Das Motu Proprio – nüchtern betrachtet
von H. Spigornell übersetzt von Elisabeth Meurer
05. August 2007
Bei aller Aufregung über das von Rom am 07. Juli herausgegebene Motu Proprio Summorum Pontificum müssen die Katholiken Abstand nehmen und einen Blick auf die harten Tatsachen werfen. Diese sagen uns die nüchterne Wahrheit über ein Dokument, das wie eine biblische Schlange im Grase in seiner Aussage unverschämt trügerisch ist. Wer Bescheid weiß, für den geht klar daraus hervor, daß es letztlich darauf abzielt, sogar diejenigen zurück in die Vatikanherde zurückzulocken, die als eiserne Traditionalisten gelten. Und das trotz der Empörungsschreie von liberalen Bischöfen oder ADL-Aktivisten (ADL = Anti Diffamation League, d. Übers.) oder der Jubelschreie von Leuten wie Robert Moynihan, Pat Buchanan, Michael Matt, Fr. Peter Scott FSSPX oder Chris Ferrara. Viele mögen darauf hereinfallen, aber nicht alle. Und wenn die traditionellen Reihen am Ende mehr denn je gespalten sind, was ist daran überraschend?
War das nicht die ganze Zeit beabsichtigt?
Nehmen Sie die Meinung, Benedikt erlaube, daß die „Tridentinische Messe“ weltweit sogar ohne Indult gelesen wird. Dies ist die „Nachricht“, die nicht nur in nichtkatholischen Publikationen wie The Observer und dem Christian Science Monitor gemeldet wird , sondern auch von Katholiken, die es eigentlich besser wissen müßten, wie Pat Buchanan und Michael Matt. In einem Artikel, der das Motu als „Triumph für die Traditionalisten“ preist, impliziert Buchanan, der tridentinische Ritus sei wieder da. Michael Matt von The Remnant sagt, daß „die tridentinische Messe“ bis September „offiziell wieder in das Leben der Kirche eingeführt sein werde und die traditionellen Sakramente wiederhergestellt würden“.
In einem Brief an Inside the Vatican schreibt Bischof Bernard Fellay von der FSSPX, das Motu Proprio „setze die Tridentinische Messe wieder in ihr legales Recht ein“, gibt aber auch zu, daß dies niemals abgeschafft wurde! O wirklich! Ja, warum machen die sich all diese Mühe? Warum etwas „wieder einsetzen“, was erstens niemals hinweggenommen wurde? An anderer Stelle sagt Fellay, die „Messe von Sankt Pius V.“ werde nun wieder „in ihr legitimes Recht“ eingesetzt. Indem er den Text sowohl des Motu als auch ein Begleitschreiben an Bischöfe und Pastoren interpretiert, behauptet er auch, daß „die praktischen Maßnahmen des Papstes eine normale Feier der traditionellen Liturgie - nicht nur der Messe, sondern auch der Sakramente – ermöglichen müßten“.
Meint er, alle Sakramente sollten wieder in ihre traditionelle Form gebracht werden? Viele optimistische Traditionalisten hoffen natürlich, daß die Antwort „Ja“ lauten wird. Aber ist das irgendwie aus dem Motu Proprio selbst ersichtlich? Wenn dem so ist, dann ist es gut versteckt. „Setzt“ das Dekret denn überhaupt tatsächlich die Tridentinische Messe, den 1570 vom hl. Papst Pius V. anläßlich des Konzils von Trient kodifizierten Ritus, „wieder ein“? Nirgendwo wird im Motu Proprio der Ausdruck „tridentinisch“ gebraucht! Nein, es würde scheinen, daß Benedikt nur den erweiterten Gebrauch dessen erlaubt, was vorher mittels des Indultes unter Johannes Paul II. erlaubt war: der lateinischen Messe nach dem „Römischen Missale, 1962 promulgiert durch den seligen Johannes XXIII.“!
