DER HL. JOHANNES VON GOTT
Zum Fest am 8. März
von
Heinrich Storm, München
Der heilige Johannes von Gott gehört zu den großen Gestalten der
katholischen Restauration des 16.Jahrhunderts, und bei vielen von
diesen ist die iberische Halbinsel Ort ihrer Geburt und ihres Wirkens.
So auch bei dem heiligen Johannes von Gott. Wenn man sein Leben
betrachtet, so fällt zunächst auf, daß die Heiligkeit seines Wesens
erst relativ spät in die äußere Erscheinung trat. Einem ruhigen Hirten-
und dann unsteten Wanderleben in den ersten 43 Jahren seines Lebens
stehen 12 Jahre rastloser Liebestätigkeit bis zum Tode gegenüber.
Es sind nur sehr wenig Zeugnisse über die erste Periode im Leben des
Heiligen überliefert, da weder er selbst darüber erzählt, noch
irgendein unmittelbarer Zeitgenosse sein Leben aufgezeichnet hat. Er
wurde wahrscheinlich am 8. März 1495 ln Montemor o Novo, einem Ort der
portugiesischen Provis Evora, als Sohn einfacher Eltern geboren.
Bereits im Alter von 8 Jahren verließ er das Elternhaus und schloß sich
einem durchreisenden Scholaren an, der seinen unbequemen Reisegenossen
jedoch schon bald darauf, in dem spanischen Ort Oropesa, im Stich ließ.
Johannes konnte von Glück sagen, daß sich der Hausmeister des Grafen
von Oropesa seiner erbarmte und das Findelkind in sein Haus und seine
Familie aufnahm. Beinahe drei Jahrzehnte verbrachte Johannes nun im
Hause des Francisco Cid Mayoral, indem er sich seinen Lebensunterhalt
als Hirte verdiente, und wenn er gewollt hätte, so hätte er dort sicher
auch den Rest seines Lebens in Ruhe verbringen können. Doch Johannes
entschied sich gegen das ruhige und sichere Leben als Hirte. Bereits
als 28 jähriger war er zum ersten Mal den Trommeln der Werber gefolgt
und in das Heer Kaiser Karls V. eingetreten, das ihn (1523) vor die von
den Franzosen besetzte Festung Fuenterrabia führte. Von diesem Feldzug
war er jedoch bald nach Oropesa in seine alte Stellung zurückgekehrt,
nachdem er zweimal nur kanpp dem Tode entronnen war.
Nun aber, 1532, verließ er endgültig sein zweites Zuhause, um sich
zunächst seinem gräflichen Herrn zum Türkenfeldzug nach Wien
anzuschließen. Auch als er, nach zwei Jahren, von dieser Unternehmung
zurückkehrte, war er sich über seinen Lebensweg noch nicht im Klaren,
im Gegenteil, immer unruhiger und unsteter wurde seine Wanderung. Er
unternahm eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela, besuchte seinen
portugiesischen Geburtsort Montmor o Novo, arbeitete in Sevilla als
Hirte und im afrikanischen Ceuta als Steinklopfer, um dann als
fliegender Buchhändler von Gibraltar aus durch Andalusien zu wandern.
Wenn wir auch aus dieser Zeit sehr wenig über den Heiligen wissen, so
zeigen doch einige überlieferte Episoden, daß er schon damals sowohl
einen starken Glauben als auch ein offenes Herz für die Not des
Mitmenschen besaß: Er unterstützte von dem geringen Lohn, den ihm die
harte Arbeit einbrachte, die sechsköpfige Familie eines aus dem
Mutterland verbannten portugiesischen Edelmanns und versuchte, einen
Arbeitskameraden, der die Absicht hatte, zu den Mohammedanern
überzulaufen, von seinem Entschluß abzubringen. Von seiner Tätigkeit
als Buchhändler aber ist überliefert, daß er sich ganz besonders darum
mühte, religiöse Schriften unter das Volk zu bringen, und sich auch
nicht scheute, zur Erreichung seines Ziels erheblich vom Preis
nachzulassen.
Doch diese Anekdoten sind nur erste Vorzeichen für das, was erst nach
der großen Wende in Johannes' Leben zur vollen Entfaltung kommen
sollte. Es wird berichtet, daß Johannes auf seiner Wandung durch
Analusien in Gaucin das göttliche Kind mit einem Granatapfel und einem
Kreuz in der Hand erschien und ihm zurief: "Johannes von Gott, Granada
wird dein Kreuz sein." Noch heute erinnert in Gaucin der "Brunnen des
heiligen Johannes von Gott" an diese Vision.
