54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
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4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
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6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Trinität und Inkarnation
 
Trinität und Inkarnation

von
Dr. Ante Križić


Cur Deus homo? Warum ist Gott Mensch geworden? (hl. Anselm)

Aber gibt es überhaupt einen Gott? Wenn ja, dann fragt man sich, was er macht, was er will und was wir uns überhaupt darunter vorzustellen haben.

Die antike Welt hat sich einen Gott vorgestellt, der in sich einheitlich geschlossen, von der Welt und den Menschen abgehoben war, selbstgenügsam in seiner Vollkommenheit wirkte er wie eine sphärische Kugel, die ein ermüdendes blaues Licht ausstrahlte, um das  die Menschen herumschwirrten, in der Hoffnung etwas von seiner Vollkommenheit für sich zu ergattern.

Aber philosophisch regte sich schon ein durchdachter Widerstand dagegen. Platon hat in seinem „Parmenides“ schon in den ersten drei Hypothesen aufgewiesen, dass das Eine (und der Eine) nicht ohne Differenzen in sich sein kann. Dies hatte eine kaum vorstellbare Wirkungsgeschichte, denn es bahnte sich der Gedanke an, dass die Wirklichkeit sich in triadisch-trinitarischen Ordnungsstrukturen manifestiert.

Diese dynamisch-zirkuläre Konzeption der Wirklichkeit wird weiter im Mittleren Platonismus, Stoizismus, Neoplatonismus, besonders mit der Vorstellung der Triade „fons-effluxus-refluxus“ ausgebaut. Plotin, Proklos, Jamblichos so wie ihr lateinischer Interpret Chalcidus haben so viel philosophische Waffen auf diesem Gebiet hinterlassen, dass man mit diesen „Waffen“ auch heute noch philosophische „Kriege“ führen könnte.

Diese Behauptung hat Heinrich Dörrie ausgesprochen, einer der bekanntesten Forscher auf diesem Gebiet. Werner Beierwaltes hat ein hervorragendes Buch über die Triaden des Neoplatonikers Proklos, der im 5. Jahrhundert nach Christus lebte, geschrieben. Christliche Neoplatoniker wie Dyonysius Areopag und andere haben dieses Wirklichkeitskonzept übernommen, was auch verständlich ist, weil es sich in die chrisliche Lehre vom Dreifältigen Gott, als Ursprung dieser so gearteten Wirklichkeit, einfügt. Selbstverständlich haben das auch alle patristischen Autoren übernommen, wie Hilarius, Hyeronimus, Cassianus, Athanasius u.a., ebenso das Mittelalter in erster Linie Bonaventura und Thomas von Aquin.

Im 17. Jahrhundert kämpfte Jan Komensky (Comenius) leidenschaftlich für diese Auffassung gegen den damaligen arianischen Antitrinitarismus, genannt Sozinianismus, der als Vorläufer der Aufklärung anzusehen ist. Er versuchte auch in einem persönlichen Gespräch Descartes davon zu überzeugen, aber Descartes, der vom Sozinanismus beeinflusst war, blieb bei seiner Meinung, dass die Dreifaltigkeit Gottes nur eine Sache des subjektiven Glaubens sei. Genau wie Charles S. Peirce (1839-1914), der bekannte amerikanische Logiker und Begründer der modernen Semiotik, der die Behauptung aufstellte, dass die Zahl 3 die höchste Zahl ist, so hat auch Comenius behauptet, dass die drei eine vollkommene Zahl sei („Ternarius... est primus numerus perfecteus“). Er vertrat energisch die Auffassung, dass sich Gott als Dreifaltigkeit sowohl in der Natur als auch in der Schrift geoffenbart hat („tam in natura quam in scriptura“), und er erklärt es dadurch , dass  das Wesen einer Sache triadisch strukturiert ist („quia essentia cujusque rei completa trinitate quadam constat“) und der verleibte Geist des Menschen „imago Trinitatis“ ist, wobei er sich auf Thomas von Aquin immer wieder beruft. Obwohl Comenius nicht katholisch war, verteidigte er nachdrücklich die „antiqua catholica fides“…

Die Analogien auf diesem Gebiet sind zahllos, aber wir müssen wachsam bleiben, dass man durch diese Hinweise nicht der Versuchung zu einem universellen struktur-onto-logischen Gnostizismus verfällt. Ich habe das alles angeführt auf dem Hintergrund der Frage,  ob wir an die Dreifaltigkeit Gottes durch Offenbarung nur blind glauben oder ob wir glauben durch Verstehen. Credo ut intelligam!