Können wir angesichts solcher Restriktionen wirklich schlußfolgern, dass die „Tridentinische Messe“ gerade „wieder eingesetzt“ wird?
Bezeichnenderweise gebraucht Robert Moynihan, Herausgeber von Inside the Vatican, bei der Einführung von Fellays Brief auf seiner Website diesen Begriff nicht. Er sagt einfach, das Motu fördere „die alte, vorkonziliare Liturgie der Kirche“. Aber ist denn auch das passend? Ist „vorkonziliar“ die korrekte Art, das Missale von 1962 zu beschreiben (das einzige ältere, das jetzt erlaubt ist), wenn man bedenkt, daß das II. Vatikanische Konzil offiziell am 11. Oktober jenes Jahres eröffnet wurde? Benedikt selbst sagt in seinem Motu Proprio, das sei dasselbe Missale gewesen, das während des Konzils für Messen benutzt wurde! Laut Fr. Ralph Wiltgen, Autor von Der Rhein fließt in den Tiber, gehörte Johannes XXIII. selbst bei jenem Anlaß auch zu den Förderern der „Liturgiereform“. Tatsächlich: Kurz nach Eröffnung des Konzils äußerte Seine „Heiligkeit“, er sei nicht einfach anwesend, um „irgendein altes Museum oder einen Gedanken aus der Vergangenheit zu untersuchen“, sondern vielmehr „immer weiter voranzuschreiten“.
Somit wurde am 13. November dem Konzil verkündet, daß Papst Johannes beschlossen hatte, den Namen des hl. Josef in den Meßkanon einzufügen – eine Änderung, die am 08. Dezember jenes Jahres in Kraft treten würde. Dies bedeutete natürlich einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Zur Zeit Gregors des Großen (540-604), war der Römische Kanon, der heilige Kern der Messe, in Stein gemeißelt worden. Kein Papst, Heiliger oder Sünder, hatte es gewagt, die geringfügigste Änderung vorzunehmen – nicht einmal den Namen des hl. Josef der Liste der Apostel und Märtyrer hinzuzufügen, die den besagten Kanon seit alten Zeiten geziert hatte. Im Jahre 1962 jedoch gebrauchten die sogenannten „Reformer“ die Verehrung dieses großen Heiligen als Keil, um die Integrität jenes Kanons zu zerstören.
Nicht, daß dies der erste Angriff des „guten Papstes Johannes“ auf die tridentinische Messe wäre, die wie vorstehend gesagt einfach die vom hl. Papst Pius V. 1570 kodifizierte Liturgie ist. Fügen wir hinzu, daß zu jener Zeit nichts Neues daran war. Pius definierte und veröffentlichte einfach die Form des alten Ritus, der von nun an von der römischen Kirche verwendet werden sollte. Und die Quo Primum genannte Bulle, durch die er promulgiert wurde, war auch nicht, wie von einigen behauptet, nur ein disziplinarer Entscheid. Sie kam auf Geheiß des Konzils von Trient und betraf Kernlehren des Glaubens, wie sie im großartigsten liturgischen Ritus aller Zeiten enthalten sind. In einem online veröffentlichten Artikel bemerkt Fr. Paul Kramer, daß Quo Primum eigentlich nur das widerspiegelte, was Trient schon beschlossen hatte: daß es anathema war zu sagen, „daß jeder Hirte in der Kirche, wer er auch sein mag, die Vollmacht habe, den traditionellen Ritus in einen neuen Ritus umzuwandeln“.
Somit besaß die tridentinische Messe, wie sie von Quo Primum promulgiert wurde, eine eingebaute Schutzmaßnahme gegen Veränderung, und alle nachfolgenden Päpste hielten sich daran – bis zu Johannes XXIII. Benedikts Motu Proprio täuscht, wenn es aussagt, daß „Klemens VIII., Urban VIII., St. Pius X., Benedikt XV. und Pius XII.“ sowie „der selige Johannes XXIII. alle eine Rolle gespielt hätten“ beim Aktualisieren der Liturgie vor Paul VI. Wenn man dies liest, könnte man denken, sie alle hätten den Hauptteil der Messe geändert!