Um das Jahr 1538 wandte Johannes sich also der Stadt Granada zu, die
als letzte maurische Bastion Spaniens erst 1492 in die Hände der
Christen gefallen war, seitdem aber die Stelle einer Provinzhauptstadt
innehatte, und gründete dort zunächst einen kleinen Buchladen.
Schon bald darauf trat das Ereignis ein, das seinem Leben endgültig
sein Ziel und seine Richtung geben sollte: Von einer Predigt des
seligen Johannes von Avila am 20.Januar 1539 wurde er in seinem Inneren
so ergriffen, daß er mit einem Schlage die ganze Mangelhaftigkeit
seines bisherigen Lebens einsah und begann, sich wie von Sinnen zu
benehmen. Er schlug sich selbst, raufte sich Bart und Haare und
bekannte sich immer wieder vor allem Volk als Sünder. Die weltlichen
Bücher seines Standes zerriß er mit Händen und Zähnen, während er seine
geistlichen verschenkte. Als er schließlich sogar seine Oberkleider von
sich warf und seine Raserei kein Ende nahm, brachte man ihn in das
Königliche Spital von Granada, das die kath.Könige Ferdinand und
Isabella erst kurz zuvor für Geistes- und Geschlechtskranke hatten
erbauen lassen. Dort mußte Johannes am eigenen Leib die ganze Härte der
Behandlung, die einen Irren damals erwartete, spüren. Als er nach
wenigen Monaten das Spital wieder verließ, war er zwar äußerlich von
seiner "Besessenheit" geheilt, doch die eigentliche Besessenheit, die
sich bei jener Predigt so sehr seiner bemächtigt hatte, die
Besessenheit oder besser das vollkommene Ergriffensein von der Idee der
Nachfolge Jesu Christi, sollte ihn nun für den Rest seines Lebens nicht
mehr verlassen. Er war kaum aus dem Krankenhaus entlassen, als er sich
bereits mit brennendem Eifer der Aufgabe zuwandte, die er als die
seinige erkannt hatte: der eines Helfers, Pflegers, ja Apostels der
Armen, Bedüritigen, Obdachlosen, vor allem aber der Kranken.
Als er seine Werke begann, hatte er nicht das Geringste an irdischen
Mitteln vorzuweisen; er war nicht nur bettelarm, sondern hatte, was
noch viel schwerer wog, seinen guten Ruf verloren; was auch immer er
tat, er galt als der Irre, den man eigentlich nicht ernst zu nehmen
brauchte. Hätte Johannes in dieser Ausgangslage allein auf seine
schwachen menschlichen Kräfte vertraut, so wäre er wohl an seiner
Berufung verzweifelt. Er aber gab sich von Anfang an in die Hände der
göttlichen Vorsehung, von der er sich besser beschützt wußte als von
menschlichem Reichtum und irdischer Macht.
Mit ergreifender Schlichtheit und Klarheit hat er diese Haltung später
mit den Worten beschrieben: "Verflucht sei der Mensch, der auf den
Menschen vertraut, von den Menschen wirst du im Stich gelassen, ob du
willst oder nicht, nicht aber von Jesus Christus, der treu und
beständig ist." In diesem Vertrauen auf den Herrn ging Johannes nun ans
Werk. Zunächst aus dem Verkauf von Holz, dann aber mehr und mehr aus
Almosen, die er bei den Reichen der Stadt erbettelte, gewann er die
Mittel, Armen und Kranken Unterstützung zu gewähren. Schon bald nahm
sein Hilfswerk organisierte Formen an: Johannes erwarb mit der
Unterstützung adliger Gönner ein Haus, in dem er nun seine Kranken
unterbrachte. Beinahe übermenschlich war die Arbeit, die er sich, der
in den ersten Jahren völlig auf sich allein gestellt war, zumutete. Er
hatte ja nicht nur die Kranken zu pflegen, ihre Kleider zu waschen und
das Haus zu reinigen, er hatte dazu auch noch für ihren Unterhalt und
den vieler Bettler und Obdachloser, die er alle selbstlos aufnahm, zu
sorgen. So sah man ihn am Tage mit einem großen Tragkorb durch die
Straßen von Granada ziehen, indem er mit dem lauten Ruf: "Tuet Gutes?
Brüder!" die Barmherzigkeit seiner Mitbürger zu wecken versuchte.
Mochte man ihn anfangs auch belächeln, seine Beharrlichkeit und seine
heitere, gewinnende Art verfehlten letztlich nicht ihr Ziel. Immer
verband Johannes mit der Aufforderung, dem Nächsten zu helfen, die
Erinnerung, daß man damit ja letztlich der eigenen Seele etwas Gutes
antue, daß man Schätze irn Himmel sammle, wenn man sie auf der Erde
verschenkte.