Aber es gibt auch einen anderen Ansatz, in dieses Geheimnis tiefer einzutauchen, der besonders beleuchtet werden muss. Es ist etwas einmaliges in der abendländischen Geschichte geschehen, was nicht genügend oder überhaupt nicht bedacht wird. Das war das Konzil von Nizäa im Jahre 325, in dem der anfangs beschriebene Gottesbegriff der Antike durch den biblischen aufgehoben wurde, d. h. Gott ist nicht mehr allein und einsam in seiner Vollkommenheit das sich selbst denkende Denken, sondern er ist als personale Beziehung zu denken.

Eine personale Beziehung ist eine Ich-Du-Wir Beziehung. Es sind die Kappadozier, vor allem Gregor von Nazianz, die diesen Schritt expressis verbis vollziehen, indem sie die Relationalität, das Aufeinanderhin der Hypostasen in Gott herausstellen.

Bevor wir darauf näher eingehen, sollte man vielleicht zuerst vom menschlichen Geist ausgehen, um  die Frage, was es bedeute, dass er „imago Trinitatis“ ist, besser zu beantworten. Kierkegaard hat etwas Tiefes erkannt, als er in seinem Werk „Die Krankheit zum Tode“ über den menschlichen Geist folgendes schrieb: „Der Mensch ist Geist. Was aber ist Geist ? Geist ist das Selbst. Was aber ist das Selbst ? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnisse, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält… Das Selbst ist Freiheit.“

Das Selbst ist also „das an dem Verhältnis“ (Ich-mich, Nominativ und Akkusativ), dass es sich zu sich selbst (Ich-mich als zu mir, also im Dativ) verhält. M.a.W. ich bin mir als der Andere von mir selbst gegeben und aufgegeben. Diese Dativdimension wird auch im Alltag bezeugt, ohne dass man darüber reflektiert. Man sagt z.B. „ich habe mir das geleistet“, oder „was habe ich mir bloss angetan“, oder „das lasse ich mir nicht gefallen“ etc. Das vollzieht sich alles in einem Freiheitshorizont. Ich bin mir selbst ein Du. Erkenne ich das richtig, so kann ich auch nachvollziehen, dass die wahre Beziehung zwischen mir und einem anderen Du nur in einem Freiheitsverhältnis zueinander stattfinden kann.  Der Andere ist auch an ihm selbst ein Ich-Du, ist also eine Person, ausgestattet mit den gleichen Geistgaben wie ich. Unsere Beziehung vollzieht sich also als Freiheit zu Freiheit.

Aber zwischen Ich und Du liegt noch ein im Grunde  sehr merkwürdiges „Zwischen“,  „ein drittes Verhältnis“, und die tiefere Dimension von diesem „Zwischen“ ist das Geheimnis des Seins selbst, das als umfassende Gabe Gottes fungiert.

Die augenfälligste Form dieses „dritten Verhältnisses“ ist die Welt – und Sachkenntnis, die zwischen Ich und Du liegt. Wir sind miteinander da, indem wir uns gemeinsam zu etwas verhalten. Die Selbstmitteilung der Person  ist immer mit der Kundgabe von irgendwelchen Sachverhalten verknüpft. Der personale Dialog ist gewissermaßen ein Gespräch über etwas „Drittes“, ich spreche mit jemandem über etwas, arbeite mit jemandem an etwas, wende mich an jemanden wegen etwas etc…

Wie findet hier dann der Freiheitsvollzug statt ? Wenn ein Mensch einem anderen Menschen etwas beachtenswert Gegenständliches schenkt und wenn der Geber sich von diesem Geschenk radikal trennt, d.h. mit diesem Geschenk ist seinerseits kein eigenes Interesse verbunden, und wenn der Empfänger dieser Gabe es freiwillig annimmt, dann entwickelt diese Gabe in dem Empfänger eine geistige Kraft der Zeugung - längst nach dem Verschwinden des materiellen Teils des Geschenkes, - es entsteht also etwas Neues, etwas Geistiges, eine neue Sicht des Lebens zwischen den beiden, eine Freundschaft und möglicherweise eine besondere Art von Liebe.

