UNANGEBRACHTER ÖKUMENISMUS
von
Theologieprofessor Dr.P.Severin M.Grill
SOCist, Stift Heiligenkreuz bei Wien
Nicht Unaufgeschlossenheit für die gegenwärtige Lage veranlaßt uns, auf
dem rechtgläubig katholischen Standpunkt zu verharren, sondern erste
Gewissensgrunde zwingen uns dazu. Wozu gewisse Neuerungen und all das
Nachgeben den Andersgläubigen gegenüber, wenn keinerlei Aussicht
besteht, daß sie uns auch nur ein wenig entgegenkommen? Wozu das
Nachgeben gegenüber den Protestanten und das Abrücken von der
Ostkirche, mit der wir eine mystische Frömmigkeit gemeinsam haben?
Selbst wenn es zu einer gemeinsamen Eucharistiefeier zwischen
Katholiken und Protestanten kommt (bei der sich jeder denken kann, was
er will), so bleiben noch so viele Differenzen in der Grundhaltung des
christlichen Glaubens, daß eine Wiedervereinigung nicht möglich ist.
Man denke nur an das Wort des protestantischen Bischofs May: "Solange
die Katholiken am Opfercharakter der Messe festhalten und am
Weihepriestertum bestehen, kann es eine Vereinigung mit uns nicht
geben." Möhlers "Symbolik"*), die den klaren Unterschied zwischen dem
Katholischen Glauben und dem Protestantismus zwingend herausstellt,
werden nur wenige Priester und Bischöfe gelesen haben. Dann würden sie
nicht vorschnell Tollkirschen für gute Kirschen halten und an die
Möglichkeit eines Kompromisses glauben.
Es gibt kein Gebiet der Theologie, wo dieser unheilvolle Einfluß der
protestantischen Gelehrsamkeit auf die katholische Gedankenwelt nicht
schon seit Jahrzehnten wirksam gewesen wäre. In der Bibelwissenschaft,
Dogmatik und Moral, im Kirchenrecht und in der Liturgie ist ein
allmähliches Abrücken von der katholischen Lehre geschehen bis zu dem
radikalen Bruch, wie ihn die mißbräuchliche [? - Anm.d.Red] Auslegung
des II. Vatikanums hervorgerufen hat. In der Bibelwissenschaft hat die
übertriebene Literarkritik - ein oft müßiger Streit -, welchem Autor
und welcher Zeit ein biblisches Buch oder Kapitel oder Wort zuzuweisen
sei, und neuestens die Formgeschichte sich dahin ausgewirkt, daß
wichtige theologische Aussagen der Bibel in die Ecke gedrückt oder ganz
übergangen wurden. Statt bei der patristischen Formel zu bleiben
"realiter fuerunt et aliquid significaverunt" (die Dinge sind wirklich
geschehen und sie bedeuten etwas), leugnet man unter dem Deckmantel der
Formgeschichte, der Entmythologisierung und des Kerygma das erste Glied
dieser Formel und will nur das zweite gelten lassen: den Symbolismus,
die Aussageabsicht und den Allegorismus.
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*) J.A.Möhler: Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze
der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen
Bekenntnisschriften, Mainz 1843
Die geschichtliche Glaubwürdigkeit des Alten Testamentes wird oft
solange in Zweifel gezogen, bis irgend eine außerbiblische Inschrift
das berichtete Faktum zwingend bestätigt. Messianische Weissagungen und
Vorbilder (Christus totus quoad caput et corpus = der ganze Christus in
bezug auf Haupt und Leib ist hier geweissagt oder vorbedeutet), wurden
aus der Theologie des Alten Testamentes ausgeschieden und mit einem
überlegenen Lächeln der Pastoral zugewiesen. Bernhard von Claivaux
nennt das Aufgehen in geschichtlichen und archäologischen Fragen ein
"rodere corticem", ein Benagen der Rinde, das wir den jüdischen Lehrern
überlassen können.*)
Zu einer Steigerung der Formgeschichte kam es im Neuen Testament, da
man wirkliche Werke und Worte Jesu im sogenannten Kerygma
(Verkündigung)**) von späteren Zusätzen der Apostel und einer dritten
Generation unterscheiden wollte. Damit hatte man ein Mittel in der
Hand, unbequeme Wunder und Aussprüche Jesu einer späteren Generation
zususchreiben, die als Kinder ihrer Zeit jene Wunder und Aussprüche
falsch verstanden oder sie als Einkleidung für bestimmte Aussagen
aufgefaßt wissen und als wirksamen Predigtstoff verwenden wollten.
