DIE KATHOLISCHE KIRCHE
von
Univ.-Prof. Dr.Reinhard Lauth, München
I.
Zehn Jahre sind vergangen, seit das sog. 2. Vatikanische Konzil,
richtiger: die zweite Riccianische Synode in einem Klima
unbeschreiblicher Erneuerungseuphorie die Türen der Kirche aufriß, um -
dem Willen des Judas unter den Päpsten entsprechend - "frische Luft" in
das Heiligtum hereinzulassen. Man setzte voraus, daß die verbrauchte
Luft in der Kirche und die reine und sauerstoffreiche draußen in der
Welt sei. Man atmete diese "reine" Luft gierig ein und pumpte seine
Lungen damit voll - und man vergiftete sich prompt an den Gasen der
Verlogenheit, der Unreinigkeit und des Gotteshasses, die das ganze
Gebäude erfüllten.
Zehn Jahre sind seitdem vergangen und auch die Euphorie ist vergangen.
Aber am Anfang stand, wie bei allen unheilvollen Revolutionen diese
Euphorie, angeschürt von den führenden "katholischen" Publizisten, die
wie Roegele den Konzilsabstimmungen durch den Druck von der Straße die
gewünschte Richtung zu geben versuchten. Der Niederschlag dieser
Euphorie aber ist geblieben, nämlich das dumpfe "Bewußtsein" von der
Notwendigkeit und zweifellosen Rechtmäßigkeit der Reform, der durch
eine Revolution der Gesinnungsart gezeugte Wille, auf jeden Fall auf
diesem Wege fortzuschreiten und auf keinen Fall mehr in der alten
Richtung zu gehen, sollte der neue Weg auch der Weg zum Schaffot sein.
"Wir werden weitermarschieren...".
Aber die vergangenen zehn Jahre haben dennoch eine Lektion erteilt, wie
sie nachdrücklicher nicht sein könnte: der "katholische" Gedanke hat
alle seine Kraft verloren; er läuft wie ein verhungernder Köter hinter
den Konzeptionen der anderen Ideologien her und verschlingt selbst das
gierig, was diese schon wieder ausgespien haben. Die "Kirche" stellt im
öffentlichen Leben nichts anderes mehr dar als das Nachhinken der ewig
rückständigen "Christen" hinter den Fortschritten der atheistischen
Bewegungen. Das Halb- oder Dreiviertelliberalentum, der
Halbsozialismus, der Haltmaoismus und was sich sonst noch alles im
reformkatholischen Lager kundgibt, sind die florierenden Erscheinungen
an diesem Baume, der schon lange an seinen Früchten erkenntlich ist.
Was ist in dieser Situation zu erwarten? Oder fragen wir uns lieber
zunächst, um diese Frage besser beantworten zu können: Was wird in
dieser Situation erwartet?
Man kann im Großen und Ganzen zwei Hauptgruppen unter den von der
frischen Luft "Johannes" XXIII. Vergasten erkennen: die Revolutionäre
und die Reformisten und in diesen beiden Gruppen die nachfolgend
aufgezeigten Tendenzen konstatieren:
1. Hauptgruppe der Revolutionäre:
Erste Tendenz: Eine extreme
Gruppe zielt die schrittweise Umwandlung der katholischen
Kirchenorganisation in ein Organ der herrschenden Ideologieformen an,
sei es in eine Zweigorganisation der Freimaurerei, in eine
Hilfsorganisation des Sozialismus oder Kommunismus oder dergl. Wenn man
von den bewußt die Zerstörung wollenden, getarnten Propagatoren dieser
Entwicklung absieht, so hat man es hier mit Leuten zu tun, die von dem
Gedanken beseelt sind, in irgendeiner Weise das katholische
Christentum, oder besser gesagt einen Restbestand desselben, mit dieser
Art von Liberalismus oder Sozialismus verbinden zu können. Doch diese
Leute haben keinerlei geschichtliche Chance. Sie sind verdammt, immer
hinter der Entwicklung des Liberalismus, Sozialismus u.s.w. selbst
einherzuhinken und niemals mit ihrem Wissen und Gewissen ins Reine
kommen zu können. Sie können nie überzeugt sein. Denn der erste
aufmerksame Blick in die Heilige Schrift und den Denzinger*) muß ihnen
- von den unheilbaren Dummköpfen abgesehen - zeigen, daß der dort
verkündete Glaube mit ihren Vorstellungen unvereinbar ist. Und ebenso
hat ein Christentum im konsequenten Marxismus oder Liberalismus nichts
zu suchen. Die Anhänger dieser Tendenz sind unaufhebbar inkonsequent,
im Theoretischen wie im Praktischen Halblinge, die dem folgerichtigen
Gegner nicht Widerstand leisten können.
