TUET BUSSE!
von
Hochw. Dr.theol.Otto Katzer
Das XX.Jahrhundert steht im Zeichen der Moral insanity (des
moralischen Wahnsinns); es scheint, daß es ganz dem moralischen
Schwachsinn, der äußersten Gemütsarmut verfallen ist. So oft stehen wir
unter dem hl.Kreuze! Von Jobs Freunden sagt Faber in seinem Buch "Der
Fuß des Kreuzes oder die Schmerzen Mariens": "Sie sahen, daß der
Schmerz sehr groß war. Sie wußten, daß Stillschweigen der beste Trost
sei. Es gab nichts, was das Herz des Trauernden so rühren konnte, als
der Umstand, daß seine Freunde das Übermaß seiner Trübsal zu würdigen
verstanden. Als sie endlich sprachen, reizten sie ihn zum Ärger. Der
Zauber ihrer tröstlichen stillen Gegenwart war dahin." Auf dem
Leidensweg und unter dem Kreuze wird wohl in der Gruppe der Mutter
Gottes kaum ein Wort gefallen sein. Deshalb hat auch die hl.Kirche, die
als Trösterin unter dem hl.Kreuze stehen will, beim Canon das Schweigen
angeordnet. Es ist ein klares Zeichen des Nichtverstehens und äußerster
Gefühlslosigkeit, wenn wir es nicht zustandebringen, so wie wir sollen,
am Leiden des Herrn teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch
die Pflicht, uns auf zwei Fragen die Antwort zu geben:
Cur Deus homo - Warum ist Gott Mensch geworden?
Cur Deus missam - Warum hat der Gottmensch das hl.Meßopfer eingesetzt?
Die Antwort auf die erste Frage lautet: Um der Gerechtigkeit Gottes die
gebührende Satisfaktion zu bringen, den Menschen zu erlösen und ihm das
Erreichen der ewigen Seligkeit zu ermöglichen, was natürlich ohne
seine, des Menschen, Mitarbeit nicht möglich ist.
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Um dem Menschen das compati,
das Mitleiden und Mitarbeiten, die Anteilnahme an Seinem Opfer zu
ermöglichen, ohne welches er von den Früchten des hl.Kreuzes nicht
genießen darf und auch die ewige Seligkeit nicht erlangen kann. Ohne
aktive Teilnahme, wenigstens in voto, gibt es für den Menschen keine
Rettung.
Betrachten wir den Heiland im Brennpunkt Seines Leidens, wie Er den
Himmel mit der Erde, zwischen Himmel und Erde am Kreuze hängend, wieder
versöhnt, und bedenken wir alle unsere eigenen Sünden, wie auch die
Sünden der Welt, die Er auf sich genommen hat. Wenn der letzte Funken
noch eines gesunden Hausverstandes in uns geblieben ist und unser Herz
nicht völlig verdorrt, müssen wir erschaudern ob auch der geringsten
Sünde!
Willst du sehen, wie die Sünde ausschaut - dann: ECCE HOMO!
Willst du wissen, was Leid ist, dann betrachte unsere Mutter!
Nicht umsonst heißt es: omne malum e clero? alles Übel kommt vom
Klerus! Dessen war sich die Kirche immer bewußt, und dies wurde ganz
besonders zu Beginn des Konzils von Trient von den Legaten des
apostolischen Stuhles betont. Das, was die Reformation ins Leben
gerufen hatte, war eben gegen die Gebote Gottes und die Anordnungen der
hl.Kirche. Wenn die hl.Kirche nur eine Frage jährlich beantwortet hätte
und ihr Urteil darüber ausgesprochen, das endgültige, unfehlbare Urteil
in Sachen des Glaubens und der Sitten, so hätten wir schon 2000
Urteile. Wie viele sind ihrer aber in Wirklichkeit: Tausende und
Abertausende! "Iam millena et millena judicia dogmatica a Sede
apostolica emanarunt" (Schon tausende und abertausende dogmatische
Urteile sind vom Apostolischen Stuhl ausgegangen), so wurde beim ersten
Vatikanum betont (Coll.Lac. VII, col. 401), von welchen allen gilt, daß
ihr Nichtbefolgen wenn nicht gerade immer Häresie, so doch stets error
gravissimus, eine überaus schwere Verirrung ist, und peccatum
gravissimum, eine überaus schwere Sünde! (ebendort col. 475. Acta et
decreta SS. Concilii Vaticani.) Doch Sünde hin, Sünde her, was hat uns
noch die Sünde zu sagen?
