraft gesetzt, wonach "Du keine fremden Götter neben Mir haben sollst". Es gibt neben Gott auch noch die 'Götter'.
Mit diesem Verrat an ihrem ureigenen Wesen hat die sich immer noch "kath. Kirche" nennende Institution aufgehört, die Kirche Christi zu sein, sie hat sich selbst liquidiert.
Um sich darüber klar zu werden, was mit dieser Relativierung des Kirchenbegriffes verloren gegangen ist, muß man sich darüber verständigen, was das Wesen der Kirche ist und warum sie von Christus gegründet worden ist.
Zunächst einmal: die Kirche ist Heilsinstitution, d.h. sie ist einmal Hüterin der von Christus verkündeten Lehre und zum anderen die Verwalterin der Heilsmittel, der Sakramente, die Christus eingesetzt hat, um die Gläubigen hier auf Erden unmittelbar teilnehmen zu lassen an Seinem göttlichen Leben. Dieses fordert, weil in sich absolut gut und heilig, seine unbedingte Annahme. Nicht umsonst sagt Christus: "Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert." (Mt. 10,37) Diesen Anspruch der unbedingten Geltendheit der göttlichen Liebe hat die moderne Kirche aufgegeben. Sie hat aufgehört, diese lebendige Wahrheit als Heilsinstitution zu vertreten, indem man anderen Bekenntnissen und Religionen zugesteht, ebenfalls wirksame Heilsfunktionen auszuüben.
An der Kirche nehmen teil bzw. gehören zu ihr all jene, die sich dem von Christus geschlossenen Neuen Bund durch die Taufe angeschlossen haben bzw. in sie aufgenommen wurden, dessen Leitung er seinem Stellvertreter hier auf Erden, dem hl. Petrus und dessen Nachfolgern anvertraut hat. Im Gegensatz zur protestantischen Auffassung, wonach sich das Wesen der Kirche in einer Bekenntnisgemeinschaft, einer sog. Geistkirche, in der es primär um die Gemeinschaft gleicher religiöser Vorstellungen auf der Grundlage der Bibel (sola scriptura) geht, besteht das Wesen der Kirche nach katholischer Auffassung in einer Institution, die neben der Glaubensvermittlung in der Verwaltung der Sakramente, die nur gewährleistet werden kann durch das Fortbestehen von Personen (Priestern), die mit den nötigen Vollmachten (Weihen) zu deren Ausspendung versehen sind. Dies erfordert die Verankerung in einer festen und sichtbaren Institution als Heilsgaranten. Zur Leitung hatte Christus zunächst Petrus ("auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen" - Mt. 16,18) anvertraut - und dessen Nachfolgern - und ihn mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet (u.a. Binde- und Lösegewalt, Verkündigung des Evangeliums). Der Aufbau dieser Heilsinstitution ist hierarchisch, weil die in der Kirche weitergegebenen Vollmachten (Weihen) und deren Ausübung via Mandat erfolgen, die letztlich von dem sichtbaren Oberhaupt, dem jeweiligen Nachfolger auf dem Stuhl Petri vergeben werden.
Wenn Christus die Leitung seiner Kirche einer Person anvertraut, dem sich die anderen Mitglieder der Kirche - die Kleriker und die Laien, die lehrenden und der hörenden Glieder - zu unterstellen haben, dann ist auch klar, daß Er Seine Kirche als eine - und nicht als mehrere konkurrierende - Institution gegründet hat.
Aus dieser (einen!) Kirche konnte man sich entfernen,
- indem man Teile der Lehre ablehnte (durch Häresie), - durch die Ablehnung der kirchlichen Obrigkeit und durch Auflehnung gegen sie, d.i. die Nicht-Anerkennung der päpstlichen Autorität (durch Schisma) oder - durch gänzlichen Abfall, d.h. durch totale Verwerfung der Lehre, d.i. die Negation der Wahrheit um ihrer selbst willen (Apostasie). Diese Haltung ist irreversibel, d.h. eine Umkehr gibt es nicht.
Die Geschichte der Kirche kennt alle drei Weisen, sich von ihr zu trennen. Immer hat sie darunter sehr gelitten. Es gab dann auch die Prozesse der Versöhnung, der Reunierung (durch Abschwörung der Häresie oder erneute Unterwerfung unter die päpstliche Autorität). Aber es gehört auch zu den Realitäten der Kirchengeschichte, daß sich Sekten gebildet haben, die den Glauben nur in verfälschter Form vertreten. Ebenfalls leidet die Kirche an dem großen abendländischen Schisma, als sich die Ostkirche 1054 von Rom abspaltete.