Zweite Tendenz: Hinter dieser
Gruppe steht ein verhältnismäßig kleiner, aber qualitativ potenterer
Klüngel von Utopisten. Ihr Hauptquartier dürfte sich im Jesuitenorden
befinden. Dessen Patres schauten ja schon in den letzten drei
Jahrhunderten mit großem Mißvergnügen auf konkurrierende geistige
Bewegungen wie die Freimaurerei, den Liberalismus und den Sozialismus,
die es bei weitem besser verstanden, die Massen für sich zu gewinnen,
als die Kirche. Sie waren es, die die christlichen Ideen und
Lebensformen (insbesondere auch Liturgieformen) den Vorstellungen der
zu missionierenden Völker bzw. den Auffassungen der modernen
Gesellschaft "anpassen" wollten, um größere Erfolge erzielen zu können,
und viele von ihnen haben es Pius VI. und dem Hl.Stuhl nie verziehen,
daß mit AUCTOREM FIDEI diesen Bestrebungen ein dogmatisch
verpflichtender Riegel vorgeschoben wurde. Sie haben seitdem auf
Revanche gesonnen.
Man täusche sich aber nicht in den Absichten dieser Männer. Sie suchen
keineswegs nur nach moderneren, dem heutigen Lebenestand
artgemesseneren Formen. Ihr letztes Ziel ist ein anderes: Sie
laborieren daran, eine Ideologie zu konzipieren, die der liberalen und
sozialistisch-kommunistischen den Rang ablaufen und die Massen
schließlich in ihre Hände bringen könnte. Wenn die unter
wissenschaftlicher Rücksicht erbarmungswürdigen Konzeptionen eines
Teilhard de Chardin bei diesen Leuten eine solche Bedeutung erlangen
konnten, so darum, weil sie die Chance zu bieten schienen, mit einer
überlegenen Ideologie die Massen und mit diesen die Herrschaft
zurückzugewinnen.
Natürlich ist eine solche Zielsetzung nur Personen möglich, die eine
"Großinquisitor"-Mentalität besitzen und vollbewußt bereit sind, mit
dem katholischen Glauben einen Betrug zu begehen - allerdings eine pia
fraus **) was übrigens die Sache nur noch verschlimmert, weil nur die
übelste Korruption diese beiden Begriffe vereinen kann. Welche
Erfolgsaussichten sich einem solchen Unternehmen eröffnen, bleibe
dahingestellt. Geistig gesehen haben wir es hier mit einem Betrug, d.i.
mit einem vollbewußt vertretenen, aber nach außen getarntem Widerspruch
zu tun.
Ob die Utopisten die Anpasser, oder diese schließlich jene resorbieren
werden, läßt sich nicht vorhersagen. Es hängt davon ab, welche Köpfe
aus den Reihen der Utopisten noch hervorgehen werden.
Jedenfalls werden alle diejenigen, die noch den katholischen Glauben
selbst als den Hauptgegenstand ihrer Bemühungen in der derzeitigen
katholischen Kirchenorganisation ansehen, die beiden zuvor aufgeführten
Gruppen nicht mehr als katholisch ansehen können. Was nun aber wollen
sie?
2. Hauptgruppe der Restauratoren:
Ich spreche hier, wie gesagt, nur von denjenigen Gliedern der
katholischen Kirche, denen es - bewußt oder unbewußt, das bleibt sich
hier gleich, aber tatsächlich - in ihren Bemühungen um den christlichen
Glauben selber geht, die also nicht auf eine Verwandlung in eine
liberale, sozialistische u.s.w. Ideologie mit allenfallsiger
Beibehaltung katholischer Restbestände, sondern auf eine Wahrung der
Eigenständigkeit des christlichen Glaubens ausgehen. Es handelt sich
bei den Anhängern dieser Tendenz um die zahlenmäßig stärkste Gruppe,
wenn auch vielreich nicht die qualitativ bedeutendste. Ich möchte sie
die Restauratoren nennen. Diese unterscheiden sich in zwei
Untergruppen, die Traditionalisten und die eigentlichen Reformer
(im engeren Sinne des Wortes).
