"Um den Auftrag der Frau
- Biblische Frauengestalten als Vorbilder heute"
Gedanken und Stellungnahmen zu einem Aufsatz von Christa Meves
von
Magdalena S. Gmehling
Die Psychagogin Christa Meves tritt seit Jahren mit diskussionswürdigen
Beiträgen über Frauenfragen an die Öffentlichkeit. Nachfolgend soll der
Vortrag, den sie auf der 6. Theologischen Tagung in Fulda am 9.
November 1995 gehalten hat, einer kritischen Würdigung unterzogen
werden.
Ausgehend von dem bei Gertrud von le Fort vorgetragenen Gedanken, daß
die Frauenseele fundamentaler zerstörbar ist als jene des Mannes,
schreibt die Autorin: " Wir dürfen nicht übersehen, daß dieser Angriff
auf die Frau durch den Antichristen heute in voller Breitseite
geschieht und die Frau in einer noch nie dagewesenen Schutzlosigkeit
trifft... Weil man mit raffinierter Gaukelei in der Frau die
Vorstellung erweckt hat, sie könne sich dadurch zu sich selbst
befreien, daß sie sich zu ihres eigenen Glückes Schmied ernennt..." 1)
Christa Meves sieht die Ursachen der fraulichen Egozentrik und
Machtbesessenheit in einer übersteigerten, falsch ausgerichteten
Emanzipation, gepaart mit Sittenlosigkeit, die schutz-, instinkt- und
intuitionslos in krankhafter Neuerungssucht gipfeln kann.
Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, den
Originaltext Gertruds von le Fort zu zitieren, deren Frauenbild
gewissermaßen auf ehernen Säulen, nämlich den tief symbolischen
Gestalten der virgo, der sponsa und der mater ruht. Die große Dichterin
hat aber auch mit prophetischem Weitblick und in gehobener Sprache
Probleme unserer Gegenwart dargestellt:
"Die Welt der apokalyptischen Reiter ist nicht der Krieg als
männlich-heroisches Schicksal, auch nicht die Hungersnot als Versagung
der Natur, oder Seuche und Tod als Walten elementarer Kräfte, sondern
sie kann auch das Werk der verantwortungslosen Händlergesinnung und des
gottlos gewordenen Forschergeistes sein: wir wissen heute, daß diese
beiden fähig sind, ganze Ernten zu vernichten und ganze Völker zu
vergiften! Die Frau in der Zeit aber, die zur Frau solcher letzten
Zeiten wird, das ist nicht 'die große Hure von Babel' der geheimen
Offenbarung, die dämonische Verführerin abgefallener Könige, sondern
das ist die ganz alltägliche kleine Weiblichkeit, die aus der
göttlichen Ordnung springt, die Frau, die als Trägerin ihres ewigen
Symbols aufgehört hat zu sein." 2)
Verblüffend klar analysiert hier eine Weitblickende die tiefsten
Wurzeln der heillosen Gegenwart: Händlergesinnung und entarteten
Forschergeist. Der Glaube an die totale Verrechenbarkeit des Menschen
und die Propaganda raffiniert getarnter Systeme erschüttern das
abendländische Menschenbild in seinen Grundfesten. Der längst
begonnenen Entmenschlichung folgt die Entgeistigung. Wie sollte da die
"tägliche kleine Weiblichkeit" nicht aus der "göttlichen Ordnung
springen"?
So beklagt denn auch die Uelzener Psychagogin die vielfältigen Symptome
dieser geistigen Blindheit heutiger Frauen, nicht nur der feministisch
verführten Aufmüpfigen, sondern auch der sich selbst Entfremdeten, die
anfällig werden für jegliche Torheit.