Trotz all dieser Vorfälle gegen die Lehre oder die Autorität der Kirche gab diese nie ihren legitimen Anspruch auf authentische Amtsinhabe auf, um dadurch eventuell eine Wiedervereinigung oder Annäherung der getrennten Christen zu erreichen. Dieses hätte einen Verrat an Christus selbst und seinem Auftrag, seine Gründung unbeschadet zu verwalten, bedeutet.
Aber genau das ist geschehen! Nicht nur, daß in der Konstitution "Lumen gentium" dem Judentum als auch dem Islam Heilscharakter zugestanden wurden, sondern auch durch die Veränderung der Definition des Wesens der römisch-katholischen Kirche, wonach die röm.-kath. Kirche nicht mehr die Kirche Christi ist (est), sondern nur an ihr teilnimmt (subsistit in). Eine solche Umdeutung des Wesens der Kirche bedeutet, daß die Kirche Christi offen ist für weitere Teilnehmer (Sekten), denen der (fast) gleiche kirchliche Status zugebilligt wird. Diese Position birgt zudem einen verdeckten Arianismus in sich: Wenn Christus, der von sich sagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, keiner kommt zum Vater außer durch mich" (Joh. 14,6), nicht der einzige Heilsweg ist, dann ist er auch nicht mehr der Absolute, der absolute Sohn Gottes. Man muß hier festhalten, daß die Kirche mit und nach dem Vatikanum durch die Aufgabe ihres Absolutheitsanspruch ihren Auftrag gegenüber Christus verraten hat und nicht mehr als von ihm beauftragt handeln kann.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Verrat? Wo führt die Aufgabe des Absolutheitsanspruches hin? Wie sehen seine Folgen in der Praxis aus? Da ja die anderen Bekenntnisse/ Religionen auch legitime Heilswege sind, erübrigt sich deren Missionierung, besonders die der Juden, die ja nun zu "älteren Brüdern" mutiert sind. Und in der Tat beschränken sich die ehemaligen Missionsorden heute vornehmlich auf humanitäre Maßnahmen: Brücken- und Brunnenbau, Ackerbau, im Bedarfsfall Versorgung mit Lebensmittel, medizinische Hilfe, Errichten von Krankenhäusern.
Hinsichtlich der Liturgie ist man den Protestanten sogar soweit entgegen gekommen, daß der N.O.M. nicht einmal mehr einer theologischen Prüfung standhält: Aus dem Opfer ist ein Mahl geworden... mit der peinlichen Entgleisung, daß die Protestanten in ihrer Agenda die Wandlungsworte nicht gefälscht haben, weswegen Ratzinger dafür war, sie wieder im N.O.M. einzuführen, um ihn so zu validisieren - im Namen der Ökumene! (Ratzinger war die Problematik mit den gefälschten Wandlungsworten sehr wohl bewußt, wie dies aus dem Briefwechsel mit dem inzwischen verstorbenen Prof. Tibor Gallus hervorgeht.
Die neuen Riten der Priester- und Bischofsweihe folgen dieser Tendenz der protestantischen Assimilation. Der Priester wird nicht mehr gesehen, der das Opfer Christi in der hl. Messe vollzieht, sondern der als Vorsteher der Gemeinde das Mahl feiert Im Bereich des Sakraments der Ehe sind hinsichtlich ihrer Unauflöslichkeit einige raffinierte Veränderungen eingetreten, die man theologisch nicht so einfach fassen kann. Seit dem II. Vatikanum häufen sich auch die Fälle, in der die Rota geschlossene Ehen für nichtig erklärt, weil einer der Eheleute "psychisch" noch unfähig für die Eheschließung gewesen sein soll...