Dritte Tendenz: Den
Traditionalisten***) geht es ihrer Vorstellung nach um die Bewahrung
der katholischen Kirche. Dennoch verbleiben auch sie in der derzeitigen
Kirchenorganisation, obwohl diese mit Paul VI. einen Glauben vertritt,
der nicht mehr der römischkatholische Glaube ist. Warum tun sie das?
Die Traditionalisten sind der Ansicht, daß gewisse Reformen - wenn auch
zu ihrem Leidwesen - unumgänglich sind. Sie anerkennen die Macht der
Ideen, die außerhalb der Kirche wirksam geworden sind, und sie sind der
Ansicht, daß man dieser Macht Rechnung tragen muß. Sie sind deshalb zu
bestimmten Reformen bereit, obwohl sie diese und ihre Notwendigkeit
bedauern. Nur so, glauben sie, könne die Kirche den Kampf mit jenen
Mächten bestehen. Angesichts der häretischen Praxis aber, die mit der
neuen sog. Meßordnung in der Kirche Gesetz geworden ist, kommen sie zu
dem Schluß, daß es besser sei, diese zeitweilig oder auch ständig zu
tolerieren und an ihr Teil zu haben, als "die Kirche aufzugeben".
Was aber ist sodann für sie die Kirche? In der positiven Konzeption der
Traditionalisten von der Kirche liegt die größte Gefahr. Die Kirche ist
für sie nicht mehr die katholische Wahrheit (in Glaube und Praxis)
selbst, sondern das Haus, die Organisation, die Form, die sich diese
Wahrheit geschaffen hat.
Der Fall liegt bei ihnen ganz analog wie bei den Monarchisten von 1815.
Wenn nur die Form der Monarchie bliebe, meinten sie, so könnte man auf
das Wesen der Monarchie verzichten. Diese Art von Monarchisten waren es
zufrieden, daß die Österreichisch-ungarische Monarchie an die Stelle
des Heiligen Römischen Reiches trat. Es gab ja noch immer einen Kaiser
und ein Reich, so urteilten sie, also war das Wesentliche gerettet. Daß
mit dem Wiener Frieden die Idee des Reiches aufgegeben worden war, das
leugneten sie, ja, sie gaben dem Ganzen den Schein des Gegenteils. Und
es ist ihnen tatsächlich gelungen, ein Jahrhundert lang mit diesem
Schein zu betrügen. Man kann die Opfergesinnung, die sich z.B. noch im
Ersten Weltkrieg bei den deutschen Soldaten gezeigt hat, gar nicht
verstehen, wenn man nicht sieht, daß sie gefühlsmäßig immer noch für
das Deutsche Reich als das Heilige Reich zu kämpfen glaubten. In
Wirklichkeit konnte ein Adel, der die Reichsidee verraten und dem
Untergang des Heiligen Römischen Reiches zugestimmt hatte, gar nicht
mehr Adel sein. Napoleon hatte voll und ganz recht, diese Adligen den
Revolutionären, die Karriere gemacht hatten, gleichzustellen. Und
Ludwig XVIII. blieb bei dieser Praxis.
Es gibt seitdem keine schützende Macht der Christenheit mehr, sondern
nur noch ihre egoistischen Interessen gegeneinander verfechtende
Einzelstaaten, mochten sich deren Regenten auch hier und da noch Kaiser
oder Könige nennen. Es bleibt immer einer eindringlichen Meditation
wert, den Vorgang zu verstehen, mittels dessen ein Metternich die
Gleichung eingängig machen konnte, Franz I. sei = Franz II.
Diesen Traditionalisten ist die Organisation und die Lebensform lieber
als die Idee. Wenn die Kirche nur ungefähr dasselbe Aussehen hat wie
zuvor, dann glauben sie, die Kirche bestünde auch fort, und schon
beruhigen sie sich. Sie wollen im Grunde genommen nur ihr Leben in der
ihnen lieb und bequem gewordenen Form noch zuende leben, wenn auch der
Sinn dieser Lebensweise gar nicht mehr besteht.
