Brief an die Redaktion
Sehr geehrter Herr Dr. Eberhard Heller,
Zum ersten Mal sind mir einige Nummern Ihrer Zeitschrift "Einsicht" in
die Hände gekommen. Klar, solide, die Nr. über Erzbischof Thuc ein
wertvolles Geschenk. Ich teile mit Ihnen die Leidenschaft für die von
Christus geoffenbarte Wahrheit und die Erhaltung der in dieser Wahrheit
stehenden Kirche. Ich verurteile auch die falschen Aussagen, vor allem
die total Christus entgegengesetzte Grundhaltung des Vat. II (bezüglich
der Welt, der Katholischen Kirche, des Kreuzes, der Gnade, der Sühne
usw.). die Abwege der Konzils"päpste" sind so gravierend und
offensichtlich, daß sie nicht in der Gnade, auch nicht in der Gnade des
Amtes stehen können. Aber diese Situation, die noch nie so tief und
umgreifend in der Kirche gewesen ist, ist zugleich ein dem Menschen so
schwer verständliches Geheimnis der Bosheit und der Führung Gottes
(Christus als Haupt der Kirche, Vorsehung, Gubernatio Dei usw.) in und
über die Kirche, daß es nicht erstaunlich ist, daß die
kirchenrechtlich-theologischen Erklärung nicht sofort allen einsichtig
und abschliessend gelingen können, auch nicht unter denen, die die
volle Bereitschaft dazu hätten. Obwohl die Klärung der
kirchenrechtlich-theologischen Situation der "Päpste" nach Pius XII
nötig ist, und die Erkenntnis in die Tat umgesetzt werden muss
(mindestens etwa "non una cum"), zeigt doch die auch von Ihnen
angesprochene Zerstrittenheit und missionarische Passivität der
verschiedenen Gruppen, Gemeinschaften und Einsichten, dass etwas
Entscheidendes dabei fehlt (...). Ihre Sorge, dass nicht nur aktueller
Sakramenten-Service geleistet werden soll, sondern dass endlich die
gültige Struktur der Kirchenleitung hergestellt werde, kann ich gut
verstehen, aber Ihre Erwägungen dazu geben mir wenig Möglichkeit, den
Weg zu sehen. Warum - und das frage ich für alle Gruppen - warum fragt
niemand nach dem aktuellen Willen Gottes? Ist das nicht eines der
modernistischen Tabus (die so schwerwiegend wie die erklärten Irrtümer
sind)? Gott ist doch nicht tot, nicht passiv zuschauend (Deismus), es
darf doch nicht die Verheissung Chrisi über seine führende Gegenwart
und das Wirken des Heiligen Geistes in so einer Situation einfach
übersehen oder verschwiegen werden. Das ist ja das Problem der
konziliaren Kirche, dass sie selber alles neu konstruieren wollen, ohne
nach Gottes Willen, Gottes Plänen, Gottes Wirken, nach der Gnade zu
fragen. In den Gruppen, die in der überlieferten Wahrheit die Kirche in
Treue erhalten und erneuern wollen, werden nur die den rechten Weg
finden, die Gottes Gnadenwirken (als Führung; Erziehung; Heiligung;
Reinigung von Krusten, die die Menschen der Kirche seit Jahrhunderten
zugefügt haben; wirkliche Erneuerung) beachten. Und dabei ist für mich
klar: Christus hat gewollt, dass besonders in dieser Zeit Maria als
Gnadenvermittlerin und Mutter und Königin den eigentlichen Weg der
Erhaltung und Erneuerung der Kirche zeigt, nicht nur im Leben des
Einzelnen. Und sie fordert zunächst die Weihe an ihr Unbeflecktes Herz,
das Leben in dieser Weihe und führt dann zu Christus und zum
Dreifaltigen Gott. Das ist so oft und vielfältig auf ordentliche und
ausserordentliche Art von ihr zu vernehmen, dass ich alle die, die das
nicht wahrnehmen, als gehörlose oder im Hören stagnierte Christen
betrachte. Ich denke, das heute nur jene Gottes aktuellen Pläne mit der
Kirche, und damit die Weisung für ihr Handeln verstehen, die die Weihe
an Maria, die Gnadenvermittlerin, leben. Zwar gibt es Gruppen, die das
für sich tun (bei "Mater boni consilii" ist das ausgesprochen), aber es
müssten alle Gruppen sich in diesem Weg einigen: das ist der
eigentliche Weg der Einigung derer, die nach Gottes Willen an der
Kirche aufbauen. Dann erst wird man in der Beurteilung der Lage die
gemeinsame klare Einsicht bekommen. (...) Wer auf dem gleichen
Faundament der katholischen Wahrheit steht, hat die Pflicht und das
Recht auf ehrfürchtige Diskussion über das, was noch klarer erkannt
werden muss. Da die gegenwärtige allgemeine öffentliche Krise der
Kirche von der Kirchenführung (vor allem seit der Revolution beim
Konzil) und vom Kirchenvolk gemacht und verschuldet ist, ist der Weg
zur Überwindung für diese mit viel Opfer und Not und Sühne verbunden
(eines davon ist die Zerstrittenheit der Glaubenstreuen). Aber gerade
dabei können die Zeichen der Gnade, die den von Gott gewiesenen Weg
anzeigen, am ehesten erkannt werden. Ein Erkennen, das von den meisten
erst wieder glernt werden muss: im Urchristentum und bei den Heiligen
etwas Zentrales im Glaubensleben. Dabei wird die Gottsmutter, die wir
"Gnadenkönigin" nennen, die klarere und gemeinsamere Einsicht
vermitteln. Das ist höher zu achten als nur Gescheitheit (Ratzinger mit
seiner oberflächlichen und schillernden Intellektualität, usw.) und
Wissenschaft. Die Krise wird nicht allein durch menschliche Einsicht,
sondern mehr durch Gnadenführung und Gnadenwirkung überwunden. Dann
kommt auch nicht die Gefahr auf, dass letztlich jede Gruppe seinen
eigenen Papst wählt oder dass der nach einer bestimmten (vielleicht
einzig richtigen) These Gewählte von allen andern abgelehnt wird.
Diesmal wird die so lange tabuisierte Gnadenführung Gottes, gleichsam
personfiziert in Maria, den eingentlichen Ausschlag geben (in Wahrung
der apostolischen Sukzession). - Mit der Hoffnung, mich Ihnen
verständlich ausgedrückt zu haben, und bald die einigende Wirkung von
Mariens Hand beobachten zu können, grüsse ich Sie in priesterlicher
Verbundenheit N.N. in
P., 23. Januar 2006 |