OFFENER BRIEF
Ass. Prof. Dr. D. Wendland
Dresdnerstr. 4
73oo Esslingen (a.N.)
Tel.: (o71 1)312257
den 5.2.1985
An die
Priesterbruderschaft St. Pius X.
Distrikt für Deutschland, Priorat St. Athanasius
Stuttgarterstr. 24
7ooo Stuttgart 3o (Feuerbach)
Betr.: Römisches Dekret vom 3.lo.1984 des "Summus Pontifex".
Sehr geehrte Herren Patres!
Ihr "Bittgesuch an den Hl. Vater" sowie das "dreifache Anliegen"
desselben ist eine grobe Irreführung glaubenstreuer Katholiken,
insbesondere aber solcher, die die ganze Sache überhaupt nicht
beurteilen können. Ich hatte Ihnen so etwas eigentlich nicht zugetraut
(zumindest nicht Mgr. Lefebvre), sondern gehofft, daß Sie sich gerade
jetzt klugerweise etwas zurückhalten und zunächst einmal Ihre eigenen
Positionen überdenken würden, um zu einem sachlichen Ergebnis zu
kommen. Das jedoch scheint nun endgültig vorbei zu sein.
Ich bin bereits im vorigen Jahre von verschiedenen Seiten um eine kurze
Stellungnahme zu diesem Dekret gebeten worden, da man eine klare
Antwort auf bestimmte Fragen wünschte. Traditionalistische Priester und
Laien verwendeten dann (auch) meine Stellungnahme in eigener Regie, um
eine nötige Aufklärungsarbeit zu leisten. Das gleiche geschah nach
Bekanntwerden eines Schreibens des häretischen "Bischofs von Mainz" an
die Laien seiner Diözese. Meine beiden Stellungnahmen lege ich Ihnen
zur gfl. Kenntnisnahme bei. Es war erfreulich, dann auch Briefe von
bekannten "konservativen Professoren" zu erhalten, die wenigstens damit
anfingen, von falschen Problemstellungen abzurücken.
Ihre Unterschriften-Aktion ist schon deswegen rechtlich unmöglich und
auch unerlaubt, weil Mgr. Lefebvre keine Jurisdiktion über Laien
besitzt. Zuständig sind allein die Diözesan-Bischöfe, die deshalb auch
die Ausführungsbestimmungen festzulegen und fristgemäß durchzuführen
haben. Von Ihrem Standpunkt aus hätten Sie den Laien nur den dringenden
Rat geben können - denn verpflichten können Sie diese zu gar nichts -,
Anträge über ihre Gemeindepfarrer direkt zu stellen (nicht aber über
den Pfarrgemeinderat oder über den noch schlimmeren "Pastoralrat",
falls Sie überhaupt den neuen CIC kennen). Glauben Sie wirkliche, es
ließen sich alle Laien, die sich "um die Niederlassungen der
Priesterbruderschaft kristallisieren" ein X für ein U vormachen? In
welcher irrealen Welt und "Kirche in der Welt von heute" leben Sie
eigentlich?
Kein glaubenstreuer Katholik, der zu denken anfängt, kann seine
"Dankbarkeit zum Ausdruck" bringen für ein Dekret, das bereits in sich
und nicht erst durch seine Zielsetzung rechtlich und moralisch
verwerflich ist und das außerdem noch eine Tat-Sünde "ex malitia"
impliziert. Ich kann nicht moraltheologisch präsumieren, daß Ihnen die
normative Grundbedingung in diesem Betrugs-Dekret und seine notwendige
Folge nicht erkennbar sein könnte. Im übrigen hat dieses Dekret als
eineklar umrissene "Maßnahme" gar nichts "praktisch unwirksam" gemacht,
was nicht durch es selbst erreicht werden sollte. Auch Sie sind dafür
ein Beweis. Darüber könnte Sie sogar der geschickte Modernist und
Kardinal Ratzinger aufklären, der mit Recht darauf hinwies, daß es
weder eine vorkonziliare noch eine nachkonziliare Kirche gäbe, wohl
aber eine - doch dies verschwieg er geflissentlich - Konzilskirche, die
im übrigen in ihren Wesensmerkmalen eindeutig bestimmt werden kann.
Auch Ihre Priesterbruderschaft befindet sich in dieser Kirche, was
jetzt sogar "sichtbar" geworden ist.
Das Dekret beinhaltet und intendiert in keinerlei Hinsicht eine
"Rückkehr zur überlieferten römischen Messe". Ein solches Wunschdenken,
das schon an Aberglauben grenzt, wird bereits ausgeschlossen durch
bestimmte, unbedingt verbindliche Lehren des Vatikanums 2, hinter die
nicht zurückgegangen werden darf, wie auch JP2 mehrmals ausdrücklich
erklärte. Im übrigen ist der NOM keine "nachkonziliare" Erfindung von
Montini, was Ihnen doch ebenfalls bekannt sein dürfte. Kein gläubiger
Laie kann deshalb, ohne das Prinzip "Omnia instaurare in Christo"
aufzugeben, die momentane römische "Heiligkeit ehrfürchtig und
kindlich" um etwas bitten, das sie ihm gar nicht gewähren kann. Papst
Wojtyla wäre auch politisch dumm oder schlecht beraten, wenn er das
täte. Für eine "ansatzweise Öffnung Roms" für irgendwelche "Anliegen
der Tradition" fehlt jede Grundlage.