Im Holländischen Katechismus, Seite 257 der Deutschen Ausgabe, wird
behauptet, daß im sogenannten Ritenstreit - der heute von neuem
ausgebrochen ist - "die Missionare, die den unterlegenen Standpunkt
vertraten, gehorchten". Das ist grobe Irreführung. Den Überblick über
die ganze Angelegenheit gewinnen wir aus der Apostolischen Konstitution
des Papstes Benedikt XIV., "Ex quo singulari", gegeben zu Rom, Santa
Maria Maggiore, 11.Juli 1742, im Zweiten Jahre Unsres Pontifikats. Ein
ganzes Jahrhundert, angefangen vom Jahre 1645, mußten die Päpste mit
den "unfolgsamen und verfänglichen" Missionaren kämpfen, um sie zum
Gehorsam zu zwingen, was nur mit erneuten Exkommunikationen und
Vereidigungen auf Grund Apstolischer Gewalt möglich wurde; - daß auch
auf die Dauer-nicht, darüber können wir uns leider heute alle
überzeugen. Roma locuta (Rom hat gesprochen)? - zum Lachen, das gehört
ja der Vergangenheit an!
Im Breve "Cum maxime nobis" vom 8.August 1794 teilt Papst Pius VI. dem
Kaiser Ferdinand III. mit, daß er deshalb die apostolische Konstitution
"Auctorem fidei" herausgegeben hat, um für die Zukunft eine neue
Riccianische Synode, wie die des Bischofs von Pistoja, unmöglich zu
machen. Auch belegte er jedes positive Beachten der pistojanischen
Beschlüsse mit der Exkommunikation. ("Mit apostolischer Autorität (...)
verbieten und verdammen wir das Buch "Die Akten und Beschlüsse des
Diözesankonzils von Pistoja", wie auch alle anderen Bücher, die es oder
seine Lehre verteidigen, sowohl die geschriebenen, als auch die im
Druck herausgegebenen, als auch die was Gott vorhüten möge - , welche
noch herausgegeben werden; ebenso deren Lesung, Abschrift, Aufbewahrung
und Gebrauch verbieten und untersagen wir zugleich jedem einzelnen
Christgläubigen unter der Strafe der Exkommunikation, die sich jeder
zuwiderhandelnde schon allein durch die Tat (ipso facto) zuziehen wird."
Auch in dieser Konstitution wird die
Einführung der Landessprache in die Liturgie verworfen. (Vgl.Denz.
1533, 1566, wie schon früher 1436).
Wenn die Sünde für uns belanglos ist, was erst dann die
Exkommunikation! Wer kümmert sich heute noch darum, da die "Liebe"
wartet!
Und so sind wir so weit gekommen, wie Katharina Emmerich es angibt:
"Ich sehe, sagte sie einmal, so viele Geistliche in der
Exkommunikation, die das überhaupt nicht beachten oder, wie es scheint,
überhaupt nichts davon wissen (verschuldeterweise - Anmerkung des
Verf.). Und dennoch sind sie in der Exkommunikation, da sie sich in
Angelegenheiten hineinmischen, in Beziehungen treten oder sich an
Anschauungen halten, welche mit einer Exkommunikation belegt sind.
Solche sehe ich wie in einem Nebel, der sie von den anderen trennt. Aus
dem ist ersichtlich, wie ernst Gott die Äußerungen, Anweisungen und
Verbote des Hauptes der Kirche nimmt und ihre Geltung selbst dann
aufrecht erhält, wenn andere Menschen sich darum nicht kümmern, sie
leugnen und sich darüber lustig machen." (Schmöger, Arbeiten und Leiden
der ehrw. Katharina Emmerich für die Kirche...)
Eine schaurige Vision der hl.Birgitta soll uns die Tatsache etwas zu
Gemüte bringen. Buch IV, Kapitel 99: "Die Mutter spricht. Zu jener Zeit
litt mein SOHN, indem er sich zum herannahenden Verräter Judas neigte,
da er klein von Gestalt war, und ihn küßte, mit den Worten: Freund,
wozu bist du gekommen. Und sofort ergriffen Ihn die anderen, zogen Ihn
beim Bart und andere entehrten Ihn, indem sie Ihn bespuckten. Darauf
sprach mein Sohn: Ich werde betrachtet wie ein Wurm, der wie tot im
Winter daniederliegt, welchen Vorübergehende bespucken und auf seinen
Rücken treten. Das taten mir heute die Juden an, als wäre ich ein Wurm,
da ich von ihnen als Verächtlichster und Unwürdigster verurteilt wurde.
So verachten mich aber auch die Christen, da sie all das, was ich aus
Liebe zu ihnen getan und gelitten habe, als eine Nichtigkeit
betrachten. Sie treten gleichsam auf meinem Rücken herum, indem sie
Menschen mehr fürchten und verehren als mich, ihren Gott, wenn sie
meine Gerechtigkeit geringschätzen und nach eigenem Gutdünken die Zeit
und Art meines Erbarmens bestimmen. Sie schlagen mich gleichsam in die
Zähne, wenn sie, obwohl sie meine Gebote vernommen haben und von meinem
Leiden erfahren haben, sagen: Machen wir jetzt, was uns gefällt, und
dennoch werden wir die himmlischen Güter erreichen. Wenn uns Gott hätte
verwerfen wollen oder für die Ewigkeit strafen wollen, so hätte er uns
nicht erschaffen und nicht so bitter erlöst. So werden sie aber meine
Gerechtigkeit verspüren; denn wie das geringste Gut nicht unbelohnt
bleibt, so bleibt auch die geringste Schlechtigkeit nicht unbestraft.
