"FROMMER RAT" oder SCHLIMMSTER ABERGLAUBE?
von
Luise von Weymar, München
Man hat mir zwei Seiten fromme Ratschläge in die Hand gedrückt:
"Wichtige Maßnahmen für die Tage X der großen Warnung. Unter anderem
steht gleich bei Punkt 1): "Man soll geweihte Rosenblätter und geweihte
Wachaskörnchen schlucken gegen die Angst"! Man soll mindestens 30 Liter
Wasser bereit halten und auf je 10 Liter Wasser einen Liter Weihwasser
geben! - Wenn man eine Herz-Jesu-Medaille ins Wasser legt, dann ist
dieses Wasser geweiht! und - sage und schreibe - im gleichen Zeilenzug
mit der Herz-Jesu-Medaille kommen dann primitivste
Luftschutzrichtlinien von "einst im Mai", wie z.B. daß man Sorge tragen
soll (wörtlich) für ein "Ersatz-Örtchen"; dann kommen wieder im selben
Zug Ratschläge und Beispiele für Gebete zwischen Weisungen über
geweihte Butter oder Margarine, und das zwei Schreibmaschinenseiten so
weiter.
"Gegen die Angst", diese Redensart kehrt immer wieder in diesem Gebräu
von Redensarten. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so bodenlos
traurig wäre.
Aber wenn solcher Unfug bereits von eigentlich gebildeten Menschen
verbreitet wird und wenn diese Waschzettel an allen möglichen und
unmöglichen Stellen, in Kirchen und außerhalb aufgelegt und verbreitet
werden, dann ist es für uns höchste Zeit, daß wir uns in aller
Öffentlichkeit und mit aller Entschiedenheit von der Unglaubwürdigkeit
solcher Machenschaften distanzieren. Wir wollen damit nicht das
Geringste zu tun haben.
Ist den wirklich den verantwortlichen kirchlichen Stellen, welchen
solche Machenschaften nicht verborgen bleiben können, immer noch kein
Licht aufgegangen für die nachgerade erschreckenden Ausmaße unserer
Verunsicherung in religiösen Dingen - ist bei den "Ober" (Hirten) die
Liebe schon soweit erkaltet, daß sie gar kein Gespür mehr haben für die
schauerliche Verlassenheit, die aus solchem Geschwätz - im Grunde
genommen sind es ja doch Notschreie von Schiffsbrüchigen - uns
anstarrt. Oder mißbraucht man diese Unglaubwürdigkeiten womöglich noch
zu Propagandazwecken für die "dringend nötige Erneuerung der Kirche",
ja sind sie möglicherweise sogar gesteuert, weil man sie geflissentlich
"über"-schweigt? "Man zieht uns den Boden unter den Füßen weg", sagte
jüngst eine sehr bedeutende Künstlerin. Wenn das Wunder des Glaubens
liebstes Kind ist, dann ist der Aberglaube das liebste Kind der Angst.
Wer einmal beim Schwimmen in ein Gebiet von Schlingpflanzen geraten
ist, der kann sich - wenn er die Situation ins Geistige übersetzt - ein
Bild machen von dem, was ich meine. Und je mehr man dann strampelt,
umso kritischer wird die Lage.
Sowohl jene, die da glauben, mit solchen Mittelchen sich und ihren
bisherigen frommen Schlendrian hinüberzuretten über den Zusammenbruch,
der kommen wird, wann und wie immer - wie auch die Neuerer, die genau
so nur ihren Vorteil und ihre Geltung suchen - sie werden über das
Strampeln bis zum Untergang nie hinauskommen.
"Gegen die Angst", schon Adam und Eva im Paradies wußten um die Angst
vor der eigenen Courage in ihrem "Sein wie Gott". Was ist eigentlich
der Unterschied zwischen Angst und Furcht? Angst war seit eh und je der
Zwilling der Überheblichkeit, sie ist etwas ganz und gar Sterbliches.
Sie ist das dunkle Gespür vom Aufgebenmüssen jener Dinge, die zwar sich
uns angehaftet haben, die uns aber nie gehören können. Auch dieses
Dasein gehört uns nicht.
Man hat die Fenster der Kirche weit aufgerissen, man hat mit dem
Spektakel von Jazztrompeten eine neue Zeit angekündigit. Lange vor
diesem Erneuerungstaumel hat ein sehr frommer Priester in Syrakus zu
einer Pilgergruppe gesagt: "Ein Christ fängt immer wieder von vorne an,
ohne Angst, aber in der Furcht Gottes!" und von der Kanzel, auf der der
Märtyrerpriester Dr. Hermann Josef Wehrle seine letzten unvergeßlichen
Fastenpredigten - über das Vater unser und im besonderen über das Amen
- gehalten hat, rief sein Nachfolger ein prophetisches Wort in den
Raum: "Die erbärmliche Kirche!"
