DIE SITUATION DER KIRCHE IN EINER UNBEKANNTEN VISION DER ANNA KATHARINA EMMERICK
von Harald van Scherpenberg
Unter den Visionen der leider noch immer nicht selig gesprochenen Anna Katharina Emmerick (1774 - 1824) findet man, wie es heißt, wenige, die sich auf die Zukunft beziehen.. Allerdings enthalten manche neben hellsichtigen Beschreibungen der damaligen Zustande der Kirche und einzelner Diözesen und des Kampfes der Freimaurer gegen die Kirche auch Elemente, die man erst aus heutiger Sicht als Zukunftsvisionen erkennt. So konnte wohl auch die folgende Vision durch den Bearbeiter P. Schmöger seinerzeit in ihrer Bedeutung leicht übersehen und falsch eingeordnet werden (in: Schmöger: "Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerick", Freiburg 1870, Bd.2, S. 599 f) Wir finden sie unter der irreführenden Überschrift: "Sinnbild des vom Felsen Petri getrennten Kirchensprengels":
"Ich sah eine Kirche auf dem Wasser stehen und in großer Gefahr unter zu gehen. Sie hatte keinen festen Grund mehr, sie stand auf dem Meere schwankend wie ein Schiff. Ich und andere mußten schrecklich arbeiten, sie in's Gleichgewicht zu bringen, indem wir viele Menschen hineinbrachten und an allerlei Stellen vertheilten, daß sie in's Gleichgewicht kam. Dieß geschah auf Balken und Brettern hin und her schwimmend. Ich mußte besonders viele Kinder hineinbringen. Ich sah aber in der Kirche in drei Gängen zwölf Männer an der Erde liegen und heftig beten und sich nicht rühren, dicht am Eingang vor einem Altare lagen viele Kinder. Ich sah keinen Papst darin, aber einen Bischof am hohen Altare liegen. Es wurde in diesem Bild auch die Kirche von Schiffen aus beschossen, und ganze Feuerwerke gegen sie geworfen; aber wir hängten nasse Tücher vor sie, und es kam kein Schaden an sie. Es war, als sei die Kirche von vielen Seiten in Gefahr, und ich meinte, man wolle ihr alles feste Land nehmen. Als sie im Gleichgewicht war und viele Leute darin, sank sie ein wenig, und es war, als stehe sie auf Sand. Nun legten wir Balken und machten eine Brücke, und sie war wieder mit dem festen Land verbunden. Kaum daß sie dieses war, liefen allerlei schlechte Geistliche und andere Leute hinein, die gar nichts mitgeholfen, und höhnten die zwölf Betenden darin und schlugen sie an den Ohren; aber sie ertrugen es still und beteten fort. Wir mußten nun viele große Steine hintragen und rund umher versenken, um ein Fundament zu machen, und das wuchs immer und ward wie angewachsen. Die Steine strömten heran, und es war, als wüchse der Felsen empor aus einem Stück und alles war wieder fest. Und es kamen viele Leute, auch fremde durch die Thüre hinein, und sie war wieder auf dem Land." - Dieses Bild dauerte mit schwerer Arbeit mehrere Nächte. Einmal rief sie in lautem Wehklagen in der Ekstase: "Sie wollen dem Hirten die eigene Weide nehmen! Sie wollen Einen eindrängen, der den Feinden alles zugibt!" Dann hob sie zürnend die geballte Hand und sprach: "o ihr deutschen Spitzbuben! Wartet! es soll euch nicht gelingen! Der Hirte steht auf einem Felsen. Ihr Priester ihr rührt euch nicht! Ihr schlaft und der Schafstall brennt an allen Ecken! Ihr thut nichts! O wie werdet ihr es einst beweinen! Hättet ihr doch nur ein Vater unser gebetet! Die ganze Nacht mußte ich mit ansehen, wie die Feinde den Herrn Jesus auf dem Kalvarienberg herumgeschleppt und mißhandelt haben! Ich sehe so viele Verräther! Sie können es nicht ertragen, daß man sagt, es stehe schlecht. Alles ist ihnen recht, wenn sie nur mit der Welt gloriren können!"
