"Siehe, ich bin die Magd des Herrn" (Lk 1, 38)
von
Eberhard Heller
Wenn man einmal das Handeln Gottes mit den Menschen, seine
Aufforderungen an sie in der Geschichte Seiner Offenbarung betrachtet,
so fällt auf, daß in ihnen der Wille Gottes, mit den Menschen einen
Bund zu schließen, vorherrscht. Gott will nicht einfachhin zu den
Menschen kommen, sondern Er will, daß sie in das, was Er mit ihnen
vorhat, einstimmen bzw. Seinen Vorhaben bewußt zustimmen, um so eine
Verbindung des göttlichen mit dem menschlichen Willen herzustellen.
Gott offeriert eine Aufforderung, auf die Er eine Antwort haben will.
Er verlangt, daß das, was Er selbst bereit ist zu tun, auch von den
Menschen, zumindest stellvertretend, erfüllt wird.
So ist der Auftrag Gottes an Abraham, seinen einzigen Sohn zu opfern,
nur zu verstehen, wenn man Gottes Heilswillen berücksichtigt, der
vorsieht, daß Gott zur Erlösung der gefallenen Menschheit Seinen
eingeborenen Sohn zur Sühne aufopfert bzw. daß dieser sich selbst
Seinen Vater zum Opfer darbietet (Er ward gehorsam bis in den Tod):
Gottes Bereitschaft fordert die der Menschen. Sein Opfer vereint sich
mit der Opferbereitschaft des Abraham, im Gehorsam gegen Gott seinen
Sohn dahinzugeben, weshalb ihm verheißen wird, daß aus seiner
zahlreichen Nachkommenschaft der Heiland geboren werde.
Bleiben wir nun in dieser Gedankenlinie und betrachten das Wunder der
Geburt des göttlichen Sohnes, mit der u.a. der Erlösungsprozeß
eingeleitet wird, so kommt wiederum Gottes Sohn nicht einfach in diese
Welt, sondern erst, nachdem Maria dem Engel zugesagt hatte, ihr
"geschehe" nach seinem "Wort" (vgl. Lk 1, 38). Was bedeutet das? Gottes
Sohn, der sich bei Seiner Ankunft auf Erden erniedrigt und verdemütigt,
verlangt über den Engel Gabriel von Maria Seine Aufnahme gleichfalls in
tiefster Verdemütigung: "Siehe, ich bin die Magd des Herren" (Lk 1, 38)
Und nur deshalb, weil Maria einstimmt in den Willen Gottes, der ihr von
Gabriel kundgetan wird, ohne genau zu wissen, wie sich dieser überhaupt
würde realisieren lassen - dem Alten Testament war der Trinitätsgedanke
fremd, weswegen Maria mit dem "Heiligen Geist", der sie überschatten
sollte, nichts anfangen konnte -, kommt Gottes Sohn zu den Menschen,
können wir heute das Wunder Seiner Geburt feiern.
Wenn man nun diesen Bundesgedanken mit der nicht endenwollenden Debatte
über die Emanzipation und Gleichberechtigung der modernen Frau
vergleicht, dann wird man feststellen, daß es dabei nicht so sehr um
eine Bereitschaft zu einem Bündnis und länst nicht mehr um die
Aufhebung einer (vorgeblichen) Unterdrückung bzw. um die gerechtere
Behandlung in einer arbeitsteiligen Welt geht, sondern viel eher um das
Abschütteln des lästigen Dienens und der Rolle, die einer Fau in der
Ehe von Gott zugedacht ist - unterschieden von der des Mannes. (Darum
ist es müßig, in der Ehe von Gleichberechtigung und Partnerschaft zu
reden. Wer das tut, unterdrückt wesentliche Momente der Ehe als
moralischer - im christlichen Bereich: sakramentaler - Institution, in
der den beiden Ehegatten, Mann und Frau, jeweils verschiedene Aufgaben
zugedacht sind.) An deren Stelle ist die Idee der Selbstverwirklichung
getreten, die eine Öffnung auf andere Personen, ein Hinhören auf sie,
ein Gehorchen, die Einordnung des eigenen Willens in den eines anderen
oder die innige Verbindung mit einer Person mehr oder weniger
ausschließt. (Durch die Akzeptanz dieser Idee hat sich natürlich auch
die Vorstellung von der Rolle des Mannes in der Ehe verfälscht, der so
seine Pflicht zur umfassenden Verantwortung meint vernachlässigen zu
dürfen.)
Diese Idee von der bloßen Selbstverwirklichung hat nicht nur
ideologische Dimensionen, sondern beherrscht als Vorurteil, d.h. als
unreflekierte Einstellung weite Kreise unserer Gesellschaft. Ihr hängt
nicht nur die 'Welt' an, nicht nur die 'Modernisten', sondern auch
viele Traditionalist(inn)en. Da kann eine junge (oder ältere) Frau
beteuern, sie sei Sedisvakantistin. Die Orthodoxie in diesem Punkt
schützt sie im konkreten Leben nicht vor der Fehlhaltung in Bezug auf
ihre Rolle als Frau.
Die Ehe ist ein Bündnis. Wir sprechen vom Ehebund, den Mann und Frau
aus und in Liebe schließen, um sich in einem gemeinsamen Willen
zusammenzubinden. Wie kann aber ein solcher Bund Bestand haben, wenn er
seitens der Frau nicht getragen ist von der Hingabe an ihren Mann,
welche gerade dadurch - und nur dadurch - ihre Erfüllung erfahren kann!
... getragen von jenem Geist der Hingabe, der Maria sprechen ließ:
"Siehe, ich bin die Magd des Herren".
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