In einem Brief sagt er einmal: "Wenn wir betrachteten, wie groß das
Erbarmen Gottes ist, würden wir es nie unterlassen, Gutes zu tun,
solange wir es vermögen, denn wenn wir um Seiner Liebe willen den Armen
geben, geben wir nur das, was er selbst uns gibt, und er verspricht uns
das Hundertfache in der Seligkeit. O glücklicher Gewinn und Wucher;"
Es dauerte nicht lange, bis das erste von Johannes gegründete Spital
dem Andrang der Kranken nicht mehr gewachsen war, und er in ein
anderes, größeres Haus umziehen mußte. In dieser Zeit stießen auch die
ersten Helfer zu ihnn, um - durch sein leuchtendes Beispiel angespornt
- alle zeitlichen Güter zu verlassen und sich einzig und allein den
"Geringsten ihrer Brüder" zu widmen. Trotzdem mußte Johannes bis zu
seinem Tode um den Bestand seines Werkes bangen. "Verschuldet und
gefangen um Christi willen" nennt er sich einmal, und an einer anderen
Stelle schreibt er, er sei so verschuldet, daß er kaum noch wage, aus
dem Haus zu gehen. Doch immer wieder tröstete er sich in der Gewißheit:
"Jesus Christus sorgt für alles."
Zwei Dinge sind an der Art des Johannes, die Kranken aufzunehmen und zu
pflegen, besonders bemerkenswert. Zum einen das, daß er bei aller
Beschränktheit der Heilkunst des 16.Jahrhunderts bemüht war, den
Kranken eine wirksamere Hilfe angedeihen zu lassen als die meisten
anderen zeitgenössischen Einrichtungen dieser Art. Er widmete sich
nicht nur - im Gegensatz zu den nicht nur ungeschulten, sondern darüber
hinaus oft rohen und gleichgültigen Krankenpflegern seiner Zeit - mit
seiner ganzen Kraft, Liebe und Hingabe seinen Kranken, sondern war auch
einer der ersten, der sich im Rahmen seiner Kenntnisse bemühte, sie
nach der Art ihrer Leiden und nicht, wie das sonst üblich war, völlig
willkürlich zusammenzulegen. Wichtiger war aber, daß er sich bewußt
blieb, es nicht nur mit kranken Leibern, sondern meistens auch mit
kranken Seelen zu tun zu haben, und was ihm fehlte an Heilmitteln des
Leites, das ersetzte er reichlich durch seine Bemühung um die Bekehrung
der Seelen, indem er den Kranken sagte: "Brüder, danket Gott, daß Er
euch noch eine Frist zur Buße geschenkt hat. Erwäget in Eurem Herzen,
was ihr gegen Ihn gefehlt habt. Ich rufe euch einen geistlichen Arzt,
um die Wunden der Seele zu heilen. Denen, die auf Gott vertrauen, wird
dann auch ein Heilmittel für den Leib nicht fehlen. Er wird dann in
gewohnter weise für diejenigen sorgen, die das tun, was in ihren
Kräften liegt."
Wenn die Kranken auch diejenigen waren, denen Johannes Wirken in erster
Linie galt, so schloß er doch von seiner Barmherzigkeit auch Bedürftige
anderer Art nicht aus. Er nahm in sein Haus Obdachlose auf, speiste
Arme und besuchte und unterstützte auch solche, die sich schämten, ihre
Armut öffentlich zu zeigen, indem er sie in ihren Häusern aufsuchte.
Niemals unterließ er es aber, die von ihm Unterstützten zu einem
ehrbaren und frommen Lebenswandel anzuhalten. Ja, er hatte sogar die
Kühnheit, die Dirnen, deren sündhaftes und armseliges Los ihn besonders
bedrückte, in den Bordellen aufzusuchen und sie eindringlich zur Umkehr
anzuhalten. Willig ließ er sich mit Spott und Hohn überschütten, wenn
es ihm nur gelang, von den vielen, die er ansprach, einige wenige zur
endgültigen Abkehr von ihrem schändlichen Tun zu bewegegen. Es nimmt
aber nicht wunder, daß er mit solchen Taten bei vielen seiner Mitbürger
zunächst auf Unverständnis stieß. Francisco Castro, sein erster
Biograph, schreibt darüber. "Christus hatte seinen Diener mit einer
reichen Fülle von Liebe ausgestattet, und deshalb war ihre Ausübung von
einer so außergewöhnlichen Art, daß diejenigen, die nicht erkannten,
daß er vom Geiste Gottes getrieben wurde, sein Tun für eine zwecklose
Verschwendung hielten."