Aber eben nicht!
"In Pope Paul’s New Mass" erklärt Michael Davies, daß Klemens und Urban einfach das Missale von Verfallserscheinungen, hauptsächlich in Druck und Übersetzungen, gereinigt hätten zur besseren Übereinstimmung mit dem Edikt Pius‘ V. Pius X. nahm einige Revisionen in der Kirchenmusik und im Kalender vor, damit die Priester den Psalter leichter rezitieren konnten. Pius XII. nahm weitere Korrekturen sowohl am Kalender als auch an den Rubriken vor, aber niemals am Kanon. 1951 legte er die Ostervigil vom Morgen auf den Abend des Karsamstags, so daß mehr berufstätige Menschen daran teilnehmen konnten. Seine einzige wirkliche Neuerung kam spät im Jahr 1955, als er Änderungen in der Karliturgie erlaubte. Bezeichnenderweise sagt man, Annibale Bugnini, der künftige Architekt des Novus Ordo, habe dabei die Hand mit im Spiel gehabt.
Im Juli 1960 jedoch erließ Johannes XXIII. ein Dekret, das beispiellose Änderungen verlangte. Diese betrafen nicht nur Rubriken, sondern auch Änderungen am Ordinarium der Messe, d. h. am Hauptteil der täglichen Gebete. Das hatte kein anderer Papst seit Pius V. gewagt. Wie Michael Davies bemerkt, sollten mit Johannes‘ Edikt der Psalm Judica me und das Schlußevangelium wenn nötig weggelassen werden, während das Confiteor und die Absolution vor der Kommunion des Volkes komplett eliminiert wurden. (Dasselbe passierte schließlich auch mit gewissen Festtagen oder Oktavfeiern). Da sie immer noch auf Lateinisch gelesen wurde (die Landessprache sollte in den folgenden Jahren stufenweise eingeführt werden), könnten diese Änderungen Besuchern des Novus Ordo geringfügig erscheinen. Traditionalisten wissen es jedoch besser, insbesondere im Rückblick. Gepaart mit den Änderungen am Kanon von 1962 und im Zusammenhang mit dem, was kommen sollte, stellen diese Änderungen einen flagranten Bruch mit der Tradition dar, den das neueste Motu Proprio nicht zu heilen versucht. Nein, statt die wahre, unverfälschte tridentinische Messe in ihrer Integrität wiederherzustellen, versucht es einfach, diese verstümmelte Messe einem ahnungslosen Publikum anzudrehen...
Es sind auch noch weitere Punkte zu bedenken. Wenn dieses Missale von 1962, wie im Motu gesagt, niemals abgeschafft wurde, wie erklären sie all den Lärm um den Indult, beginnend mit dem Dekret Johannes Pauls II., das ihn 1988 mit Einschränkungen erlaubte? Indem er sagt, daß wirklich kein Indult nötig war, gesteht Ratzinger das Doppelspiel seines Vorgängers – und sein eigenes – ein, da er ja das Spiel weiterzuspielen scheint. Der Witz ist, daß er in keiner Weise die Tatsache erwähnt, daß der wahre tridentinische Ritus auch niemals abgeschafft wurde! Er wurde es nicht, weil es nicht geht! In der Bulle Quo Primum, die das Missale von 1570 promulgiert, setzt Pius V. fest, dass kein Priester von da an bis zum jüngsten Tage rechtmäßig daran gehindert werden kann, diese alte Messe zu lesen! Und da kein Papst über dem Gesetz zu solch wesentlichen Lehren steht, wie sie in der Messe verkörpert sind, sollte das noch immer bis auf diesen Tag gelten.
Zitat aus Quo Primum:
Wir befehlen insbesondere jedem einzelnen Patriarchen, Sakramentenspender und allen anderen Personen gleich welcher kirchlichen Würde, und seien sie Kardinäle der heiligen römischen Kirche ... die Messe nach dem Ritus, der Art und der Norm zu singen oder zu lesen, wie sie hiermit von Uns festgelegt wird...