Natürlich können auch die Traditionalisten nicht überzeugt sein. Die
erste gewissenhafte Untersuchung muß ihnen zeigen, daß die Idee, welche
die neue Kirche vertritt, nicht mehr die alte ist. Und dann können sie
nur die Augen verschließen.
Neben diesen Traditionalisten finden wir bei denen, welchen es um die
katholische Religion geht, eine vierte Tendenz, die der Reformer im
engeren Sinne.
Diese hätten, vom Namen der Reform her gesehen, eigentlich das
alleinige Recht, zu bestimmen, was in der neuen Reformkirche gelten
soll; aber der Name Reform deckt eben nicht die unter ihm sich
vollziehende Wirklichkeit ab. Diese Reformer sind davon überzeugt, daß
die alte katholische Kirche nicht den vollen Glauben Jesu Christi
vertreten hat. Aber sie verstehen dies nicht in dem Sinne, wie es der
wahre katholische Christ verstehen muß, daß nämlich der definierte
Glaube einem lebendigen Baume gleich ist, der unbeschadet seiner schon
geformten Substanz organisch weiterwachsen muß. Sie meinen es anders.
Nach ihnen sind Teile der ehemaligen Lehre der Kirche, eventuell sogar
gewisse Aussagen der Hl.Schrift, als der Lehre Christi nicht angemessen
auszuscheiden. Sie glauben, durch den Besitz moderner
wissenschaftlicher Methoden und dank den spezifischen Lebenserfahrungen
des 20.Jahrhunderts das Christentum in seiner reinen Substanz besser
verstehen zu können als die vergangenen Inhaber des Lehramtes und als
die Apostel, ja - im Extremfalle - als Jesus selber. Sie fühlen sich
befähigt, das Falsche aus der alten Lehre auszuscheiden. Sie sind aber
nicht, wie die Glieder der revolutionären Gruppen in der
Kirchenorganisation, Apostaten, sondern sie sind nur Haeretiker, ganz
eigentlich: protestantische Christen.
Wie auch sonst immer es mit ihnen nun stehen mag, von Einem können sie
ganz gewiß nicht überzeugt sein, davon, daß ihre Konzeptionen mit der
katholischen von vor 1959 übereinstimmen. Der erste ernsthafte Blick in
den Denzinger muß ihnen zeigen, daß ihre und der ehemaligen
katholischen Kirche Lehre sich direkt widersprechen. Wenn sie dennoch
in der Kirche weiterwirken, so können auch sie das nur mit dem
Bewußtsein des Betruges am katholischen Glauben.
Es versteht sich, daß im konkreten Falle durch eine innere Inkonsequenz
in einem einzelnen der derzeitigen katholischen Kirchenorganisation
angehörenden Individuum oder einer Organisation sich diese vier
Tendenzen kombinieren können. Niemand ist es verwehrt, in seinen
"Überzeugungen" unlogisch zu sein. Nur spielt das Leben nie mit. Das
Leben wird mit ihren unlogischen Tendenzen sehr logisch verfahren, und
das heißt: ihre Folgen werden sich zeitigen; sie werden durch die
Verwirrungen in den Köpfen nicht aufgehalten.
Worauf es mir zunächst ankam, war zu zeigen, daß keine dieser Gruppen
und Tendezen mehr ein katholisches Christentum leben will und daß keine
überzeugt sein kann, den katholischen Glauben zu vertreten. Sie alle
sind inkonsequent und betrügen, andere oder sich.
Die revolutionären Gruppen sind gar keine katholischen Gruppen mehr,
ja nicht einmal christliche. Als Anhänger der neuen Ideologien
behandeln sie das katholische Gut als Mittel für die antichristliche
Revolution oder jedenfalls nur mehr als Beigut, als etwas aus dem Erbe
des verstorbenen wahren katholischen Lebens, das man in den neuen
Hausstand noch miteinbringen und übernehmen könnte, falls es sich dort
als brauchbar erweist. Die Utopisten aber bedienen sich des
"katholischen Glaubens" als eines Täuschungsmittels, durch das sie sich
der Massen zu bemächtigen vermögen. Den Traditionalisten geht es nicht
mehr um den Glauben selbst, sondern nur mehr um die Erhaltung der
katholischen Lebensform, obwohl sie wissen müssen, daß diese nicht mehr
Form des wahren katholischen Glaubens ist. Die Reformer (im engeren
Sinne) endlich befinden sich im Widerspruch zum katholischen Dogma, ja
zur Lehre Christi.