Sie verachten mich auch, als ob sie auf mich treten würden, wenn sie
die Urteile der Kirche nicht beachten, nämlich die Exkommunikationen.
So werden auch sie, wie die anderen dem Exkommunizierten öffentlich aus
dem Wege gehn, von mir getrennt, da die Exkommunikation, wenn sie
bekannt ist und verachtet wird, mehr schadet als das leibliche Schwert.
So will auch ich, der ich einem Wurm ähnlich betrachtet werde,
auferstehen zu meinem schrecklichen Gericht. Und ich komme so
furchtbar, daß die, welche mich sehen werden, zu den Bergen rufen
werden: Fallet über uns vor dem Angesicht des Herrn!"
Die Einführung der Landessprache war keine rein dissiplinäre
Angelegenheit, wenn auch nur als beschränktes Privilegium, aber eine
Angelegenheit ersten Ranges, ganz besonders bei der chinesischen
Sprache. Als Papst Paul V. durch ein Breve vom 27.Juni 1615 den
Gebrauch der chinesischen Sprache, als Privileg, gestattete, wurde
diese dennoch nicht eingeführt; denn die Erlaubnis gestattete, dem
Tridentinum entsprechend, nicht die gewöhnliche Volkssprache, sondern
die Gelehrtensprache, was den sie anfordernden Missionaren nicht
zureichend war.
Den Hintergrund all dieser unbesonnenen Bestrebungen bildet ein Angriff
auf die dominierende Stellung Roms. Auch ist dies als ein peccatum
contra Spiritum Sanctum zu betrachten, da es eine Entwertung des
sakralen Textes der Vulgata bildet, welche den inspirierten Text
unfehlbar darbietet. Ferner wird so ein unter Leitung des Heiligen
Geistes gefälltes Urteil angezweifelt und zuletzt übergangen. Es ist
nicht unsere Aufgabe, hier erneut zu betonen, daß dieses Urteil selbst
den verpflichtet, der es ausgesprochen hat, umso mehr irgendeinen
seiner Nachfolger! Es handelt sich nicht um die lateinischeSprache als
solche, sonder um den inspirierten Text, welchen sie überliefert, und
um seine Gewährleistung durch eine nicht-völkische Sprache, was die
Übersetzungen anbelangt, soweit sie in den Gottesdienst zugelassen
werden. Die Reinheit des Glaubens ist Ursache und Ziel.
Der falsche Ökumenismus ist eine weitere Sünde gegen den Heiligen
Geist, und zwar eine besonders schwere. Es wurde schon klar gesagt, daß
wir es einzig und allein der Gnade Gottes zu verdanken haben, daß diese
Welt noch überhaupt besteht . Doch was sagt uns das Wort "Gnade"? Wenn
ich vor der Kirche, vor den sie nach der heiligen Messe verlassenden
Gläubigen, das Wort "Schnitzel" aussprechen würde, so würden bei den
meisten, auf Grund des bedingten Reflexes, die Speicheldrüsen zu
arbeiten beginnen. Spreche ich aber das Wort "Gnade" aus, dann
geschieht nichts, deshalb nichts, weil wir zwar das Schnitzel erlebt
haben, meistens nicht aber die Gnade. Wer weiß denn auch nur ein ganz
klein wenig von ihren Herrlichkeiten?
Die all-einzige Quelle der Gnade Gottes ist nun das alllerheiligste
Kreuzesopfer. Seine Abschaffung, wie sie durch den Protestantismus
zustande gekommen ist, war die ganze Welt in eine unheimliche
Verarmung, was die Gnade Gottes betrifft. Wo ist da die Reue - wo kann
sie sein, wenn der Glaube fehlt? Fehlt aber der Glaube, wie kann man da
von Ökumenismus sprechen? So bemerkt schon der hl.Augustinus: "Möge die
Wand des Irrtums fallen, so werden wir eins sein, erkenne mich als
Bruder, dann werde auch ich dich als Bruder erkennen, jedoch ohne
Irrtum, ohne Meinungsverschiedenheit." (S.Augustini sermo secundus de
laude pacis). Ist nicht die ganze heilige Schrift Wort Gottes? Warum
nehmen wir uns die Mahnung des hl.Paulus nicht zu Herzen: "Zieht nicht
an einem Joch mit den Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und
Gottlosigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis
gemeinsam? (2 Kor. 6, 14-15) Ist nicht das allerheiligste
Altarssakrament das LICHT? Verstecken wir etwa deshalb das LICHT, damit
uns die Finsternis des Unglaubens einigen kann? Wer wäre dann der
Hirte? Nicht etwa der Fürst der Finsternis???
