NACHLESE ZUM SOG. NEUEN 'KIRCHENRECHT'
zusammengestellt von
Eberhard Heller
Am 25.1.1983 wurde von Mgr. Wojtyla das nach den Prinzipien des II.
Vatikanums revidierte sog. neue 'Kirchenrecht1 unterzeichnet, welches
am 27.11.1983 'Rechtskraft' erlangte. Neben vielen Änderungen, welche
dieser neue Kodex der Reform-'Kirche' enthielt, fiel besonders auf, daß
die Zugehörigkeit zur Freimaurerei nicht mehr - wie im CIC von 1917 -
mit der Exkommunikation belegt war. Für angebliche Klärung sollte dann,
nachdem dem Vatikan Duldung, ja Unterstützung der Freimaurerei von
vielen Seiten vorgeworfen worden war, eine Verlautbarung der sog.
'Glaubenskongregation1 vom 26.11.1983 (veröffentlicht in der deutschen
Ausgabe des OSSERVATORE ROMANO vom 2.12.83) sorgen, in der ihr
Vorsitzender Prof. Ratzinger verkündete, das Urteil der Kirche über die
Zugehörigkeit zur Foeiraaurerei sei unverändert geblieben.
Zu der Frage, ob damit alles wieder ins Lot gebracht worden und dem
Kodex nachträglich wieder ein katholisches 'Mäntelchen1 umgehängt
wprden ist, lasse ich zunächst einen Autor zu Worte kommen, den man zu
den konservativen Reformern zählen muß, Herrn Claus P. Clausen (im
SCHWARZEN BRIEF vom 17.11.1983) und der zur Vorgeschichte des neuen
Kodex Stellung nimmt:
"Kardinal König und eine Gruppe einflußreicher Kurienprälaten haben in
den vergangenen 15 Jahren in vertraulicher Zusammenarbeit mit
Hochgradfreimaurern die Veränderung des Canon 2335 im neuen
Kirchenrecht vorbereitet. Im Herbst 1971 legte Kardinal König der
Kongregation für die Glaubenslehre eine umfangreiche Dokumentation über
die Freimaurerei vor, mit der bewiesen werden sollte, daß die Logen
nicht kirchenfeindlich sind. Am 13. Januar 1972 schrieb der Wiener
Erzbischof an den Deputierten Großmeister der Großloge Österreich, Dr.
Kurt Baresch: 'Im neuen CIC wird der Canon 2335 nicht mehr aufscheinen.
Das ist bereits feststehende Tatsache.' Die der römischen
Glaubenskongregation 1971 vorgelegte Dokumentation ist das Ergebnis der
Zusammenarbeit zwischen Kardinal König und der Großloge Österreich.
Darauf spielt König in seinem Brief vom 13.1. 1972 offen an: 'Über
diese der Sitzung vorliegende Dokumentation können Sie, Herr
Doktor, am besten Auskunft geben.' Der Kardinal wußte 1972 auch
schon, wie der neue Canon 2335 aussehen würde: 'Es wird nur ein
allgemeiner Passus aufgenommen werden, der etwa lautet: Es ist
Katholiken nicht gestattet, einer Vereinigung anzugehören, die
grundsätzlich die katholische Kirche bekämpft und auf ihre Zerstörung
hinarbeitet. Dies ist ohne Bezug auf can 2335.' Dies war mehr, als die
Freimaurer je zu hoffen gewagt hatten. Tatsächlich kommt im neuen CIC
das Wort 'Freimaurer' nicht mehr vor. König hatte in mühevoller
Kleinarbeit dafür gesorgt, daß eine Mehrheit der Mitglieder der
Glaubenskongregation seine Argumentation billigen würde. In der Sitzung
selbst hatte der Wiener Kardinal mit Nachdruck gefordert, daß die
seitens der Kirche gegenüber den Freimaurern bestehenden 'Vorurteile'
in 'überlegten langsamen Schritten' abgebaut werden müßten. Die
Kurienprälaten stimmten ihm zu. Kardinal König informierte Dr. Baresch
über die erfolgreiche Entwicklung. Dieser gab den Inhalt des
