DAS WEIB JEZABEL
von
Theologieprofessor Dr.P.Severin M.Grill
SOCist, Stift Heiligenkreuz bei Wien
In seinem Sendschreiben an Tyatira warnt der Apostel Johannes vor einer
Frau, die sich als Prophetin ausgibt, aber in Wirklichkeit die Knechte
Gottes (= die Frommen) zu Götzenopfern und zur Unzucht verführt (Offb
2,20). Er nennt diese Verführerin "Jezabel" im Hinblick auf die
alttestamentliche Jezabel, die in Israel den Baalskult einführte, der
mit Kinderopfern und Unzucht verbunden war (1 Kge 16,3).
Wir müssen leider heute so mancher Jezabel begegnen, die ihre Kinder
opfert und unbedachterweise durch die Mode zur Unzucht verführt. Sie
ist dabei ein Werkzeug Satans, der seine Netze auswirft. Es geschieht
dies kurz gesagt auf dreifache Weise, a) durch die ungewöhnliche Frisur
der Haare, die gekämmt oder ungekämmt vom Kopf herabhängen, b) durch
die schamlose Entblößung des Oberkörpers und der Beine, c) durch
aufreizende Schuhformen.
Neben der positiven Bedeutung der Haare als Schmuck der Frau gibt es
auch eine negative und pejorative, andeutungsweise schon dadurch, daß
der heilige Paulus vorschreibt, die Frauen sollen in der Kirche einen
Schleier tragen "wegen der Boten", d.h. wohl wegen des Klerus, der beim
Ansehen der Frauen und Mädchen auf schlechte Gedanken kommen könnte:.
Sir 42,12 mahnt, nicht jedem Menschen ins Gesicht zu schauen. Schärfer
ist der Hinweis darauf, daß herabhängendes Haar an die Dämonen
erinnert. Diese hausen in der Wüste und führen dort ihre Tänze auf als
"behaarte Bocksgeister" (Lv 17,7; Iœ 13,21). Wenn die Apostel schon vor
den üppigen Haarfrisuren warnen (1 Tim 2,9. 1 Petr 3,3), was würden sie
zu dieser häßlichen und entstellenden Haartracht sagen, die besonders
junge Mädchen statt der züchtigen Zöpfe tragen?
Das zweite Lockmittel zur Unzucht ist die Entblößung der Mädchen und
Frauen am Oberkörper (Brust und Arme), ja sogar der Beine und Schenkel.
"In der christlichen Vorstellungswelt ist die Nacktheit keineswegs das
Sinnbild des Unschuldszustandes, sondern vielmehr der Erbsünde und der
forterbenden Schuld der ersten Menschen. Daher verlangt die Kirche ein
keusches Vermeiden alles Nackten im Leben wie im Bilde und bildet somit
den schärfsten Gegensatz gegen das klassische Heidenthum". *) Wenn
Frauen Hosen anhaben, so widerspricht das zwar auch dem Gesetz der
Bibel, denn "das Weib soll nicht Männerkleider tragen und der Mann
keine Weiberkleider anziehen" (Dt 22,5), aber es ist das harmlos und
bei manchen Berufen vielleicht notwendig gegenüber der schamlosen
Entblößung.
Das dritte Lockmittel Satans zur Unzucht sind die verrückten
Schuhformen. Eine Frau aus dem Volke erzählte mir, sie wollte sich ein
Paar Schuhe kaufen und man bot ihr solche Dingerchen an. Da sagte sie
empört: "Sie, Schube brauche ich und nicht Spielzeug". Auch Schuhe
können verführen. Der Verfasser des Buches Judith sagt von ihnen aus:
"Ihre Schuhe berückten sein Auge, ihre Schönheit fesselte sein Gemüt"
(16,9). Isaias droht den Töchtern Zions, die gerechten Halses
einhergehen, das Gesicht geschminkt und köstliche Schuhe an den Füßen,
daß der Herr allen ihren Schmuck wegnehmen wird (Is 3,1).
*) W. Menzel, Christliche Symbolik, II, S.153, Regensburg 1854.
Nach einer syrischen Legende haben die Brüder Josefs das Verkaufsgeld
dazu verwendet, ihren Frauen und Mädchen schöne Schuhe zu kaufen. Der
hl.Ephräm greift diese Legende auf und hält eine Schuhpredigt. "Der
geschmückte Schuh ist für die Erde, die Berge trägt, eine
(unerträgliche) Last. Allen Schmuck läßt der Prophet beiseite (Am 2,6;
Is 3,2), doch den Schuh tadelt er... Wegen eines unreinen Schuhes haben
sie einen Gerechten verkauft (Am 2,6)... Jener Schuh, der tanzte beim
Gastmahl, hat das Haupt des Johannes abgeschlagen... Die Hirten
vertreiben das der Herde*) schädliche Tier, aber unsere Hirten
schleudern keinen Stein auf das Tier".
Der Talmudist Isaak b.Redifa bemerkt zu Is 3,16, indem er aus dem
Zeitwort "die Fußspangen klirren lassen" (te"akasna) das griechische
Wort "echis" (=die Schlange) heraushört: "Die Töchter Sions taten
Myrrhe und Balsam in ihre Schuhe, und wenn sie an Jünglingen
vorüberkamen, stießen sie mit den Schuhen auf den Boden und der dadurch
verbreitete Duft erregte in den Jünglingen den bösen Trieb und es
durchdrang sie das Schlangengift".**) Klemens von Alexandrien warnt:
"Bringe auf den Sohlen der Schuhe keine Liebesezenen an, die sich bei
jedem Auftreten im Spiegelbild unkeuschen Sinnes dem Erdboden
aufprägen".***) Und die syrische Didaskalia: "Bekleide dich nicht mit
schönen Kleidern und ziehe keine schönen Schuhe an".****)
Wie weit ist unsere Zeit von dieser Sittenstrenge der Urkirche
entfernt.! Wir nehmen es als selbstverständlich und gleichgültig hin,
wenn uns die Jezabele der Jetztzeit entgegentreten, wir lassen sie in
die Kirche hinein, spenden ihnen die Kommunion, obwohl wir wissen, daß
sie in all diesen Exzessen dem Modekönig mehr gehorchen als Christus,
dem König der Könige.
Anmerkungen:
*) Ausgabe Lamy II, S.340, Mechlinae 1886.
**) Die Agada der Palästinensischen Amoräer, Von W.Bacher, Straßburg 1898, 720
***) Der Erzieher II,11. PG 8, 535 (Bibl.d.Kirchenväter 1934, S.122)
****) Fleming Achelis, Texte und Untersuchungen, Leipzig 1904
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