WAS BEDEUTET DIE UNZERSTÖRBARKEIT
DER KATHOLISCHEN KIRCHE?
von
Rev. Courtney Edward Krier
übersetzt von Christian Jerrentrup
"Und Ich sage Dir,
Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und
die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen." (Mt XVI, 18)
"...und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe; und siehe,
ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt." (Mt XXVIII, 20)
Vorwort der Redaktion:
In Zeiten größter Bedrängnisse, die sich teilweise wie Flächenbrände
ausweiteten - und die nicht nur für die Kirche harte Prüfungen
darstellten, sondern sogar das Ende der Welt zu signalisieren schienen
-, war man immer geneigt, die verschlüsselten Vorhersagen Christi über
das Schicksal der von Ihm gegründeten Heilsinstitution um Rat zu
fragen. Ich denke u.a. an Papst Gregor d.Gr., der bei der Verwüstung
Italiens durch die Langobarden Ende des 6. Jahrhunderts schon damals
befürchtete, den Untergang der Welt erleben zu müssen. Er schreibt:
"Wahrlich, in diesem unseren Land verkündigt die Welt ihr Ende nicht
mehr, sondern sie trägt es zur Schau." ("Dialoge" III, 38)
Ähnliche Befürchtungen werden sicherlich viele von uns in der
derzeitigen Situation haben, in der wir Zeugen einer geistigen
Katastrophe eines bisher nicht dagewesenen Ausmaßes sind. Denn im
Unterschied zu früheren Drangsale und Nöten, von denen die Kirche immer
nur partiell betroffen war wie z.B. vom Vordringen des Arianismus im 4.
Jahrhundert, durch das große Schisma von 1054, durch die Lutherische
Reformation oder die Abspaltung Englands unter Heinrich VIII., handelt
es sich heute um eine Krise universalen Ausmaßes, da sie durch eine
"Revolution von oben", d.h. durch die Apostasie bzw. Häresie der
höchsten Hierarchie ausgelöst wurde, die den größten Teil des Klerus
und der Gläubigen in diesen Abfall mitgerissen hat. Sie strahlt sogar
in viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens weiter, und selbst die
(Rest-)Kirche wird von einer so schweren Autoritätskrise geschüttelt,
daß sie scheinbar im Sektiertum zu versinken droht. Wir erleben heute
den vom Propheten Daniel vorhergesagten "Greuel der Verwüstung an
heiliger Stätte".
Diese weltweite Ablehnung Gottes läßt in der Tat die Frage als
gerechtfertigt erscheinen, wie die Zusicherung Christi für Seine Kirche
bestehen bleiben kann, "die Pforten der Hölle werden sie nicht
überwältigen" - "non praevalebunt" (Mt XVI, 18), hat doch der Herr auch
prophezeit: "Und würden jene Tage (der Drangsal) nicht abgekürzt, so
würde kein Mensch gerettet werden" (Mt XXIV, 22). Ähnlich düster kann
auch die skeptisch gemeinte Frage verstanden werden: "Wird der
Menschensohn bei seinem Kommen den Glauben finden auf Erden?" (Luc
XVIII, 8)
Die zitierten Stellen deuten an, daß wir in der Spannung zwischen der
göttlichen Garantie der Unzerstörbarkeit der Kirche und der eigenen
Schwäche bzw. dem eigenen Versagen - welches ein totales wäre, wenn
Gott "um der Auserwählten willen" (Mt XXIV, 22) jene Tage nicht
abkürzen würde - ausharren müssen, auch wenn uns aus unserer
menschlichen Sicht heraus verborgen bleiben sollte, wie eine
Restitution der Kirche - angesichts der desolaten Situation und des
uneffizienten und fehlerhaften
Verhaltens des rechtgläubig gebliebenen Klerus und der Gläubigen - möglich sein sollte.
Wenn Fr. Krier in der nachfolgenden Darstellung versucht, die
Überlebensgarantie für die Kirche zu erläutern, die zugleich Zuversicht
in diesen Nöten vermitteln will, dann sollten wir dabei nicht
vergessen, daß sie nicht auf unseren eigenen Anstrengungen basiert,
nämlich am Auftrag Christi in unerschütterlicher Treue festzuhalten und
daß das "non praevalebunt'' uns nicht zu billigem Triumphalismus
verleiten sollte.
Was besagt nun diese Garantie der Unzerstörbarkeit? Betrachtet man den
Heilsauftrag als solchen, den Christus den Aposteln und Seiner Kirche
gegeben hat. so muß man sagen, daß dessen innere Geltung unaufhebbar,
d.h. absolut ist, da sich in ihm der göttliche Wille manifestiert.
