Das II. Vatikanische Konzil und die theologische Sprachverwirrung
von
Norbert Dlugai
1. Allgemeine einleitende Vorbemerkungen
Es hat wohl jeder von uns schon öfter die enttäuschende Erfahrung
gemacht, daß man in Gesprächen selbst mit nahe stehenden Menschen
mißverstanden wird, auch wenn es sich, wie man meint, um Dinge und
Gegenstände handelt, die an sich vernünftig, und für jedermann
einsichtig erscheinen sollten. So gelangt man dann zu der zweifellos
sehr betrüblichen Erkenntnis, daß sich heutzutage eine manchmal
geradezu babylonische Sprachverwirrung breit zu machen scheint, die
erfahrungsgemäß Ausmaße annehmen kann, wo ein Verstehen des anderen
illusorisch erscheint - ein Phänomen, das wahrhaft Angst und Schrecken
erzeugt. Schockierend bei alledem ist, daß solche zwischenmenschliche
Krisensymptome in eine Zeit fallen, die sich rühmt, die Globalisierung
zu forcieren, wodurch eigentlich alles vermieden werden müßte, was
ebenso in sprachlicher Hinsicht einem Auseinanderdriften Vorschub
leistet, d.h. der Globalisierung entgegensteht.
Doch ein noch größeres Maß an Bitternis scheint berechtigt zu sein,
wenn selbst Welt umspannende Institutionen wie die gottgewollte, von
Jesus Christus zu unserem zeitlichen und ewigen Heil gestiftete
katholische Kirche nicht mehr das kostbare Gut einer einheitlichen
Sprache hütet und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigt, ja
sogar der Wirrnis zum Durchbruch verhalf und dies vor allem durch das
II. Vatikanische Konzil und in der Zeit danach, womit wir uns hier
befassen wollen.
2. Die neue liturgische Sprache
Viele treue Katholiken stehen bis heute noch fassungslos vor der
Tatsache, daß gerade in einer Zeit, da die Weltgemeinschaft, wie schon
gesagt, im Wege der Globalisierung mehr und mehr zusammenwächst, die
Kirchensprache, das altehrwürdige Latein, als Ausdruck und Symbol einer
wundervollen Einheit in Religion und Glauben ohne jegliche
Notwendigkeit als nach-konziliare 'Errungenschaft' sozusagen, verworfen
und durch die Landessprache ersetzt wurde. Und so fragen die
Katholiken, ob hier wirklich der so viel gerühmte und beschworene
Heilige Geist des Konzils am Werke gewesen ist... oder ob dieser
'Geist' nicht der Ungeist der gottwidrigen Macht der Finsternis war.
Diese Gedanken erhalten eine zusätzliche düstere Aktualität deswegen,
weil nach der Promulgation des N.O.M. in den Landessprachen innerhalb
der Liturgie letztere erwartungsgemäß eine Aufspaltung in alle
möglichen Formen landessprachlicher Übersetzungen und selbstständiger
Eigenriten erfuhr. Eine Situation, die unglückseliger in Bezug auf
einen Kräfteschwund des katholischen Glaubens in der Tat nicht sein
konnte. Dabei hätte doch die Kirchengeschichte eine nachdenklich
machende Lehrmeisterin sein können, weil sie uns bewußt gemacht hätte,
wie sehr die Häretiker der vergangenen Jahrhunderte in zerstörerischer
Weise mit ihren teilweise perversen Eigenständigkeiten an der
tradierten Kirchenordnung rüttelten, wie etwa die Katharer, die
Hussiten, die Reformatoren, die Jansenisten, die Spiritualisten usw.
Sie alle waren bzw. sind Häretiker, welche am wahren
heilsgeschichtlichen Erlösungswillen Gottes Verrat begangen haben.
Trotzdem schien eine Haltung der Ignoranz dominierend zu werden, die
blind dafür war, daß mit der Einführung der Landessprache in das
liturgische Geschehen auch ein Zerbröckeln der inneren Einheit der
Kirche durch eine immer mächtiger werdende Autonomie der
Nationalkirchen stattfinden würde, welche dann unaufhaltsam war.
