DER HL. CYRILLUS VON JERUSALEM
von
Eugen Golla
Wenige Jahre nach dem Erlaß des epochemachenden Ediktes von Mailand,
das den römischen Staat christianisierte, wahrscheinlich 315, wurde
Cyrillus in Jerusalem geboren. Es war ihm daber vergönnt, in seiner
Jugendzeit zu erleben, wie die heiligen Stätten, über die fast
zweihundert Jahre zuvor Kaiser Hadrian heidnische Tempel hatte
errichten lassen, durch das Wegräumen der Erde unversehrt wieder ans
Tageslicht kamen und christliche Gotteshäuser auf ihnen erbaut wurden.
Leider ist über sein Leben nichts bekannt - bis zu seiner
Priesterweihe, die er von Bischof Maximos von Jerusalem etwa um 345
empfangen hatte, doch ist aus seinen Werken zu schließen, daß er eine
höhere Bildung genossen und insbesondere die Heiligen Schriften
intensiv studiert hatte. Ein Beweis hierfür dürfte sein, daß er bereits
als junger Priester beauftragt wurde, die Katechumenen auf die Taufe
vorzubereiten. Nach dem Tode von Bischof Maximos wurde er um 350 zu
dessen Nachfolger bestimmt.
Obwohl ein Zeitgenosse des großen Athanastus, neigte Cyrillus,
wahrscheinlich die Gefahren des Arianismus nicht voll einschätzend,
anfangs eher zu einem Ausgleich bzw. zu einer Vermittlung mit ihm, so
daß er eine Zeit lang statt des vom Konzil von Nicaea ausgearbeiteten
Glaubensbekenntnisses, in dem die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem
Vater definiert wurde - der Sohn sei "homousios" mit dem Vater -,
häufiger nur die Ähnlichkeit des Wesens ("homoiusios") betonte. Die
Urteile über Cyrillus zu Beginn seines Amtsantritts fallen daher
unterschiedlich aus. Eine ihn ablehnende Partei, zu der auch der
heilige Hieronymus gehörte, behauptete, daß schon seine Wahl unter
arianischier Beeinflussung erfolgt sei und er oft seinen Glauben
geändert habe, während er anderen als ein eifriger Streiter für das
Nicänum galt.
Jedenfalls verschlechterte sich aber bald sein Verhältnis zu seinem
Metropoliten, dem arianisch gesinnten Erzbischof Acacius von Cäsarea;
dieser wurde nämlich eifersüchtig auf ihn, da dem Bischofssitz von
Jerusalem gemäß eines Beschlusses des Konzils von Nicäa ein gleicher
Ehrenrang wie Rom, Alexandrien und Antiochien eingeräumt worden war.
Diese Mißgunst hatte zur Folge, daß Cyrillus unter dem fadenscheinigen
Vorwand, er habe kostbare Kirchengüter entwendet, vor ein Tribunal
geladen wurde. In Wirklichkeit hatte Cyrillus diese Kirchengüter wegen
einer Hungersnot verkauft, um mit dem Erlös den Armen zu helfen. Da er
sich weigerte, vor Acacius zu erscheinem, wurde er, der sich immer mehr
als ein treuer Anhänger des katholischen Glaubens erwies, von einer
Versammung arianischer Bischöfe im Jahre 358 abgesetzt Er floh
nach Tarsos zu dem mit ihm befreundeten Bischof Sylvanus. Wenn er auch
schon 359 auf Beschluß des Konzils von Seleucia zurückkehren durfte, so
wurde er dennoch schon im Jahre auf Veranlassung des Acacius vom
arianischen Kaiser Konstantius II. wieder abgesetzt. Im Jahre 361
schien eine bessere Zeit anzubrechen, da Julian, ein Neffe Konstantins
des Großen, Alleinherrscher wurde und die verbannten katholischen
Bischöfe rehabilitierte.
In Wirklichkeit beabsichtigte er jedoch, durch geschicktes Taktieren im
Arianismusstreit das Christentum zu zerstören. Obwohl katholisch
getauft und erzogen, versuchte Julian, der sich für die griechische
Mythologie und die neuplatonische Philosophie begeisterte, dem
untergehenden Göt-terglauben durch Anleihen aus dem Christentum neue
Kräfte zu verleihen. Eines seiner besonderen Anliegen war es, die Hl.