Für die christlichen Sekten ergibt sich aus der Aufgabe des "est" zugunsten des "subsistit in" (d.i. der Aufgabe der Identität von Christi und kath. Kirche zugunsten einer bloßen Teilhabe daran) die Anerkennung der bereits vorher vom Lehramt der Kirche verurteilten Positionen als gleichberechtigt. So durfte vor einigen Jahren der ehemalige Vorsitzende der sog. "Deutschen Bischofskonferenz" Lehmann Luther ungestraft einen "Kirchenlehrer" nennen, so wurden 1999 in der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" Auffassungen eingebracht, die bereits vom Tridentinischen Konzil verworfen worden waren und mit denen zugleich Protestanten und Katholiken gleichermaßen betrogen wurden. Ratzinger/Benedikt XVI. sprach im Zusammenhang mit der Anerkennung der christlichen Sekten als legitimen Kirchen und dem Bestreben nach Einheit, nach Ökumene von "Polyphonie", d.i. nach einem vielstimmigen Gesang. Die Idee der Konversion zur wahren Kirche ist damit verdrängt, vom neo-theologischen "System" her gesehen ist sie sogar unzulässig.
Und wie schaut die zugestandene Heilsvermittlung aus, die ja nach "Lumen gentium" auch vom Judentum und dem Islam erbracht werden kann? Die Juden haben nicht begriffen, daß mit Christi Erscheinen der Alte Bund erloschen war, auch wenn sich der Evangelist Markus größte Mühe gibt, den Juden zu erklären, daß Christus der verheißene Messias ist. Der Hohe Priester läßt den Gottes-Sohn wegen Gotteslästerung kreuzigen, weswegen dessen Schuld daran von Christus größer eingestuft wird als die des römischen Stadthalter Pontius Pilatus, der Ihn aus Furcht vor den Juden zur Hinrichtung verurteilt. Weil sie Christus nicht als den gekommenen Messias erkannt haben, ließ die Kirche in den Karfreitagsfürbitten für ihre Bekehrung beten! Und die Reformer tun den Juden keinen Gefallen, wenn sie die "ungläubigen Juden" aus ihren Gebeten ausschließen, damit ihnen die Gnade verweigert bleibt, daß "Gott ... den Schleier von ihren Herzen wegnehme".
Was den Islam angeht und die Bemühungen, durch Dialog der unterschiedlichen Positionen zu einer wie immer gemeinten 'Einheit' zusammenzuführen ("in der Kultur der Liebe", so Johannes Paul II.) , so dürfte ein kurzer Blick auf die vertretenen Positionen deren Unüberbrückbarkeit zeigen. Darüber können auch die Gesten Johannes Pauls II. , der den Koran küßte, nicht hinwegtäuschen. Die Berichte über Greueltaten an Christen sprechen ihre eigene Sprache... in ihnen läßt sich von "der Kultur der Liebe" nichts erkennen. (N.b. ich meine den Islam, wie er sich zeigt, d.h. ich schließe den heutigen Stand der Forschung - geleistet in der Hauptsache von Theologen, Philologen und Historikern christlicher Provenienz - hinsichtlich der Entstehung und des Autors des Koran und der Authentizität der Mohammed-Biographie aus meiner Darstellung aus.)
Im Gegensatz zum Christentum, der Gott in drei Personen anerkennt: Vater, Sohn und Hl. Geist, zwischen denen die innergöttliche Liebe herrscht, kennt der Islam nur den einpersönlichen Gott, Allah; er ist gütig und barmherzig, aber er ist nicht die Liebe. Das Christentum bekennt Jesus Christus als Gottes Menschwerdung, der uns seine Liebe gebracht hat und uns entsühnt hat durch seinen Opfertod. Dem Islam ist die Inkarnation Gottes absolut fremd. Jesus Christus ist nur ein Prophet, der unter dem Prophet Mohammed steht. Im Gegensatz zum Christentum kennt der Islam auch keine Entsühnung des Menschengeschlechtes.
Ein wesentlicher Unterschied besteht aber in der Authentizität: Während im Christentum Jesus Christus, der Mensch gewordene Logos, sich selbst und seine Botschaft als Gottessohn unmittelbar bezeugt und dieses Zeugnis durch Seinen Vater bestätigt wird (bei der Taufe Christi und bei der Verklärung), zeugt im Islam der Prophet Mohammed nur mittelbar von Allahs Wille. Vielfach wird übersehen, daß auch das Hineinreichen in den bürgerlichen Bereich eine Gleichgewichtigkeit ausschließt. Tatsache ist es, daß es den Mohammedanern von ihrer Religion her erlaubt ist, Verträge mit Nicht-Gläubigen bzw. Ungläubigen, wozu auch die Christen zählen (weil sie wegen des Trinitätsglaubens als Polytheisten abgestempelt sind), zu brechen. Eine Gesellschaft, die sich auf Rechtsprinzipien beruft, läßt sich so nicht realisieren.
