In einem Brief vom 16. Juli 1916 an René Bazin, seinen späteren Biographen, schreibt v. Foucauld:
"Meine Lebensaufgabe besteht daher zunächst in einer möglichst engen
Fühlungnahme mit den Eingeborenen. Nimmt das Vertrauen zu, so spreche
ich ihnen in kurzen Zwiegesprachen von Gott. Indem ich auf die
Fassungskraft des Einzelnen Rücksicht nehme, spreche ich von der Flucht
vor der Sünde, den Geboten der Gottes- und Nächstenliebe, von
Gewissenserforschung, Reue und Vorsatz, erwecke in ihnen Gedanken an
die letzten Dinge und schreite so mit meinem Glaubensunterricht
vorsichtig weiter."
"Nur wenige Wegebereiter gibt es. Gäbe es doch ihrer viele! Jeder
Priester in Algerien, Tunis und Marokko, ja sogar jeder fromme Laie
könnte dies sein. Zwar verbietet die französische Regierung dem
Weltklerus jede antiislamitische Propaganda; es wird jedoch nur die
offene, mehr oder weniger lärmende Propagandatätigkeit verpönt."
"Freundschaftliche Beziehungen zu den Eingeborenen, um diese allmählich
den Christen zu nähern, kann wohl niemand untersagen. Es gibt eine
ruhige, verstehend und abgeklärte Propaganda von Güte wie jene, mit der
wir einen lieben Verwandten zu Gott zurückführen wollen."
"Lassen sich die Muslimen nicht allmählich zum Christentum bekehren, so
wird meines Erachtens eine nationale Freiheitsbewegung, ähnlich jener
in der Türkei, entstehen. In den Städten wird sich eine Auslese
Intellektueller bilden, innerlich ohne islamitischen Glauben, wird sie
ihn äusserlich bewahren, um dadurch die Massen zu beeinflussen. Die
unwissenden mohammedanischen Nomaden und Landbewohner aber werden uns
fremd bleiben und durch ihre Religion, ihre Marabuts und die Berührung
mit oft wenig gutgesinnten Franzosen zum Hass und zur Verachtung gegen
uns aufgereizt werden. Das Nationalgefühl wird im kleinen Kreis der
Gebildeten überspannt werden. Bei passender Gelegenheit, wie etwa bei
inneren oder äusseren Schwierigkeiten Frankreichs, werden sich diese
Intellektuellen des Islams wie eines Sauerteiges zur Aufwiegelung der
Massen bedienen und ein unabhängiges, mohammedanisches Afrikareich
gründen wollen." (328 f.)
Als Aufgaben sieht v. Foucauld an:
1. Viel mit den Eingeborenen über ewige, nicht zeitliche Dinge
sprechen. Kann man ihnen nicht Jesus predigen, so soll man sie auf die
natürliche Religion hinweisen und ihre Seelen beben, bessern und Gott
nähern und so den Boden für das Evangelium vorbereiten.
2. Die Unterredung mit Ungläubigen vertraulicher gestalten; Bänke an
geschützten Stellen anbringen und die Besucher zum Sitzen einladen.
3. Mit dem materiellen Almosen ein paar gute Worte verbinden.
4. Die Missionstätigkeit unter den Muslimen erfasse nicht nur die
Kinder, sondern nach Möglichkeit auch die Erwachsenen. Die in die
Kinderherzen gestreute Saat kann nur aufgehen, wenn sie nicht in einer
christus-feindlichen Umwelt leben. Ãœbrigens sind alle Menschen, auch
die Muslimen, für Christus geschaffen und fähig, ihn zu erkennen und
ihn zu lieben.
5. Neben den Armen auch die Reichen nicht vernachlässigen. Auch der
Heiland hat sie nicht vergessen ebensowenig der heilige Paulus. Ihre
Bekehrung ist schon wegen ihres Einflusses auf die Armen wünschenswert,
ihre ehrliche Absicht aber weniger zweifelhaft, weil ihnen das
Christentum keine materiellen Vorteile bringt.
6. Die Muslimen gründen ihre Religion einzig auf das Vertrauen in ihre
Vorfahren und auf die Autorität der Marabuts, ohne selbst ihre
Glaubenslehren zu prüfen. Bemühen wir uns deshalb urn ihr Vertrauen,
gewinnen wir ihnen gegenüber Autorität! Zu diesem Ziele führen ein
heiligmässiges Leben und ein häufiger Verkehr mit den Eingeborenen. Die
Heiligkeit weckt Vertrauen und verschafft uns früher oder später
Autorität. Der häufige Verkehr bringt sie uns näher und ist - wenn wir
heilig sind - eine stumme Predigt.
7. Soll man das Vertrauen der Muslimen durch von ihnen hochgeschätzte
Fertigkeiten erwerben, ihnen z.B. als guter Schütze, gewandter Reiter
und durch prunkende Freigebigkeit imponieren? oder soll man sie durch
ein Leben nach dem Evangelium in Armut und demütiger Arbeit der Hände
für Christus gewinnen? - Lasst uns nicht von den Schambi, von Jesus
lasst uns lernen! Von einem Priester, der sich als guter Schütze und
gewandter Reiter erweist, werden sie sagen: "Er ist ein ausgezeichneter
Reiter und verdiente, den Schambi anzugehören." Führt aber der Priester
ein Leben wie Antonius in der Wüste, so werden sie sagen: "Er ist ein
Heiliger."- " Dem ersten schenken sie vielleicht ihre natürliche
Freundschaft, ihr Vertrauen in Seelenfragen aber nur dem zweiten."
(René Bazin "Der Wüstenheilige - Leben des... Sahara-Eremiten Karl v. Foucauld" Luzern/Lepzig o.J. (1935?) S.194)
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