Schrift und damit auch Christus zu Lügnern zu stempeln, indem er
befahl, den im Jahre 70 von den Römern zerstörten Tempel wieder
aufzubauen und so den jüdischen Opferkult wieder aufleben zu lassen.
Schon strömten aus allen Teilen des Römischen Reiches Juden herbei, um
beim Wiederaufbau zu helfen. Cyrillus - voll Vertrauen auf die
göttliche Vorsehung -, trat diesen Bemühungen entgegen, wodurch er sich
den Haß Kaiser Julians zuzog. Als man aber nach dem Wegräumen des
Schuttes mit dem Bau beginnen wollte, erschütterten Erdbeben das
Gelände und Flammen brachen aus den Tiefen hervor. Legende? Wohl nicht!
Daß dies als ein Zeichen des göttlichen Waltens angesehen wurde, daß
von nun ab der Berg Moria über zweihundert Jahre bis zum Ansturm des
Islams verödet blieb und sowohl von den Juden als auch von Christen als
ein von Gottes Fluch getroffener Platz gemieden wurde, hatte seinen
Grund. Auch der bedeutende römische Historiker Ammianus Marcellinus,
ein Heide, der am kaiserlichen Hofe lebte, berichtet in seinem
Geschichtswerk auch von dieser Katastrophe. Nachdem Julian 363 im
Kampfe gegen die Perser gefallen war, mußte Cyrillus unter seinem
Nachfolger, dem arianischen Kaiser Valens, wieder in die Verbannung
gehen, was nur seine Rechtgläubigkeit bestätigt.
Unter der Regierung des Kaisers Theodosius war es ihm endlich ab 380
vergönnt, unbehelligt sein Amt als Jerusalems Oberhirte auszuüben. Er
nahm auch am zweiten ökumenischen Konzil von Konstantinopel (381),
teil, dem wir das Glaubensbekenntnis der hl. Messe verdanken. Es
anerkannte Cyrillus' zahlreiche Verfolgungen, die er seit 357 erlitten
hatte, als Beweis seiner Rechtgläubigkeit. Unter den Häuptern der
Orthodoxie sitzend, den Patriarchen von Alexandria und Antiochien,
unterzeichnete er die Verurteilung der Semi-Arianer (Halbarianer). Im
Jahre 382 richteten die Konzilsväter ein Schreiben an Papst Damasus, in
welchem sie Cyrillus ein glänzendes Zeugnis ausstellten: nicht nur, daß
er einst rechtmäßig zum Bischof einer Provinz geweiht worden sei, er
habe auch an verschiedenen Orten zahlreiche Kämpfe gegen die Arianer
geführt. Cyrillus starb im Jahre 386 oder 387. Von den etwa 35 Jahren
seines Bischofsamtes verbrachte er sechzehn in der Verbannung.
Abgesehen von einem Brief an Kaiser Konstantius, in welchem er
berichtet, daß den Bewohnern Jerusalems bald nach seiner Bischofsweihe
am Himmel ein helleuchtendes Kreuz erschienen sei, so-wie einer Predigt
über den Gichtbrüchigen hinterließ er als sein Hauptwerk dreiundzwanzig
Katechesen, in welchen er den Taufbewerbern bzw. den Neugetauften außer
Fragen der Moral in der Hauptsache das Glaubensbekenntnis der Kirche
Jerusalems erläuterte. Den Abschluß bilden die sog. Mystagogischen
Katechesen, welche der Taufe, der Firmung und der Eucharistie gewidmet
sind.
Mehr als tausend Jahre vor dem Tridentitum lehrte Cyrillus hinsichtlich
der Rechtfertigung Erwachsener, daß die Menge der Gnaden von der
Empfänglichkeit und der Mitwirkung des Taufbewerbers abhänge. Er
ermahnte daher die Katechumenen: "Reinige dein Gefäß, auf daß es
reichlichere Gnade fasse. Denn die Sündenvergebung wird allen in
gleicher Weise gegeben, die Mitteilung des Hl. Geistes aber wird nach
dem Maße des Glaubens eines jeden gewährt. Mühest du dich nur wenig, so
wirst du wenig empfangen; wenn du aber vieles leistest, so wird groß
sein der Lohn." In seiner Katechese über die Firmung, der Vollendung
der Taufgnade, lehrt er: "In ähnlicher Weise (wie Christus im Jordan)
wurde auch euch, als ihr aus dem Wasser des heiligen Bades gestiegen
wart, die Salbung verliehen, das Abbild jener, mit der Christus gesalbt
worden ist, das ist der Heilige Geist." Die Protestanten lehnen die
Firmung ab. Cyrills Schrift - von Begeisterung für die Firmung erfüllt
- veranlaßte daher einen der bedeutendsten lutherischen Dogmatiker in
der Frühzeit der Reformation, Martin Chemeitz, das Chrisma spöttisch
"chrisma cyrillianum" zu nennen.
