Ergertshausen, 21.2.2005
Verehrte Leser,
nach den Veröffentlichungen im Dezember-Heft, das neben dem dringenden
Appell von Herrn Köhler, die Restitution der Kirche durch eine
Papstwahl voranzutreiben, eine Forderung, die der Autor in der
vorliegenden Nummer noch einmal präzisiert, auch eine nüchterne
Situationsbeschreibung aus meiner Feder enthielt, wonach u.a. die
meisten traditionalistischen Kleriker ihren Aktivitäten einen
protestantischen Kirchenbegriff zugrunde legen, bin ich zu Recht nach
meinen Vorstellungen gefragt worden, wie es weitergehen soll. Es ist
unübersehbar: Ratlosigkeit, Desinteresse und Resignation machen sich
weiter breit. Einst engagierte Mitarbeiter und selbst ehemalige
Protagonisten wandern ab, entziehen uns ihre Kraft.
In dieser brüchigen Situation befinden nicht nur wir uns. Wenn man
einmal die Lage in anderen Bereichen betrachtet, läßt sich auch dort
nur Stagnation beobachten. Wie ist z.B. einem Minister Clement zumute,
der trotz aller persönlichen Anstrengungen das Heer der Arbeitslosen
auf die 6- oder 7 Millionen-Grenze zustreben sieht?
Einige Gläubige schielen nach den erfolgreicheren Econern. Die haben es
zwar mit Disziplin verstanden, eine große Organisation aufzubauen, aber
ihr theologisches Angebot ist dürftig: bloßer Traditionalismus, der den
derzeitigen Abfall der Hierarchie und die damit verbundene weltweite
Krise auf einen Ritenstreit reduzieren will. Damit treffen sie zwar
eine gewisse religiöse Gefühlslage (und befriedigen sie auch), aber sie
können - gebunden in innere Widersprüche - auch keine theologisch
orientierten Perspektiven aufweisen, weswegen sie zu Recht in der
Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden... ebenso wie wir, die wir
zwar Konzepte haben, aber fast niemanden, der sie offensiv vertritt.
Also, was könnten wir tun? Zum einen uns an einer etwaigen Aktion
beteiligen, wie sie Herr Köhler favorisiert. Wenn es nach dem
weitgehenden Ausfall der jungen Kleriker überhaupt noch eine
Möglichkeit gibt, geistig etwas zum Besseren zu bewegen, könnte es nur
noch durch die Anstrengungen einzelner geschehen. Wie schwer das in
dieser aufgewühlten Zeit ist, dürfte jedem bewußt sein. Wer könnte
ehrlicherweise sagen, daß er von all diesen depressiven Tendenzen nicht
auch angekränkelt bzw. belastet ist. Wie könnte man sich von dieser
Brüchigkeit frei halten? Doch von wem sonst sollten noch Impulse
ausgehen, wenn nicht von jenen, die vorgeben, sich um die volle
Offenbarungswahrheit zumindest zu bemühen. Dazu gehörte es u.a., sich
auf die immer einschneidendere Diaspora-Situation einzustellen. D.h.
man müßte lernen, selbst ein aktives religiöses Leben aufzubauen, sich
selbst mit der Gnade Gottes geistig zu festigen. Und dann ein ganz
wichtiges Moment: wir sollen das, was wir uns geistig erarbeitet haben
- nicht 'besitzen' wie ein Auto! (viele der Wahr-heits-'Besitzer' leben
vor lauter 'Besitzerstolz' im Streit mit ihren "Nächsten"), an unsere
Nächsten weitergeben. Wenn wir, die wir uns doch um die wichtigsten
Fragen im Leben kümmern, um die Beziehung zu Gott, aus der sich alle
anderen Probleme in ihrer vollen Bedeutung erst lösen lassen, das nicht
tun, wer soll es sonst tun? Wie gesagt, die Welt um uns herum ist
weitgehend 'bodenlos' geworden. Man kann nicht mehr in klar
abgesteckten Fronten denken: hier die (böswilligen) Modernisten, die
alles zerstören, und da die (guten) Traditionalisten, die nur die
Wahrheit konservieren wollen. Die Revolution von Vatikanum II hat
inzwischen schon ihre eigene Tradition. D.h. die jungen Leute wissen
heute nichts mehr, haben von religiösen Dingen bestenfalls gefühlsmäßig
starke Empfindungen, aber keine klaren Begriffe, die wir ihnen geben
könnten, wenn wir uns selbst darum bemüht hätten. In einer Welt, die
sich immer stärker der Gottlosigkeit und dem Atheismus zuneigt mit
ihrem Verlust an Wertvorstellungen dürfen wir uns nicht in Nischen
verkriechen, sondern unsere Position offensiv vertreten. Wie Charles
Peguy es einmal formulierte: wir stehen heute alle "an der Front", um
als "Einzelkämpfer" das Gute, um das wir gerungen haben und um dessen
Erhaltung bzw. Beibehaltung wir immer ringen müssen, an die, die nichts
haben, zu verschenken:
- unsere Liebe an die Skeptiker,
- unsere Gerechtigkeit an die Mutlosen,
um so "Frucht zu bringen in Geduld" (Luc. 8,15), indem wir vielleicht
einmal das Glück haben, in den anderen Samenkörner der Wahrheit
einpflanzen zu dürfen und deren Reifen abzuwarten.
Es ist doch seltsam, daß wir uns - allgemein gesehen - als christlicher
Nation von den Muslimen zu Recht vorwerfen lassen müssen, wir seien
Ungläubige, d.h. "Hunde".
Die Fastenzeit, in der wir uns befinden, ist auch eine Zeit geistiger
Disziplin. Vielleicht können wir sie nutzen, um damit zu beginnen, in
uns selbst mit der Hilfe Gottes die nötige Festigkeit aufzubauen.
Ihr Eberhard Heller
Titelbild: Sterbende Wasser (Speichersee bei München); Photo: Eberhard Heller
S.81: die Sandsteinfigur "Güte" am Dresdener Rathaus inmitten der
zerstörten Altstadt 1945. Photo: Mauritius-Verlag Mittenwald;
Reproduktion
S. 87: de Foucauld als Eremit; Reproduktion
Redaktionsschluß:
21.2.2005
|