In dem Geber, da er sich entäußert, weggeschenkt, sich innerlich ausgeräumt  und damit die Möglichkeit des Empfanges des geistig Gewachsenen vom Empfänger her in sich selbst eingeräumt hat, entsteht auch etwas unerwartet Neues, Entwicklungsfähiges, das  er vom Empfänger seines Geschenkes jetzt selbst empfangen hat. Das ist die Danksagung des Empfängers an den Geber. Das  ist Selbstmitteilung von Freiheit zu Freiheit.

Aus diesem gegenseitigen Sich-Schenken in Freiheit wächst nicht nur etwas Höheres zwischen Ich und Du, sondern es können im größeren Rahmen daraus epochale kulturelle Güter entstehen,  Geist einer Gemeinschaft, eines Volkes, die sich dann inkarnieren können in institutionellen Realitäten als gesellschaftliche Lebensordnungen, als Handlungsnormen, als gemeinsame Weltbeziehung oder sich in verschiedenen anderen Beziehungsgeflechten manifestieren. Die Welt und die Gegenstände als „drittes Verhältnis“ werden dadurch selbst gewissermaßen „personalisiert.“ Und trotzdem bleibt jedes Ich und jedes Du ganz er selbst, ganz einmalig und vom Anderen real verschieden.

Den Höhepunkt dieses „Dritten“ bildet die Tatsache, wenn es selbst eine Person ist, die sowohl die gemeinsame Welt von Ich und Du als auch die überpersonale Verbundenheit von Ich und Du repräsentiert, z. B. Das Kind in der Ehe, oder auf einer transzendenten Ebene – Gott als der „Dritte“, als tragende Säule einer jeden Beziehung und Gemeinschaft.  In diesem personal Dritten offenbart sich, dass die Trinität – wie dies schon Richard von St. Victor  (12. Jahrhundert) aufgewiesen hat – die Grundlage der Liebe ist.
Somit zeigt sich dass das interpersonale Geschehen nicht bipolar, sondern tripolar ist.

Na wunderbar, denkt man sich, wenn die Interpersonalität so gut funktioniert, wozu bedarf der Mensch dann überhaupt einer Erlösung? Der erste Schöpfungsakt Gottes ist das Sein, „esse ipsum est prima rerum creatarum“, so der Aquinate . Was ist aber dieses Sein ? Es ist „similitudo divinae bonitatis“, also „das Gleichnis der Gottes Liebe“, schreibt er weiter. Dieses Sein als Liebe ist unvordenkliches, nicht hintergehbares Vorweg, das geschenkte „Zwischen“, es ist Licht, Leben, Wirklichkeit, Fülle, die als Gabe alles in sich im voraus enthält („praehabens in se omnia“), und als Gabe ihrem Ursprung, d.h. Gott gehorcht.

Es begab sich aber in einer gewissen Zeit, dass der Mensch durch seinen freien Willen dieses Vorweg nicht mehr akzeptieren wollte. Er wollte diese Seinstiefe  für sich selbst in Anspruch nehmen und sein eigener ursprungsloser Ursprung sein. Die  Vorgegebenheit der „trialogischen Struktur“ war damit aufgehoben und die Interpersonalität geriet dadurch auf eine schiefe Bahn.

Der Mensch zog sich in sein ICH=ICH zurück und richtete sich dort wie in einem Kerker ein. Der/die/das Andere blieb draußen und wurde zum wissbaren und hab-baren Objekt der Ich=Ich-Begierde. Dieses Objekt muss nun in das Ich=Ich integriert, eingebaut werden. Dies geschieht durch Sublimation des konkreten Anderen in den „gedachten“ und „gewußten“ Anderen, der zum begehrten Inhalt der Selbsterfüllung des Ich=Ich im Wissen verbraucht und in die Vergangenheit abgeschoben wird („den/die/das kenne ich schon“). Dem Anderen bleibt keine Möglichkeit für den eigenen Freiheitsvollzug.

Diese Gier nach der Absorption des Anderen ins Ich=Ich kann sich steigern bis in kosmischen Abgründe. Der Mensch will das Universum beherrschen, er will sein Gott sein… Die strategische Intentionalität in ihrer dialektischen Konstellation bildet das Herr-Knecht-Verhältnis, in dessen dynamischen Verknotungen der Herr (Ich=Ich) abhängig wird von dem Knecht, weil der Knecht die Bedingung der Möglichkeit seines Herrseins ist, wo dann letzten Endes der Herr sein eigener Knecht  und zugleich der Knecht des Knechtes wird.