Damit aber wird das nach dem Willen Jesu Christi alles zusammenhaltende
zentrale Katholisch-Apostolische der Kirche ins Paradoxe hin verdrängt,
und der Verrat am Heilsgeschehen, das gekrönt wurde durch den Opfertod
und die Auferstehung Jesu, zu etwas Dauerhaftem. Eine solche Haltung
des Verrats betrifft Elementares unseres katholischen "Depositum
Fidei". Sie scheint den Höhepunkt noch nicht überschritten zu haben.
Und so schlagen wir Christus, den Erlöser, erneut ans Kreuz!
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß die Integration der
Landessprache in die neue Meßordnung einherging mit einer der
einschneidendsten und zugleich fragwürdigsten nachkonziliaren
Entscheidungen, nämlich die altehrwürdige "Tridentinische Messe" durch
einen 'Novus Ordo Missae', die sog. 'Messe' Pauls VI. 'abzulösen'.
Selbst wenn man den Anhängern der 'alten' Messe und damit den Wünschen
nach einer teilweisen Beibehaltung des Lateinischen durch das "Indult"
von 1984 und das erweiternde "Motu Proprio" von 1988 entgegenkommen
wollte, so ist es eine Illusion zu hoffen, daß daraus wieder eine
allumfassende Restituierung erwächst bzw. sich eine Rückkehr zum
vorkonziliaren Zustand mit dem die Kirchensprache beherrschenden Latein
abzeichnet. Dies werden selbst spirituelle Bewegungen oder
Gruppierungen wie z.B. "Pro Missa Tridentina" kaum bewirken. Denn es
setzen die übermächtigen neo-modernistischen Gegner der Tradition alles
daran, ob öffentlich oder im Stillen, daß, wie man dessen jetzt schon
gewahr wird, Indult und Motu Proprio 'nicht ins Kraut schießen', damit
Latein als Kult- und Kirchensprache eines Tages gänzlich der
Vergangenheit angehören.
Als aufschlußreich und beispielgebend für das Vorherige möge die
Einstellung des italienischen Erzbischofs Giovanni Battista Re gelten,
der beim letzten ‚Konklave’ anläßlich des Todes von Johannes Pauls II.
als 'papabile' galt. Re machte nämlich schon vor längerer Zeit
deutlich, daß nicht daran gedacht sei, die Konzessionen an die
Traditionalisten zu verewigen. Wie jedoch denkt Benedikt XVI. hierüber?
Wäre er entschlossen genug, evtl. Änderungen zugunsten des
Traditionalismus Nachdruck zu verleihen? Zweifel sind angesagt. Daher
liegt es nach allem an uns glaubensstarken katholischen Christen, zu
hoffen und vor allem zu beten, der vom Vater und vom Sohne ausgehende
Heilige Geist möge alle Verantwortlichen in der Kirche erleuchten, auf
daß wieder in ihr zum Tragen kommt, was sie durch die Jahrhunderte
hindurch als kostbares Gut erkannt und gewissermaßen als Geschenk "von
oben" gehütet hat. Dazu zählt ohne Zweifel die altbewährte,
weltumspannende lateinische Sprache in der Feier des Kreuzesopfers Jesu
Christi.
Bleibt zu erwähnen, wie sich früher ein ausländischer katholischer
Christ, der sich als Gast in unseren Landen aufhielt, glücklich pries,
beim Besuch des Gottesdienstes die ihm geläufigen lateinischen
Responsorien und Texte zu hören und mitzuvollziehen. Könnte das eines
Tages nicht wieder so sein?
3. Die neue verwirrende Sprache innerhalb der Theologie an sich
Das Konzil und die Nachkonzilszeit brachten nicht nur eine radikale
Veränderung der liturgischen Sprache mit sich, sondern es erlebte die
katholische Kirche nicht weniger die Geburt einer 'neuen Sprache' im
Rahmen und in Verbindung mit einer 'neuen Theologie' von ungeahnter
Dimension und Breitenwirkung weltweit!