Neben Johannes Chrysostomus zählt Cyrillus zu den bedeutendsten
griechischen Theologen, welche über die wirkliche Gegenwart Christi in
der Eucharistie gelehrt haben. Nach dem Zitieren der Einsetzungsworte
nach Paulus sagt er: "Da er (Christus) also selber vom Brote sagte:
'Dies ist mein Leib', wer wird danach noch wagen zu schwanken? Und da
er selbst versicherte: 'Dies ist mein Blut', wer sollte jemals
zweifeln, es sei nicht sein Blut? Zu Kana in Galiläa hat er einst
Wasser in Wein verwandelt, der dem Blut verwandt ist. Und er sollte
keinen Glauben verdienen, wenn er Wein in Blut verwandelte? (...).
Deshalb lasset es uns mit voller Überzeugung als Christi Leib und Blut
empfangen (...). So werden wir auch zu Christusträgern, da sein Leib
und Blut in unsere Glieder aufgenommen wird". Von ihm wird auch bereits
das Dogma, daß der ganze Christus selbst in den kleinsten Teilen
enthalten ist, vertreten. Er mahnt daher: "Gib beim Genießen acht, daß
dir nichts zu Boden fällt. Denn was du zugrunde gehen lässest, sollst
du erachten, als ginge dir eines deiner Glieder verloren".
In der fünften Mystagogischen Katechese erfolgt auch eine Erklärung des
Meßritus, wobei er sich in der Hauptsache auf eine der ältesten
Liturgien des Morgenlandes, auf die sog. Liturgie von Jerusalem, die
auch Jakobus-Liturgie genannt wird, bezieht. Genau unterscheidet er
hierbei zwischen dem eigentlichen Meßopfer und den es umgebenden
Gebeten: "Nachdem das geistige Opfer, der unblutige Opferdienst
vollzogen ist (d.h. nach der Wandlung), beten wir über jenem Sühnopfer
zu Gott um den allgemeinen Frieden der Kirche (...) und für alle
Hilfsbedürftigen beten wir alle und bringen dieses Opfer dar." - "Den
für unsere Sünden geschlachteten Christus opfern wir, um für die
bereits Verstorbenen und für uns, den milden Gott zu versöhnen".
Leo XIII., dem die wahre Ökumene besonders am Herzen lag, führte das
Fest des Heiligen auch für das Abendland ein und setzte es auf den 18.
März - zur Stärkung der katholischen Einheit in West und Ost. Außerdem
verlieh er Cyrillus den Titel eines "Kirchenlehrers". Das Evangelium
seines Festes (Mt. 10, 23-28) ist dasselbe wie am Tage des hl.
Athanasius. Es beginnt mit den Worten: "Wenn sie euch aber in einer
Stadt verfolgen, so flieht in eine andere", d.h. der Herr will nicht,
daß sich die Glaubensboten mutwillig zum Martyrium herandrängen oder
nutzlos dort arbeiten, wo sie nur auf Ablehnung stoßen und so ihr Leben
nutzlos wegwerfen. Aber in Verfolgungszeiten entspricht eine Flucht zu
denen, welchen die Frohbotschaft noch nicht verkündet worden ist, dem
Gebote Christi.
Benützte Literatur:
Bartmann, B.: "Lehrbuch der Dogmatik" Band 2, Freiburg 1929.
Pohle-Giererns: "Lehrbuch der Dogmatik", Band 3, Paderborn 1933.
Artikel "Cyrillus von Jerusalem" in: "Catholicisme Hier - Aujourdhui - Demain", 3. Band, Paris 1948.
Manns, Peter: "Die Heiligen in ihrer Zeit", Band 1, Mainz 1966.
Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Band 4, Leipzig 1898.
"Theologische Realenzyklopädie", Band 7, Berlin 1981. "Vies des Saints", Band 3, Paris 1941. |