Das ist die entfremdete und perverse Einheit von Ich=Ich und dem Anderen. Die Entfremdung hat dadurch ihren Höhepunkt erreicht. Der Mensch kann sich aus diesem Kerker allein nicht befreien. Aus der Entfremdung, d.h. aus der Sünde muss er erlöst werden. Was wird da erlöst ? Die Person des Menschen wird erlöst. Hierher gehört der tiefe Satz des Aquinaten, der auf das oben Dargelegte ein neues Licht wirft: „Christus prius reparat id quod personae est, postmodum simul in omnibus reparabit id quod naturae est“ (Th. 3. 69.3.3.). Also: Christus hat zuerst das erneuert, was die Person betrifft und bald darauf wird er zugleich in allen das erneuern, was der Natur gehört. Es steht mithin die Differenz der erlösten Person zur menschlichen Natur noch offen.  Die  Natur  harrt noch ihrer Erlösung.

Die Entfremdung von dem Ursprung ist die Erbsünde.  Aber warum kann sich der Mensch nicht selbst daraus befreien? Weil alle Menschen in dieser Erbsünde verortet und festgefahren sind und über ihre Natur nicht hinausgehen können. Jede Entfremdung wird jedoch  nur in der Entfremdung überwunden, aber nicht mit den Mitteln der Entfremdung.

Am besten kann man diese Wahrheit am Beispiel des Kommunismus nachvollziehen: Er wollte die Ungerechtigkeit der damaligen Gesellschaft  mit den Mitteln der eigenen Ungerechtigkeit, nämlich durch Revolution, Blutvergießen, Erschießung der wohlhabenden Eliten und Diktatur des Proletariats beseitigen. Aber, nachdem er das alles in die Wirklichkeit umgesetzt hat, statt des erhofften Paradieses auf der Erde, entstand eine noch größere Hölle.

Die Überwindung der Entfremdung durch die Erbsünde kann also nur von jemandem vollzogen werden, der das Schicksal der Entfremdeten selbst teilt, ohne selbst entfremdet zu sein. Das kann aber nur Gott, aber dafür muss er Mensch werden. Christus hielt nicht an seiner Gottheit wie an einem Raub fest, er entäußerte sich, nahm die Gestalt des Sklaven an, wurde Mensch... gehorsam bis zum Tode am Kreuz (Phil 2. 6-9).

Und warum hat er dies getan ? Weil Gott die unbedingte Liebe ist, eine Liebe, die über allen dialektischen Gegensätzen steht, die sich nach jeder Negation des Negativen wieder aufbauen, eine Liebe, die jenseits von Gut und Böse ist. Diese Liebe macht immer den ersten Schritt. Sie ist durch nichts teilbar, analog einer Primzahl, ist sie nur teilbar durch sich selbst. So bleibt sie immer sie selbst.

Gott hat uns geliebt als wir noch seine Feinde waren (Röm 5,10).  „Ist doch Christus für uns Gottlose gestorben zu der Zeit, da wir noch elend waren. Es stirbt ja schwerlich einer für einen Gerechten;  für den Guten zu sterben, dürfte vielleicht jemand wagen. Es erweist aber Gott seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren“ (Röm. 5, 6-8).

Das absolute Vorweg der Liebe ist dem Glauben das Ereignis seiner absoluten Zukunft. Die Liebe siegt in allem, auch im Tod, dessen Stachel die Sünde ist. Der Sünder ist nicht fähig, die ihm von Gott in der Befreiung geschenkte Freiheit in sich aufzunehmen, die Gabe der Erlösung  in  Fleisch und Blut in Freiheit zu vollbringen. Der Befreier kommt „im Fleisch“, aber nicht im „Fleisch der Sünde“, sondern „in similitudine carnis peccati“ (Augustinus, Sermo 134)… Er kam nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren, durch den Hl. Geist der Liebe Fleisch geworden und geboren ex Maria Virgine (Sermo 69). Und weiter nach Augustinus: „Iste Filius Dei, filius hominis est.“
„Wenn jedoch der Sohn Gottes (nur) Sohn Gottes geblieben und nicht Menschensohn, d.h. der Sohn der Virgo Maria geworden wäre, hätte er die Söhne der Menschen nicht befreit… Er selbst, der den Menschen geschaffen hat („fecerat“), ist geworden („factus est“), damit das, was er schuf, nicht verloren geht. Aber so ist er Mensch geworden, dass Er Gottes Sohn blieb. Er ist Mensch geworden, indem er annahm, was Er nicht war, „manens Deus, factus est homo“.. Als ein solcher kam er daher zu uns: Sohn Gottes ist auch Menschensohn (Filius Dei).

