DAS HL. PFINGSTFEST
- NACH DEN VISIONEN DER GOTTSELIGEN
ANNA KATHARINA EMMERICH -
Das ganze Innere des Abendmahlssaales war am Vorabend des Festes mit
grünen Bäumen ge-schmückt, in deren Zweige Gefäße mit Blumen gestellt
wurden. Grüne Gewinde liefen von einer Seite des Saales zur andern.
(...) Petrus im Bischofsmantel stand vor dem Vorhang zum
Allerheiligsten unter der Lampe an einem rot und weiß gedeckten Tisch,
auf dem Rollen lagen; ihm gegenüber unter dem Eingang aus der Vorhalle
die Heiligste Jungfrau mit verschleiertem Angesicht und hinter ihr in
der Vorhalle die heiligen Frauen. Die Apostel standen in zwei Reihen
den beiden Seiten des Saales entlang nach Petrus hingewendet, und aus
den Seitenhallen herein nahmen hinter den Aposteln stehend die Jünger
am Chorgesang und Gebet teil. Als Petrus die von ihm gesegneten Brote
brach und austeilte, zuerst an die Heiligste Jungfrau und die
herantretenden Apostel und Jünger, küßten sie ihm die Hand, und auch
die Heiligste Jungfrau tat es. Es waren außer den heiligen Frauen ihrer
hundertzwanzig im Abendmahlshause und den Umgängen versammelt. Nach
Mitternacht entstand eine wunderbare Bewegung in der ganzen Natur, die
allen Anwesenden sich mitteilte, welche an den Pfeilern des Saales und
in den Seitenhallen in tiefer Innigkeit, mit über der Brust gekreuzten
Armen still betend umher standen. Ruhe breitete sich über das Haus, und
in seinem ganzen Umfang herrschte lautlose Stille.
Gegen Morgen sah ich über den ÖIberg eine silberweiß glänzende
Lichtwolke vom Himmel herab in sinkender Richtung dem Hause sich
nähern. In der ersten Ferne sah ich sie wie eine runde Kugel, deren
Bewegung ein süßer warmer Windstrom begleitete. Näherkommend wurde sie
größer und zog wie eine leuchtende Nebelmasse über die Stadt, bis sie
über Sion und dem Abendmahlshause, sich immer dichter zusammenziehend
und stets durchsichtiger leuchtend, still stand und mit steigendem
Windesbrausen gleich einer tief hängenden Gewitterwolke sich
niedersenkte. Bei diesem Brausen sah ich viele Juden, welche die Wolke
wahrnahmen, erschreckt nach dem Tempel eilen; und ich selber kam in
eine kindische Angst, wohin ich mich verbergen könnte, wenn der Schlag
erfolgen würde; denn das ganze hatte Ähnlichkeit mit einem schnell
heranziehenden Gewitter, das statt von der Erde herauf vom Himmel
herab, statt dunkel ganz licht, statt donnernd sausend heranzieht.
Diese sausende Bewegung fühlte sich wie tief erquickender warmer
Luftstrom.
Als die Lichtwolke ganz nieder über das Abendmahlshaus herabhing und
mit steigendem Sausen immer leuchtender wurde, sah ich auch das Haus
und seine Umgebung immer heller, und die Apostel, Jünger und Frauen
immer stiller und inniger werden. Gegen drei Uhr morgens vor
Sonnenaufgang aber ließen sich plötzlich aus der sausenden Wolke weiße
Lichtströme auf das Haus und seine Umgebung nieder, die sich siebenfach
durchkreuzten und unter der Durchkreuzung in feinere Strahlen und
feurige Tropfen sich auflösten. Der Punkt, wo die sieben Lichtströme
sich durch-schnitten, war mit Regenbogenlicht umgeben, in welchem eine
leuchtende, schwebende Gestalt erschien, mit unter den Schultern
ausgebreiteten Flügeln oder flügelähnlichen Strahlen. In diesem
Augenblick war das ganze Haus und sein Umfang durch und durch mit Licht
erfüllt. Die fünfarmige Lampe leuchtete nicht mehr. Die Versammelten
waren entzückt, richteten unwillkürlich ihr Antlitz dürstend in die
Höhe, und in den Mund eines jeden ergossen sich Lichtströme wie
lodernde Flammenzungen. Es war, als atmeten, als tranken sie das Feuer
dürstend in sich und als lodere ihre Begierde aus dem Munde diesen
Flammen entgegen. Auch auf die Jünger und anwesenden Frauen im
Vorgemach ergoß sich dieses heilige Feuer; und so löste sich die
Glanzwolke wie in verschiedener Stärke und Färbung.
Nach dem Ergusse herrschte freudige Kühnheit in der Versammlung. Alle
waren bewegt und wie mit Freude und Zuversicht berauscht. Sie traten um
die Heiligste Jungfrau, die ich allein ganz ruhig und wie immer in
stiller heiliger Fassung sah. Die Apostel umarmten sich untereinander
und von freudiger Kühnheit zu reden durchdrungen, riefen sie sich zu:
"Wie waren wir, was ist aus uns geworden?" Auch die heiligen Frauen
umarmten sich. Die Jünger in den Umgängen waren ebenso bewegt, und die
Apostel eilten auch zu ihnen. In allen war ein neues Leben voll Freude,
Zuversicht und Kühnheit. Ihre Freudigkeit ging nun in Danksagung über,
sie traten in die Betordnung zusammen, dankten und lobsangen Gott in
großer Bewegung. Indessen verschwand das Licht. Petrus hielt nun eine
Rede an die Jünger und sendete mehrere hinaus nach den Herbergen der
ihnen anhängenden Pfingstgäste.
(aus: "Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi" nach Anna Katharina Emmerich, Aschaffenburg 1971, S. 554 ff.) |