In der Dogmatik könnes wir es jetzt erleben, daß alte Glaubensirrtümer,
die schon längst in Konzilien ad absurdum geführt worden sind, neu
aufleben und als neue Erkenntnisse propagiert werden. Der
Neo-Pelagianismus leugnet die Erbsünde und das Jüngste Gericht, weil
Gott nur barmherzig sei und es eine ewige Hölle nicht gebe. Man leugnet
die Existenz der Engel und Teufel, weil unter diesen nur die
Naturkräfte zu verstehen seien. In Wirklichkeit stehen sie als geistige
Potenzen hinter den Naturerscheinungen, um den Menschen zu nützen, bzw.
zu schaden. In der Christologie hält man es für nötig, die Frage nach
den zwei Naturen wieder zu untersuchen und sich für die menschliche
Natur zu entscheiden. "Der christliche Gedanke empfinde die
Notwendigkeit einer neuen Christologie, die über die Definition von
Chalsedon hinausgeht und das, was im Neuen Testament selbst über die
Inkarnation hinausgeht, besser erklärt." Die Linke befürchtet ein
Aufleben des Monophysitismus, die Rechte mit mehr Grund das Aufleben
des Nestorianismus.
Die seit dem Mißbrauch des II.Vatikanischen Konzils in Schwung
gekommene Unmoral macht sich unangefochten breit in der Nacktkultur und
im Sexualismus. Hier gelten die Worte des Propheten: "Weh denen, die
Böses gut und Gutes bös nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht
Finsternis machen (Is 5.20)." Schon im 2.Jahrhundert werfen Minucius
Felix und Tertullian den Heiden die Abtreibung vor: "Es gibt Frauen,
die durch Einnehmen medizinischer Getränke in ihrem Innern die
Entstehung des zukünftigen Menschen auslöschen und so einen Mord
begehen, bevor sie gebären... Es ist gleichgültig, ob man einem
Neugeborenen das Leben entreißt oder dessen Entstehung zerstört!"***)
In der Liturgie bedrückt vieles, was man aus Ökumenismus zugestehen zu
müssen scheint: Aufgabe der lateinischen Sprache, Konzelebration
(obwohl im Kanon 803 verboten), Zelebration auf einem Tisch und versus
populum wegen Hervorhebung des Mahles vor dem Opfercharakter der Messe,
die Aufbewahrung des Allerheiligsten in einer Nische oder
Seitenkapelle, modernes Orgelspiel und Jazz-Musik.
Der Österreichische Krippenfreund schrieb in seiner letzten Nummer,
Weihhachten 1971: "Es ist eine traurige Zeit, wenn man die Kirchen
nicht mehr an ihrer Bauweise erkennt, die Priester sich wie Laien
kleiden, den Tabernakel in einen Winkel verbannt, in Kinos das heilige
Meßopfer darbringt, nicht mehr die Knie beugen will vor dem ewigen
Schöpfergott, die Religion ihres Mysteriums entkleidet, die Liebe zur
Muttergottes erkalten läßt - und wenn man zugleich vom Herrgott
erwartet, daß er uns mit seinem Strafgericht verschone. Roland.
Anmerkungen:
*) Brief 106, Pl 182, 242; Claus Westermann: Probleme der
alttestamentlichen Hermeneutik, München 1960. Hubert Vorgrimmler:
Exegese und Dogmatik, Mainz 1962
**) Lesen Sie hierzu, was Dr.Hugo Maria Kellner zu diesem Thema:
Glaubensverfälschung in der katholischen Kirche durch die Irrlehrer des
"kerygma", ausgeführt hatl! EINSICHT Nr.66 September 1971, Seiten 3 bis
7; ebenso in EINSICHT Nr.3, Juni 1971, Seiten 25 bis 32; EINSICHT Nr.4,
Juli 1971, Seiten 30 bis 34. Es ist von größter Bedeutung, daß wir den
umfassenden und wohl ausgeklügelten Charakter der Strategie unserer
Feinde genau durchschauen. Erst wenn wir erkannt haben, wie gut der
Reformismus unserer Tage, ein "II.Vatikanum" und das Erscheinen eines
"Paul VI." auf dem Stuhl Petri vorbereitet wurde, werden wir uns durch
nichts mehr täuschen lassen. Anmerkung der Redaktion.
***) Op. Sel. Hurter, oeniponte 1901, p.87-88, ibidesm Hurter XIX, p. 56
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