"Wer erkennt denn noch, daß die These, Männer und Frauen seien von
Natur aus gleich und nur die böse Umwelt bewirke unterschiedliche
Entwicklung, wer durchschaut, daß diese Ideologie, die mit exakter
wissenschaftlicher Erforschung der Psychologie der Geschlechter nichts
zu tun hat, auf dem Boden des atheistischen Neomarxismus erwachsen
ist, einer Lehre, die behauptet, daß die 'Gleichheit der
Menschen... erreichbar sei.' Dieser Ansatz hat mit der nachweisbaren
Wirklichkeit, daß jeder Mensch als ein unwiederholbares Individuum zur
Welt kommt... nicht das mindeste gemein... Das Elend dieser Vernebelung
besteht vor allem darin, daß Frauen in hektischem Übereifer sogar
selbst versuchen, sich den Männern anzugleichen und damit psychologisch
gewissermaßen zur phallischen Frau entarten ...". 3)
Wir resümieren: Bei aller Gleichwertigkeit der Geschlechter ist eine
fundamentale Wesensverschiedenheit festzustellen. Darüber täuscht weder
eine behaviouristische Argumentation, ausgerichtet an Milieutheorie und
umweltgesteuertem Wertesystem hinweg, noch die Verkündigungen der
Linken, die ein Mehr an Gleichheit fordern. Gerade sie verkünden ja die
Selbst verwirklichung, die Suche nach der eigenen Identität als
höchstes Ziel.
Christa Meves möchte denn auch eine Basis für die Frau als von Gott
Ausgezeichnete in biblischen Vorbildern finden. Ja sie stellt sich der
Kritik "daß für unser modernes Frauenverständnis die Bibel wenig
brauchbar sei... und dann allenfalls umgedeutet als Orientierung dienen
könne, denn die Kirchengeschichte sei von A-Z von einem
'Patriarchalismus' das heißt: durch die seit Jahrhunderten verbreitete
Anschauung einer grundsätzlichen Überlegenheit und damit begründeter
Vorherrschaft von Männern über Frauen gekennzeichnet... Die
Unterdrückungskirche... müsse deshalb heute einer paritätischen Öffnung
zu allen kirchlichen Diensten für beide Geschlechter... weichen...
Allein die katholische Kirche zeige nicht die notwendigen Konsequenzen
aus dieser Erfahrung, ja sie halte durch eine rigide Sexualmoral an der
"Falle Mutterschaft" als einer dominanten Aufgabenstellung der Frau
fest und erzeu ge so heute durch die in der modernen Frau
hervorgerufenen Konflikte jede Menge sogenannter ekklesiogener
Neurosen". 4)
Den Vorwurf einer "frauenfeindlichen Männerkirche" entkräftet Christa
Meves einerseits mit dem Hinweis auf die führenden Stellungen von
Frauen auch im Bereich der Kirche und deren vielfache freiwillige
aktive und ehrenamtliche Mitarbeit, andererseits streift sie -
gewissermaßen aus Gründen der Gerechtigkeit - bedauerliche
geschichtliche Tatsachen, wie jene der Hexenprozesse. Zitiert werden
auch scheinbar frauenfeindliche Bibelstellen. Ich empfinde diese
Beispiele als etwas problematisch. Die Geschichte der Hexenprozesse muß
historisch wie medizinisch und juristisch differenziert betrachtet
werden. Auch wurde oftmals darauf hingewiesen, daß sich die Schuldfrage
vielfach gewissermaßen im Vorfeld, nämlich bei dem widerrechtlichen
Gebrauch der Halluzinogene, stellt. Das überstrapazierte paulinische
Wort "mulier taceat in ecclesia" wird aufgehoben durch die Stelle (Gal.
3,28) "hier ist nicht Mann noch Weib, sondern ein Christ in allem",
welches eindeutig die Wertgleichheit der Geschlechter im Auge hat. Sehr
klar argumentiert Christa Meves allerdings, wenn sie die Tendenzen der
feministischen Theorien bloßlegt, denn es geht um emotional und
wurzelhaft und liberalistisch-atheistisch gesteuerte
Bewußtseinsveränderung, um "die Erzeugung von Wut über eine bisher noch
nicht erkannte, nun durchleuchtete Benachteiligung... Das
Unzufriedenmachen der Frauen gehörte... sehr generell zu dem Vorgehen