Ebenso unaufhebbar ist die Aufforderung, diesen Willen Christi zu
realisieren Insofern kann man von einer inneren 'Unzerstörbarkeit' der
Kirche sprechen Ist mit dieser absoluten Geltendheit, mit dieser
unaufhebbaren Beauftragung schon implizite garantiert, daß die Kirche,
deren Verwaltung Menschen anvertraut wurde, deshalb auch unzerstörbar
sein muß? D.h. ist es undenkbar, daß die Kirche ihrem Auftrag untreu
werden könnte? Hier muß man klar sagen: es ist vorstellbar, daß die
Kirche "überwältigt" werden könnte! Und Christus spricht die
Möglichkeit des Scheiterns in Seinen Verheißungen auch klar an: keiner
würde gerettet werden! (Vgl. Mt XXIV, 22)
Kann man aber andererseits aus diesem "non praevalebunt" ableiten, daß
die Kirche als Großorganisation, als reale "societas" in allen Teilen
"perfecta" erhalten bleiben muß, wie man gemeinhin annimmt? Das kann
m.E. daraus nicht zwangsläufig abgeleitet werden Selbst das 1.
Vatikanum formuliert eher zurückhaltend, wenn es lehrt, "daß es in
Seiner Kirche 'bis zur Vollendung der Zeit' Hirten und Lehrer gebe".
(DS 1821) (N.b viele, die sich die Kirche nur mit intakter Hierarchie
vorstellen können, schlußfolgern unter Bezug auf die Stelle bei Mt XVI.
18. es könne nicht wahr sein, was die 'extremen' Sedisvakantisten
behaupten, daß wir nämlich in einer papstlosen Zeit leben würden.)
So haben wir es nur dem besonderen Heilswillen Christi zu verdanken,
daß Er als unsichtbares Haupt dafür Sorge trägt, daß die Kirche als
Heilsinstitution, welche das Erbe Christi verwalten und den Gläubigen
vermitteln soll, bis zum Ende der Zeiten bestehen bleibt.
Eberhard Heller
***
In unserer 'fortschrittlichen' Welt fordern heute viele, daß die Kirche
sich an den Zeitgeist anpassen solle. Wir jedoch müssen fragen: Kann
sich die katholische Kirche der Zeit angleichen? Sich 'reformieren'?
Sich 'modernisieren'? Oder ihre Lehren neu interpretieren? Mit dieser
Frage werden sowohl Katholiken als auch diejenigen Christen
konfrontiert, die von der katholischen Kirche das Festhalten an der
Tradition und die Bewahrung des göttlichen Erbes erwarten. Um diese
Fragen umfassend zu beantworten, wäre eigentlich eine tiefgründige
Untersuchung über die Verfassung der Kirche nötig, für die in dieser
kurzen Abhandlung nicht der Ort ist Hier will ich die Begriffe Wandel
und Kontinuität in der katholischen Kirche behandeln, die eng mit
unserem Thema der Unzerstörbarkeit verknüpft sind.
Als Christus Seine Kirche auf Petrus und die Apostel gründete (Mt XVI,
18 und Mt XVIII, 18), sollte sie das Mittel zum Heile sein, der neue
Bund (Mt XXVI, 26 ff. Mc XIV, 22 ff. Lc XXII, 19 ff.; 1 Cor XI, 25),
"bis er wiederkommt" (1 Cor XI, 26). Der Kirche wird durch dieses
prophetische Wort Christi gleichsam garantiert, daß sie eine dauerhafte
Einrichtung bis zum Ende der Zeiten bleiben wird. Die Lehre von der
Unzerstörbarkeit der Kirche besagt also, daß sie bis zu Seiner zweiten
Wiederkunft bestehen wird. Das bedeutet, daß die kath. Kirche als
göttliche Einrichtung, ihr Wesen nicht ändern kann, also immer als
Kirche so bleibt, wie sie Christus gegründet hat.