Und:
Des weiteren gewähren und gestatten wir mit dem Vorliegenden (diesem Gesetz) kraft Unserer apostolischen Autorität auf ewig, daß zum Singen oder Lesen der Messe gleich in welcher Kirche dieses Missale hiernach absolut einzuhalten ist, ohne irgendwelche Gewissensskrupel oder Furcht vor irgendwelcher Strafe, Verurteilung oder Zensur, und frei und rechtmäßig verwendet werden darf. Noch sind Obere, Sakramentenspender, Kanoniker, Kapläne und andere Weltpriester oder Ordensleute gleich welchen Titels verpflichtet, die Messe anders zu feiern als von Uns angeordnet. Wir erklären gleichfalls und befehlen, daß niemand dazu gedrängt oder gezwungen wird, dieses Missale zu ändern, und dieses vorliegende Dokument nicht zurückgenommen oder geändert werden kann, sondern immer gültig bleibt und seine volle Gesetzeskraft behält...
Mit anderen Worten: Während Benedikts Motu Proprio den Status des von der Kirche vor 1962 verwendeten Missale ignoriert, ist die ältere Form eigentlich immer noch vollkommen legal! Quo Primum besagt dies, und kein „Papst“ von Roncalli abwärts hat versucht, es zurückzunehmen, weil – es sei hier nochmals wiederholt – es niemand kann – nicht rechtmäßig. Einige kanonische Pedanten könnten weiterhin über diesen Punkt streiten, aber sie geraten in Schwierigkeiten. Fr. Raymond Dulac zum Beispiel behauptet in Itinéraires Nr. 162, ein wahrer Papst könnte rechtsgültig Quo Primum abschaffen – aber nicht erlaubterweise! Ach nee! Wie kann ein Papst als oberster Richter in Kirchenangelegenheiten, unerlaubterweise regieren, besonders in Angelegenheiten, die auf der Lehre beruhen? Ist dies nicht ein Widerspruch in sich? Spricht es nicht dem Begriff der päpstlichen Unfehlbarkeit Hohn? Wie Patrick Omlor in seinen Schriften wiederholt sagt, kann die Kirche sich nicht selbst widersprechen! Würde eine solche unrechtmäßige Regierung sich selbst annullieren, d. h. sich selbst auslöschen, besonders wenn der Regent in Wirklichkeit ein Gegenpapst wäre? Könnte eine solche Handlung nicht tatsächlich als Selbstbelastung angesehen werden, als Beweis dafür, daß der amtierende Richter nicht authentisch ist?
Aber zurück zu Quo Primum: Gewiß kann niemand dem auf Grundlage dessen widersprechen, daß dieses Dokument in irgendeiner Weise „geheim“ oder „verborgen“ sei, da es dies nicht ist. In der Tat: All die vor 1964 veröffentlichten Altarmeßbücher enthielten ein Exemplar davon neben der Messe! Und doch: Es scheint so, als ob die derzeitigen Machthaber die Existenz von Quo Primum nicht einmal zu erwähnen wagen aus Furcht, daß zu viele Katholiken es kapieren und es darauf ankommen lassen. Nein, lieber beteiligen sie statt dessen die Öffentlichkeit an einer Laterna-Magica-Show, die uns alle von nun an bis in Ewigkeit beschummeln soll.
Dies bringt uns zu der offensichtlichen Frage: Würde irgendein wahrer Papst gegen die Kritik eines so feierlichen Dekrets wie Quo Primum verstoßen? Würde irgendein wahrer Papst handeln wie Roncalli, Montini und ihre Nachfolger einschließlich Ratzinger? Wer mit anderem Material auf dieser Website vertraut ist, kennt natürlich unsere Antwort: ein schallendes „NEIN!“ Und in dieser Tatsache – daß sie Gegenpäpste sind – liegt der Grund für die konservative Maske, die Benedikt in letzter Zeit trägt. Er will die Traditionalisten dazu verlocken, mit seinem Regime ein Abkommen zu schließen. Er will, daß wir seine Bedingungen annehmen, worin die versteckten Fallen liegen...