Eine "Rückkehr zur authentischen Tradition in Glauben und Liturgie"
(gemeint ist wohl: in Glaube, nicht: im Glauben) ist auf dem Fundament
der Konzilskirche und ihren authentischen Lehren prinzipiell unmöglich.
Andernfalls würde sie sich selbst aufgeben, was weder erhofft noch
erwartet werden kann. Der hochqualifizierte Häretiker Karl Rahner S.J.
hatte völlig recht, als er, indem er auch in dieser Beziehung die Katze
aus dem Sack ließ, schrieb, daß das Pastoralkonzil, das sich als
ökumenisches Konzil konstituiert hatte, "der Anfang eines Anfangs"
gewesen war, und zwar präzise im Sinne Hegels. Es blieb Ihnen und
leider auch Mgr. Lefebvre vorbehalten, das hier klar Gesehene bis heute
nicht begriffen zu haben. Allerdings habe ich jetzt den Eindruck, daß
Sie dies auch gar nicht mehr wollen, sondern lieber eine üble Täuschung
gutwilliger Katholiken (bestenfalls) in Kauf nehmen, um Ihr eigenes
Dilemma zu kaschieren.
Im übrigen ist es hochmütig, unverschämt und unwahr zugleich, den
gutgläubigen Meßbesuchern von einer angestrebten Personalprälatur zu
berichten, "die dem Generaloberen eine reguläre Autorität über alle
Gläubigen verleiht..., die unseren Prioraten und Kapellen verbunden
sind". Ja, wissen Sie eigentlich noch, wovon Sie überhaupt reden? Gott
möge alle unwissenden Gläubigen vor so etwas beschützen und sie bald
erleuchten, damit sie nicht Rattenfängern in die Hände fallen wie denen
vom Opus Dei. Eine Personalprälatur ist gemäß ihrer Rechtsfigur nur ein
klerikaler Zweck-Verband von Weltgeistlichen, dem auch Laien (d.h.
Nicht-Kleriker) angehören oder in dem auch Laien Mit-glieder sein
können mit vertraglich festgelegten Rechten und Pflichten. Und wenn
eine Personalprälatur in einer Diözese seelsorgerisch oder
missionarisch tätig werden will, dann benötigt sie die Zustimmung des
betreffenden Diözesanbischofs. Und für alles das sollen heute die
gläubigen Laien sogar "intensive Gebete" zum Himmel schicken? Das ist
genau so unsinnig, wie wenn sich die von Ihnen aufgerufenen
siebenjährigen Kinder in die Antragslisten, die keine sind,
einschreiben würden.
Es ist mir unerfindlich, wie Sie eigentlich darauf kommen, daß der
häretische und an einem apostatischen Akt partizipierende Bischof
Wojtyla der momentane "Stellvertreter Christi" sei? Es wäre
angebrachter, Priester würden für ihn beten, auf daß er sich bekehre,
bevor ihn der Tod ereilt. Noch besser freilich wäre es, man würde den
Herrn der Kirche des Credo, die die Seinige ist, um einen Papst bitten.
Ich könnte es mir gut denken, daß dann auch der hl. Papst Pius X.
mithilft, ohne über die Priesterbruderschaft seines Namens zu weinen.
Mit besten Empfehlungen i.A. von Laien, die weder Schismatiker noch
Häretiker noch Apostaten, aber auch keine Illuminaten sind...
(gez.:) Wendland
"Es GIBT WAHRHEITEN, DIE SICH NICHT GUT SAGEN LASSEN" LEON BLOY.
Und noch mehr, die sich nicht gut anhören lassen. Man muß also eine
Auswahl treffen, wozu die Einsicht von Engeln nötig wäre, und welcher
Engel!
Eine Wahrheit, die ihren Künder oder Zeugen in Gefahr bringt, ist
sicher keine, die sich gut sagen läßt. Zuerst Sicherheit, jedem das
Seine, der Bürger ist kein Blutzeuge. Er ist auch kein Bekenner, kein
zerknirschter, sich demütigender Büßer; die ihm unbequemen Wahrheiten
nimmt er einfach nicht zur Kenntnis.
Ausgezeichnet. Aber nun kommt eine Schwierigkeit. Unterdrückt man die
Wahrheiten, die zu sagen gefährlich, und die, die zu hören unbequem
ist, was bleibt dann noch übrig? Ich mag suchen, wie ich will, ich sehe
keine dritte Gruppe. Machen wir uns doch nichts vor und erklären wir
ohne Wimpernzucken: Es gibt keine Wahrheit, die zu sagen gut ist, das
ist der wahre Sinn. Vielleicht gibt es überhaupt keine Wahrheit.
Pilatus, der ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, war ihrer
nicht sicher.
(aus: "Exegese des lieux communs"; dt. v. H. Greifeneder) |