54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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1. Was ist das eigentlich: Die Häresie?
2. SPRÜCHE DER VÄTER
3. DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE
4. UNTERWEGS ZUR WELTEINHEITSRELIGION
5. WENN APOSTASIE ZUR NORM WIRD
6. DER HL. JOHANNES KAPISTRAN
7. COMMUNIQUÉ DES ST. PETRUS CANISIUS-KONVENTES
8. VOM LEID DER ANDEREN
9. BILANZ DES SCHRECKENS: 3 MILLIONEN DEUTSCHE STARBEN
10. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
11. MITTEILUNGEN DER REDAKTION
DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE
 
DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE

von
Eberhard Heller


(Fortsetzung I.)

Zu den Autoren, die eine Lösung der kirchlichen Krise unter den derzeitigen Bedingungen für möglich halten, zumindest partiell, und eine solche beschreiben, gehört Herr Alvaro Ramirez Arandigoyen, der im Anschluß an die erfolgten Bischofsweihen durch den inzwischen! verstorbenen Erzbischof Pierre Martin Nog-dinh-Thuc sich in einem offenen Brief an S.E. Mgr. Carmona gewandt hat. Durch diese Weihen hatte, sich die kirchliche Situation insofern grundsätzlich geändert, als durch sie die apostolische Sukzession gesichert war. Und man durfte annehmen, daß die neuen Bischöfe - auch auf der Grundlage der öffentlichen! Verurteilung der Häresien im Gefolge von Vatikanum 2 - beim Wiederaufbau der kirchlichen Institution zügig voranschreiten würden... zumindest schien es erst einmal so.

Nach meinem Artikel "Wo stehen wir?" (EINSICHT vom März und Mai 1983, S.194 ff u. 53 ff.) erschien aus der Feder von Herrn Ramirez / Buenos Aires in der! Zeitschrift FIDELIDAD A LA SANTA IGLESIA Nr.XVIII vom 15.8.1983 (deutsch von Heinrich Beckmann in EINSICHT vom Febr. u. Mai 1984, S.194 ff. u. 234 ff.) ein in die Form eines offenen Briefes gekleideter Artikel, in dem außer einer gründlichen Lagebeurteilung die rechtlichen und pastoralen Vollmachten der neu geweihten katholischen Bischöfe umrissen werden. Nach Ansicht von Herrn Ramirez besitzen die von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc konsekrierten Bischöfe, deren Weihen er - trotz des fehlenden päpstlichen Mandats - als gültig und gerechtfertigt verteidigt, (weil

a) die Weihegewalt unabhängig von der Jurisdiktion besteht und
b) wir uns in einem allgemeinen kirchlichen Notstand befinden),

die "potestas ordinis", d.h. die Vollmacht der Sakramentenspendung, und die "potestas generandi", d.i. die Macht des geistigen Zeugens, womit gemeint ist, daß die Bischöfe neue kirchliche Gemeinschaften zeugen können, die sie - um es mit einem von mir gebrauchten Terminus zu sagen - pastoral auch zu leiten hätten. Dabei bleibt aber die Frage der jurisdiktionellen Vollmacht in diesen, von einem Bischof geleiteten Gemeinden ungeklärt. Eine universale Jurisdiktion spricht er den neuen Bischöfen ab, ebenso das Recht, einen neuen Papst zu wählen, da dieses Recht der römischen Kirchengemeinde zusteht. Eine Neubesetzung der usurpierten Bischofsstühle soll nach Herrn Ramirez auch nicht gestattet sein, selbst wenn dies faktisch möglich sein sollte. Sein Rat an die Bischöfe lautet: "zu handeln, wie die Apostel es taten". Die besondere Rolle des hl. Petrus, unter dessen Ägide jedoch die übrigen Apostel handelten, und deren Bedeutung gerade für ihre Beauftragung wird nicht erläutert, ebenso wenig wie dargelegt wird, wie das Petrusamt neu besetzt; d.h. wie die universelle Jurisdiktion zurückgewonnen werden könnte.

