54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Die Synode von Pistoja
 
Die Synode von Pistoja

Predigt von
+ H.H. Dr. Otto Katzer


Liebe Christen!

Es gibt eine Gruppe jüdischer Mystiker, die Chastiden. Bei ihnen lesen wir in einem Gleichnis folgendes: Einmal im Jahr kommen die vier größten Heiligkeiten zusammen. Am Jon Kipur, dem Tag der Sühne, tritt der Hohepriester in das Allerheiligste und hier singt (er) den Namen Gottes. Dieser Augenblick ist so unermeßlich heilig und fruchtbar, aber auch der gefährlichste, denn wenn der Hohepriester in diesem Augenblicke einen unpassenden Gedanken, geschweige denn einen sündigen mit hätte, würde das das größte Übel für ihn und das Volk Israel mit sich bringen. Da wird nun aufmerksam gemacht: wo nun ein Mensch seinen Blick gegen den Himmel erhebt, dort ist das Allerheiligste; ein jeder Tag ist ein Tag der Sühne und ein jeder Mensch, der ja zum Ebenbilde Gottes geschaffen wurde, wie ein Hoherpriester. Und ein jedes Wort, das er ausspricht, kann ihm zum Segen oder Fluch werden soweit, daß es das Ende dieser Welt nach sich ziehen würde.

In unserer Zeit, meine Lieben, die mit den Worten nur so her und hin wirft, sagt uns augenblicklich dieses Gleichnis nun einmal vielleicht nichts. Und doch weiß ein jeder von euch, daß die geringste Abweichung von der moralischen Regel - die wir, es ist nicht gerade der beste Ausdruck - eine leichte Sünde nennen. Wenn wir nicht verstehen, daß sie, wenn Gott der in ihr verborgenen, destruktiven Kraft freie Bahn ließe, größeren Schaden anstiften würde, als entstehen würde beim Zusammenprall von zwei Himmelskörpern, wissen wir von unserem Glauben rein nichts. Und wir hatten schon die Gelegenheit, uns zu zeigen, daß es eigentlich das größte Wunder unseres Jahrhunderts ist, daß diese Erde, auf der wir gehen, noch nicht pulverisiert ist ob der Sündhaftigkeit des Menschen. Wer das Ein-mal-eins beherrscht, der möge sich nun einmal ausrechnen, wie es auf der Welt aussehen müßte, wenn Gott die Gerechtigkeit walten ließe.

Der Mensch ist ein komisches Wesen. Einige Augenblicke möchte er am allerliebsten den Herrgott spielen. So las ich in einer östlichen Publikation, aber der Westen ist nun nichts besser, wo es hieß: Das, was früher Gott gemacht hat, das macht jetzt der Mensch. Er vergißt aber, daß er auch eine ebenbürtige Verantwortung trägt. Kommt es aber auf die Verantwortung, da sehen wir, wie kleinmütig er geworden ist, und wir sagten uns: Hochmut und Kleinmut gehen gepaart.

Auch folgendes ist euch bekannt. Bereits 5 Jahrtausende vor uns wußten die Leute das, was wir nicht wissen wollen, nämlich: Daß zu Beginn der menschlichen Geschichte es zu einer Sünde gekommen war, die eine Frau begangen hat, verführt durch einen Drachen oder eine Schlange, und die Folge dieser Sünde war kosmisch. Das ganze Weltall wurde ins Chaos gestürzt. Auch das ist uns nicht unbekannt, denn ein jeder von uns erlebt es an seiner eigenen Haut, wie wahr die Worte des heiligen Paulus sind: „Tota creatura ingemiscit adhuc.“ (Röm. 8,22) („Die ganze Schöpfung stöhnt und ächzt bis auf diesen Augenblick.“) Und wer klagt von euch nicht?!

Nun haben wir gesagt, daß wir die Schuld allen möglichen Menschen zuschieben, nur nicht dem, dem sie gebührt, uns selbst. Die ganze Schöpfung ist eine Symphonie, wir Mitglieder des Orchesters Gottes und Solisten die Engel und wir, weil wir Vernunft und freien Willen haben und nur deshalb die Möglichkeit, eine traurige Möglichkeit haben, dem göttlichen Dirigenten ins Gesicht zu schmettern: Non serviam, ich diene nicht, ich halte mich nicht an die Partitur, ich singe nach meinem Gutdünken. Das mag vielleicht jemandem von euch fremd klingen, aber denkt nach, denn die sogenannte läßliche Sünde ist nichts anderes als ein: „Non serviam“, (“ich werde nicht dienen“) d.h. ich singe, was ich will!