Jedoch erkannten die Bewohner von Granada im Laufe der Jahre mehr und
mehr, daß es kein Irrer und kein Heuchler, sondern ein Heiliger war,
der in ihren Mauern wirkte, vor allem als ihnen ein wunderbares
Ereignis deutlich zeigte, daß Johannes unter dem besonderen Schutz des
Himmels stand: Im Königlichen Spital von Granada brach im Jahre 1549
eine große Feuersbrunst aus. In der entstandenen Panik und Verwirrung
war Johannes der Einzige, der wirksam Hilfe leistete; er stürzte sich,
ohne zu zögern, inmitten von Rauch und Flammen, schleppte auf seinen
Schultern einen Kranken nach dem anderen heraus, um immer wieder in das
brennende Inferno zurückzukehren. Die zuschauenden Volksmassen glaubten
bereits, er sei Opfer der Flammen geworden, als er zuletzt fast völlig
unversehrt - es wird berichtet, daß nur seine Augenbrauen angesengt
gewesen seien - aus ihnen zurückkehrte. "O Gott, Du ließest den
heiligen Johannes von Deiner Liebe entbrannt, unversehrt durch
Feuerflammen schreiten ...". mit diesen Worten gedenkt die Kirche in
der Oratio am Fest des heiligen Johannes von Gott seiner wunderbaren
Errettung aus der Feuersbrunst.
Zwölf Jahre lang hat Johannes von Gott seinem schwachen Körper das
Äußerste anstrengender Artbeit und Askese abverlangt. In einem Brief
gegen Ende seines Lebens schreibt er einmal: "So groß ist der Schmerz
den dieses mein Leiden mir verursacht, daß ich die Sprache nicht aus
dem Leibe bringen kann, ich weiß nicht, ob ich diesen Brief werde zu
Ende schreiben können." Als er sich dann im Jahre 1550, im Alter von 55
Jahren, bei dem Versuch, einen ertrinkenden Knaben zu retten, in die
eiskalten geschwollenen Fluten des Flusses Gentil stürzte, war die
ohnehin schon geschwächte Widerstandskraft seines Leibes endgültig
gebrochen. Jedoch auch auf dem Kranken- und Sterbebett verließ den
Heiligen nicht die Sorge um sein Werk. Mit letzter Kraft sorgte er
dafür, daß seine Schulden aufgezeichnet wurden, und gab seinen Jüngern
letzte Ermahnungen und Ratschläge. Von seinem Tode berichtet wiederum
Castro: "Als er sein Ende herannahen fühlte, stand er vom Bette auf und
kniete auf dem Boden nieder. Er umschloß innig das Bild des
gekreuzigten Heilandes und verharrte eine geraume Zeit schweigend in
der Betrachtung seines Erlösers, dann sprach er mit voller und deutlich
vernehmbarer Stimme die Worte: "Jesus, Jesus, in Deine Hände empfehle
ich mich." Solcher Weise gab er seine Seele dem Schöpfer zurück im
55.Jahre seines Lebens und im 12., da er begonnon hatte, in seinem
Hospital zu Granada den Armen zu dienen."
Ganz Granada hatte an der Krankheit und am Heimgang Johannes, von Gott
Anteil genomrnen, und bei seinem letzten Weg, schien es, als ob die
Stadt versinken wollte."
Schon damals zweifelte wohl kaum jemand von den Tausenden und
Abertausenden, die seinen Leichnam umdrängten, daß man einem Heiligen
das letzte Geleit gab. Doch es sollten noch 80 Jahre vergehen, bis das
offizielle Urteil der Kirche folgte: 1630 wurde Johannes von Gott
seligund weitere 60 Jahre später heiliggesprochen.
Johannes von Gott ist, zusammen mit Camillus von Lellis, der
Schutzpatron aller Spitäler, Kranken und Krankenpfleger. Pius XII.
ernannte ihn zusätzlich zum Patron von Granada. Sein Werk der
leiblichen Barmherzigkeit lebt fort im Orden der Barmherzigen Brüder,
den seine Jünger nach seinem Tode in der Nachahmung seines Beispiels
gründeten und der sich rasch über ganz Europa verbreitete. Der Geist
aber, in dem er dieses Werk schuf, ist die ewige unerschütterliche
Wahrheit Jesu Christi, aus der heraus allein er das aussprechen und
leben konnte, was auch uns immerdar Wahlspruch und Lebensmaßstab sein
soll:
"GOTT VORAN ÜBER ALLEN DINGEN DER WELT, INDEM ICH ALLEIN AUF JESUS CHRISTUS VERTRAUE, DER DIE VOLLKOMMENE GEWISSHEIT IST."
|