Ein umfassenderes Konzept hat Mgr. Guerard des Lauriers OP dargelegt (vgl. dazu seine Artikel in EINSICHT vom März 1984, S.226-231 und vorher Oktober 198o, S.173), welches er neuerdings durch eine Abhandlung in der französischen Zeitschrift SOUS LA BANNIÈRE, Supplément Nr.3 vom Jan.-Febr. 1986 ("Consacrer des évêques?" - hier  zitiert in der deutschen Übersetzung von Herrn Eugen Golia: "Soll man Bischöfe weihen?")  ergänzt und weiter erläutert hat. (N.b. der unmittelbare Anlaß für die Abfassung dieses  Artikels waren erneute Gerüchte über beabsichtigte Bischofsweihen - oder 'Bischofsweihen', wenn man Zweifel an der Gültigkeit von Lefebvres eigener Bischofsweihe hat -, die der  Chef von Econe spenden will - oder bereits gespendet hat? - Auf jeden Fall berichtet Mgr. Guerard des Lauriers, zwei - von vier - der für dieses Amt vorgesehenen Kandidaten hätten sich bei ehemaligen Mitschülern, die wegen ihrer konsequenten Haltung gegenüber Mgr. Wojtyla aus Econe hinausgeworfen worden waren, erkundigt, ob solche Bischofsweihen ihrer Meinung nach erlaubterweise gespendet bzw. empfangen werden dürften.)

Nach der Darstellung von Mgr. Guerard des Lauriers basiert die Kirche auf zwei organisch miteinander verbundenen Prinzipien: der Missio (dem Missionsauftrag) und der Sessio (dem Amtssitz). Beiden korrespondieren auf der einen Seite die Weihegewalt und auf der anderen Seite die Jurisdiktion. Beide - Missio und Sessio in eins wurden zunächst dem hl. Petrus zugesagt, wobei die Sessio - und damit verbunden die Jurisdiktionsgewalt - vom hl. Petrus (und seinen Nachfolgern) an die Apostel (und deren Nachfolgern) delegiert werden soll, während die Missio allen Aposteln gleichermaßen übertragen wurde. "Die Sessio sowie die Missio, die in Wirklichkeit getrennt, aber organisch miteinander verbunden sind, wurden zuerst Petrus allein versprochen (Mt 16, 18f.) und dann übertragen (Joh 21,15-19). Aber alles, was die Missio betrifft, wurde gleichermaßen auf die zwölf (oder zehn) anderen Apostel übertragen, gleichzeitig mit Petrus und in strikter Gleichheit mit Petrus: Eucharistie (Mk 14,22-24), die Gewalt der Lossprechung (Mt 18,18; Joh. 2o,22f.) Und das feierliche Versprechen: 'Und siehe, Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt' (Mt 28,2o), betrifft ausdrücklich die an alle elf gleichermaßen angesagte Missio. (...) Die Missio ist sicherlich verbunden und in Einklang gebracht mit der Sessio, 'aber in der streitenden Kirche, wo alles im Dienste des salus animarum steht' (Pius XII. am 3.6.1956) ist die Sessio für die Missio da. Die Sessio, und sie allein, vollendet in der Katholizität die Einheit, welche im Zustand der Entstehung aber eigentlich der Missio angehört." (Vgl. SOUS LA BANNIéRE, S.2 - im folgenden abgekürzt: SLB)