Der eigentliche Ausgangspunkt für all das 'Neue' war und ist das
heutzutage überhandnehmende Hinterfragen der bzw. die geistige
Gegnerschaft zur scholastischen Sprache, und schließlich zur
scholastischen Philosophie und damit zur Theologie selbst -
Disziplinen, die doch das Siegel jahrhundertelanger Gewachsenheit und
Klarheit der Aussagen tragen, somit Säulen für die Fundierung von
Religion und Glauben darstellten. So ist es nicht verwunderlich, wenn
man in all den, besonders vor dem Konzil liegenden Epochen der
Kirchengeschichte nicht müde wurde, in der scholastischen Sprache, und
damit in der Scholastik an sich eine große, unentbehrliche Stütze der
traditionellen Theologie zu sehen, d.h. der wahren, unverfälschten
katholischen Theologie in allen Bereichen.
Umso mehr ließen die Gegner der Scholastik keine Anstrengung ungenutzt,
die unter dem schützenden Mantel der Scholastik zum Blühen gebrachte
Theologie in Mißkredit zu bringen oder gar zu zerstören. So hatte der
heilige Papst Pius X. allen Grund, in seiner berühmten Enzyklika
"Pascendi" von 1907 voller Trauer und banger Sorge festzustellen: "Drei
Dinge sind es vor allem, von welchen die Modernisten wissen, daß sie
ihren Bestrebungen entgegengesetzt sind: die scholastische Methode in
der Philosophie, die Autorität und die Tradition der Kirchenväter, und
das Kirchliche Lehramt. Gegen diese drei richtet sich ihr heftigstes
Streiten".
In dem Maße, wie dies alles ein Opfer von Ignoranz oder Besserwisserei
wird, muß die zur höchsten Spiritualität gelangte Scholastik und mit
ihr die gewachsenen klaren Aussageinhalte - gekleidet in ein
entsprechendes sprachliches Gewand - verkümmern. Damit ist dem
theologischen und terminologischen Wirrwarr Tür und Tor geöffnet, wie
wir es heute erleben.
Es liegt das zweifellos auf der Linie der Intentionen aller Neuerer.
Denn es steht absolut fest, daß der vornehmlich in unserer Gegenwart
immer lauter werdende Ruf nach Neuerungen verbunden ist mit einem
geäußerten oder auch stillen Widerwillen gegen die Scholastik und ihre
unverwechselbar klare Sprache. Derartige Aversionen aber sind typisch
für eine Gesinnung des Sichverschließens vor der Tatsache, daß die
tradierten göttlichen Wahrheiten, wie sie vor allem in der biblischen
Offenbarung enthalten sind, in allen ihren Ausformungen unwandelbar und
festgeschrieben für alle Zeiten sind, und damit die einzigartigen
Grundinhalte des katholischen Glaubens und der katholischen Theologie
bilden, und das seit Anbeginn.
Diese Inhalte jedoch, welche gleichzeitig die geistigen Fundamente der
katholischen Kirche und ihrer Glaubensschätze darstellen, stehen in
engster Beziehung zur scholastischen Philosophie und Theologie und
wurden über Jahrhunderte hinweg somit in der Sprache der Scholastik
immer vollkommener präzisiert, definiert und gegen Verirrungen und
Fehlinterpretationen abgesichert. Zusammenfassend sei also nochmals
gesagt: Die unumstößliche göttliche Wahrheit offenbarte sich dem
Menschen bisher im Gewande der scholastischen Sprache. Insoweit nun die
Konzilsneuerungen diesbezüglich dem Zeitgeist huldigten, konnte und
mußte zwangsläufig eine 'neue Theologie' mit einer 'neuen Sprache' das
Feld der Kirche erobern und beherrschen, und so konnte eine Verwirrung
ihren Siegeszug beginnen, der unaufhaltsam zu sein scheint. Hier werden
u.a. die Folgen einer möglicher-weise bis jetzt vorhandenen Unkenntnis
darüber sichtbar, daß die Sprache, wenn es sich um eine sog.
"Fachsprache" handelt, nicht einfach in einem sozusagen luftleeren Raum
angesiedelt ist, sondern vielmehr eine Konnexität mit einem
weltanschaulich-philosophischen System zum Tragen kommt. Das dürfte
allerdings eine Binsenwahrheit sein.