Die Überschrift: "Sinnbild des vom Felsen Petri getrennten Kirchensprengels" - Pater Schmöger hat das wohl auf national-kirchliche Bewegungen bezogen - kann aus verschiedenen Gründen nicht zutreffend sein:
1. Bistümer mit ihren Bischöfen - also Ortskirchen - sieht A.K. Emmerick regelmäßig als Braut und Bräutigam im Hochzeitshaus, nicht als ein Kirchengebäude. Sieht sie aber bestimmte Gotteshäuser, so gibt sie entweder den ungefähren Ort oder den Kirchenpatron an. 2. Zwölf Männer in der Kirche sieht sie nur in Visionen, die die ganze Kirche betreffen, und zwar die irdische, streitende Kirche in einem bestimmten Zeitpunkt oder einer Epoche. Sie sieht sie nämlich als die geistigen Nachfolger der Apostel, die der Hl. Kirche zu jeder Zeit von Gott geschenkt werden; nicht unbedingt identisch mit Amts nachfolgern, d.i. Bischöfen, denn sie bezeichnet einmal einen einfachen Priester, Beichtvater eines Papstes, als zu ihnen gehörig. 3. "Ich sah keinen Papst darin" hätte sie nicht gesagt, wenn sie nicht einen zu sehen erwartet hätte, und nicht erwartet, wenn die gescheute Kirche nur Sinnbild einer Diözese oder einer schismatischen Kirchenprovinz gewesen wäre. 4. Vom festen Land, mit dem diese Kirche schließlich durch eine Brücke wieder verbunden wird, ziehen nicht etwa Papst und Bischöfe feierlich ein, sondern es "laufen allerlei schlechte Geistliche und Leute, die garnichts mitgeholfen" herein. 5. Die Kirche wird nicht etwa aufs Land gezogen, sondern das Felsenfundament wächst unter ihr durch die Anstrengungen der Heiligen (Anna Katharina Emmerich sagt: "wir"!), bis sie wieder auf Fels über dem Wasser steht. 6. "Es kamen auch fremde Leute durch die Tür herein" bedeutet Bekehrungen Ungetaufter zur katholischen Kirche - zu dieser Kirche! Die anderen "Vielen" sind abständige Getaufte, die wieder am kirchlichen Leben teilnehmen, einschließlich Konversionen. Anna Katharina Emmerick sieht solche immer aus den Wänden in den Kirchenraum eintreten. Die "Tür" ist die heilige Taufe! 7. Es handelt sich um eine Kirche, die von den Heiligen und Dienern Gottes vor Verfolgungen ("ganze Feuerwerke") beschützt wird, also offensichtlich nicht um eine häretische oder schismatische, sondern um die wahre Kirche, und zwar die katholische Kirche unserer Zeit, für die die Heiligen, wie man sieht, schon seit Jahrhunderten gearbeitet haben, nicht um sie "zurückzubringen", sondern um ihren durch die Feinde betriebenen Untergang zu verhindern!
Nach diesen Erklärungen wird man nicht mehr viel Mühe haben zu erraten, wer der eine "Bischof am Hohen Altar liegend" ist. Jedenfalls keiner von denen, die hinter dem "Volkealtar" stehen! Wer auch nur ungefähr über die ungereimten Maßnahmen informiert ist, mittels derer die römische Kurie dafür gesorgt hat, daß Erzbischof Lefebvre keine Diözese hat, und gar erst über die Versuche, ihm auch das Seminar in Econe wegzunehmen, der versteht es sehr gut, daß Anna Katharina Emmerick meint, man wolle dieser Kirche "alles feste Land nehmen", so daß sie nur durch Zustrom möglichst vieler Menschen ins Gleichgewicht kommen und einigermaßen festen Boden finden kann - unter tatkräftiger Mitwirkung vieler Heiliger des Himmels!
Auch andere Facetten der Vision sind, bei einiger Kenntnis der Lage, von verblüffender Präzision:
Die "Balken und Bretter", provisorische transportable und schwimmfähige Fundamente wie die von Laien angemieteten Profanräume für die Feier des Hl. Meßopfers.