Erstens würden Sie durch Annahme des Missale von 1962 mit seinen grundlegenden Änderungen Roncalli als rechtmäßigen Papst anerkennen, den Kerl, der es promulgiert hat. Durch Annahme der Bedingungen der derzeit laufenden Verhandlungen würden Sie natürlich auch den Novus-Ordo-Ritus von 1969 in seiner vollen Schönheit anerkennen, auf Lateinisch oder in der Muttersprache gehalten, und die Legitimität seines Promulgators, Pauls VI., sowie seiner Nachfolger, mit Ratzinger selbst an der Spitze. Sie würden den Haufen als wahre Päpste anerkennen, nicht als Gegenpäpste, die mit gespaltener Zunge sprachen oder sprechen. Aber ist das nicht die Realität? (...) Wie im Motu Proprio definiert, ist der „alte Ritus“ nur ein Teil eines Zwei-Punkte-Programms: Alte Messe und neue Messe bilden einen Teil eines Ganzen. Um eines zu haben, muß man das andere akzeptieren. In der Tat sollten Priester, die den „alten Ritus“ lesen, auch gelegentlich den neuen lesen aus Respekt vor seiner Rechtmäßigkeit. Wie Benedikt es ausdrückt, repräsentieren die neue und die alte Messe die ordentliche und die außerordentliche Form des römischen Ritus dar. Es gibt keine zwei Riten, nur einen, oder wie er es ausdrückt: „Es handelt sich um einen zweifachen Gebrauch ein und desselben Ritus“.
Für Katholiken wie uns, welche die Veränderungen der 60er und 70er Jahre (des 20. Jahrhunderts, d. Übers.) durchlebt haben, nur um sie abzulehnen, ist die Vorstellung einer Koexistenz mit dem Novus Ordo in solcher Weise ausgeschlossen. Mehr noch, wir finden es schwierig, die Geisteshaltung derer zu verstehen, die genau das tun wollen, die sich eigentlich über Aussichten des Entgegenkommens freuen, während sie anscheinend die damit verbundenen gewaltigen Probleme ignorieren oder wenigstens herunterspielen. Für sie müssen alle Widersprüche und Unstimmigkeiten vor dem gleißenden Licht der Versöhnung verblassen. Aber ... auch wenn man annimmt, das Missale von 1962 sei der Novus-Ordo-Messe von 1969 vorzuziehen – billigen sie nicht mit Annahme dieses Abkommenspaketes in Wirklichkeit die durch letzteres vermittelten Mißbräuche?
Wäre dieses Motu Proprio vor 30 Jahren erschienen, so hätten vielleicht auch wir die Bedingungen wenigstens in Betracht gezogen, aber nicht jetzt. Zu viel ist geschehen, seit wir zum ersten Mal begriffen haben, daß der Novus Ordo nicht einfach eine Übersetzung der alten Messe war, daß er für etwas radikal Neues stand und daß der von den Pfarrbehörden vor Ort gelehrte Katechismus die neuen Trends widerspiegelte. Seit damals haben wir von der Überarbeitung auch anderer Sakramente erfahren – einschließlich desjenigen der heiligen Weihen. Wenn dies kompromittiert worden ist, können wir wirklich glauben, der Novus Ordo bringe gültige Priester hervor? Auch wenn sie neu in Lateinisch und den richtigen Rubriken unterrichtet und mit einem Missale von 1962 bewaffnet werden, werden sie geeignet sein, eine wirkliche Messe zu lesen – geeigneter als ein anglikanischer Kirchendiener? Oder werden die Gottesdienstbesucher, die mit großen Augen in den Kirchenbänken sitzen, einer sorgfältig formulierten Farce beiwohnen? Rufen wir uns in Erinnerung, was der verstorbene Fr. Carl Pulvermacher vor einiger Zeit voraussagte: Rom werde die traditionelle Messe erlauben, wenn keine gültigen Priester mehr da seien, um sie darzubringen.