Da gegenüber diesen Hauptgruppen die den wahren katholischen Glauben in
Bekenntnis und Praxis Treugebliebenen nur mehr eine verschwindende
Mehrheit darstellen, teilt sich die heutige sog. katholische Kirche
praktisch in die vorgenannten Gruppen auf. Die heutige
"römisch-katholische Kirche" ist eine häretisch-apostatische
Konfession, die die ehemalige römisch-katholische Kirchenorganisation
in ihrer Macht hat. Was ist von dieser (Pseudo)Katholischen Kirche zu
erwarten?
In der Religion geht es um die wesentlichsten Dinge der menschlichen
Existenz. Die religiöse Einstellung muß sich in den erschütterndsten
und schwierigsten Erfahrungen meines Lebens bewähren. Früher oder
später wird sie folglich einer Probe auf Herz und Nieren ausgesetzt.
Glaubt nun wirklich jemand im Ernst, diese Stunde der Prüfung werde für
die neuen Richtungen nie kommen? Oder sie könnten in dieser Stunde der
Prüfung bestehen? Das Haus, das auf Sand gebaut ist, stürzt bei
Sturmflut ein.
Das Reich, das in sich selbst uneinig ist, geht zugrunde. Keine der
genannten Richtungen kann, wie wir gesehen haben, mit völliger
Konsequenz auftreten; in ihnen allen liegt der Widerspruch schon in den
Fundamenten, da täuscht die Fassade über das Innere des Bauwerks. Eine
Haltung, die nicht konsequent aus Einem Prinzip vertreten werden kann,
geht aber an den von außen kommenden Zerreißproben und an ihren inneren
antagonistischen Tendenzen notwendig zugrunde.
Die derzeitige "katholische Kirche" kann durch niemand aus diesen vier
Gruppen mehr mit wahrer Überzeugung vertreten werden. Sie ist deshalb
dem sicheren Untergang bestimmt. Das alte Firmenschild ist noch da,
aber drinnen wird ein ganz anderer Handel getrieben. Und die Waren
werden mittels Firmenschwindel vertreten. Die Gotteshäuser stehen noch,
aber in ihnen ist der wahre Christus nicht mehr gegenwärtig. Die
Fundamente sind ausgehöhlt und die Mauern von Sand unterspült. Diese
"Katholiken" haben keinen Fels und keine Kirche mehr.
Wohl die spezifischste Sünde unserer Zeit ist, daß man Erkenntnismittel
und Denkmöglichkeiten wie noch nie besitst - und doch nicht denkt. Weil
wir uns an das Augenblickliche halten, darum übersehen wir, was sich in
einem bereits ausgemessenen Zeitraum vollziehen wird: der völlige
Zusammenbruch des katholischen Lebens in der Welt. Wir haben keine
Christenheit mehr; wir haben nur noch eine winzige - bislang nicht
einmal organisierte - Restkirche. Was jedoch die Bedingungen des Lebens
in sich nicht enthält, kann auch nicht leben.
Hier zersetzt sich nur noch ein Kadaver. Die Würmer finden freilich in
ihm reichliche Nahrung. Aber was sich in ihm "rührt", ist nur die
Zersetzung eines gestorbenen Organismus, d.i. lebloser Materie. Der
heutige "Katholik"; das Glied dieser Kirchenorganisation, mag das in
seiner Gedankenlosigkeit für Leben halten - diese seine Meinung ändert
nichts. Wer aufgehört hat, mit ganzem Ernst zu suchen und sein Leben
auf der Wahrheit aufzubauen, der wird zum Objekt des geschichtlichen
Prozesses, in dem er steht.
Anmerkungen:
*) Denzinger-Schönmetzer: Dogmensammlung der kathol.Kirche
**) ein frommer Betrug
***) Ob und inwieweit die "Katholische Traditionalistenbewegung" (KTL)
mit den hier gekennzeichneten Traditionalisten zu identifizieren ist,
bedarf einer eigenen Untersuchung.
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