Nach Mgr. Guerard des Lauriers sind die beiden zugeordneten Ordines (Weihegewalt und Jurisdiktion) untereinander "nicht zurückführbar", andererseits aber "in der Person des souveränen Pontifex (...) koordiniert, d.h. die eine und die andere geordnet, sehr genau, wie es die Missio und Sessio sind. (...) Die Missio ist (...) hinsichtlich ihrer Struktur göttlichen Ursprungs (Mt. 28,18-2o) und der Grund hierfür: 'Der Bischof wird über seine Herde durch den Hl. Geist eingesetzt'. Durch den Hl. Geist, und nicht durch den Bischof von Rom. Daraus geht - wesentlich für den Episkopat, betrachtet sub ratione ordinis - die Absolutheit der Missio hervor. Die Missio als solche kann sich mittels des Episkopats fortsetzen". (SLB, S.2) Obwohl nun Christus es ist, der einen bestimmten Bischof für eine bestimmte Diözese erwählte, beschloß er in "seiner Gottheit, es durch Vermittlung des Papstes, Seines Stellvertreters auf Erden, zu machen. (...) Kein Bischof besitzt eine Diözese und Jurisdiktion, wenn nicht in UnterOrdnung unter den Bischof von Rom. Darin manifestiert sich, ratione jurisdictionis, in der Person des Papstes, der im Besitz der Prima Sedes ist, die Absolutheit der Sessio. Die Sessio kann nicht ohne Missio sein, denn der Grund für das Bestehen der Sessio ist die möglichst gute Realisierung der Missio. Niemals kann aber die Sessio aus der Missio hervorgehen; sie vermag nur aus ihrem eigenen Prinzip, der Prima Sedes, hervorzugehen." (SLB, S.2)

Der derzeitige Inhaber der Cathedra Petri, Mgr. Wojtyla vertritt nach Mgr. des Lauriers "gewohnheitsmäßig die Häresie", weswegen er formaliter nicht Papst sein kann. Da er aber "ordnungsgemäß gewählt" sei, sei er trotz seiner Häresie materialiter Papst. "Die streitende Kirche ist gegenwärtig besetzt und in einem Zustand der Beraubung. Wojtyla, ordnungsgemäß gewählt - ich nehme dies an bis zum Beweis des Gegenteils - in einem Konklave, in dem sich noch zwölf authentische Kardinale befanden, die nicht dagegen protestierten, hält den Stuhl von Rom besetzt; er ist Papst 'materialiter'". (SLB, S.3.) Da aber glaubenswidrige bzw. glaubenszerstörende Anordnungen keine Geltung und keinen Gehorsam von den Gläubigen beanspruchen können, ist der Amtssitz (die Sessio) "an der Spitze erschüttert, und diese Erschütterung setzt sich fort (...) durch das ganze Gebäude". (Vgl. EINSICHT vom März 1984, S.227; SLB, S.3) Die Frage, welcheFolgen diese Erschütterung auf Mgr. WojtylasMissio und Sessio, auf die Weihegewaltsausübung und die Jurisdiktion genau haben bzw. welche Vollmachten er auf Grund der Materialität seines Papsttums noch hat, beantwortet Mgr. des Lauriers nicht. Er sagt lediglich: "Auf Grund des Naturrechtes ist Wojtyla metaphysisch und Jurisdiktionen unfähig, sein Amt auszuüben." (SLB, S.3.)

Die Wiederherstellung der Prima Sedes sollte nach des Lauriers zunächst so aussehen, daß sich Mgr. Wojtyla bekehren müsse (vgl. EINSICHT vom Okt. 198o, S.173). Inzwischen redet er von einer Bekehrung, durch die Wojtyla nicht mehr bloß materialiter, sondern wieder formaliter hätte Papst werden können, inzwischen nicht mehr.