Um sicher zu sein, würde Ratzinger uns am liebsten glauben machen, daß dies überhaupt nicht der Fall sei. Nein, der frühere Peritus und Freund Hans Küngs beim II. Vatikanum will anscheinend, daß wir meinen, er habe eine Volldrehung gemacht, wie Pat Buchanan es ausdrückt – auch auf die Gefahr hin, daß er gewisse Juden gegen sich aufbringt! In seinem Online-Artikel zitiert Pat Abe Foxman als „tief verletzt“, daß die beleidigende, „antijüdische Sprache“ der alten „Karfreitagsmesse“ jetzt wieder erlaubt sein sollte, fast 40 Jahre nachdem der Vatikan sie „zu Recht“ beseitigt hatte!
Und dieser vorlaute ADL-Leiter ist nicht der einzige, der sich beschwert. Nein, früher in diesem Sommer, Wochen bevor das Motu Proprio erschien, hörte man, wie sich Talkshowgast Michael Medved über den Äther über die alte lateinische Messe beklagte, die er „antisemitisch“ nannte wegen ihres Gebets „gegen die ungläubigen Juden!“ Daß dieser gewöhnlich geniale Jude, einer der übrigens Mel Gibsons Passion verteidigte, John Foxman bei der ungerechtfertigten Katholikenschelte die Schau stehlen sollte, ist erstaunlich (besonders wenn man bedenkt, daß er später für die Rechte eines Hindus eintreten sollte, zur Kongreßeröffnung Gebete zu sprechen). Jeder Katholik weiß, daß wir niemals gegen irgend einen Menschen oder ein Volk beten, nur für sie, daß sie gerettet werden mögen. Was das lateinische Wort perfidis angeht: Die deutsche Entsprechung ist „ungläubig“, und wenn es den Juden nicht gefällt: Wer sind sie, daß sie darüber befinden dürfen, wie Katholiken beten dürfen oder nicht? Ist Gedankenkontrolle an der Tagesordnung? Und um beim Thema zu bleiben: Denken wir denn auch nur daran, den Talmud zu zensieren, der durchaus sehr unfreundlich zu den Christen sein kann? Ja, mehr noch, wie Buchanan betont: Da Katholiken selbstverständlich für die Rettung aller beten, einschließlich Protestanten, Muslimen und Heiden, wäre es nicht geradezu antisemitisch, die Juden von solchen Fürbitten auszuschließen?
Hier sollten wir anmerken, daß nicht alle Juden negativ auf die traditionelle Messe reagiert haben. Im Jahre 1971 beispielsweise umfaßte eine Gruppe von Kulturschaffenden in Großbritannien, die eine Petition an Paul VI. zur Verteidigung des alten lateinischen Ritus (gegen den Novus Ordo) unterzeichneten, auch den Pianisten Vladimir Ashkenazy und den Geiger Yehudi Menuhin. Diese Bewegung führte zum berühmten „Agatha-Christie-Indult“.
Was Michael Medved angeht: Ein weiterer Punkt, den er in seiner kürzlichen Show zu erwähnen vergaß, wahrscheinlich aus Ignoranz, ist die Tatsache, daß das Gebet für die Juden in der alten Liturgie nur einmal im Jahr vorkommt: am Karfreitag! Sogar Abe Foxman weiß das. Wenn man so hörte, wie Medved sich über die alte lateinische Liturgie beklagte, hätte man gedacht, solch ein Gebet werde jeden Tag als Teil des Ordinariums der Messe – wenn nicht gar des Kanons – gesprochen! Ironischerweise ist der Karfreitag der einzige Tag im ganzen Jahr, an dem im Gedenken an Christi Tod eine eigentliche Messe, traditionell oder anders, nicht gelesen wird!