Um einzusehen, was das bedeutet, muß man verstehen, welches die
wesentlichen Merkmale der Kirche sind. Es sind dies Einigkeit,
Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität. Diese Merkmale beziehen
sich auf die "Sendung der Kirche", die von Christus gegründet wurde, um
zu lehren, zu heiligen und zu regieren. Das nämlich ist der Auftrag der
Kirche alle Menschen zum Heil zu fuhren: "Das ist aber das ewige Leben,
daß sie dich erkennen, den alleinigen wahren Gott, und den du gesandt
hast, Jesus Christus." (Io XVII, 3) Papst Leo XIII. erläutert in seiner
Enzyklika "Satis cognitum" vom 2?. Juni 18?6 diesen Auftrag
folgendermaßen:
"Die Kirche ist daher eine göttliche
Einrichtung in ihrer Gründung, übernatürlich in ihrem Ziel und in ihren
Mitteln angepaßt an die Erreichung dieses Ziels, aber sie ist eine
menschliche Einrichtung, insofern sie aus Menschen besteht Aus diesem
Grund finden wir sie in der Heiligen Schrift als vollkommene
Gesellschaft bezeichnet Sie wird als 'Haus Gottes' bezeichnet, als
'Stadt auf dem Berge', zu der alle Völker gelangen müssen Aber sie ist
auch die Herde, die von einem Hirten geleitet wird und in die alle
Schafe Christi hineinfinden müssen Zu Recht wird sie als 'Königreich
das Gott errichtet hat , bezeichnet, ein Königreich, das immer bestehen
wird. "
Wir finden diesen Missionsbefehl, den Christus den Aposteln übertragen hat, mehrfach in der hl. Schrift erläutert:
"Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel
und auf Erden Gehet also hin und lehret alle Volker und taufet sie im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret
sie alles halten, was ich euch geboten habe, und siehe, ich bin bei
euch alle Tage bis an das Ende der Welt." (Mt XXVIII, 18-20) An anderer
Stelle heißt es "Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium
allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen läßt, der wird selig
werden " (Mc XVI, 15-16) - "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende
ich euch." (Io XX, 21)
In der Apostelgeschichte sind die Anstrengungen der Apostel, diesem
Auftrag nachzukommen und u.a. das Evangelium zu verkünden,
aufgezeichnet. Dieses Lehramt, welches also der Kirche übertragen wurde
und von ihr wahrgenommen werden soll, wird von Fr. Devivier näherhin so
bestimmt:
"Die Art und Weise des Lehrens der
Kirche ist zweifach Ordentliches Lehramt ist das, was die Bischöfe
täglich ausüben, oder ihre Delegierten und unter ihrer Aufsicht die
Priester wenn sie den Katechismus lehren, Kurse in Theologie halten
etc.. Das außerordentliche Lehramt ist dasjenige, das vom Papst oder
den Konzilien ausgeübt wird, wenn sie ein Dogma verkünden oder einen
Irrtum verdammen Außerordentliche Lehramtsentscheide sind aber nicht
unbedingt notwendig damit eine Lehre als Glaubenssatz feststeht. Wenn
das erforderlich wäre, dann wäre das Dogma von der hl. Eucharistie
nicht vor dem 11. Jahrhundert (1078) verbindlich gewesen, und, aus
unserer Zeit, das Dogma \ von der Sichtbarkeit der Kirche, ihre
Unzerstörbarkeit etc. wären der Beliebigkeit anheimgestellt, weil sie
bisher nicht feierlich definiert wurden Die Kirche kann in ihrer
ordentlichen, allgemeinen und dauerhaften Lehre nicht mehr irren als in
ihren dogmatischen Definitionen. (...) Um Häretiker zu sein, genügt es
also, eine vom ordentlichen Lehramt einmütig vorgetragene Lehre der
ganzen Kirche wissentlich zu leugnen "(Rev. W. Devivier S.J.:
"Christian Apologetics" Vol. II, übersetzt von Rev. Joseph C. Sasia,
SJ, Joseph F. Wagner, Inc. New York 1924, S 140)
Dazu definiert das (1.) Vatikanische Konzil als verbindliche Lehre, in der auch das Hirtenamt angesprochen ist.