König-Briefes vom 13.1.1972 mit folgenden Sätzen an zwölf hochstehende
Logenbrüder weiter und betonte: 'Es ist das Ergebnis vieler Gespräche
und im Inhalt des längeren Gesprächs, das ich mit Kardinal König am
4.1. 1972 führte. Letzterer ist damit meinem Ersuchen um schriftliche
Fixierung - mit der bisher geübten Auflage und Einschränkung
hinsichtlich seiner Weitervermittlung - nachgekommen. Ich darf Euch
daher heute und nochmals ebenso herzlich wie dringend ersuchen, daß Ihr
diese so erfreuliche Mitteilung v e r t r a u l i c h und wie bisher
mit der der Sache dienlichen Beschränkung behandelt! Abgesehen von der
Bedeutung des Inhaltes dieses Schreibens, das uns mit Befriedigung
erfüllen muß, glaube ich, daß dieses Ergebnis auch eine Bestätigung
dafür ist, daß unser bisheriges Handeln - von der Bereitschaft zu
Gesprächen angefangen bis zu jenen Verhaltungen und Beschränkungen, die
wir - oft mit großer Mühe (!) bis zuletzt übten - bis ins Detail
richtig gesetzt war." Empfänger waren die Logenbrüder Vogel, Appel,
Hoede, Walter, Gemünd, Hinterleitner, Rösli, Fumagali, Wyser, Cap,
Vonwiller und Scheiderbauer. Was zwischen König und der Großloge schon
lange ausgemachte Sache war, wurde von der Kirche dem erstaunten
Fußvolk in gut dosierten Portionen ('in überlegten, langsamen
Schritten') beigebracht. Wieviele Freimaurer sich 1971 in der
Glaubenskongregation befanden, konnte noch nicht ermittelt werden.
Vermutlich liefen die Fäden bei Alberto Bovone zusammen, der früher
Untersekretär1 im Offizium war. Geführt wurde die Gruppe jedoch von
einer Persönlichkeit aus dem Staatssekretariat, die in Zürich unter der
Nummer o41/3 eingetragen war. Von Wien aus wurden alle
Hochgradfreimaurer laufend und unter größter Geheimhaltung über die
Schritte Königs informiert. Erst 1973 veröffentlichte KNA die erste
Vermutung über einen römischen Erlaß, der die Exkommunikation kath.
Freimaurer aufheben sollte. Diese Meldung wurde sofort von der
Zeitschrift der Freimaurer in Deutschland, DIE BRUDERSCHAFT, 15.
Jahrgang, September 1973, nachgedruckt. Die Bischöfe in England und
Wales informierten ihre Priester vorab über die 'bevorstehende
Erleichterung1. 1974 wurde in der gleichen Zeitschrift (Januar, S.10)
eine Meldung mit folgendem Inhalt veröffentlicht: 'Die Katholische
Kirche besaß in ihrer bisher geltenden kirchlichen Gesetzgebung den
Canon 2335, der im Text so lautet: 'Wer Mitglied der Freimaurerei oder
einer anderen derartigen Gesellschaft wird, die sich gegen die Kirche
und die gesetzliche weltliche Obrigkeit verschwören, verfällt durch die
Tat selber einer Exkommunikation, deren Aufhebung dem Heiligen Stuhl
vorbehalten ist.' Damit war bisher gesetzlich bestimmt, daß Freimaurer
sich gegen die Kirche und die weltliche Obrigkeit verschwören. In der
neuesten Ausgabe des Codex sind die früher dort stehenden Paragraphen
gegen die Freimaurer fortgefallen.'"
Soviel zur Vorgeschichte der Streichung des can. 2335 im neuen Kodex.
Hier zeigt ein unverdächtiger Zeuge, daß die Aussöhnung zwischen
Reform-'Kirche' und Freimaurerei längst beschlossene Sache war, die in
der Auslassung des Strafkanons nur ihren besonderen Ausdruck fand.