Gleichermaßen ignorant ist eine Äußerung von Robert Marquand vom Christian Science Monitor, daß die „tridentinische“ Messe, „vollzogen von Priestern, die der Versammlung den Rücken zudrehen und lateinisch sprechen, nach Vatikanum II weitgehend aufgegeben wurde, teilweise weil sie für katholische Laien unverständlich war und weil sie negative Aussagen bezüglich der Juden enthielt“. Wenn man dies liest, möchte man meinen, unsere Väter seien alle ungebildete Drecksschweine gewesen, unfähig, ein lateinisch-englisches Meßbuch zu verstehen oder fair zu Juden zu sein. Und ich nehme an: Verblödet, wie sie sind, dürfte man von heutigen Katholiken auch niemals erwarten, daß sie zwischen den Zeilen lesen und den großen Umsturz bemerken, der hier bezüglich der Sprache vor sich geht. Denn in weniger als 40 Jahren ist das Lateinische weitgehend aufgegeben worden, sogar in öffentlichen Schulen, an denen Schüler, die ans College wollten, es gewöhnlich für selbstverständlich hielten. Während seine Verwendung im Novus Ordo praktisch auf Null geschrumpft ist, haben die Juden im Gegensatz dazu eine Sprache wieder zum Leben erweckt, die so alt ist, daß sie zur Zeit Christi hauptsächlich für religiöse Zeremonien verwendet wurde. Nun, während Lateinisch in Vergessenheit gerät, regiert Hebräisch als Amtssprache des modernen Israel. Es wird natürlich auch immer noch für religiöse Riten gebraucht.
Und sie wagen es, gegen die traditionelle lateinische Messe zu protestieren!
Hier noch ein paar letzte Worte zu diesem Thema: Wenden wir uns den Worten Kardinal Castrillon Hoyos‘ zu, aus einem Interview des italienischen Journalisten Andrea Tornielli auf der Website für Inside the Vatican. Laut Hoyos hat Ratzinger in keiner Weise den vom Konzil vorgegebenen Pfad verlassen. Was das umstrittene Karfreitagsgebet für die Juden angeht, so merkt er an, daß im „erlaubten Missale“, dem von 1962, promulgiert von Johannes XXIII., die Wendungen „perfidis iudaeis“ und „iudaica perfidia“ bereits entfernt worden waren. In einer im Maurice Pinay Blog veröffentlichten Erklärung sagt Rabbi David Rosen vom Amerikanischen Jüdischen Komitee, seine Gruppe habe in den letzten Monaten vom Vatikan „Versicherungen erhalten“, daß das Motu Proprio eine „Einschränkung der Verwendung der lateinischen Messe während der Tage vor Ostern“ vorsehe, „dann, wenn das Gebet für die Bekehrung der Juden gebetet wurde“. Entsprechend lesen wir im Text, dass keine „öffentliche“ Messe unter Verwendung des Missale von 1962 während dieser Zeit gehalten werden darf. Wenn man die Anforderungen der Jahreszeit betrachtet, wäre in den meisten Pfarreien wahrscheinlich wenig Zeit für eine öffentliche, weil dem Novus Ordo noch immer Vorrang eingeräumt wird.
Inzwischen versichert der Rabbi, in Erwartung weiterer Klärung diesbezüglich aus Rom, den Lesern, daß die katholische Kirche, die ja seit dem II. Vatikanum „die Proselytenmacherei abgelehnt“ hat, „jede institutionalisierte `Judenmission‘“ aufgegeben hat. Kurz: Das Motu Proprio hat in dieser Hinsicht nichts geändert. Ratzinger „hat immer wieder seine Verpflichtung zu engen, respektvollen Beziehungen zum Judentum wiederholt“, die er als Grundlage des Katholizismus betrachtet.