Diese Wahrheit findet bei Prof. Johannes Dörmann mit Blick auf das
Konzil eine nachdenklich machende Reflexion in seinem Buch "Der
theologische Weg Johannes Pauls II. zum Weltgebetstag der Religionen in
Assisi" I. Bd., wo Dörmann in zutreffender Weise folgendes feststellt:
"Die führenden Theologen sahen, daß es bei der Sprache um die Sache, um
die ganze Sache der Theologie und des Glaubens ging. Denn die
scholastische Sprache war mit der scholastischen Philosophie, diese mit
der scholastischen Theologie, und diese wiederum mit der dogmatischen
Tradition der Kirche unlösbar verbunden. Durch den Verzicht der
Konzilsväter auf die scholastische Sprache wurde in Wirklichkeit auch
die scholastische Theologie verabschiedet und die in Jahrhunderten
bewährte Ehe zwischen der 'Philosophia Perennis' und dem Glauben
geschieden. Genau das war das Ziel führender Konzilstheologen, obwohl
sie sich darüber im klaren sein mußten, daß die 'Philosophia Perennis'
die ganze Tradition der abendländisch-christlichen Philosophie
bedeutete. Der Verzicht der Väter auf die 'scholastische Schulsprache'
war für sie die 'conditio sine qua non' durch die der Bruch mit der
bisherigen Dogmatik eingeleitet wurde, um nach der Suspension und der
anschließenden Verabschiedung der 'alten' die 'neue Theologie' zu
etablieren." Soweit Dörmann, und seine einschlägige Sichtweise der
Bedeutung der Sprache für die Theologie, speziell, was die
'Konzilstheologie' betrifft.
Letztere ist demnach ohne Zweifel dem Trend erlegen, die bisherige
Fachsprache als nicht mehr zeitentsprechend abzuqualifizieren, und das
hieß dann: weg vom überkommenen scholastischen Denken hin zu einer
'neuen flexibleren Theologie' unter Inkaufnahme eines bewußten oder
unbewußten Bruchs mit der bisherigen Dogmatik, wie es Johannes Dörmann
überzeugend beschreibt. So wird man nicht die Augen davor verschließen
können, daß letztlich das II. Vatikanische Konzil maßgeblich für das
Eindringen der neuen anti-scholastischen Sprache in die katholische
Kirche verantwortlich ist, von der 'das Neue' rezipiert wurde -
abgesehen von streng konservativ-traditionalistischen Gruppierungen,
für die der vorkonziliare Zustand ein sakrales Tabu darstellt, wie etwa
die Priesterbruderschaft Pius X. des Erzbischofs Marcel Lefebvre es mit
ernst zu nehmender, wachsender Resonanz praktiziert.
Es stellt sich jetzt die Frage, was die unter Verzicht auf die
scholastische Sprache und dem damit verbundenen Aufweichen der
katholischen Dogmatik erfolgte Etablierung der 'neuen Theologie'
konkret bewirkte. Rein äußerlich die Erarbeitung einer immensen Fülle
von Konstitutionen, Dekreten und Erklärungen mit insgesamt 103014 (!)
Wörtern (vgl. Rahner-Vorgrimler: "Kleines Konzilskompendium"). Vom noch
viel wichtigeren Gehalt der Texte her wurden wir jedoch mit einem nicht
zu übersehenden Mangel an wünschenswerter Präzision konfrontiert, und
das war ein unverzeihliches, höchst unkluges Verhalten der betreffenden
Konzilsväter - Ausfluß der neuen theologischen und damit einhergehend
scholastik-fremden Denkrichtungen.
So mußte es konsequenterweise an ernsthaften Bemühungen fehlen, die
Konzilsaussagen klar, ver-ständlich und fern jedweder
Falschinterpretation zu gestalten, und sie so einer praktischen
Umsetzung zuzuführen, die von Dauer ist. Als Ergebnis solcher, man darf
es nennen, "Fehlkonstruktionen" haftet vielen Konzilstexten der Makel
der Ambivalenz an. Diese machte es Konzilsteilnehmern möglich, sich im
Interesse ihrer eigenen Neuerungsbestrebungen auf die ambivalenten, und
damit jeder Interpretation zugänglichen Texte zu berufen. Wie sehr tut
sich da ein Gegensatz auf zu den früheren Konzilien, deren spiritueller
Wert sich in dem akribischen Suchen nach äußerster Präzision und
Prägnanz der Aussagen niederschlug und manifestierte - und das in
Anlehnung an die Stetigkeit jahrhundertelanger scholastischer Prägung
und sprachlicher Klarheit, als kohärentem Bestandteil scholastischen
Denkens.