Im Verhältnis zum Judentum und dem Islam reichen die Ökumene-Bestrebungen sogar weit über den bloß religiös relevanten Bereich hinaus und tangieren sensible politische Felder. Wegen des beabsichtigten Dialogs mit dem Islam werden Berichte über Christenverfolgungen in Afghanistan, Pakistan, Saudi-Arabien, Ägypten, Irak, Iran, Indien und in der Türkei in den Medien unterdrückt, ebenso über die Christen in Israel, die vom politischen Establishment drangsaliert werden genau so wie die Palästinenser. Sie werden von 'kirchlichen' Einrichtungen als kontraproduktiv abgetan. Diese Christen zahlen mit ihrem Blut den Preis für den Verrat der modernen Kirche an Christi Auftrag. Man stelle sich vor, Christus wäre von Nero in das Kolosseum nach Rom eingeladen worden, um dem blutigen Massaker an den jungen Christen zuzuschauen!! Man kann es nur als ehrlos bezeichnen, wenn Ratzinger bei seinem Besuch der Türkei nicht nur mit dem Mufti gen Mekka betete (was seinen Abfall offenkundig machte!), sondern auch dem Gründer der modernen Türkei Attatürk, der 200.000 Christen abschlachten ließ, seine Referenz erwies.
Auch wenn es uns bisher nicht gelungen ist, die Kirche als Heilsinstitution wieder aufzubauen oder diesen Aufbau zumindest in Angriff zu nehmen, dessen Scheitern und seine Ursachen in unseren Publikationen bereits häufiger thematisiert wurden, so müssen wir unseren Standpunkt in dieser schwierigen, weil auch authoritätslosen Zeit auch gerade deshalb bestimmen, weil ohne eine solche Ortsfestlegung wir uns bald verirren oder verrennen würden.
Wenn wir nun die Wurzel allen Übels in der Ablehnung von Gottes unbedingtem Anspruch ausgemacht haben, dann müßte unser Interesse an einer Salvierung der Situation doch darauf zielen, eben diesen Anspruch in aller Deutlichkeit wieder zu erheben. Das mag pauschal klingen, aber wir haben durch unsere Analyse auch die Punkte fixiert, in und durch die diese Relativierung geschieht. Wie kann man dieser Relativierung der christlichen Religion, die behauptet, Gott habe sich in Jesus Christus offenbart und unsere menschliche Natur angenommen (et homo factus est) und ihrer Kirche, die behauptet, die einzig wahre Heilsinstitution zu sein, entgegentreten? Dies ist angesichts einer bereits unausrottbaren und tief verwurzelten Meinung, es sei ein Gebot der Bescheidenheit, die anderen Bekenntnisse und Religionen als gleichberechtigte Institute der Heilsvermittlung anzusetzen, äußerst schwierig. Dies sei ja bereits von "Lumen gentium" gefordert worden und man müsse den religiösen Eifer Anders-Gläubiger anerkennen. Hinter dieser Vorstellung steckt auch die Ablehnung eines Vorurteils, wonach es Triumphalisten gibt, die behaupten, alle - außer den katholischen Christen - seien als verdammt zu betrachten, weil sie nicht der wahren Kirche angehören. Daß diese Haltung häretischen Charakter hat, darauf hat schon Pius XII. hingewiesen. Hier wird die individuelle Rechtfertigung mit der Heilsvermittlung, zu der allein die Kirche berufen ist, verwechselt.
Zunächst einmal muß man sagen, daß das persönliche Engagement und das spezifisch religiöse Interesse von Mitgliedern der nicht-katholischen Gemeinschaften - und dazu zähle ich auch Mitglieder der Konzils-'Kirche', die ja inzwischen ihre eigene Tradition aufgebaut und ausgeformt hat (in über 45 Jahren nach dem Konzil!) - in vielen Fällen das der sog. orthodoxen Christen weit übersteigt. Ich könnte hier viele Begebenheiten auch mit muslimischen Kollegen anführen, die deren religiöses Interesse belegen würden. Aber das Entscheidende ist, daß ich die jeweilige Religion und ihre Ansprüche in sich erkennen muß, objektiv, daß ich die Überzeugung haben muß, daß es sich um die absolute Wahrheit handelt, der ich mich gegenüber sehe. Und wenn das geschehen ist, dann ist auch klar, daß der Wahrheit und dem Irrtum nicht die gleiche Daseinsberechtigung zukommen kann.