Die Gefahr, aus dem Gleichgewicht zu kommen, wenn man die durch das Versagen der kirchlichen Rechtsprechung entstehenden Probleme und Spannungen zwischen den glaubenstreuen Katholiken selbst bedenkt. .
Die vielen Kinder "dicht am Eingang vor einem Altar": dicht am Eingang der Kirche ist, geistlich gesehen, das Sakrament der Hl. Firmung, und wer wüßte nicht, daß das eines der wichtigsten und schon fast weltweiten Wirkungsfelder von Erzbischof Lefebvre ist mit vielen Tausenden Gefirmter.
Die Feinde der Kirche, die "einen eindrängen wollen", die Christus, dem Hirten unserer Seelen (und dem rechtmäßigen Papsttum, das Ihn auf Erden vertritt), seine eigene Kirche wegnehmen wollen! Nun sie haben "einen" eingedrängt, der vom Stahl Petri aus den Feinden der Kirche, den Häretikern, Freimaurern und Bolschewiken alles zugibt. Vorsichtig zwar und hinter scheinbar ungehorsamen Helfern versteckt, damit sich die Gläubigen nicht in Massen öffentlich von ihm distanzieren, aber wirkungsvoll und radikal!
Und: "oh, ihr deutschen Spitzbuben!" Kann man von einer guterzogenen Klosterfrau kleinbäuerlicher Herkunft eine treffendere Charakteristik der maßgeblichen Mitwirkung deutscher Theologen (Rahner, Küng u.a.; Anm.d.Red.: Ratzinger!) und Kardinäle (Bea, Döpfner u.a.) an der Zerstörung der katholischen Kirche durch die raffinierten "Reform"-Pläne erwarten?
Schließlich die vielen schlafenden Priester, die nicht vertragen können, wenn man ihnen sagt, wie schlecht es wirklich um die Kirche steht! Unsere Crux, Inhalt unserer beinahe verzweifelten Gebete, unser nächtliches Grauen, wenn wir daran denken, wie sie es beweinen werden, wenn es zu spät ist! Und alles aus lauter Menschenfurcht. Wer das immer wieder erfahren mußte, auch von Priestern, von denen man sich noch etwas Einsicht erhoffte, der versteht das laute Wehklagen der begnadeten Anna Katharina bei ihrer schweren Leidens-Arbeit in den nächtelangen Ekstasen!
Und wir sind im brennenden Schafstall eingesperrt, in Deutschland z.B. so, daß wir den Verderbern unserer Hl. Kirche die finanzielle Unterstützung durch die Kirchensteuer nur entziehen können, wenn wir öffentlich die Lüge unterschreiben, wir seien aus der katholischen Kirche ausgetreten (wie die Geizigen, die Atheisten und diejenigen, die ihre Unmoral durch eine andere Religion rechtfertigen möchten!)
Die vielfältige Präzision, die Genauigkeit der Beschreibung unserer Lage müßte eigentlich auch den letzten Skeptiker, wenn er nur über ein Mindestmaß an Gespür für kirchliche Dinge verfügte, überzeugen, daß es sich um eine prophetische Vision der Kirche unserer Tage handelt. Ist dieser Schritt getan, so können wir uns Gedanken machen über den angedeuteten weiteren Weg. Daß die in der Tradition feststehende Kirche nicht untergehen wird, wissen wir sowieso, weil Christus treu ist und Sein Wort hält. Aber offensichtlich wird die Entwicklung sogar so verlaufen: diese Kirche wird durch das Anwachsen ihrer Anhängerschaft - und die Ereignisse, die unter dem Brückenbau zu verstehen sind - noch so attraktiv werden, daß nicht nur die wohlwollend Abwartenden, sondern sogar viele reine Opportunisten unter den Klerikern und prominenten Laien wieder in Scharen gelaufen kommen und auch dabei sein wollen. Ja, sie werden die große Geige spielen wollen, ihre jetzige Handlungsweise rechtfertigen als weitblickend und verantwortungsbewußt, und sie werden diejenigen im Namen der Kirche öffentlich kritisieren ("an den Ohren schlagen"), die die Last des Kampfes für die Erhaltung des katholischen Glaubena in den vergangenen Jahren allein, oft ohne Priester und Sakramente, getragen haben und weiter tragen werden.