An einigen Beispielen, welche Allgemeingültigkeit beanspruchen können,
möge nun aufgezeigt werden, welche Auswirkungen an Verwirrung und
Unsicherheit die Folge sind, wenn in den Texten der Konstitutionen,
Dekrete und dergl. des Konzils die Ambivalenz zutagetritt, wobei sie
zuweilen Formen annimmt, die schon mehr und mehr auf ein bewußtes
Wegrücken von der katholischen traditionellen Dogmatik hindeuten - mit
der zu brechen, das Konzil den Anstoß gab oder geben sollte, wie es
neo-modernistischen Wünschen entsprach.
Da wäre einmal die "Dogmatische Konstitution über die Kirche" zu
nennen, in welcher, weit entfernt von scholastischer Gedankengutreife
festgelegt wird, die Kirche Christi 'subsistiere' (subsistit) in der
katholischen Kirche. Hier stehen wir vor einem typischen Fall der den
Glauben verwässernden Ambivalenz von Formulierungen des II.
Vatikanischen Konzils, und man fragt sich, weshalb die Mehrheit der
Konzilsväter sich in Gegnerschaft setzte zu der einzig richtigen, den
katholischen Glauben wiederspiegelnden Aussage, wonach die katholische
Kirche die von Christus gestiftete Kirche 'ist' (est). Man wollte wohl
getreu den Kouzilsintentionen, jedem Verdacht angeblichen "dogmatischen
Starrsinns" zuvorkommen, ad absurdum führen, indem man eine
Formulierung wählte, welche die Gläubigen in der Tat zu der Erkenntnis
führen mußte, man halte den Glauben an die Identifizierung der Kirche
Christi mit der katholischen Kirche nicht mehr aufrecht - mit allen
Folgen, die eine solche der biblischen Offenbarung zuwiderlaufende
Sicht nach sich ziehen mußte.
Auf nahezu derselben Linie konziliär-ambivalenter Halb- oder
Pseudo-Wahrheiten liegt das Dekret über den Ökumenismus. Es ist in
gleicher Weise durch eine dem traditionellen katholischen Glauben
Schaden zufügende Mehrdeutigkeit gekennzeichnet, welche wohl den
eigentlichen neo-modernistischen Hintergrund zum Vorschein bringt, und
demnach keine Spur von scholastischer Klarheit aufweist, wenn in dem
Dekret zum Ausdruck kommt, "der Heilige Geist habe es nicht abgelehnt,
die getrennten Kirchen und Gemeinschaften als Mittel des Heils zu
gebrauchen". Was bedeutet das?
Ein derartiger neuer Lehrinhalt kann doch nur verstanden werden als ein
Infragestellen der Einzigartigkeit der katholischen Kirche in dem
Sinne, daß viele Heilsinstitutionen existieren, welche alle die eine
Kirche Christi bilden. Zwar erfährt dann die fragwürdige These eine
Abschwächung, indem gesagt wird, "daß sich die Kraft der o.e.
Heilsmittel von der Fülle der Gnade und der Wahrheit herleite, die der
katholischen Kirche anvertraut ist". Allerdings ist die geschehene
Berichtigung völlig unzureichend; denn Gott bedient sich nicht, um
seinen Heilswillen zu verwirklichen, "der getrennten Kirchen und
Gemeinschaften", sondern nur eines einzigen universalen Heilmittels,
nämlich der katholischen und apostolischen Kirche Jesu Christi.
