Unsere 'zahlreichen Mitstreiter'
oder: der tiefe Graben
von
Eberhard Heller
In den letzten Heften habe ich auf die vielen Versäumnisse hinsichtlich
einer Konsolidierung unserer kirchlichen Lage hingewiesen, die in der
Hauptsache unseren Klerikern angelastet werden müssen, die es
angesichts des religiös-kirchlichen Niedergangs nicht für nötig fanden,
pastorale Strukturen aufzubauen, um so den Weg für einen Wiederaufbau
der Kirche einzuleiten. Das hat zur Folge, daß wir Sedisvakantisten
formell immer mehr ins Sektiererische abgleiten, streng genommen schon
als Sekte dastehen... da hilft auch kein Verweis auf den orthodoxen
Glauben. Denn dieser könnte sich als solcher nur behaupten, wenn er aus
sich heraus auch die nötige Orthopraxie entfalten würde. Solche
Schritte sind aber nicht einmal intendiert.
Darüber und über die Verlassenheit, die Vereinzelung, die Diaspora, in
der wir Christen uns dadurch überlassen bleiben und wie wir diese
Situation überwinden wollen, haben wir ebenfalls diskutiert... auch
über das Phänomen, wie unbeeindruckt selbst theologisch Gebildete sind,
wenn man ihnen die häretischen bzw. apostatischen Aussagen eines sich
mit Erfolg als konservativ gebärenden Ratzinger/Benedikt XVI.
präsentiert.
Ich möchte heute aber auf einen Umstand aufmerksam machen, den wir bei
allem Auseinanderdividieren der verschiedenen Positionen meist
übersehen: eine häufig übereinstimmende Meinung in der Beurteilung der
konkreten Zustände. Und insofern sind die in der Überschrift
angesprochenen 'zahlreichen Mitstreiter' nicht einmal so ironisch
gemeint. Sie glauben das nicht?
Schon der Regensburger Bischof Graber hat in seinem Buch "Athanasius
und die Kirche unserer Zeit" die Irrtümer von Vatikanum II
angesprochen, ohne jedoch Roß und Reiter zu nennen, die diese Irrtümer
verbreitet haben. Ich denke an Kard. Siri und die Kritik in seinem Buch
"Ghetsemani", ich verweise auf H.H. Prof. Dörmann und seine genaue
Analyse der wojtylanischen Theologie, in der er darlegt, daß diese
Position mit dem Glauben der Kirche unvereinbar ist. Selbst unsere
'Sparringspartner', die Econer, die nicht davor zurückschrecken, unsere
Mitarbeiter zu drangsalieren, und die normalerweise den Terminus
"Häresie" in ihren kritischen Stellungnahmen vermeiden "wie der Teufel
das Weihwasser", sprechen auf einmal von den "Irrtümern des Konzils
("Mitteilungsblatt" der PB vom Sept. 2005) und nennen sie - mit Bezug
auf ihren freimaurerischen Hintergrund - beim Namen: Religionsfreiheit
(in "Dignitatis humanae"), Ökumenismus (in "Nostra aetate" und "Lumen
gentium"), Kollegialität, weil sie früheren dogmatischen Festlegungen
der Kirche widersprechen: Die Religionsfreiheit negiert z.B. die
Aussagen von "Quanta cura" Pius IX., der Ökumenismus widerspricht der
Lehre, die Pius XI. in "Mortalium animos" festgelegt hat.
Nimmt man die Aussagen von Weih-'Bischof' Ziegelbauer ('konsekriert'
1983) in seinem Buch "Die 'alte' Kirche ist mir lieber. Ein Plädoyer
für die Wiederentdeckung des Katholischen", das 2002 erschien, so kann
man von der Tendenz her einigem darin zustimmen, obwohl Ziegelbauer die
eigentlichen Ursachen, die häretisch-apostatischen Dokumente und ihre
Autoren, nicht einmal beim Namen nennt. Und auch die nachfolgenden
Ausführungen des "Loreto-Boten" zur Wiederherstellung der kirchlichen
Ordnung können wir in Teilen ernst nehmen. Die ebenfalls nachfolgenden
Anklagepunkte, die P. Hönisch in seiner "Fastenpredigt" von 2006
zusammenfaßt, stimmen in den wesentlichen Punkten mit dem überein, was
auch wir längst kritisch angemerkt haben.