Mgr. Guerard des Lauriers zeigt in seinem neuesten Aufsatz den Weg auf, den die Kirche in einem solchen Fall eines "Papa haereticus" immer gegangen ist - und den die EINSICHT seit ihrem Erscheinen im Jahre 1971 ähnlich aufgezeigt hat: "Die Bischöfe, welche an der Sessio der Prima Sedes teilhaben und welche die Missio kraft des Hl. Geistes ausüben (Ap 2o,28) müssen kraft eben dieses Hl. Geistes entsprechend den Erfordernissen des Glaubens den Irrtum des Papstes erkennen und ihm respektvoll einen Verweis erteilen. Mißbilligt der Papst den von ihm begangenen Irrtum, ist die Sessio in ihm befestigt. Verharrt er aber im Irrtum, erklärt er sich selbst zum Ketzer und erklärt damit seine Unfähigkeit zum Besitz des apostolischen Stuhles. Der Stuhl ist somit vakant. Es fällt somit den vorgenannten Bischöfen nicht die Aufgabe zu, 'den Papst abzusetzen', sondern den Stuhl für vakant zu erklären und ein Konklave einzuberufen, das dessen einstweilige Verwaltung sichern soll." (SLB, S.) Dieser Prozeß kann nur in der Kirche verwirklicht werden, weil sich die Kirche nur von innen heraus reformieren kann. Befähigt zu der Vakanzerklärung sind aber nur Bischöfe, nach Ansicht von Mgr. G.d.Lauriers, die die dem Bischofsamt innewohnenden zwei Bedingungen erfüllen: "1.) Teilnahme an der Sessio, d.h. residierender Bischof zu sein - mag er teilweise auch ungläubig sein; 2.) Ausübung der Missio im Hl. Geiste, somit konform mit der Glaubenslehre." (SLB, S.4.) Denn es können diese Vakanz-Erklärung nur Personen abgeben, welche "physisch oder moralisch dazu befähigt sind" und welche deswegen ipso facto auch geeignet sind, die "Provisio" der Autorität zu realisieren. (SLB, S.3; EINSICHT vom März 1984, S.227) Alle anderen, die eine solche Erklärung abgeben würden, sollten sich fragen lassen, ob sie noch ernst genommen würden, wenn sie die Einberufung eines Konklaves forderten. (a.a.O.) Wenn man Mgr. des Lauriers richtig interpretiert, wäre dann durch einen solchen formellen Akt der Papst auch seines materialiter Papst-Zustandes entkleidet.

Nach des Lauriers Ansicht ist niemand (mehr) befähigt, eine legitime Sedesvakanz-Erklärung abzugeben, außer eventuell einem eingekerkerten oder in Verborgenheit lebenden Bischof. Auch S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc war nicht legitimiert, eine solche Erklärung zu publizieren, da er durch seine Demissionierung am 17.2.1968, die ihm von Paul VI. aufgezwungen wurde, dessen Autorität anerkannt u. so die Teilhabe an der Sessio verloren hätte. (SLB, S.4 - dort apostrophiert des Lauriers seinen Konsekrator als den "lieben 'treuen' Bischof Thuc".) Für des Lauriers spielt es dabei keine Rolle, daß der juristische Akt eines Häretikers null und nichtig ist (vgl. Bulle "Cum ex apostolatus officio" von Paul IV.) und Mgr. Thuc sich entweder im Irrtum hinsichtlich der Person Montinis befunden haben könnte (1968!!!) oder überhaupt keine Möglichkeit hatte, seinen erzbischöflichen Sitz in Hue wieder zu besetzen - wegen des Krieges konnte er nicht nach Vietnam zurückkehren. (In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, daß die von dem damaligen Pater Guerard des Lauriers hauptsächlich abgefaßte "Kurze kritische Untersuchung des 'Novus Ordo Missae'" unter dem Patronat von Kard. Ottaviani und Kard. Bacci sich an den "Heiligen Vater" Paul VI. richtet - sie wurde über ein Jahr nach der zwangsweisen Demissionierung von Mgr. Thuc verfaßt - im Mai 1969.)

Nach diesen Prämissen ist klar, daß auch die Bischöfe der "Thuc-Linie nicht im Besitz der Sessio sind und ebenfalls keine Erklärung abgeben können. "Sie haben keinen Anteil an der Sessio der Prima Sedes. Sie gehören wohl zur Kirche im Zustand der Beraubung; aber sie können nichts zur Wiederherstellung der entzogenen Sessio beitragen." (SLB, S.4) Mgr. Guerard des Lauriers wiederholt die Befürchtung, daß einige von diesen Bischöfen durch Anmaßung einer allgemeinen Jurisdiktion in ein neues Palmar-Abenteuer hineingeraten könnten, weil sie von einer sog. Sessionitis, d.i. einer Zwangvorstellung hinsichtlich der Sessio befallen seien, die in sich "de jure betrügerisch und satanisch verführerisch" sei (SLB, S.4).