Als sehr vielsagend und zum Nachdenken anregend hat in Verbindung mit
dem vorherigen z.B. Paul Hacker im Hinblick auf die evangelische Kirche
mit unverblümter Deutlichkeit und Offenheit bemerkt, "daß die
protestantischen Gemeinschaften als solche vom Widerstand gegen die
katholische Kirche leben; sonst hätten sie keine Daseinsberechtigung
mehr. Darum können sie als solche nicht heilswirksam sein" - Dem ist
kaum etwas hinzuzufügen, weil es nichtsdestoweniger für alle anderen
außer-katholischen Gemeinschaften ebenso zutrifft.
Wenden wir uns noch der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit zu.
Sie ist nicht weniger ambivalent als andere Konzilstexte. Einerseits
müssen lt. Erklärung die sittlichen Pflichten der Menschen und
Gesellschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche
Christi bestehen blei-ben, dürfen also nicht in Frage gestellt werden.
Andererseits wird eine völlige Gleichbehandlung aller Religionen
proklamiert, ohne Unterschied, wie sich die private und öffentliche
Ausübung und Verbreitung der Religion gestaltet und vollzieht. Dies
stellt ohne Zweifel eine Zäsur zur früheren Lehre der Kirche dar,
wonach in überwiegend katholischen Staaten der katholischen Kirche eine
Vorzugsstellung zukommen müsse. Hat man vergessen, oder wollte man die
Augen davor verschließen, daß z.B. die protestantischen Gemeinschaften
in den skandinavischen Ländern besagte Vorzugsstellung genießen, oder
erst recht der Islam in den arabisch-mohammedanischen Staaten? Man
kommt nicht um die Feststellung herum, daß obige Konzilserklärung
geeignet ist, der katholischen Kirche unermeßlichen Schaden zuzufügen.
Ein wahrer Triumph für den Neomodernis-mus.
Lassen wir es bei diesen Beispielen, die für viele andere stehen,
bewenden, womit das gegenständliche Kapitel abgeschlossen sein soll.
4. Stellung und Charakter des II. Vatikanischen Konzils unter dem Aspekt der theologischen Sprachverwirrung
Nachdem die früheren Konzilien, wie wir bereits betont haben,in
Anlehnung an die scholastische Tradition und damit durch die Klarheit
und Eindeutigkeit der Aussagen in den Beschlüssen Religion, Glauben und
Theologie entscheidend beeinflußten und dadurch einen herausragenden
Stellenwert erhielten, ist die Frage berechtigt, welche Stellung das
II. Vatikanische Konzil im Hinblick auf die heutige verwirrende
Unklarheit in den Lehrinhalten einnimmt, und das mit nicht absehbarem
Ende. Was, so fragt man zunächst, wollte das II. Vaticanum eigentlich
sein, welchen Sinn legte es selbst in sich hinein ? Nach den
Intentionen des Roncalli-Papstes Johannes XXIII. sollte es ein
"pastorales Konzil" sein, also kein dogmatisches. Demzufolge mit einer
pastoralen Sprache - und das war etwas grundlegend Neues in der langen
Geschichte der Konzilien.
Bei Würdigung und Bewertung dieser Tatsachen sind jene kritischen
Stimmen durchaus ernst zu nehmen, welche argumentieren, daß ein
pastorales Konzil, das keine Glaubenswahrheiten dogmatisieren bzw.
definieren möchte, keinerlei Daseinsberechtigung habe. Wenn also das
II. Vaticanum nicht seine Aufgabe und Verpflichtung darin sah,
Lehrentscheidungen zu treffen und zu formulieren, stellen sich
erhebliche Zweifel ein, ob dieses Konzil überhaupt ein Konzil im
eigentlichen Sinne war und sein konnte.
Fernerhin, was noch wesentlicher erscheint, ob sich ein solches
'Konzil' auf den Beistand des Heiligen Geistes berufen konnte und
durfte, und doch ist das ohne Einschränkung geschehen. Schließlich
gewinnt dann das unsere Thematik beherrschende Problem der - der
Scholastik entfremdeten - Sprachverwirrung an Gewicht dadurch, daß dem
Konzil dennoch aus den o.g. Gründen heraus eben kein echter
Konzilscharakter zukommt, eine Kirchenversammlung sich trotz allem
'Konzil' nennt, und das ohne irgendwelche Bedenken. Da muß man wohl
Karl Rahner die richtige Sicht der Dinge zugestehen, wenn er
kritisiert, "es habe auf dem Konzil eine theologisch tiefere Reflexion
auf das Wesen gerade eines pastoralen Konzils als solchem nicht
gegeben" (s.b. "Allgemeine Einleitung" zu "Kleines Konzilskompendium"
v. Karl Rahner u. Herbert Vorgrimler). Umso mehr müßte eine Wirrnis
sich der katholischen Gemüter bemächtigen, wenn dennoch die von K.