"Auf diese Weise also, in der er die
Apostel, die er sich aus der Welt erwählt hatte (vgl. Io XV, 19),
sandte, wie er selbst vom Vater gesandt worden war (vgl. Io XX 21) so
wollte er daß es m seiner Kirche 'bis zur Vollendung der Zeit' (Mt
XXVIII, 20) Hirten und Lehrer gebe" (D 1821 DS/DH 3050)
Jede Gesellschaft muß regiert werden. Deshalb gibt Christus Petrus den Auftrag:
"Dir werde ich die Schlüssel des
Himmelreiches geben. Was immer du binden wirst auf Erden, das wird auch
im Himmel gebunden sein, und was immer du lösen wirst auf Erden, wird
auch im Himmel gelöst sein." (Mt XVI, 19)
Dieses Leitungsamt beschreibt Fr. Devivier so:
"Wie in jeder Gesellschaft muß also
auch in der Kirche eine Leitung vorhanden sein, die das Recht zu
regieren hat, um deren Ziele zu realisieren. So beauftragte Christus
Petrus und die Apostel und stattete sie mit der dreifachen Gewalt der
Legislative, der Jurisdiktion und der Exekutive aus, denn eine
Gesellschaft braucht immer Gesetze Gesetze implizieren das Recht, einen
schuldigen Rechtsbrecher zu richten und eine dem Verbrechen angemessene
Strafen zu verhangen " (Op cit, S 145)
Um diesen Auftrag zu erfüllen, hat die Kirche dank göttlicher
Bestimmung drei Eigenschaften: Unzerstörbarkeit, Unfehlbarkeit und
Autorität. Alle drei Attribute sind eng miteinander verknüpft. Die
Unfehlbarkeit fand ihre klarste lehramtliche Verankerung in den Texten
des 1 Vatikanischen Konzils:
"Indem wir Uns deshalb der vom Anfang
des christlichen Glaubens an empfangenen Überlieferung getreu
anschließen, lehren Wir mit Zustimmung des heiligen Konzils zur Ehre
Gottes, unseres Erlösers, zur Erhöhung der katholischen Religion und
zum Heile der christlichen Völker und entscheiden, daß es ein von Gott
geoffenbartes Dogma ist: "Wenn der Römische Bischof 'ex cathedra'
spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und
Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität
entscheidet, daß eine Glaubens- und Sittenlehre von der gesamten Kirche
festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus
verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der
göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- und
Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; und daher sind solche
Definitionen des Römischen Bischofs aus sich, nicht aber aufgrund der
Zustimmung der Kirche unabänderlich." (D 1839, DS 3073-3074)
Bei der Betrachtung der Unzerstörbarkeit der Kirche ist es notwendig
darauf hinzuweisen, daß die Kirche als das einzige von Christus
gestiftete Mittel zum Heile nicht nur zu allen Zeiten und an allen
Orten gegenwärtig ist, sondern auch, daß sie die unveränderliche
Wahrheit zu allen Zeiten und an allen Orten lehrt, daß sie dieselben
Sakramente zu allen Zeiten und Orten spendet, und daß ihre
Sichtbarkeit, ausgedrückt in ihrer hierarchischen Struktur, zu allen
Zeiten und Orten gegenwärtig ist. *) Papst Leo XIII. drückte diesen
Sachverhalt in seiner Enzyklika "Satis cognitum" so aus:
"Aber der Auftrag Christi besteht
darin, zu retten, was verloren war; vor allem nicht einige Völker oder
Nationen, sondern das gesamte Menschengeschlecht, ohne Ansehen von Zeit
und Ort 'Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er
die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde.' (Io III,
17) (...) Die Kirche muß daher ohne Beschränkung mit allen Menschen in
Beziehung treten, muß durch alle Zeitalter die von Jesus Christus
bewirkte Erlösung und den Segen, der davon ausgeht, weitertragen.
Deshalb ist es nach dem Willen ihres Stifters notwendig, daß die Kirche
in allen Ländern und zu allen Zeiten Eine ist."
Ludwig Ott kann daher in seinem "Grundriß der katholischen Dogmatik"
die Idee der Unzerstörbarkeit wie folgt zusammenfassen. "Die
Indefektibilität der Kirche besagt sowohl ihre Unvergänglichkeit, d.i.
die stete Dauer bis an das Ende der Welt, als auch die wesentliche Un
Veränderlichkeit ihrer Lehre, ihrer Verfassung und ihres Kultes. Den
Untergang von Einzelkirchen und akzidentelle Veränderungen schließt sie
jedoch nicht aus. (Deutsche Ausgabe. 6 Auflage, 1966, S. 357)
Schon in den Schriften der Kirchenvater kann man nachlesen, daß schon
die frühe Kirche die Unzerstörbarkeit der Kirche als solche annahm. Der
hl. Ignatius von Antiochien, der als Märtyrer zu Beginn des zweiten
Jahrhunderts starb, schrieb. "Der Herr erlaubte, daß Myrrhe über sein
Haupt ausgegossen wurde, aber nicht, daß Zerstörung über die Kirche
kommt" (Ep 17,1). Der hl. Irenaus, ein früher Apologet der Kirche,
bestätigt, daß die Verkündigung der Kirche dank des Beistands des
Heiligen Geistes "unveränderlich und immer dieselbe" (Adv. haer. III,
24. 1) ist.
