ERKLÄRUNG NICHT WIDERRUFEN
von
Dr. H.B. Visser
Anfang Mai 1988 hatten 'Kard.' Ratzinger und Mgr. Lefebvre ein
Protokoll unterzeichnet, auf dessen Grundlage eine Einigung zwischen
Rom und der Priesterbruderschaft hätte ausgehandelt werden sollen.
Schon am nächsten Tag, dem 6. Mai, wiederrief Lefebvre. Der Grund: nach
der Unterzeichnung hatte Ratzinger ihm einen Brief überreichen lassen
zur Unterzeichnung, womit Lefebvre Johannes Paul II. um Verzeihung
bitten sollte. So Mgr. Lefebvre selbst in einem Interview, abgedruckt
in MONDE ET VIE vom 3o. Sept. 1988. Er wurde gefragt: "Warum haben Sie
Ihre Unterzeichnung vom 5. Mai wiederrufen?11 Die Antwort lautete: "In
dem Augenblick, in dem ich das Protokoll unterzeichnet hatte, ließ mir
der Sekretär von Kard. Ratzinger einen Brief überreichen, den ich
unterzeichnen soltte und in dem ich den Papst für mere von mir als
solche anerkannten Irrtümer um Vergebung bitten sollte."
Lefebvre hat auch noch andere Beweggründe für die Zurückziehung seiner
Unterschrift an anderer Stelle genannt: in dem zu bildenden gemeinsamen
Ausschuß sollte die Priesterbruderschaft nur eine Minorität der Stimmen
erhalten, ihm wurde nur ein Bischof zur Weihe zugestanden - statt der
vier, die dann geweiht wurden - und dergl. (vgl. FIDELITER Nr.66,
S.29), also alles Gründe, die jedoch nicht den Inhalt des gemeinsamen
Protokolls berühren.
Wohl schreibt das MITTEILUNGSBLATT Nr.119 vom Nov. 1988: "Msgr.
Lefebvre ist der festen Überzeugung, daß ihn die Gottesmutter in dieser
gefährlichen, weil äußerst schwer durchschaubaren Situation in ganz
besonderer Weise erleuchtet und vor einem verfrühten und für die
Tradition verderblichen Bündnis bewahrt hat." Hier wiiri wohl
gesprochen von einem für die Tradition verderblichen Bündnis, aber der
Inhalt des Protokolls selbst wird wiederum nicht widerrufen.
Dennoch hätte dies geschehen müssen. Denn der Inhalt des
unterzeichneten Abkommens ist derart, daß er für jemand, der den
orthodoxen Glauben und die Tradition unverfälscht bewahren will,
unannehmbar ist. Und es ist unbegreiflich, daß Lefebvre dieses Dokument
überhaupt unterzeichnen konnte. Darin hatte er u.a. die neuen
Sakramentsriten anerkannt ebenso das neue 'kirchliche' Gesetzbuch. Es
war keine "gefährliche, weil äußerst schwer durchschaubare Situation",
in der Lefebvre handelte, sondern es war sonnenklar, daß der Inhalt des
Dokuments in vollkommenem Widerspruch zum christlichen Glauben stand,
und es war auch keine besondere Erleuchtung der Gottesmutter nötig
gewesen, um es zurückzuweisen.
Alle, die immer noch in Lefebvre den Garant des Widerstandes sehen, müßten doch auf einem energischen Widerruf bestehen.
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