Rahner gerügte fehlende Reflexion bezüglich des pastoralen Konzils dazu
führte, daß aus diesem eine Art 'Superdogma' erwuchs, "hinter das es
kein Zurück mehr gäbe". Wer wollte da noch bestreiten, daß schon hier
eine Sprachverwirrung ihre Blüten wie selten zuvor trieb.
Dennoch zog die Sprachverwirrung noch weitere Kreise, da das Problem
nicht nur in der richtigen zutreffenden Namensgebung für das Konzil
gelegen und zu sehen ist. Johannes Dörmann spricht das in dem vorher
zitierten Buch über Johannes Paul II. mit unmißverständlicher
Deutlichkeit aus, wenn er sagt: "Bei der 'pastoralen Sprache' des
Konzils handelte es sich nur vordergründig um eine 'pastorale' Frage.
In Wirklichkeit ging es um ein völlig anderes Problem in einer völlig
anderen Dimension: Es ging um das säkulare Problem des 'Verstehens' im
Rahmen des modernen Welt- und Geschichtsbildes, das unser
abendländisches Geistesleben insgesamt bewegte, welches seit dem 19.
Jahrhundert wiederholt die katholische Theologie heimgesucht hat, in
Gestalt des 'Modernismus' von der Kirche zurückgewiesen worden war und
jetzt als 'hermeneutisches Problem' die Theologen unabweisbar
bedrängte. Die Klärung nur dieses einen unerledigten
Jahrhundertproblems wäre ein Konzil wert gewesen. Auf einem 'pastoralen
Konzil' wurde es jedoch unthematisch apokryph ausgetragen. Durch den
Verzicht der Konzilsväter auf die 'scholastische Sprache' wurden
faktisch - gleichsam offiziell - und fast lautlos die Schleusen für
eine 'Neue Theologie' geöffnet, und das in einem Augenblick, als das
'Sprachproblem' die gesamte katholische Theologie aufwühlte."
Im Zusammenhang hiermit widerlegt J. Dörmann mit überzeugender
Entschiedenheit die Irritation, (neue) äußere Formen der Kirche könnten
den Gegebenheiten der modernen Zeit ohne weiteres angepaßt werden, ohne
daß die überkommene Lehre angetastet würde - also Änderung der äußeren
Form ohne Gefährdung des Inhalts.
Das Fixieren auf diese Verkehrungen, gipfelnd in der Akzeptanz der
pastoralen Konzilssprache, verbunden mit der Abwendung von der
scholastischen Sprachprägnanz, hatte einen Traditionsbruch im Gefolge,
welcher der 'Neuen Theologie' den Boden in allen Bereichen von Glauben
und Kirche bereitete. Hierzu wiederum zu Recht J. Dörmann, der ferner
folgendes zu bedenken gibt: "Es ist eine allgemein bekannte Tatsache,
daß tiefer gehende Veränderungen in der Praxis aufgrund neuer Theorien
erfolgen und andererseits die Einführung einer neuen Praxis die
Theorien verändert. Das gilt mutatis mutandis in besonderer Weise auch
für die Kirche und ihre konziliaren Reformen: Alle einschneidenden
Neuerungen im kirchlich-religiösen Leben sind letztlich wegen einer
neuen theologischen Sicht erfolgt, und die Einführung einer neuen
Praxis wiederum mußte den alten Glauben verändern."
Schließlich erfährt so die in alledem sichtbar werdende schwerwiegende
Problematik bei der Bewertung des Konzils eine weitere Steigerung durch
die folgende der Realität entsprechende Tatsache: Da die enge
Verbindung zwischen der Einführung einer neuen Praxis, bzw. einer
äußeren Erscheinungsform und dem "unwandelbaren Wesen" der Kirche außer
Zweifel steht, mußte sich zwangsläufig das ’pastorale Konzil' mit der
Frage befassen, ob und in welcher Weise eine dogmatische Basis für das
aufgrund des Vorherigen wieder zur Geltung gebrachte sog.