Diese ganze armselige Erbärmlichkeit reißt sich die letzten Fetzen
herunter, wenn man sieht, daß genau jene, die nötig hätten, sich aus
ihrer abergläubischen Angst heraus zu erneuern - wir wissen sie sehr
wohl zu unterscheiden von den anderen, die in ihrem ehrlichen Suchen
durch sie in zunehmendem Maß noch mehr verunsichert werden - die also
haben bei der Zugluft durch die aufgerissenen Fenster den Mantelkragen
hochgeklappt und geben zum Spektakel der Jazztrompeten das billige
Fußvolk ab, wenn es den Modernisten darum geht, - teils absichtlich,
teils im befehlenen Sold Dritter - wertvollste Heils-Substanz der
Kirche zu zerstören. Dafür dürfen sie dann ja auch ihren Angstkram
weiter kolportieren einschließlich dem an sich ja als "längst
überflüssig erklärten" Weihwasser, nachdem sie es zu einer Formel 1:10
abgewertet hatten - dasselbe Weihwasser, von dem der lebendige Glaube
weiß, daß ein einziger Tropfen, z.B. einem Sterbenden gespendet, der
Schrecken der bösen Geister ist.
Aber: Wir werden nie erneuerte Christen sein und eine erneuerte Kirche
heraufführen, wenn wir uns nicht aus der Angst hinübergerettet haben in
die Furcht: in jene Furcht Gottes, die der Anfang - zwar nicht der
Wissenschaft, auch nicht der Theologie aber aller Weisheit ist. Immer
peinlicher berührt uns die Aufdringlichkeit, mit der heute versucht
wird, Jesus Christus, Sein Leben und Sein Wirken in ein heute so groß
geschriebenes "reines Menschentum" abzuschwächen. Damit leugnet man
vorsätzlich oder als Mitläufer den wahren, einzig säkularen Zweck
Seines Kommens in diese Welt und Seiner Taten für diese Welt. Der Herr
selbst hat dazu gesagt: "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun,
der mich gesandt hat." - Es war die kleine tödliche "Ich-Angst" vor der
großen lebendigen Furcht Gottes, die die Jünger sagen ließ: "Seine Rede
ist hart, wer kann sie hören?"
Dies sollen keine gelehrten theologischen Spekulationen sein, es sind
nur die Erwägungen einer über dem allen sich oft am Rande der Kraft
mühenden Seele: Daß der gezeugte, nicht geschaffene Sohn Gottes von
Ewigkeit her und aus freiem göttlichen Willen nur Eines kennt - die
Ehre des Vaters durch die liebende Erfüllung Seiner Vorsehung, Daß
alles, was Jesus Christus bei Seiner Menschwerdung aus der
jungfräulichen Mutter und in Seinem Erdenleben für uns Menschen bewirkt
hat, seine Machtvollkommenheit über das Geschöpfliche einzig und allein
aus dem Bewußtsein dieser Sendung bekommen hat, "Wenn der Tröster
kommen wird, wird er euch zu halten lehren, was ich euch gesagt habe",
um den Geist der Furcht des Herrn betet die Kirche an Pfingsten, auch
heute noch Daß endlich Jesus Christus aus dieser Sicht auf den Vater -
und nur aus ihr - das Erlösungsangebot wohl für alle erworben hat, daß
Er aber auch gleichzeitig die Erlösungsfrucht, das Hineingenommenwerden
in den Machtbereich des Vaterwillens Vielen ausdrücklich vorbehalten
hat. Gott zwingt nicht, auch nicht erlöst zu sein, davor brauchen wir
wirklich keine Angst zu haben, nur der sich freiwillig hineinnehmen
läßt in die Furcht des Herrn, wie Jesus sie uns lehrte, kann seine
eigene und die Erneuerung der Kirche heraufführen helfen.
Hier allein und sonst nirgends ist Erneuerung, unsere Erneuerung, wie
die der Kirche, ist Glaubwürdigkeit einer katholischen Existenz in der
Welt, ist Apostolat und echte Bruderliebe, - nie und nimmer in der
selbstherrlichen Zerstörung des Heiligen Meßopfers und in der
Verfälschung seiner Texte, nicht in der Profanierung der Sakramente und
des Sakralen, nicht im aggiornamento unserer Priester an diese Welt.
Ob es dann die Stunde unseres besonderen Gerichtes beim Tode ist oder
der Tag der großen Prüfungen: Komm Herr Jesus - komme bald!
Es sei an dieser Stelle aber auch noch ein ganz großes ewiges Vergelts
Gott jenen treuen Priestern - auch den ganz jungen unter ihnen -
gesagt, die unbeirrt zu ihrem Versprechen stehen und ganz besonders
jenen Priestern, die uns noch in alter Treue die Gnaden gültiger, nicht
zerstörter heiliger Messen und gültig konsekrierter Kommunionshostien
vermitteln.
Treue um Treue!
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