Dazu lehrt das (1.) Vatikanische Konzil in seiner dogmatischen Konstitution über den Glauben:
"Allein auf die katholische Kirche
nämlich erstreckt sich all das, was göttlicherseits zur einsichtigen
Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens so vielfältig und so
wunderbar angeordnet wurde. Ja, auch die Kirche selbst ist durch sich -
nämlich wegen (...) Ihrer katholischen Einheit und unbesiegbaren
Beständigkeit - ein mächtiger und fortdauernder Beweggrund der
Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen
Sendung." (D 1794, DS/DH 3013-3014)
Für die, die behaupten, daß die Kirche sich andern könne und sich auch
geändert habe **), gab es von Seiten des kirchlichen Lehramtes nur
Widerspruch. Papst Clemens XI. verurteilte diesen Irrtum, der auch von
Quesnel vertreten wurde, im Jahre 1713:
"Die Wahrheiten sind dahin gelangt, daß
sie für die meisten Christen eine gleichsam fremde Sprache sind, und
die Weise, sie zu verkünden, gleichsam eine unbekannte Mundart ist, so
weit ist sie von der Einfachheit der Apostel entfernt und über dem
allgemeinen Fassungsvermögen der Gläubigen; auch wird nicht genug
beachtet, daß dieser Mangel eines der am meisten spürbaren Zeichen für
die Vergreisung der Kirche und den Zorn Gottes gegen sein Söhne ist." I
Cor XIV, 21 (Prop 95, D 1445, DS/DH 2495)
Die Irrtümer der Modernisten wurden bereits vom Hl. Pius X. am 3. Juli
1907 im Dekret "Lamentabili" verurteilt, so z.B. die Sätze:
"53. Die organische Verfassung der
Kirche ist nicht unveränderlich: vielmehr ist die christliche
Gemeinschaft ebenso wie die menschliche Gemeinschaft einer
fortwährenden Entwicklung unterworfen.
54. Die Lehrsätze, Sakramente und die Hierarchie sind sowohl was den
Begriff als auch was die Wirklichkeit anbelangt nur Auslegungen und
Entwicklungen des christlichen Verständnisses, die den im Evangelium
verborgenen unbedeutenden Keim durch äußere Zuwächse vermehrt und
vervollkommnet haben." (D 2053, 2054, DS/DH 3454)
Aber wir wollen zu unserer ursprünglichen Frage zurückkehren. Können
wir nach obigem Verständnis der kirchlichen Lehre über ihre
Unzerstörbarkeit behaupten, daß die Kirche sich ändern darf? Absolut
nicht! In ihrer Moral- und Glaubenslehre, in ihrer Liturgie, in ihren
Sakramenten und in ihrer hierarchischen Struktur muß sie immer dieselbe
bleiben. Kann ein Papst einen dieser Punkte ändern? Nein. Der Papst,
als Haupt der katholischen Kirche, drückt aus, was die ganze Kirche
glaubt:
"Den Nachfolgern des Petrus wurde der
Heilige Geist nämlich nicht verheißen, damit sie durch seine
Offenbarung eine neue Lehre ans Licht brächten, sondern damit sie mit
seinem Beistand die durch die Apostel überlieferte Offenbarung bzw. die
Hinterlassenschaft des Glaubens heilig bewahrten und getreu auslegten.
Ihre apostolische Lehre haben ja alle ehrwürdigen Väter angenommen und
die heiligen rechtgläubigen Lehrer verehrt und befolgt; denn sie wußten
voll und ganz, daß dieser Stuhl des heiligen Petrus von jedem Irrtum
immer unberührt bleibt, gemäß dem an den Fürsten seiner Jünger
ergangenen Versprechen unseres Herrn und Erlösers: 'Ich habe für dich
gebetet, daß dein Glaube nicht wanke: und du, wenn du einmal bekehrt
bist, stärke deine Brüder' (Lc XXII. 32)." (1. Vat. Konzil, D 1836,
DS/DH 3069-3070)
Die Einsicht, daß die Kirche eine göttliche Einrichtung ist. die vom
Heiligen Geist geleitet wird, ist der Schlüssel zum Verständnis ihrer
Irrtumslosigkeit. Der eigentliche Grund für die Unfehlbarkeit der
Kirche liegt im verheißenen Beistand des Hl. Geistes, der ihr speziell
für die Ausübung des Lehramtes zugesichert wurde.
