ANKUPPLUNG POSTHUM?
In der letzten Nummer von KYRIE ELEISON (Nr. 4/20 - 1991, S. 4o ff)
berichtet Frau Dr. Gerstner von einer Nachricht, die ihr zugetragen
worden sei, wonach Mgr. Lefebvre ein sog. "moralisches Testament"
hinterlassen haben soll, "demzufolge sämtliche Besitztümer der
Priesterbruderschaft an den Vatikan gehen sollen mit der Auflage, daß
als Gegenleistung sodann ihre Bischöfe und Priester aus der
Exkommunikation herauskommen" (a.a.O., S.40) sollten.
Abgesehen von der Gefahr, unseren Lesern ein Gerücht aufzutischen,
halte ich es für durchaus wahrscheinlich, daß ein solches, angeblich
'moralisches' Testament existieren könnte - läge es doch aus mehreren
Gründen auf der Linie der econeschen Taktik. Und aus diesen Gründen
dürfte es auch im Interesse des Oberen Schmidberger sein, die Sache
nicht all zu schnell publik werden zu lassen.
Sieht man einmal von dem angeblichen 'Freikauf' vom 'Kirchenbann' ab -
ja, so kann man sich vorstellen, wie 'religiöse' Probleme gelöst werden
(!); denn mit einem zusammengerafften Besitz in Milliardenhöhe ließe
sich schon pokern... -, so würde mit der Erfüllung dieses 'moralischen'
Testamentes schlußendlich doch Mgr. Lefebvre über den Tod hinaus jenem
Ziel näher gekommen sein, welches wir dem Chef von Econe schon früher
unterstellten, nämlich den katholischen Widerstand an seine Person zu
binden, um ihn dann an 'Rom' anzukuppeln. Und wenn dieser Aspekt neben
dem angesprochenen Kuhhandel in Schmidbergers Kalkül sein sollte, halte
ich diese Angelegenheit im Sinne all jener betrogenen kleinen und
größeren Spender, besonders aber jener Gläubigen, die sich auf die
Versprechungen aus Econe hinsichtlich der Treue zum katholischen
Glauben eingelassen haben, für zu wichtig, um sie einfach zu übergehen.
Daß inzwischen Verhandlungen mit Vertretern Roms (u.a. 'Kard.'
Thiandoum) laufen, zwar nicht auf offizieller Ebene, sondern "aus
persönlichem Antrieb", "über die (...) inzwischen auch dem Heiligen
Stuhl Informationen zukommen", wird von 'Kard.' Ratzinger in einem
Brief an Herrn Denoyelle aus Brüssel zugestanden (Schreiben vom
11.9.1991; vgl. KYRIE ELEISON, a.a.O., S.42). Ratzinger schließt nicht
aus, "daß auch andere Personen solche Gespräche führen und darüber
Dienststellen des Vatikans in Kenntnis setzen". (S. 42) Diese laufenden
Gespräche werden auch ausdrücklich von Schmidberger bestätigt (vgl.
SCHWARZER BRIEF vom 23.1.92, der ein Interview der italienischen
Zeitschrift IL SABBATO vom 7.12.91 mit dem Oberen widergibt). Seiner
Meinung nach könne eine Aussöhnung mit Rom u.a. dadurch erzielt werden,
die Unterschiede "in der Lehrmeinung auszuklammern" und Econe zu
akzeptieren, wie es sei.
In diesen Zusammenhang paßt es auch, wenn das "Mitteilungsblatt der
Priesterbruderschaft St. Pius X." in ihrer Januarausgabe von 1992 von
einem Besuch 'Kard.' Oddis, einem Altersfreund Lefebvres, in Econe
berichtet, der am 18.9.1991 stattfand. In einem Gespräch soll Oddi
geäußert haben, er wünsche, "daß sich die Sache mit Rom arrangiere; er
selbst sei bereit, alles zu tun, um eine Lösung für die Situation zu
finden, aber man müsse sich beeilen, denn er und die paar Kardinale,
die (Econe) gewogen seien, würden alt und er fürchte, daß es, wenn sie
dahin seien, (...) noch schwieriger werde ". (Vgl. a.a.O., S.5) Zwar
wird in der DEUTSCHEN TAGESPOST (1.2.1992) eine Annäherung Econes an
Rom durch den stellvertretenden Leiter der Bruderschaft, Bischof (?)
Bernard Tissier de Mallerais, abgestritten, gleichzeitig aber auch
bestätigt, daß Verhandlungen über Oddi laufen. Was also zunächst wie
ein Dementi (oder eine Signal der Auflehnung gegen Schmidberger)
gedeutet werden könnte, ist nur eine Bestätigung der Bewegung der
Verhandlungen, die auch Ratzinger teilt.
Die Absicht dieser Zeilen ist schlicht die (auch auf die Gefahr hin, in
der Gerüchteküche mitgemischt zu haben), Schmidberger oder einen
anderen autorisierten Vertreter der Econe-Sekte zu veranlassen, zu dem
Bericht eines angeblich 'moralischen' Testamentes Stellung zu beziehen
und Farbe zu bekennen: ankuppeln posthum?
Eberhard Heller
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