Anmerkungen zur "subsistit-in-Lehre"
eine Replik auf W. Schüler: "Benedikt XVI. und das Selbstverständnis der Kirche"
von Eberhard Heller
Wolfgang Schüler kommt in seiner Abhandlung "Benedikt XVI. und das Selbstverständnis der Kirche", das sich in dem Untertitel als "Analyse" der II. vat. "Verlautbarungen zur subsistit-in-Lehre" zu erkennen gibt, zu dem Resultat, daß Ratzinger bei seiner "subsistit-in-Lehre" der Kirche bleibt und damit den früheren Kirchenbegriff "est" negiert. Diese neue, von Vat. II. geprägte Lehre besagt, daß die röm. kath. Kirche und die Kirche Christi nicht deckungsgleich sind. Diese Deckungsgleichheit war bisher mit dem "est" definiert worden.
"Wie wir gesehen haben, hält sowohl der Theologe als auch der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, die Behauptung für falsch, dass die katholische Kirche die Kirche Jesu Christi ist! Seiner Überzeugung nach reicht die Kirche Christi über die katholische Kirche hinaus. Im Sinne der Elemente-Ekklesiologie des Konzils, die er sich zu eigen gemacht hat, besteht der angebliche Überhang der Kirche Christi über die katholische Kirche darin, dass kirchliche Elemente nicht nur außerhalb ihres Gefüges, sondern sogar schlechthin außerhalb von ihr in anderen christlichen Gemeinschaften existieren. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür anzunehmen, dass er als Papst Benedikt XVI. anders über diese Sache denkt. Im Gegenteil, sein Eintreten für das subsistit in anstelle von est, das er mit der Erklärung der Glaubenskonkregation vom 10.7.2007 erneut unter Beweis gestellt hat, indem diese Erklärung gutgeheißen, bestätigt und ihre Veröffentlichung angeordnet hat, zeigt, dass er immer noch seine überaus folgenschwere Überhang-Theorie vertritt. Überblickt man die Gründe, die Ratzinger in seiner Eigenschaft als Theologe, Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst Benedikt XVI. für die subsistit-in-Lehre des Konzils vorbringt, dann zeigt sich eine große Übereinstimmung. Im Grunde ist es jene, der überlieferten Lehre der Kirche über sich selbst widersprechende Überhang-Theorie, die er der Sache nach schon als junger Theologe vertreten, und die er bis heute beibehalten hat. Wir kommen damit zu dem Ergebnis, dass Ratzinger auf seinem Weg vom Dogmatikprofessor bis zum Papst weder im Hinblick auf den Ökumenismus noch im Hinblick auf die für das Selbstverständnis der katholischen Kirche zentrale subsistit-in-Problematik seine Grundposition geändert hat." (S.199)
Die Einführung des "subsistit-in" hat mehrere Gründe. Nicht nur, daß man den Absolutheitsanspruch der röm. kath. Kirche aufgegeben hat, um Raum zu schaffen, andere Konfessionen und Religionen aufzuwerten ("Lumen gentium"), um auch ihnen Heilscharakter zuzuerkennen. "Die Ersetzung der traditionellen Rückkehr-Ökumene durch die konziliare Koexistenz-Ökumene ist also eine Folge der Ersetzung des est durch das subistit in in Lumen gentium, Art. 8." (Schüler, S. 198)
Es geht auch um das Problem der Rechtfertigung. Einerseits vertritt die Kirche die Auffassung "extra Ecclesia nulla salus", andererseits kann man daraus aber nicht den Schluß ziehen, daß außerhalb der kath. Kirche niemand gerettet werden könne. Im Gegenteil: wer sich um die Erreichung der Wahrheit und der Tugenden bemüht, kann auch das ewige Heil erreichen.