Da somit die Sessio in den Augen von Mgr. Guerard des Lauriers kaum noch besetzbar erscheint - von menschlicher Seite -, hofft er auf ein "direktes Eingreifen Christi". Er schreibt: "Was nun die Absichten Gottes bezüglich der Wiederherstellung der Sessio betrifft: das Schwinden der vorzeitigen Hoffnungen führt uns wieder in die nüchterne Wirklichkeit zurück. Wir wissen nichts - Gott ist frei! Wir sollen daher auch nichts a priori ausschließen, sondern vielmehr das Mysterium respektieren, in ihm das Geheimnis lieben und es anbeten. Jesus schläft im Boot. Er ließ erkennen, daß Ihn zu wecken Mangel an Glauben bedeutet (Mt. 8,26). Man muß somit hinsichtlich der Wiederherstellung der Sessio 'in silentio et spe' (Isaias 3o,15) warten, hoffend wider alle Hoffnung (SLB, S.5)." - Diese Mystik, nachdem Mgr. d. Lauriers a priori eine ganze Reihe von Möglichkeiten der Restitution der Sessio ausgeschlossen hat!!!

So bleibt - will man Mgr. d.L. folgen und auf ein allen sichtbares Wunder Christi mit ihm warten - nur die Fortsetzung der Missio, d.h. der Glaubensverbreitung, der Pastoral und der Sakramentenspendung inclusive der Spendung der Bischofsweihe, da sie Vollmachten einschließt, die zur übrigen Spendung der Sakramente nötig sind. "Falls es sich erweisen sollte, daß die von einer solchen 'Sessio' anbefohlene 'Missio1 fehlerhaft und unannehmbar ist, weil unvereinbar mit dem Glaubensinstinkt, muß die wahre Missio gerettet werden. Man muß das reine Opfer retten; man muß also konsequenterweise die Pseudo-Sessio als nicht bestehend ansehen." (SLB, S.3)

Lediglich diese Aufgabe, nämlich die Ausübung der Missio, da nicht ursprünglich an die Sessio gebunden - nach d. Lauriers -, dürfen die in der Thuc-Linie stehenden Bischöfe ausüben. Sie müssen sich also strikt jeglicher Aktivitäten zum Wiederaufbau der Hierarchie enthaltenT (Vgl. auch EINSICHT vom März 1984, S.228: "Die Sessio kann in der Kirche nicht durch Personen wiederhergestellt werden, die ihrer entbehren".) Diese Ablehnung gegen den Wiederaufbau geht bei Mgr. D. Lauriers so weit, daß er für sich sogar jegliche Kooperation mit anderen Bischöfen zur Durchführung der Missio, d.h. zur pastoralen Betreuung der Gläubigen ablehnt, um nicht den Anschein zu erwecken, er wolle damit über die faktische Jurisdiktion bei der gültigen und erlaubten Spendung der Sakramente hinaus Jurisdiktion im allgemeinen Sinne beanspruchen. Faßt man die Ausführungen von Mgr. Guerard des Lauriers zur besseren Übersicht noch einmal zusammen, so will er folgendes sagen: Die Kirche beruht auf zwei Wurzeln a) der Missio und b) der Sessio; beide sind miteinander verbunden, in der streitenden Kirche ist die Sessio für die Missio. Durch die Erschütterung der Prima Sedes, in der beide organisch verbunden sind im Normalzustand, bedingt dadurch, daß deren Inhaber, Mgr. Wojtyla gewohnheitsmäßig die Häresie verbreitet, wäre eigentlich von hc Inhabern der Sessio eine Sedesvakanz-Erklärung erforderlich, um den Weg frei zu machen für ein neues Konklave, damit der Stuhl Petri wieder besetzt werden könnte. Da sich aber die Erschütterung weiter fortgesetzt hat, ist z.Zt. niemand in Sicht, der diese Vakanz- Erklärung autorisiert abgeben könnte. So bleibt Mgr. Wojtyla materialiter Papst, d.h. die Sessio ist z.Zt. irreparabel - außer Gott greift durch ein Wunder direkt ein. Was demnach zu tun übrig bleibt, ist die Fortsetzung der Missio, d.h. der Glaubensausbreitung der Sakramentenspendung ohne Ausübung irgendwelcher Jurisdiktionsakte.