Als Smetana, der berühmte tschechische Komponist zum ersten Mal im Neustädter-Theater in Prag „Die verkaufte Braut“ aufgeführt hatte, fing es ganz gut an. Plötzlich aber setzte der erste Geiger zu früh an und riß alle Streicher mit sich; das Orchester geriet ins Wanken, Smetana versuchte verzweifelt dagegen anhalten, es gelang ihm nicht. Er mußte abklopfen und von neuem beginnen. Da klappte es nun perfekt. In der Pause nahm er seine Musiker beiseite und sagte ihnen nur: „Meine Kindlein, was habt ihr mir angetan!“ Und so hörten auch wir die Worte des blutenden Vaterherzens: „Adam, wo bist du, mein Kind, was hast du mir angetan?“

Wie wir schon erwähnten, sind wir gerne bereit, die Schuld bei anderen zu suchen. Aber wir müssen uns heute sagen, daß wir selbst und der Klerus in der ersten Reihe die Schuld für dieses Unglück, in das diese Welt gestürzt wurde, tragen. Und das sind, meine Lieben, nicht meine Worte, sondern, wie wir noch sehen, die Worte der Vertreter des Apostolischen Stuhles zu Beginn des berühmten Konzils von Trient. In der Inaugurationsrede betonten sie als Einleitung folgendes: „Wir sind gekommen, um Übeln beizukommen: Die Häresie, der Zerfall der kirchlichen Disziplin und Sitten, die Kriege. Nun ist zu sagen“ - so die Worte der Vertreter des Apostolischen Stuhles - „daß wir selbst, d.h. wir Priester, die Hauptschuld tragen, weil wir die Quelle des lebendigen Wassers verlassen haben und dazu noch ein größeres Übel beigefügt, daß wir mit unserer eigenen Klugheit und Kraft glaubten, hier Abhilfe zu schaffen.“ Es sind, wie betont, die Worte der Heiligen Schrift, die wir uns zu Herzen nehmen müssen. "Ein doppeltes Übel liebte mein Volk: Mich hat es verlassen, die Quelle des lebendigen Wassers und hat sich Zisternen gebaut, rissige Zisternen, die nicht imstande sind, das Wasser zu halten. Die rissigen Zisternen, was ist das anderes, als unsere Klügeleien, mit welchen wir auf die Hilfe des Heiligen Geistes verzichten und mit eigener Weisheit und eigener Kraft es versuchen würden in einer Sache, die Gott allein obliegt, hier Ordnung zu schaffen.“

 „Das Erste sind Häresien. Wir“, so betonen die Vertreter des Apostolischen Stuhles, „müssen uns jetzt an den Herrn wenden, denn Er allein ist imstande, hier Ordnung zu schaffen. Wir müssen unser Vorbild in Christus sehen, der unsere Schuld auf sich nahm und vor die Gerechtigkeit Gottes hingetreten war und angefleht hatte, Barmherzigkeit für uns zu erflehen. So müssen auch wir diese Schuld auf uns laden und uns nicht mit gleißnerischer Überhebung als die Schuldigen bezeichnen, sondern als die, die wirklich der Gerechtigkeit nach schuldig sind, und müssen die unendliche Barmherzigkeit Gottes bitten, sie möge uns helfen, wo wir selbst nicht Abhilfe schaffen können. Es entspricht der Gerechtigkeit, daß wir schuldig sind, denn als die Häresien auftauchten, da traten wir nicht dazwischen, um sie herauszujäten, sondern ließen sie weiterwuchern, und hiermit sind wir ebenso schuld, wie die, die dieses Unkraut gesät hatten. Die kirchliche Disziplin und die kirchlichen Sitten werden dadurch verletzt, daß wir nicht Rücksicht nehmen auf die unumstößlichen Beschlüsse des Apostolischen Stuhles und hiermit auf den Heiligen Geist verzichteten, ja Ihn verachteten. Wer von euch könnte nicht wissen, daß alle positive Kraft von der Vergegenwärtigung und der Erneuerung des Opfers Christi am Kreuz kommt, und daß, wenn diese unterbunden wird, so wie es denn heute geschieht, das Negative die Oberhand gewinnt. Und wenn wir daran werden leiden müssen, so ist es unsere Schuld und in ersten Linie die des Klerus, aber auch eines jeden von euch.“