Somit führt Benedikt seine Politik der Dienstbeflissenheit gegenüber den Juden fort und verbietet Versuche, sie von der einzigen Religion mit rassisch begründeten Ansprüchen abzubringen, die Tausende von Jahren zurückreichen und immer noch für heilig – und politisch korrekt – gehalten werden. Er sagt ihnen nicht, sie sollten mit der Zeit gehen; nein, für sie ist das Alte in Ordnung, sogar hinsichtlich wesentlichen alten unbeweglichen Vermögens, d. h. des Heiligen Landes, verteidigt mit Hilfe US-amerikanischer Steuerzahler. Ihre eigene Literatur berichtet von Plänen, den Tempel in all seiner antiken Herrlichkeit wieder aufzubauen und Tieropfer wieder einzuführen. Aber ich denke, Ratzinger findet das in Ordnung. Im Gegensatz dazu wird von amerikanischen Katholiken erwartet, ihre Traditionen in eine modernistische Agenda einzutauchen, während erst innerhalb der letzten 150 Jahre oder so von eingewanderten Vorfahren und ihren Nachkommen erworbenes Kirchengut untergeht, ausgeräumt oder abgerissen, um durch häßliche Bausünden ersetzt zu werden, oder komplett abgestoßen, um Gerichtsprozesse zu finanzieren.
Traditionalisten wie wir haben natürlich seit vielen Jahren keinen Zugang zu irgendeiner dieser Kirchen. Nun spüren auch ewiggestrige Anhänger des Novus Ordo mehr und mehr die Auswirkungen. Lustig, daß Ratzingers Motu Proprio auf die „Reform der Reform“ anspielen sollte. In der Kirchenbank sehen sie eher die Früchte der Früchte – das heißt vom II. Vatikanum. Wie unser Herr sagte: An ihren Früchten werdet Ihr sie erkennen. Kein Wunder, daß der Vatikan versucht, traditionalistische Familien wieder in die Pfarreien zu locken, indem er an das appelliert, was in dem das Motu Proprio begleitenden Hirtenbrief ihre „starke Anhänglichkeit“ an den alten Ritus genannt wird. Sie haben große Familien: eine sprießende künftige Generation, welche die Rechnungen bezahlen soll.
Aber ist das ihr einziger Beweggrund? Oder gibt es einen anderen, tiefgründigeren, auf den wir an anderer Stelle auf dieser Website angespielt haben? Wie im Motu Proprio gesagt, schließen die Bedingungen für die „Versöhnung“ auch die Anerkennung der vergangenen fünf Päpste ein, von Roncalli aufwärts. Dies paßt zu erst letztes Jahr kursierenden Geschichten, daß Traditionalisten, die zur unheiligen Herde im Vatikan zurückkehrten, die Echtheit aller päpstlichen Konklaven anzunehmen hätten, beginnend mit dem von 1958. Aha! Könnte das reiner Zufall sein? War das nicht das Konklave, von dem wir denken, daß dort Giuseppe Siri gewählt wurde, bevor Johannes XXIII. schließlich siegreich daraus hervorging?
Die Tatsache, daß die Machthaber in dieser Hinsicht hartnäckig sind, muß bedeutsam sein. Könnten sie befürchten, daß Traditionalisten, die sich „sedesvakantistisch“ nennen, aufhören zu glauben, daß all diese Päpste nur in Häresie gefallen sind oder von wohlmeinenden Kardinälen gewählt wurden, die irgendwie nicht gesehen haben, wie schlecht sie wirklich waren? Sicherlich, die Erfahrung moderner Katholiken auch mit Lokal- oder Staatspolitik lehrt sie, daß die Dinge nicht so laufen, daß Kandidaten statt dessen in rauchgeschwängerten Räumen hinter verschlossenen Türen gewählt werden. Die Konklave richten sich perfekt nach diesem Szenario. Die Gegenpäpste mußten im voraus gewählt werden, ihre Auswahl auf den Konklaven festgemacht werden. Es geht nicht anders. „Sie“ wissen das natürlich.
Aber sie wollen nicht, daß wir das wissen, viel weniger noch eingestehen, daß wir es wissen. |