"Aggiornamento" existent sei. Die Folge war: das 'pastorale Konzil'
wandelte sich, ob bewußt oder unbewußt, auch in eine 'dogmatische
Kirchenversammlung'. Abgesehen davon: Bei der jede Menge Sprengstoff
enthaltenen seinerzeitigen Situation in der Theologie war die
Vorstellung einer unangefochtenen kirchlichen Lehre als
selbstverständliche Voraussetzung eines rein pastoralen Konzils
wirklichkeitsfremd.
Nun also die entscheidende Frage: Als was kann somit, das zuvor
Bedachte würdigend, das Konzil bezeichnet werden? Vielleicht, etwas
sarkastisch ausgedrückt, als 'pastoral-dogmatisches-neomodernistisches
Mischkonzil'? Die Antwort fällt nicht leicht. Was steht überhaupt fest?
Auf jeden Fall das deprimierende Wissen darum, daß durch die mittels
der Praxis der scholastik-fremden Sprachwirrnis eingeleitete
theologische Neuentwicklung jede Form der Interpretation der auf
vorgenannte Weise ambivalent gestalteten Konzilstexte ermöglicht worden
ist. Durch den Verzicht auf die scholastische Terminologie wurden die
Texte insgesamt offen und zugänglich für Auslegungen und Sinndeutungen
jener Konzilsstrategen, die auf Biegen und Brechen Neuerungen wie und
wo auch immer durchsetzen wollten - als eine Art Morgengabe an das
"Aggiornamento".
Selbst Ratzinger hatte die Dinge richtig gesehen, als er einmal
beklagte, in der Nachkonzilsära habe sich jeder seine eigene Theologie
gebildet, die er hege und pflege. Nicht nur vom bloßen atheistischen
Zeitgeist entfacht, sondern vielleicht nicht weniger von Ereignissen,
die sich im Umfeld von Religion, Glauben, Kirche und Theologie
abspielen, und wegen ihres Charakters und ihrer weltverhafteten
Zielausrichtung Gott beleidigen und verraten - Gott, dessen
ungebrochener Heilswille stets präsent ist.
Daran anknüpfend spricht vieles dafür, daß der Verrat an Gott und an
seinen uns durch den Sühnetod des Gottessohnes zugewendeten
Heilswohltaten selbst durch ein 'Konzil' begangen werden kann, wenn
dieses nicht Grundgegebenheiten beachtet und bewahrt wie etwa das durch
Jahrhunderte hindurch tradierte und vorgegebene scholastische
Denkmodell mit allen Konsequenzen. Es erhebt sich dann die Frage, ob
wir es überhaupt mit einem (gottwohlgefälligen) Konzil zu tun gehabt
haben oder nicht.
5. Abschließende Gedanken und Nachbemerkungen
Nach allem, was wir uns im Zuge der gestellten Thematik zu
vergegenwärtigen bemühten, kann nur eine vom Neomodernismus unheilbar
infizierte Theologie die Augen davor verschließen, daß das einzige
probate Heilmittel gegen all diese unter dem Deckmantel des Konzils
entstandenen babylonischen Verwirrungen und dekadenten Einflüsse in der
Rückkehr zum scholastischen System mit all seinen festen spirituellen
Ordnungsprinzipien liegt - und damit in der Rückbesinnung auf das
ureigentlich Katholische. Darin, und nur darin, vollzöge sich ein
notwendiger und längst überfälliger Wandel - und das unter dem Beistand
des Heiligen Geistes.
Der Verfasser glaubt, daß es gelungen ist, aufgezeigt zu haben, worum
es bei unserem Problem der theologischen Sprachverwirrung geht. Ein
Thema, das auch Jahrzehnte nach Abschluß des II. Vatikanischen Konzils
seine Aktualität in keiner Weise eingebüßt hat, was die immer wieder
gemachten Erfahrungen lehren und beweisen. |