Hier wird wieder einmal überdeutlich, wie wichtig es ist, der Frage nachzugehen, woher ich denn weiß, daß Christus Gottes Sohn ist! Wenn ich aber erkannt habe, daß sich uns Christus, die zweite göttliche Person im Neuen Bund wieder zugesellt hat, um uns mit der Fülle seiner Liebe zu beschenken, dann schließt diese Erkenntnis die Anerkennung anderer Positionen, die ebenfalls die Klärung des Verhältnisses Gott - Mensch thematisieren, absolut aus. Dann kann ich gegenüber Anders-Gläubigen vielleicht Respekt entwickeln und sie tolerieren. Sie bleiben potentiell aber immer Personen, denen gegenüber die universale Missionspflicht bestehen bleibt, d.h. meine Pflicht, sie dem wahren Glauben zuzuführen. Diese Ablehnung des Absolutheitsanspruches hat auch vielfach seine Ursache darin, daß die Glaubensüberzeugung, in das was, man man vertritt, fehlt. Die Annahme des katholischen Glaubens beruft sich häufig auf die (bloße) Tradition, durch die man ihn empfangen hat: Elternhaus, Freunde, Gemeinde.
Das Entscheidende der christlichen Religion besteht doch darin, daß Christus uns seine Liebe geschenkt hat und daß er uns Sündern durch seinen Sühnetod die Möglichkeit eröffnet hat, wieder in einen Bund mit ihm einzutreten, daran teilzuhaben. Johannes beschreibt dieses spezifisch christliche Verhältnis Gottes zu den Menschen: "Laßt uns einander lieben! Denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der erkennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. Darin wurde offenbar die Liebe Gottes an uns, daß Gott seinen eingeborenen Sohn sandte in die Welt, damit wir leben durch ihn." (1 Joh. 4,7-9) Lieben heißt, sich einbinden in den heiligen Willen Gottes und sich diesen zu eigen machen, oder spezifisch religiös formuliert: sich unter das Joch Christi begeben und Ihn in uns wirken lassen. Die Liebe ist es, die dem Verhältnis zu Gott und der von Gottes Sohn gegründeteten Kirche den absoluten Charakter verleiht. Von dieser Unbedingtheit der Liebe, allerdings mit christlichem Antlitz (!!), sind alle anderen Momente des Glaubens und seiner Instituierung in der Kirche her zu verstehen und einzuordnen. Als Christus Petrus die Leitung seiner Kirche anvertraut, handelt er mit diesem keine Verträge aus, unterzieht ihn keinen Examina bezüglich der Lehre, sondern macht die Übergabe von der Beantwortung seiner Frage abhängig: "Liebst du mich?" (Joh. 21,15) Und Christus fragt ihn dreimal. Und Petrus - dadurch an seinen Verrat erinnert - antwortet: "Herr, du weißt alles; du weißt auch, daß ich dich liebe", worauf Christus ihm den Auftrag gibt: "Weide meine Schafe." (Joh. 21,17)
Und von dieser Unbedingtheit der Liebe können wir uns den andern öffnen und sie auf den absoluten Anspruch, den das wahre Christentum stellt, ja stellen muß, hinweisen und ihnen so den Weg zum wahren Glauben zeigen, der jede Relativierung ausschließt. Aber auch für die Klärung unserer eigenen Probleme, für die es kirchengeschichtlich keine Parallele gibt, können wir uns nicht auf irgendwelche kanonischen Bestimmungen aus dem Jahr 1925 berufen, sondern wir finden Lösungen, wenn wir sie aus dem Prinzip der Liebe ableiten, so wie sie uns Christus geschenkt hat. Wir müssen gegenüber unseren Mitmenschen verständlich machen, daß unsere Intransingenz, unser Festhalten an der alten Liturgie, an der überlieferten Moral, an dem unbedingten Anspruch, der mit der Annahme des Christentums verbunden ist, nicht irgendeinem Traditionalismus entspringt, sondern auf der Treue zu Christus und dem Gehorsam gegenüber seiner Kirche basiert.
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