im Zuge eines ab 1968 erfolgreich durchgeführten Marsches durch die
Institutionen. Es wird nicht danach gefragt: Wollen denn fromme Frauen
in der Kirche überhaupt die Führung? - Vielmehr hat die Kritik an der
Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft im antichristlichen
Konzept der atheistischen Pseudoreligion, ihre Schubkraft erhalten." 5)
Wenden wir uns also dem von der Autorin alternativ aufgezeigten
christlichen Frauenbild zu. Es ist keine Frage, daß Jesus selbst im
Gegensatz zum strenggläubigen Judentum seiner Zeit frei von jeglicher
Frauenfeindlichkeit war (vgl. Joh. 4,1-41; Lk 10. 38-42; Lk 2, 51; Lk
7,36-50; Mk 5, 25-34 usw.). "Wenn die Feministinnen zwar gern aus dem
Mann Jesus eine Jesa Christa konstruieren möchten und überhaupt nun
nicht mehr "Vater unser" sondern "Mutter unser" beten, so ist es doch
bisher keiner von ihnen gelungen, Christus selbst patriarchalisch zu
schimpfen... Die daraus resultierende, uns zufallende Haltung kann die
Bibel an vielen zentralen Frauengestalten klarmachen." 6)
Christa Meves stellt nun die heilsgeschichtlichen Gestalten Eva - Maria
einander gegenüber. Sie ist der Meinung, die Schöpfung Gottes aus dem
Zentrum des menschlichen Erstleibes sei gewissermaßen die Erweiterung
des Herzens, des Rippenstückes." Durch die Wiederfindung, die
Wiedereinführung dieses Herzstücks kann der Mensch zu der ihm
lebensnotwendigen Ergänzung, zur vollkommenen Ganzheit kommen. Erlebt
die Frau sich nicht mehr als Herzstück, so fällt der Mensch in die
Zerspaltenheit zwischen lntellekt und Sexus, zwischen Kopf und Trieb,
zwischen Verintellektualisierung und Sexualisierung, zwischen
Größenwahn und Schamlosigkeit - was Untergang statt Fortschritt
bedeutet. Ohne sein Herzstück, die seelisch sichere Frau, ist der Mann
nicht lebensfähig ... Es ist heute in unserer Welt erforderlich, daß
der christliche Mann mit heiligem Eifer die Ergänzung seines Seins
durch die Frau, durch sein Herzstück, voll erkennt und akzeptiert." 7)
Die Erschaffung aus "Adams Rippe" (Gen 2, 21) wurde im Laufe der
Geschichte immer wieder im Sinne einer Zweitrangigkeit der Frau
interpretiert. Allerdings ist grammatikalisch und exegetisch
anzumerken, daß "Rippe" eigentlich mit "Seite" oder "Kante" zu
übersetzen wäre.
Dieser Text der Schöpfungsgeschichte wurzelt nicht so sehr im Gedanken
der Differenzierung der Geschlechter, sondern in dem Wissen um die
androgyne Urlage des Menschen. Seine Aussage kann auf den kurzen Nenner
gebracht werden: Der Mensch gleicht Gott auch in der bipolaren Struktur
seines Wesens. Die urmutterhaft fruchtbare Heilsmacht der Frau darf
nicht zu rasch an Geschlechtliches gebunden werden. Die Gefahr des
primitiven biologistischen Denkens ist unübersehbar. Es geht aber - wie
Gertrud von le Fort treffend feststellt - letztendlich um das Kraftfeld
der Polarität, die hingeordnet ist auf den "hochzeitlichen Charakter
der Kultur, um die Heilsbedeutung der Liebe zweier Menschen
füreinander, um die geistige Verantwortung des einen für den anderen
auf dem Weg zu Gott." 8) Es ist darauf hinzuweisen, daß in einer
entarteten Zeit die Entartung im Verhältnis der Geschlechter zueinander
ein getreuer Spiegel heilloser Verwirrung ist. Die pluralistische
Gesellschaft, in der Begriffe wie Ehre, Treue und Mäßigkeit Metaphern
einer fremden Welt sind, fordert den Widerstand eben der Frauen
geradezu heraus. Sich der Anpassung zu versagen und im eigenen
Lebensbereich zellenhaft die kulturelle Restauration zu verwirklichen,
wäre heute jene dornenreiche Aufgabe, die jeglichen Aktionismus
übertrifft. Diese Sendung der Frau erfüllt sich in der tiefsten
Zurückgezogenheit.