Selbst Ratzinger, der auf seiner Polenreise im Mai dieses Jahres vor
Personen warnte, "die Christi Wort verfälschen und dem Evangelium die
unbequemen Wahrheiten wegnehmen wollen", zugleich aber betonte, Gott
dafür zu danken, "was sich während des Pontifikatss von Johannes Paul
II. ereignet hat" (vgl. Aachener Zeitung vom 27.5.06), läßt sich als
Kronzeuge für die verfehlte postkonziliare Entwicklung anführen. Hat er
nicht gegenüber seinen Econer Verhandlungsführern zugegeben, daß das
II. Vatikanum erst noch durch ihn seine authentische Auslegung erfahren
müsse (vgl. EINSICHT vom Mai 06), was soviel besagt, daß die bisherige
Interpretation falsch war?
Man könnte die Reihe der kritischen Stimmen und Organe nahezu beliebig
fortführen: die Una Voce International, der Initiativkreis kath.
Priester; in der "Kirchlichen Umschau", in "Theologisches" steht viel
Richtiges und Lesenswerte, weil beide Organe theologisch versierte
Mitarbeiter haben.
Läßt man einmal das Trennende beiseite, welches sich auf die jeweilige
Stellungnahme zu den kritisierten Tatbeständen reduzieren läßt (bei den
Econern: auf deren kirchenpolitisches Taktieren; bei so vielen
Klerikern: auf deren klerikales Kastendenken; bei P. Hönisch: auf
dessen mangelende Konsequenz), dann ergibt sich überraschenderweise
eine große Bandbreite von kritischer Übereinstimmung, d.h.
Übereinstimmung hinsichtlich der kritisierten Tatbestände.
Und dennoch gibt es einen Graben, einen tiefen sogar, der uns von all
diesen 'Mitstreitern' trennt und eine Zusammenarbeit unmöglich macht:
aus all den erruierten Glaubensirrtümern die schlichte Konsequenz zu
ziehen und zu sagen, daß Häresie Häresie ist, auch wenn sie vom 'Hl.
Vater' ausgesprochen wird, und daß ein Häretiker kein kirchliches Amt
bekleiden kann, weder als einfacher Priester noch als Bischof, noch als
Papst..., wobei die Papstfrage das entscheidende Kriterium darstellt,
an dem sich die Geister scheiden. Warum? Warum ist es so schwer, die
Konsequenzen aus dem allseits bekannten Desaster zu ziehen?
Wenn man z.B. die Erklärung, die der verstorbene Erzbischof Lefebvre zu
dieser Frage gegeben hat, berücksichtigt, so war es die
Ausweglosigkeit, in die Kirche geraten würde, wenn Sedisvakanz
herrschte, d.h. es darf nicht sein, was nicht sein soll. Viele fürchten
die Isolation, den Verlust ihrer gesellschaftlichen Reputation, die
Haltlosigkeit, ohne kirchliches System existieren zu müssen, den
Verlust der (religiösen und gesellschaftlichen) Einbindung. Und in der
Tat, all diese Ängste und Befürchtungen sind berechtigt. Wir, die wir
'stur' sind und versuchen, unsere intransingente Haltung aufrecht zu
erhalten, müssen in und mit dieser Isolation leben. Darum die
Bemühungen, diese Diaspora-Sitution in ihren ganzen Konsequenzen erst
einmal zu verstehen und sie mit Gottes Hilfe meistern zu lernen.
Aber nichts kann die Gnade Gottes oder das Wirken des Hl. Geistes daran
hindern, eines Tages den oben erwähnten 'Mitstreitern' die Kraft zu
gewähren, ihre Ängste und ihr Kalkül zu überwinden, um wirkliche
Mitstreiter zu werden.
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