Der Zirkel liegt nach Mgr. G.d. Lauriers darin, daß ohne Anteilhabe an der Sessio keine Sedesvakanzerklärung abgegeben werden kann qua Autorität, daß aber die Erneuerung der Sessio daran scheitert, daß keine Sedesvakanzerklärung vorgelegt werden kann. Darum bleibt Mgr. Wojtyla materialiter Papst.

Genau hier aber wird ein Dilemma sichtbar, in dem sich des Lauriers selbst befindet. Auf der einen Seite setzt er sich im Falle der Bischofsweihen über das päpstliche Mandat hinweg, ja über das gesamte Kirchenrecht, weil er urteilt, Wojtyla sei, zumindest formailter, nicht Papst. Andererseits würde es aber gerade die von ihm selbst verordnete Zurückhaltung verbieten, darüber in der Form verbindlich zu urteilen (daß er päpstliche Rechte ignoriert), weil er an der Sessio nach seinem eigenen Befinden nicht partizipiert. Des Lauriers muß diesen Widerspruch wohl selbst einmal bemerkt haben; denn zumindest für eine Zeit lang sah er seine eigene Konsekration zum Bischof als echten schismatischen Akt an, wie er uns, Herrn Dr. Hiller und mir, einmal in einem Gespräch gestand, worüber wir recht erstaunt waren.

Der Hauptfehler des von Mgr. d. Lauriers vorgetragenen Konzepts liegt, wie wir das bereits mehrfach dargelegt haben, in der Annahme, ein öffentlich in Häresie gefallener Papst bliebe amtsfähig, er brauche sich nur zu bekehren. Die Abstraktionen in formaliter und materialiter Papst-Sein bzw. Nicht-Sein sind real unzulässig! Abgesehen davon haben wir nachgewiesen, daß selbst nach Guerard des Lauriers Auffassung, Wojtyla sei noch materialiter Papst, nicht haltbar ist, denn die Wahl, aus der er hervorging, kann nicht als gültig angesehen werden (vgl. EINSICHT vom Okt. 1978, S.89 ff.; das, was dort zur Wahl von Johannes Paul I. gesagt wurde, gilt auch für die von Wojtyla). Somit ist Wojtyla weder materialiter noch formaliter Papst. Überdies haben wir gezeigt, daß man solche Unterscheidungen, die zwar gedanklich zulässig sind, nicht real auseinander reißen darf: einen Halb-Papst bzw. einen halben Nicht-Papst gibt es nicht.

Zum anderen verlangt gerade die von Mgr. Guerard des Lauriers propagierte und favoritisierte Fortführung der Missio die Antizipation einer wiederhergestellten Sessio, der Sessio in der Prima Sedes, da ohne diese intendierte Vorwegnahme der intakten Sessio die Missio ihrer Legitimation entbehren würde. Denn den Missio-Auftraghat Christus Seiner Kirche gegeben, die auf Erden dazu von Amts wegen durch Seinen Stellvertreter, den Papst, beauftragt ist, um es mit den Worten von Mgr. G.d. Lauriers zu sagen, der die Einheit von Sessio und Missio darstellt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die lange geführte Debatte um das "una cum". Eine Missio ohne diese kirchliche Bindung (die, wenn sie real abgerissen ist-durch Sedesvakanz - zumindest antizipiert werden muß) endet notwendigerweise im Sektierertum. Darum gilt es weiterhin nach einer Möglichkeit zu suchen, die Prima Sedes, d.h. die Einheit von Missio und Sessio wieder aufzubauen.

Abgesehen von diesen kritischen Anmerkungen wird niemand, der sich mit dem Problem der Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie und dem Wiederaufbau der Kirche als Heilsinstitution ernsthaft befaßt, an den Ausführungen von S.E. Mgr. Guerard des Lauriers vorbeikommen. Von allen mir bekannten Darlegungen zu diesem Thema enthalten sie die genauesten und umfassendsten Überlegungen und entscheidenden Implikationen hinsichtlich der Konstitution der Kirche und ihres Sendungsauftrages.

(Fortsetzung folgt)

 
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