Im Jahre 1786 fand in der Toscana, in Pistoja, eine Synode statt, geführt vom Bischof Scipio Ricci. Bei dieser Synode wurde im Kern das vorgetragen, was leider sich ausgebreitet hatte während des sogenannten Zweite Vatikanische Konzils. Da wurde gefordert: Die Umgestaltung der Liturgie, die Kürzung, die Einführung der Volkssprache, das laute Vortagen, der Umbau des Breviers usw. Das waren die unglücklichen Gedanken des Josephinismus und Jansenismus, welche damals zum ersten Mal auftraten. Doch der Hirte Israels schlief nicht. Und Papst Pius VI. trat mit voller Macht dieser Synode entgegen und verdammte sie durch seine Apostolische Konstitution „Auctorem Fidei“ vom Jahre 1794. Da heißt es u.a. neben all den Fehler und Mängeln von heute, die dort gezeigt wurden: "Mandamus igitur omnibus et singulis Christifidelibus utriusque sexus“. („Wir befehlen infolgedessen allen und einem jeden einzelnen Christgläubigen beider Geschlechtern, daß sie sich ja nicht dazu hinreißen lassen und es ja nicht wagen, über diese verurteilten Sachen überhaupt nachzudenken, sie zu lehren, sie zu predigen. Wenn sich nun jemand finden würde, der diese verurteilten Sätze im ganzen oder im einzelnen lehren und verteidigen oder veröffentlichen würde, ja selbst öffentlich diskutieren würde darüber, es sei denn, um gegen sie zu kämpfen, der verfällt sofort den vorgeschriebenen kirchlichen Strafen und zwar durch die Tat selbst.“) Und welches sind diese Strafen? Da heißt es am Ende dieser für ewige Zeiten geltender Konstitution: „Infolgedessen sprechen wir die Exkommunikation aus: „ipso facto, abseque ulla declaratione“, „durch dieselbe Tat, ohne daß es zu einer öffentlichen Verlautbarung kommen müßte, über einen jeden, der die Beschlüsse dieser Synode bei sich hätte, sie veröffentlichen ließe, in ihrem Geiste schreiben würde, sie  - was die Zukunft betrifft: Gott bewahre - verbreiten würde, sprechen wir eben diese Strafe aus. Und wie wir betonten: Ipso facto.“ Dadurch, daß der Klerus - die Laien allerdings sind in etwa zu entschuldigen - diese Apostolische Konstitution ignoriert hatte, ändert an den Tatsachen nichts. Die Exkommunikation ist verhängt und für alle Zeiten verhängt für einen jeden. Denn niemand, auch der Papst nicht, hat das Recht, eine Entscheidung, welche „Ex Cathedra“ gefällt wurde, zu ändern. Er muß sich ihr unterwerfen. Denn es ist nicht zuletzt der Papst, der hier gesprochen hatte, sondern der Heilige Geist durch ihn. Und der Heilige Geist kann nicht lügen und kann nicht irreführen.

Was liegt nun an euch? Und ihr seid mitverantwortlich, wenn ihr das nicht tut: Den Katechismus schön in die Hand nehmen und ihn zu wiederholen, ganz besonders in den Wirrnissen dieser Zeit. Und kommt jemand zu euch und wird euch etwas anderes sagen, was im alten, guten Katechismus enthalten ist, dann gehört er nicht der Kirche an, mag er sein, wer er will. Niemand von euch kann sagen, er könne sich nicht orientieren in diesem Chaos, das entstanden ist. So wollen wir heute den bitten, der über die Kirche waltet, den Heiligen Geist: „Veni, Sancte Spiritus, komm Heiliger Geist, und erneuere diese arme Welt, die in Elend und Sünde langsam verkommt!“

Amen.

***
Zitat:

Abt Makarius der Große lehrt weiter: »Wenn du beten willst, dann sammle dich mit großer Kraft, damit du nicht deine Gefäße in die Hände deiner Feinde verlierst; sie wollen nämlich diese Gefäße rauben, d.h. deine Gedanken. Sie sind deshalb sehr wertvoll, weil du mit ihnen Gott dienst. Gott will keine Verherrlichung durch Lippendienst, der seine Gedanken durch die ganze Welt schweifen läßt, sondern daß all dein Denken ohne jede Unruhe auf ihn gerichtet ist.«

 (aus "Kleine Philokalie - Belehrungen der Mönchsväter der Ostkirche über das Gebet" Einsiedeln 1956, S. 32)


 
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