ÖKUMENE ?
Seitdem vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ein
ökumenischer Kirchentag mit gemeinsamer Abendmahls- beziehungsweise
Eucharistiefeier propagiert wird, reißen die Auseinandersetzungen nicht
ab. Diese Zeitung bringt dazu eine Stellungnahme von Kardinal Ratzinger
(DT vom 21. Januar), der dazu mahnt, in Geduld beieinander zu bleiben
und sich für eine gemeinsame Feier keine Termine setzen zu lassen. Rita
Waschbüsch meint die Unterschiede einfach überspielen zu können, weil
"die konfessionellen Unterschiede im Hinblick auf die gesellschaftliche
Wirksamkeit der christlichen Überzeugung an Bedeutung verlören". Sie
könnte recht haben, wenn die Wahrheitsfrage keine Rolle mehr spielt.
Die ökumenischen Bestrebungen früherer Jahre waren noch gekennzeichnet
vom Ringen um die Wahrheit. Ist das heute anders? Der nicht hinreichend
informierte Leser wird kaum die Problematik erkennen, die hinter der
ganzen Auseinandersetzung steht und ist vielleicht geneigt, das als
"Theologengezänk" abzutun. Die Problematik fängt damit an, daß es die
evangelische Kirche gar nicht gibt. Sie nennt sich zwar Evangelische
Kirche in Deutschland (EKD), aber sie setzt sich aus Kirchen
verschiedener Denominationen zusammen: Das heißt, es gibt verschiedene
Bekenntnisrichtungen, etwa Lutheraner, Kalvinisten (Reformierte),
Methodisten und mehr. Dabei ist auch noch zu bedenken, daß die
Lutheraner gespalten sind in lutherische Landeskirchen, wie Hannover,
Braunschweig und Bayern; und unierte Landeskirchen, wie die Rheinische
Landeskirche, die aber nur eine Verwaltungsunion bildet (Lutheraner und
Kalvinisten unter einer Kirchenleitung), und eine Konsensunion, wie
etwa die Badische Landeskirche. Das heißt wiederum, daß lutherisches
und kalvinistisches Bekenntnis gemischt sind zu einem. Dazu gibt es
noch die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), die streng
beim lutherischen Bekenntnis geblieben ist. Damit wird das Problem
schon deutlich. Es waren die Lutheraner, die eine
Abendmahlsgemeinschaft mit den Kalvinisten verneinten wegen der großen
Verschiedenheit der Lehre vom Altarsakrament. Um nun zu einer
gemeinsamen Lehre zu kommen, beschloß man 1973 die Leuenberger
Concordie, an der auch die Waldenser und die Böhmischen Brüder
beteiligt waren (vergleiche Evangelisches Gesangbuch von 1994, Nr.
811). "Abendmahl": 'Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus
Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein
verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich selbst
vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen; der Glaube empfängt
das Mahl zum Heil, der Unglaube zum Gericht." Diese Formulierung ist
für mancherlei Interpretation offen, so daß ein jeder seinen Glauben
dahinein interpretieren kann - wenn er will ... Der Formulierung ist
dies deutlich zu entnehmen: Der auferstandene Christus schenkt sich
durch sein verheißendes Wort zusammen mit Brot und Wein. Also bleiben
Brot und Wein Brot und Wein. Von einer Conversio oder Consekration ist
nicht die Rede. Jesus Christus gibt sich vorbehaltlos allen, die Brot
und Wein empfangen; also empfangen alle Brot und Wein. Er gibt sich
aber, wie vordem gesagt, durch sein verheißendes Wort. Dies geschieht
aber auch in der Predigt, oder wenn im Gottesdienst die Heilige Schrift
verlesen wird. Das sagt schon das II. Vatikanum (in
Liturgiekonstitution, Nr. 7): "Gegenwärtig ist er in seinem Wort, da er
selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen
werden." (...) Wo nun ist die wirkliche und wahre Gemeinsamkeit?
Leserbrief von Diakon Gottfried Custodis, 50823 Köln, in der DT vom 4.3.1997
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