Einmal heißt es, daß das Heilsangebot nur als Angebot verstanden wird, welches sich das Kirchenmitglied unter bestimmten Bedingungen frei aneignen kann. Andererseits ist aber nicht ausgeschlossen, daß jemand außerhalb der Kirche nicht gerechtfertigt werden könnte. (Pius XII. hat ausdrücklich die Leugner dieser Wahrheiit mit dem Anathem belegt.) Wo liegt denn nun für ein Nicht-Kirchenmitglied die Möglichkeit, gerechtfertigt zu werden bzw. wie kann er zur Rechtfertigung gelangen? Die normale Antwort lautet: durch subjektive geistige Anstrengungen, durch das Hören auf das Gewissen.
Strittig ist, ob und welche Voraussetzungen aus der jeweiligen nicht-kath. Konfession/Religion dabei eine Rolle spielen. Liegen nicht auch in ihr objektive Elemente, die heilsträchtig sein könnten? Denn wo sonst holt der Protestant oder der Angehörige einer anderen Religion seine Prinzipien zum Handeln her? Das Vat. II. hat gesagt, auch diese Konfessionen - mögen sie dem Christentum konkret auch entgegengesetzt sein - leisten diese objektiven Heilsbeiträge.
In diesem Zusammenhang muß man auch die Aufgabe der Mission sehen. Haben die anderen Religionen wirkliche Heilsangebote, braucht man die Angehörigen anderer Religionen/Konfessionen nicht zum Christentum bekehren. Warum auch? Die Unterschiede sind dann nicht mehr prinzipiell, sondern nur graduell. Es geht nur noch darum, sich gegenseitig zu respektieren, zur "Kultur der Liebe" (Jopa II.) zu führen, zum universalen Völkerwohl. (Assisi etc.)
Mit der "subsistit-in-Lehre" wird zwar nicht gesagt, daß die kath. Kirche diese objektive Heilsgewiß nicht leisten kann, aber sie ermöglicht auch die Öffnung zu anderen Religionen und Konfessionen, die die Rechtfertigung von sich aus leisten können. So wird der Satz "extra Ecclesia nulla salus" in sein Gegenteil verkehrt: "extra Ecclesia salus est". Anders gesagt: die Modernisten müssen behaupten, daß ein Mohammedaner, der dem Koran gehorcht und Christen tötet, gerechtfertigt werden könne wegen der objektiven Befolgung des Koran... was absurd wäre.
Sieht man einmal davon ab, daß a) die Hinwendung zur Rechtfertigung für einen Nicht-Katholiken nur in dem Hören auf die Stimme des Gewissens beruht und b) die anderen Konfessionen/Religionen von sich aus zur Rechtfertigung führen, läßt sich doch fragen, in wieweit Elemente, die aus dem integralen Offenbarungsglauben in eine Konfession übernommen wurden, Hinweise auf den Weg geben, der zur Rechtfertigung führen kann. Am einfachsten ist dies beim Protestantismus aufzuspüren. Auch wenn theologisch alle entscheidende Probleme (Kirche, Sakramente, Gnadenmittel) different zum katholischen Glauben (d.i. häretisch) erklärt werden, so anerkennen die Protestanten a) die Menschwerdung Gottes b) die Bibel als geoffenbartes Wort Gottes (sola scriptura) an. So kann also via scriptura durchaus ein direkter Weg zur Offenbarung gefunden werden. Nicht weil der Protestantismus Heilsträger an sich ist, sondern obwohl, indem mit der integralen Adaption des Wortes Gottes auch die Einsicht in die Unhaltbarkeit der spezifisch protestantischen Positionen wachsen kann, die diese 'Kirche' offiziell vertritt - wiederum klar zu sehen, wenn man das Thema "Rechtfertigung" betrachtet, wofür es für die protestantische Sicht seitens der Hl. Schrift keinerlei Belege gibt.
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Ratzinger und die Französische Revolution
Laut Pressenachrichten hat Ratzinger/Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Paris am 12.9.08 im Collège de Bernardins vor 700 geladenen Zuhörern dem französischen Volk im Namen Gottes die Verwirklichung von Freiheit, Brüderlich, Gleichheit gewünscht... jener Parolen, mit denen die Französische Revolution - inspirit von deutschen Illuminaten - zunächst gegen den Thron, dann gegen den Altar kämpfte, um schließlich der Göttin der Vernunft einen Tempel zu bauen. |