Um diese Tatsache skrupulanten Gläubigen, die immer noch meinen, die
Reform-'Kirche' hätte noch etwas mit der Religion Jesu Christi
gemeinsam, zu verschleiern, erließ die von Prof. Ratzinger geleitete
'Glaubenskongregation' am 26.11.83 die bekannte Verlautbarung, auf die
sich im März 1984 auch die sog. deutsche 'Bischofskonferenz in
Altötting bezog, an dem negativen Urteil der 'Kirche' habe sich nichts
geändert.
Der Verfasser dieser Erklärung, Prof. Ratzinger, war zugleich auch ihr
bester Interpret. Anfang April 1984 machte er gegenüber Mitgliedern der
sog. Arbeitsgemeinschaft 'katholische' Presse (AKP) in Deutschland
deutlich, wie sie zu verstehen sei:
a) Das Urteil über die Freimaurerei
müsse man differenzieren, da ihre Aktivitäten in den verschiedenen
Teilen der Welt unterschiedlich zu bewerten seien.
b) Im CIC von 1917 seien die Freimaurer "strafrechtlich" eingestuft
worden. Beim neuen Kodex habe man gegenüber der früheren Auffassung des
Strafrechtes eine neue Konzeption entwickelt, in der für die Freimaurer
kein Platz mehr sei.
c) Mit ihrer Erklärung vom 26.11.83 wolle die Glaubenskongregation' das
Strafrecht nicht ergänzen, sondern zeigen, daß der strafrechtliche
Aspekt gegen die Freimaurerei nicht mehr bestehe, da man ihrerseits
nicht mehr von"Machinationen gegen die Kirche" sprechen könne.
d) Der 'Glaubenskongregation' sei es lediglich um die Vereinbarkeit
zwischen der Glaubensauffassung der 'Kirche' und den Prinzipien der
Freimaurerei gegangen, wo es auch weiterhin Differenzen gäbe, die
sicherlich Anlaß für so manche Diskussion geben würden.
Damit ist klar, daß Ratzingers Programm dem von König vollkommen
entspricht!!! Die Freimaurerei wurde seit der Bulle "In eminenti" von
Clemens XII. am 28.4.1738 in weiteren 15 Dokumenten von lo
verschiedenen Päpsten seitdem verurteilt und mit der Exkommunikation
belegt. (Vgl. dazu EINSICHT XII, S.2o8, vom März 1983) Die Ratzinger-
Erklärung besagt ausdrücklich, daß es ihr nicht um eine StrafbeStimmung
geht; d.h.: die Exkommunikation bleibt aufgehoben. Die Zugehörigkeit
zur Freimaurerei wird vom Vorsitzenden der sog. 'Glaubenskongregation'
nur unter schwere Sünde gestellt. Und das ist wohl auch nicht all zu
ernst gemeint, da ja "die Machinationen gegen die Kirche" weggefallen
seien. Man möchte die Freimaurerei darstellen als schlechte Philosophie
bzw. Ideologie.
Und man möge noch folgenden Unterschied in der Verbindlichkeit der
Form, in der hier gegenüber früher geurteilt wird, festhalten: Bisher
war die Zugehörigkeit zur Loge im Gesetzbuch der Kirche ausdrücklich
angesprochen und zensuriert worden. Heute nimnt eine Kongregation dazu
Stellung, die (nach Absicht ihres Verfassers) viel Unverbindliches hat
- unterschiedliche Bewertung der Freimaurerei in den verschiednen
Teilen der Welt!!! - und die bald in Vergessenheit geraten sein dürfte.
Man sieht: wenn einmal die Hüllen gefallen sind, hilft kein noch so
hübsches Feigenblatt, die Blößen zu bedecken; man kann zupfen, wie man
will, sie schauen überall hervor. Neben dieser spektakulären Änderung
enthält die Konstitution "Sacrae disciplinae leges" zum neuen Kodex und
dieser selbst eine Reihe von Abweichungen nicht nur in rein
rechtlicher, sondern auch in dogmatischer Hinsicht gegenüber den
früheren Bestimmungen der Kirche. Wenn möglich werden wir darauf in
einem späteren Heft eingehen. |