Wenn die Kirche in ihrer Meinung irren könnte, würden Konsequenzen
entstehen, die mit der Heiligkeit der Kirche unvereinbar wären. Es gäbe
keine Garantie, daß man uns dasselbe lehren würde, wenn wir die
Sakramente empfingen und der Kirche gehorchen würden. Vielmehr muß in
Geltung bleiben, was Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika "Satis
cognitum" schreibt:
"Aus dem Gesagten ergibt sich, daß
Christus in der Kirche ein lebendiges, mit Autorität ausgestattetes,
dauerhaftes Lehramt eingerichtet hat, das er durch seine eigene Kraft
gestärkt und durch den Geist der Wahrheit, die er lehrte, und durch
Wunder bekräftigt hat. Er wollte und ordnete an, unter schwersten
Strafen, daß die Lehre der Kirche so angenommen werden müsse wie seine
eigene. (...) Kann daher irgend jemand, nachdem jeder Grund des
Zweifels weggeräumt ist, eine dieser Wahrheiten ablehnen, ohne in
Häresie zu fallen? Ohne sich von der Kirche zu trennen? Ohne mit einem
Schlag die ganze christliche Lehre zurückzuweisen? Denn der Glaube ist
so beschaffen, daß nichts unsinniger ist, als bestimmte Sätze
anzunehmen und andere abzulehnen".
Wenn deshalb ein Konzil wie die Räubersynode von Ephesus oder das
Konzil von Basel, die Synode von Pistoja oder Vatikanum II nicht die
allgemeinen Wahrheiten der katholischen Kirche lehren, sind sie keine
rechtmäßigen Konzilien, mögen sie auch pastoral, synodal oder
ökumenisch genannt werden. Auch kann kein Papst ein solches Konzil bzw.
eine solche Synode approbieren. Wenn er dennoch eine zur Lehre der
katholischen Kirche im Widerspruch stehende Auffassung approbierte,
würde er nicht mehr im Auftrag Christi handeln. Er würde auch nicht
langer sein Stellvertreter auf Erden sein.
(Von der Redaktion überarbeitet und gekürzt.)
*) Anm. d. Red.: Vgl. dazu die in den redaktionellen Vorbemerkungen
gemachte Einschränkung. Daß z.B. die Sichtbarkeit der Kirche weitgehend
verloren gegangen ist, kann man leicht dann feststellen, wenn man einen
Konvertiten beim Übertritt zur kath. Kirche beraten soll: wo ist sie?
wo kann er in sie eintreten? Da treten dann die Schwierigkeiten massiv
auf!
**) Anm. d. Red.: Änderungen kann es im Bereich der Applikation der
unveränderlichen Prinzipien geben, d.h. bei deren Anwendung in der
jeweiligen konkreten historischen Situation.
Nachwort der Redaktion:
Vorstehender Artikel ist von Rev. Fr. Krier als Antwort und
Gegendarstellung zu einer Abhandlung von Michael Davis konzipiert
worden, den dieser in der Zeitschrift "The Roman Catholic" 1992
veröffentlicht hatte. Rev. Fr. Krier sandte den obigen Beitrag mit dem
nachfolgenden Brief an den Autor Davis, um diesem Gelegenheit zu einer
Korrektur seiner Ansichten zu geben.
Wir wollen Ihnen, verehrte Leser, diesen Begleitbrief (in der
Übersetzung von Herrn Jerrentrup), der in den USA bereits publiziert
wurde, nicht vorenthalten, weil er markante Punkte in dieser
Auseinandersetzung besonders deutlich heraushebt. E.H.
***
Offener Brief an Herrn Michael Davies
20. August 1993, St. Bernhard, opn
Michael Davies
- The Roman Catholic -
P.O. Box 776
Libertyville, Illinois 60048
Sehr geehrter Herr Davies,
ich erhalte gerade Ihren Artikel zum Thema der "Unzerstörbarkeit der
Kirche", den Sie der Zeitschrift "The Roman Catholic" 1992 überlassen
haben. Ich bin abgrundtief entsetzt darüber, daß Sie zum Defensor
erroris (Verteidiger des Irrtums) im eigentlichen Sinne des Wortes
geworden sind. Daß jemand die Absicht hat, die völlige Verfälschung des
katholischen Glaubens zu verteidigen, anstelle der Reinheit des
Glaubens eine Perversion desselben zu setzen und das heilige Meßopfer
mit einem humanistischen Kult auf eine Stufe zu stellen, ist ein
wahrhaft teuflischer Lug und Trug.