In der Gestalt von Maria sieht Christa Meves das entscheidende Vorbild der modernen Frau. Sie schreibt:
"Das Lauschen, das Hinhören, das Annehmen dessen, was uns zugemessen
ist, wird damit für alle Zeiten unumstößlich als die Einstellung der
christlichen Frau gekennzeichnet. Es wird keinen Fortschritt in der
Welt geben ohne die gelebte Würde des Mütterlichen, den Geist der
Geduld, des Austragens, des Annehmens, des Erspürens, des
Im-Herzen-Bewegens - nichts mehr wird werden können, wenn wir das
Mütterliche verstümmeln. Wir aber haben mit unseren Bemühungen um die
Gleichberechtigung der Frau - ohne Beachtung ihrer Beziehung zu Gott -
artifiziell an einer lebenswichtigen Grundposition gerüttelt... Die
Folgen werden heute als eine direkte existentielle Bedrohung unserer
Bevölkerung sichtbar, allgemein ablesbar in der Verweigerung mancher
junger Frauen, überhaupt noch Kinder zu bekommen oder zu heiraten. Das
Ideal vieler junger Mädchen von 1995, die ich befragte, ist die
ungebundene Berufsarbeit, der Typ des 'Single', der sich jeder
Dauerbindung entzieht. Und das ist alles nur konsequent; denn die
Emanzipation der Frau, heraus aus dem Status der Unterdrückbarkeit, hat
sich an der spezifschen Eigenart des Weiblichen, an ihrer spezifischen
Bestimmung vorbeimanipuliert. Es ist kein dummer 'Muttermythos', wie
die Feministinnen behaupten, wenn ein Volk seine Mütter ehrt und ihnen
die gebührende Hochachtung zuteil werden läßt, sondern eine
Lebensnotwendigkeit, ihrer gottgewollten Würde gemäß." 9)
Nun ist es sicher richtig, die Muttergottesgestalt im Sinne des "fiat
mihi" zu deuten. Jedoch ist das Hinhören, Annehmen, Austragen nur ein
Aspekt der Würde des Mütterlichen. Der wesentlichere Gesichtspunkt ist
der Dienst am Kleinen, am Schwachen und Unzulänglichen. Gertrud von le
Fort schreibt sinngemäß, daß über jeder Frau nicht nur ein Strahl vom
Mutterglück und der Mutterwürde Mariens liegt, sondern auch ein Strahl
aus der Krone der "Mutter der Barmherzigkeit". "Nicht mitzuhassen,
sondern mitzulieben bin ich da" - dieses Antigone-Wort zielt auf das
Gesetz der Milde. In der Gestalt der mildreichen Königin findet es
seine Erfüllung. Wir müssen uns fragen, ob die nie dagewesene
Brutalisierung der Jugend nicht eine Frucht dieses vernachlässigten
Dienstes der Innerlichkeit ist. Wer sein Fleisch und Blut den
elektronischen Müttern ans Herz legt und sich ihrer Perfektion
ausliefert, erntet einen Wust an Zerstörung, eine harte und
gewaltbereite Generation. Die mütterliche Frau, welche die Schwachheit
im Seienden anerkennt und "unarmt" (le Fort) ist auch jene, welche um
die geheimnisvolle Verbindung von Magdsein und Königtum weiß.
Christa Meves kommt schließlich im letzten Teil ihres Vortrages auf die
via activa und die via contemplativa zu sprechen. Es heißt bei ihr:
"Das Heil kommt aber auch aus der Frau Maria von Bethanien. Es wird bei
Lukas ausgesagt: Nicht die Sorge um das leibliche Wohl Christi bestimmt
Maria, sondern sie hört ihm zu. Und bei Johannes heißt es: Nicht die
Verteilung der Salbe an die Armen ist ihr das Wichtigste, sondern die
totale Hingabe an den Geist Christi, wie es im Abtrocknen seiner Füße
mit ihren eigenen Haaren symbolisch ausgedrückt ist. Damit werden
Stufungen hergestellt: Die christliche Frau weiß ... um ihre
Prioritäten: Erst hören, erst horchen, erst Christus fragen, erst zu
Gott beten, dann handeln, dann karitativ sein, dann kochen und
versorgen... Gerade die christliche Frau heute muß diese Weisung ganz
ernst nehmen, denn es gibt heute einen verführerischen Geist, der, sich
supermodern gebärdend, sagt: Sozialarbeit ist überhaupt nur das einzig
Richtige, das einzig richtige christliche Gebot... Im verabsolutierten