Man kann sich schon gut vorstellen, mit welchen Argumenten diese Männer sodann getadelt werden, denen wir so viel verdanken. Es wird recht demütigend sein! Tröstlich, daß die Seherin die rechte Verhaltensweise in dieser Prüfung gleich mitgesehen hat: Weiterbeten und alles geduldig hinnehmen! Gott wird nach der Wahrheit richten, vor Ihm wird keine Ungerechtigkeit ungesühnt bleiben und wahre Demut unbelohnt. Und noch in dieser Zeit wird Er Seiner Kirche zum Entsetzen ihrer Feinde und zur Belehrung aller Menschen einen überwältigenden Sieg schenken, gegen alle menschliche Hoffnung.
In einer viel bekannteren Vision beschreibt Anna Katharina Emmerick, wie nach einer weitgehenden Zerstörung der Kirche (unter Anleitung der Freimaurer) schließlich ein neuer "viel jüngerer und strengerer" Papst vor einem Fest der Wiederherstellung der Kirche "ganz ohne Widerspruch" eine Menge vornehmer und geringerer Geistlicher aua der Kirche auastoßen wird ("... ich sah, daß sie nur mit Murren die Versammlung verließen."). In der anfange zitierten Ausgabe finden wir schon über den damaligen (18301) Zustand der Geistlichkeit folgende Anmerkung (S.530): "Ich sehe", sprach sie einmal, "so viele Geistliche im Banne, die es garnicht achten oder zu wissen scheinen. Und doch sind sie es, da sie in Angelegenheiten und Verbindungen sich einlassen, auf welchen der Bann steht. Ich sehe solche mit einem Nebel, einer Scheidung umgeben. Da sieht man, wie streng Gott die Aussprüche, Befehle und Verbote des Kirchenoberhauptes nimmt und in Kraft erhält, wenn auch die Menschen sich nicht darum kümmern, sie leugnen oder verspotten."
Wieviele bindende Vorschriften und Verbote werden im heutigen Klerus, selbst im höchsten, doch einfach als nicht existent betrachtet! Wieviele kanonisierte Auffassungen der Kirche, z.B. über Liturgie und Sakramente, ja selbst wieviele grundlegende Glaubenesätze werden öffentlich oder insgeheim von Priestern und Bischöfen für unverbindlich ("unzeitgemäß"!) gehalten, wieviele feierlich verurteilte Lehren werden von denselben Geistlichen, meist unter Bruch eines persönlichen Eides (Antimodernisteneid) für vertretbar erklärt! Sich vorzustellen, daß alle diese Personen sich von der Kirche ausgeschlossen haben, mit allen kirchenrechtlichen und seelsorglichen Folgen, des vermittelt ein realistisches Bild des Zustandes der Kirche, wie ein Prophet Gottes ihn heute sehen würde! Möchten doch einigen, die dies lesen, die Augen aufgehen über den Abgrund, der sich in der Kirche aufgetan hat. Hier sind nicht diejenigen gemeint, die sowieso nur Wölfe im Schafspelz sind, sondern die, die sich und anderen einreden, man müsse sich doch um des Friedens oder um der "Einheit der Kirche" willen der allgemeinen Richtung in den wesentlichen Fragen anpassen - mit mehr oder weniger schwerem Herzen und unruhigem Gewissen. Als ob es eine Einheit der Kirche der Gegenwart geben könnte, die dem Glauben und der Sittenlehre der Kirche früherer Jahrhunderte ablehnend gegenübersteht!
Möchten sich doch noch viele ehrlich besinnen, und bald, ehe man die echte Umkehr vom Opportunismus nicht mehr unterscheiden kann. Die Gabe der Prophetie, "das Zeugnis Jesu Christi" (Offb. 19,10), erweist sich immer als Barmherzigkeit Gottes für die, die darauf hören und danach handeln, und als gerechtes Gericht für diejenigen, die 'hören und doch nicht hören'!
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