Ihre These behauptet, daß es "sehr wichtig ist, innerhalb der
katholischen Kirche [gemeint: die 'Konzils-Kirche'] zu verbleiben ...
[wegen] der Unzerstörbarkeit der Kirche "Sie verstehen unter
"Unzerstörbarkeit" die "Unfähigkeit zu irren". Nach diesem Satz samt
Definition fuhren Sie uns durch ein verwirrendes Labyrinth, das die
Einheit der Kirche ausdrucken soll, indem Sie versuchen, uns zu
erklären, daß trotz der Änderung der konziliaren Kirche des Vatikanum
II dies die Kirche ist, die sich nicht ändern könne.
Die Einheit der Kirche verlangt, daß wir mit dem Haupt der Kirche
verbunden sind. Das Haupt der Kirche ist Christus. Der sichtbare
Stellvertreter Christi ist der Papst Wenn der Papst von dieser Welt
scheidet, hört die Kirche nicht auf, ihr Haupt zu behalten, weil
Christus ihr Haupt bleibt. Nur die Kirche hat kein sichtbares, lebendes
Haupt mehr. Die Kirche braucht keinen sichtbaren "Stellvertreter
Christ" ohne Unterbrechung. Die Cathedra Petri, obwohl verwaist, hört
nicht auf zu existieren. Wir kommen damit zu dem Problem, wen der
sichtbare Stellvertreter vertritt? Er repräsentiert Christus, den "Weg,
die Wahrheit und das Leben". Er, der Herr Jesus Christus, ist die ewige
Wahrheit, der das ewiges Leben jedem gibt, der daran glaubt. Können
wir, wenn man das (1) Vatikanische Konzil und sein dogmatisches Dekret
über die Unfehlbarkeit in Betracht zieht, zugeben, daß der
Stellvertreter Christi die Kirche in ihrem Glauben, ihren Sakramenten
und ihrer Verfassung verändert und wir ihn trotzdem "Stellvertreter
Christi" nennen können? Kann die Kirche, von der er vorgibt, ihr
sichtbare Haupt auch weiterhin zu sein, immer noch jene
Unzerstörbarkeit bewahren, wenn der Glaube, die Sakramente und die
Verfassung der Kirche nicht mehr dieselben sind, wie die Tradition sie
lehrt?
Zu sagen, daß ein ökumenisches Konzil - vom Papst einberufen und
bestätigt - nicht mit unfehlbarer Autorität ausgestattet sei, ist
genauso, wie wenn man sagt, daß nichts von dem, was die Kirche lehrt,
mit unfehlbarer Autorität ausgestattet ist. Was verleiht ihr unfehlbare
Autorität? Wahrheit, absolute Wahrheit. Und es ist Christi Versprechen,
daß die Kirche im Besitz des "Geistes des Wahrheit" immer die Wahrheit
lehren wird. Wenn Sie zugestehen, daß es die katholische Kirche ist,
die durch Vatikanum II zu uns spricht, dann hat die Kirche ihre
Unzerstörbarkeit verloren. Und wenn Sie uns sagen, es sei nicht die
katholische Kirche, die durch Vatikanum II zu uns spricht, dann ist das
Konzil kein katholisches, und diejenigen, die dessen Lehren wissentlich
unterschrieben haben, sind keine Katholiken. Das ist die logische
Konsequenz. Wenn Paul VI. die Dekrete des Vatikanum II unterschrieben
und promulgiert hat, dann hat er nicht-katholische Lehren
unterschrieben und promulgiert und hat damit aufgehört, Katholik zu
sein. Kann ein Nicht-Katholik der Stellvertreter Christi sein?
Sie können nicht sagen: "Die Kirche hat die Vollmacht, ihre Lehren mit
unfehlbarer Autorität auszustatten, wenn sie das will." Die Kirche muß
die Wahrheit lehren, oder sie hört auf, Mittel zum Heile zu sein, wenn
sie uns Irrtum lehrt. Die Kirche kann ein Urteil zurückhalten, sie kann
feierlich oder gewöhnlich lehren. Aber die Kirche muß die Wahrheit
lehren, wenn sie die Gläubigen in Glauben und Sitte belehrt. Das ist
die Lehre der universellen Kirche, das ist die Lehre des (1.)
Vatikanischen Konzils. Und wenn das nicht Ihr Glaube ist, dann
entspricht Ihr Glaube nicht dem der universellen Kirche, genauso wie
der all jener, die uns weismachen wollen, die Lehren des Vatikanums II
seien nur die einiger Bischöfe, nicht der gesamten 'Konzils-Kirche'.