Sozialismus verliert manche Frau ihr Maß. Sie geht an der Last
zugrunde, wenn sie nicht bei Christus aus jenem Brunnen ihr
Lebenswasser schöpft, wie Christus es uns, den samaritischen Frauen,
anempfiehlt. Würdevolle Kraft kann nur die Frau ausstrahlen, wenn sie
sich dem Geist der Maria aus Bethanien unterstellt und erkennbar macht,
wie notwendig es ist, dem Geist der sozialistischen Selbstüberhöhung
Einhalt zu gebieten und zu begreifen, wie wir der Schöpfung dienen
können: in der Haltung des Kniens vor Christus, wie diese Maria es
tat." 10)
Wenn ich die Autorin richtig interpretiere, so sagt ihr Text folgendes
aus: Maria von Bethanien (die hier im Sinne der ostkirchlichen
Tradition und der neueren Exegese als eigenständige historische Person
gesehen wird) präfiguriert jenen Typus Mensch, der innerlich mit Gott
allein ist. Sie verweist durch ihr Tun aber auch auf den Weg der vita
mixta, den Versuch, die Einheit von Kontemplation und Aktion im
christlichen Leben zu verwirklichen. Ein Ansatz, den wir bereits bei
Augustinus von Hippo (345-430 n.Chr.) finden. Bereits hier wird eine
Verbindung der vertikalen Linie, die in biblischen Gestalten wie
Rachel, Maria und Johannes aufleuchtet, mit der horizontalen Linie, die
wir Personen wie Lea, Martha und Petrus zuordnen, gesucht. Ignatius von
Loyola kennt den Weg der Gottvereinigung im Dienst des Alltags. Die
Problematik besteht allerdings darin, daß unser soziales Umfeld mit dem
seinen nicht annähernd vergleichbar ist. Wenn Christa Meves den
"verabsolutierten Sozialismus" als Auslösefaktor der Selbstüberhöhung
sieht, so ist dies sicher richtig. Hinzuzufügen bleibt jedoch, daß der
Kapitalismus - wie Othmar Spann darlegt - in seiner geistigen Natur
eine Sint-flut von Äußerlichkeiten, sinnloser Mobilität und von
Orientierungslosigkeit erzeugt. Es handelt sich also um eine
äquivalente Gefahr. Vom Erwerbstrieb werden alle geistigen Bedürfnisse
auf ein Minmum reduziert. Man könnte also sehr wohl vice versa vom
Auslösefaktor der Selbstaufgabe sprechen. Vor allem die vielfach
belastete und in ihrem sozialen Dienst auch körperlich bis an die
Grenze der Leistungsfähigkeit geforderte Frau ist in größter Gefahr
einem geistigen Minimalismus zu verfallen, in welchem die Gebetshaltung
des Schweigens nicht mehr in der Lage ist, die Aktion zu durchdringen.
Christa Meves verweist letztendlich auf die Magdalenengestalt, die sie
im Sinne des neutestamentlichen Verkündigungsauftrages interpretiert.
"Aber das Heil kommt auch aus der Gestalt der Maria Magdalena... Warum
hat die Frau bisher diesen ihren Magdalenenauftrag noch nicht gesehen?
Wie nötig ist es heute, daß sie ihn erkennt und wahrnimmt! Die
christliche Frau hat kraft ihrer so engen, ganz emotionalen Bindung an
den Geist der Liebe, der Vergebung, der Opferbereitschaft die große
Zukunftsaufgabe, durch ihr Sein und Verkünden der elenden Welt sichtbar
zu machen: Christus lebt! Es ist zwar furcht-bar, daß wir diesem
Ungeist der Selbstsucht so viel Raum geben; aber wir brauchen nur
umzukehren, um zu sehen: Unsere Hoffnung darf leben. Diese Hoffnung
darf die Frau verkörpern und ausstrahlen. Echte Frauenemanzipation
dürfte also nicht den Versuch machen, die Frau von sich selbst und
ihrem Eigentlichen wegzubringen. Sie könnte, wenn sie fruchtbare und
konstruktive Wirkungen zeigen sollte, nur in einem Bereich beginnen,
der dem So-Sein der Frau gerecht wird und auf ihm aufbaut. Das müßte
bereits in den Bildungszielen der Schulen zum Ausdruck kommen. Es
bedeutet nämlich keineswegs echte Emanzipation, sondern Nöti-gung zur
Angleichung an den Mann, wenn den Mädchen in den Schulen Lernstoffe mit
gleichen Prioritäten wie den Jungen angeboten werden. Mädchen haben im
allgemeinen neben gleichen auch andere, besondere Begabungen. Und das