 „Faciens et factus, creator et creatus“, der Schöpfer und geschaffen in seiner Menschennatur. „Creator matris, creatus ex matre“, der Schöpfer der Mutter, geschaffen aus der Mutter. „Talis ad nos venit“, so kam er zu uns. (Sermo 127). „Creatus est de ea quam creavit“, Er ist von der geschaffen, die er geschaffen hat (Sermo 189).

 „Soll ich etwas zögern“, so Augustinus weiter, „ zu sagen, was der Herr für mich zu tun sich entschloss?“…  Ist Christus nicht das Leben, und dennoch ist Christus tot. Aber im Tod Christi ist der Tod der Sünde tot („ in morte Christi mors mortua est“), weil das tote Leben den Tod tötete („vita mortua occidit mortem“). Der Tod der Liebe tötete den Tod der Sünde.

 „Descendit et mortuus est et ipsa morte liberavit nos a morte: morte occisus, mortem occidit.“.. Also: durch den Tod getötet, tötete er den Tod. So werden auch wir in der Auferstehung Siegenden und mit Christus Herrschenden  singen: „Tod, wo ist dein Sieg?  Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor, 15, 54-55). Man kann kaum der Versuchung entfliehen,  bei Augustinus Perlen-Gedanken immer wieder nachzulesen. Große Verdienste auf diesem Gebiet,  aber  nicht nur auf diesem, hat  sich  mit seiner bahnbrechenden Seinsphilosophie der Philosoph Ferdinand Ulrich erworben.

Herausstellen möchte ich noch einen Aspekt, der sich durch die ganze Philosophiegeschichte hindurchzieht, nämlich die Frage nach der konkreten Gegenwart des Absoluten im Endlichen und zwar als Endliches, ohne dass das Absolute zum bloss Endlichen herabgesetzt wird. Dieses konkret Absolute im Endlichen ist der Anfang und das Wesens der Freiheit im Endlichen.  Sie suchten also nach einer Vermittlungsgestalt, nach einer makellosen Endlichkeit, die das Absolute in sich aufzunehmen vermag.

Die Philosophen haben dafür verschiedene sprachliche Ausdrucksweisen geprägt. Bei Hegel ist es der „absolute, spekulative Begriff“, der die „Freiheit des Wissens“ darstellt. Er verbürgt also die freie, restlose Gegenwart Gottes im endlichen Geist des „spekulativen Denkens“, das nicht mit dem Verstandesdenken gleichgesetzt werden darf. Bei Marx ist es der „positive Humanismus“, den er in seinen Frühschriften so definiert: … „der wirkliche, leibliche, auf der festen wohlgegründeten Erde stehende, alle Naturkräfte aus- und einatmende Mensch.“ Nietzsche in seiner Verzweiflung sehnte sich nach einem „Übermenschen“, nach dem „heiligen Ja-sagen“ des Kindes, nach dem „Neubeginn“, nach der Geburt also des Absoluten aus dem Endlichen als solchen. Dies ist ein Gedanke von dem sogar der neomarxistische Philosoph Adorno in seinem Buch „Minima moralia“ meinte, er könnte die Welt verhängnisvoll treffen.

Alle diese Denkfiguren haben sich als leere Worthülsen erwiesen, obwohl sie eigentlich Ersatz für die Virgo-Mater als Dei Genitrix sein sollten. Nur Virgo-Mater ist die wahre Vermittlerin, sie ist „sapientia creata“ (geschaffene Weisheit, Augustinus), „creatrix creata Creatoris“ („geschaffene Schöpferin des Schöpfers“, Thoma von Aquin). Sie ist als makellose Endlichkeit die Epiphanie des Absoluten. Als makellose Schöpfung wurde sie Mutter Gottes, aus der Jesus Christus hervorging, nicht als ein Produkt der Endlichkeit, sondern als Inkarnation des Logos, wahrer Gott vom wahren Gott, Licht vom Licht, der Erlöser, der durch den Tod aus Liebe den Sündentod vernichtete und dadurch das diabolische „eritis sicut deus“ (ihr werdet sein wie Gott) überwand. Sie ist von daher die „mediatrix omnium gratiarum“, die Vermittlerin aller Gnaden. Und deswegen beten wir zu ihr, zur „libertas immaculata“, zu Dei genitrix.

Aus all dem ist ersichtlich, dass das Christentum mit keiner anderen Religion gleichgeschaltet werden kann.
 
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