Das ist Unfug! Alle Bischöfe haben die Dokumente unterschrieben,
einschließlich und vor allem Paul VI. Der Papst, der normalerweise das
Bekenntnis des einen Glaubens ausspricht, wird hier zum Zeichen der
allgemeinen Apostasie. Alle Bischöfe unterstützten und akzeptierten die
liturgischen Veränderungen, und keiner widerstand. Alle Bischöfe
genehmigten und akzeptierten Verdrehungen des biblischen Textes. Diese
Bischöfe gehören [teilweise] auch der Ostkirche an, es sind also nicht
nur Bischöfe der Westkirche dabei. Die wenigen Bischöfe, die sich
widersetzten, sind im Ruhestand, exkommuniziert oder durch die
Konzilskirche zum Schweigen gebracht.
Zu behaupten, daß die neue Messe und die Sakramente gültig sein müssen,
weil die Kirche nicht irren könne, ist ein falsches Argument. Die Messe
und die Sakramente der Konzilskirche können ungültig sein, wenn die
'Konzils-Kirche' eben nicht die katholische Kirche ist. Es wäre
lächerlich zu sagen, daß zu Zeiten der protestantischen Reformation die
'Messe' Luthers eine gültige Messe gewesen sei, weil die Kirche (zu der
Luther, wie ich sicher bin, immer noch zu gehören glaubte) nicht irren
könne. Und selbst wenn Sie sagen, nur die Übersetzungen seien schlecht,
so dürfen sie doch nicht dem katholischen Glauben widersprechen. Wenn
jemand weiß, daß "multis" ein lateinisches Wort ist und "viele" heißt
und dann mit "alle" übersetzt (wie Johannes Paul II , was Sie nicht
leugnen können), dann ist das keine schlechte Übersetzung, sondern eine
sinnrelevante Verdrehung.
Ich stimme zu, wenn Sie sagen, daß die Kirche "auf eine Handvoll
unbeugsamer Katholiken reduziert werden" kann, aber sind sie etwa keine
Katholiken mehr, wenn der 'Papst' stirbt? Also nochmal, Sie dürfen
einen Papst nicht als Existenzbedingung der Kirche ansetzen, sonst
kommen Sie bei seinem Tode in ein Dilemma, aus dem die logische
Konsequenz entweder die ist, daß die Kirche aufhört zu bestehen, oder
daß ein Papst in der Kirche nicht zeitlich unbedingte Befehlsgewalt
hat, will sagen,
daß die Bischöfe, als Nachfolger der Apostel, auch die Lehr-, Priester- und Regierungsgewalt besitzen.
Das Vatikanum II enthält mehr Häresien und Irrtümer als die Synode von
Pistoja, die von Papst Pius VI. verurteilt wurde. Der 'Novus Ordo
Missae', obwohl er jede Änderung, die von früheren Päpsten verurteilt
und verboten wurde, in sich enthalt, wurde dem lateinischen Ritus
übergestülpt. Alan F. Detscher schreibt bezüglich des III.
Eucharistischen Hochgebets "Obwohl niemand imstande ist, einen
bestimmten Autor dieses Gebets zu benennen, ist es klar, daß viel von
seinem Inhalt und der Art seines Ausdrucks zurückverfolgt werden kann
zu Dom Cipriano Vagaggini O.S.B " (New Eucharistie Prayers, Eine
ökumenische Studie über ihre Entwicklung und Struktur, hrsg. von Frank
C. Senn, New York 1987, S. 32). Da gibt es keine Tradition, wie selbst
Joseph Ratzinger in seinem Vorwort von "La Reforme liturgique en
question" von Klaus Gamber, Editions Sainte-Madeleine, zugibt: "Was
nach dem Konzil geschah, war etwas völlig anderes. Anstelle der
Liturgie als Frucht einer Entwicklung trat gefertigte Liturgie" (zit.
nach Christian Order, Bd 34, Nr. 3) die "jedem Text mit unvordenklichem
Gebrauch entgegensteht." (Conferentianum Episcopahum, 28. Oktober 1974)
Man tut mehr für die Kirche, wenn man das Kind beim Namen nennt, als
Irrtümer unter dem Vorwand zu verteidigen, um das Papsttum zu retten.
Ich fuge eine Zusammenfassung der kirchlichen Lehre über die
Unzerstörbarkeit der Kirche bei, falls Sie Referenzquellen suchen.
(...)
In Seinem Dienst Courtney Edward Krier
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