hat etwas mit ihren speziellen Lebens-aufgaben zu tun. Sie sind besser
begabt für Feinmotorik. Deshalb ist es trotz aller Bemühun-gen unserer
Gleichheitsideologen nicht gelungen, die Frauen davon abzubringen,
begeistert zu sticken, zu häkeln, zu knüpfen. Sie sind begabt für
Lebenskunde und deshalb auch für praktische Psychologie. Sie haben
Begabung für Musikausübung, vermutlich weil sie ausdauernder und
geduldiger sind. Sie sind wortgewandter und haben viel Sinn für
Schönheit... Es kann sich bei der Einstellung der christlichen Frau zu
ihrer Emanzipation, wie bei allen Fragen um Egozentrisches und
Triebhaftes (Besitz, Macht, Sexualität eingeschlossen), nur darum
handeln, die 'Selbstverwirklichung' nicht an die Stelle Gottes zu
setzen... Eine Frau, die die Vorherrschaft Gottes nicht aus dem Blick
verloren hat, wird nicht ein Kind abtreiben, nur weil seine Geburt den
Abschluß ihrer Berufsausbildung verhindert hätte.... Sie wird, wenn sie
ihre kirchliche Trauung als ein Versprechen nicht nur an den Mann,
sondern auch an Gott versteht, nicht auf die Idee kommen,
schulterzuckend ihrer Wege zu gehen... Das Heil kann auch heute nur von
Frauen kommen, deren Frauenemanzipation in der Übereinstimmung mit der
Liebe zu Gott (und das heißt gleichzeitig der Dienstbereitschaft für
ihn) und mit dem Vorrang der Liebe zum Nächsten steht. " 11)
Frau Meves berührt hinsichtlich der Frauenemanzipation einige
neuralgische Punkte. Ich stimme ihr in ihren Bedenken, die Koedukation
betreffend, nach langjähriger praktischer Erfahrung uneingeschränkt zu.
Wenigstens in gewissen Altersstufen sollte wesentlich sensibler
verfahren werden. Das gegenwärtige erzieherische Chaos wurzelt
zumindest teilweise in falsch verstandenen Egalisierungstendenzen. Es
ist allerdings stets neu zu fragen, in wieweit männliches Fehlverhalten
die Vergötzung der weiblichen Selbstherrlichkeit geradezu provoziert.
Auch glaube ich, daß es nur sehr bedingt gelungen ist, "historische
Altlasten" klärend zu bewältigen. Ich verweise in diesem Zusammenhang
nochmals in aller Kürze auf Gertrud von le Fort, die davon spricht, daß
das Heil der Welt am Sichtbarwerden der Marienlinie hängt. Die
Erneuerung der Kultur wird nur gelingen, wenn die "andere Hälfte" der
Wirklichkeit, das Antlitz der Frau, im Angesicht des schöpferischen
Mannes sichtbar wird.
Hinsichtlich der Magdalenengestalt soll weit weniger der
Verkündigungsauftrag denn die Bedeu-tung der Heiligen als Bindeglied an
der Schwelle der eschatologischen Ereignisse betont werden 12). "Das
Wesen und die Botschaft der Magdalenengestalt weisen in ihrer innersten
Logik, in ihrer christozentrischen Komponente, ihrer Herzmitte, auf die
personale, Gestalt gewordene Liebe hin, auf das pneuma hagion, den
Heiligen Geist. Umsonst forschen wir bei der Sancta Amora nach
intellektualistischen Spuren. Hier ist alles Bewegung, Emporgetragen
werden, Audition, Atem, Hauch und Engelsgesang, ekstatisches Verkünden,
feuerdurchglutete Stille. Hier sehen wir die Wurzel einer Vision, der
vom Heiligen Geist aufzuerweckenden neuen Menschheitsepoche, die allen
zäh sich behauptenden Untergangsprophetien entgegen steht." 13)
Anmerkungen:
1) Christa Meves in: Theologisches. Kalholische Monatsschrift. November 1995, S. 501
2) Gertrud von le Fort: Die ewige Frau. dtv 1963, S.88
3) Christa Meves a.a.O.S. 501 f
4) a.a. O.S. 502
5) a.a. O.S. 503
6) a.a. O.S. 504
7) a.a. O.S. 504
8) Gertrud von le Fort; Die ewige Frau S.51
9) Christa Meves: a.a.O. S. 505
10) Christa Meves: a.a.O. S. 505 f.
11) Christa Meves: a.a.O. S. 506 f.
12) Magdalena S. Gmehling: Die Sünderin . Theresia-Verlag 1996
13) Gmehling: a.a.O. S. 129 f
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