Falscher Fortschritt ist es, der uns beschleunigend in das Verderben
stürzt. Wir haben bereits betont, daß unser Ziel nie ein Wissen an sich
sein darf, sondern stets ein Wissen, welches in Gott eingebaut ist und
so fähig, dem Menschen auch hier auf Erden von Nutzen zu sein, wie der
Heiland selbst uns mahnt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit, und alles andere wird euch hinzugegeben werden." (Matth.
6,33)
Die Leistung einer Krebszelle ist enorm, wer könnte das bezweifeln? Nun
gereicht aber diese Glanzleistung dem Organismus nicht zum Guten,
sondern stürzt ihn ins Verderben. Diese Zellen sind nicht harmonisch in
die Ganzheit des Organismus eingebaut, sondern wachsen auf eigene
Faust, ganz im Geiste des "non serviam" (ich werde nicht dienen) der
rebellischen Engel. So sind sicher die Reisen auf den Mond
Glanzleistungen, haben wir aber die dazu notwendige Zeit und Energie
nicht wichtigeren Aufgaben entwendet? Einst sagte mir ein altes
Mütterlein, welches ich im Wald traf, die kaum eine einklassige
Volksschule besucht hatte, mit Bezug auf diese Versuche: "Möchten sie
doch den Mond in Ruhe lassen und lieber Ordnung auf der Erde machen!"
Wie wahr sind diese Worte! Wahrlich, was hilflos uns, wenn wir auf den
Mond fliegen können, nicht aber gehn auf dieser Erde auf dem Weg, der
Christus is! Wir klagen um das Schicksal so mancher Völker, welche fast
millionenweise Hunger und Schwert vernichten. Würden wir nur einen
geringen Teil dessen, was wir gegen den Willen Gottes gebrauchen, zu
ihrer Rettung verwenden, dann müßten sie nicht so schrecklich leiden
und kämen zur Überzeugung, daß der Mensch dem Menschen wirklich nicht
zum Wolfe geworden ist! Sind unsere Werke nicht richtig in Gott, den
Nächsten und die ganze Umwelt eingebaut, dann werden sie zum Fluch und
nicht zum Segen!
"Gott hat von Anfang den iVienschen geschaffen und ihm freie Wahl
gogeben. Er gab dazu seine Gebote und Gesetze. Willst du seine Gebote
halten und immer gläubig sein nach seinem Wohlgefallen, so wirst du
auch bewahrt. Er hat dir Feuer und Wasser vorgelegt, strecke deine Hand
aus nach dem, was du willst!" (Sirach 15?15-17)
Was wird da nun auf der Welt herumphilosophiert, ob es ein
Privateigentum gibt oder nicht gibt, und wenn, wieviel jemand eignen
darf. Die Aufgabe des Priesters ist es, darauf hinzuweisen, daß es
letztlich überhaupt kein Privateigentum gibt, mit dem man umgehen
könnte, wie man wollte; denn so spricht der Herr, unser Gott: "Mir
gehört das Land. Ihr seid ja nur Fremdlinge und Beisassen bei mir."(Lev
25,23) Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie viel jemand besitzt,
wohl aber darauf, wie er zu diesem Eigentum gekommen ist und wozu er es
gebraucht, ob in Einklang mit den Geboten Gottes, ganz besonders dem
Gebote der Liebe. Nie dürfen wir vergessen, daß alles, was wir an Leib
und Seele, an natürlichen und übernatürlichen Werten besitzen, nur Gabe
Gottes ist, und wir alles wieder zurückerstatten müssen in jener
Vollkommenheit, in welcher es uns verliehen wurde, zugleich mit dem,
was wir mit Hilfe der anvertrauten Gaben erwerben konnten und sollten,
wie aus dem Gleichnis von den Talenten ersichtlich ist. Wer von uns,
der in sein Leben zurückblickt, kann dies ohne tiefste Unruhe in der
Seele tun, wer hat Gott so gedient, wie er hätte können und sollen?
Wir alle haben uns schwer versündigt durch Undankbarkeit gegen Gott
Vater, der uns geschaffen und so reichlich ausgestattet hat; Gott Sohn
gegenüber, der uns durch sein Leben, Leiden und Tod erlöst hat, gegen
den Heiligen Geist, der uns geheiligt hat und immer mehr heiligen will.
Wie oft haben wir die Worte gehört: "Seht das Lamm Gottes, das
hinwegnimmt die Sünden der Welt!" (Joh 1,29), wozu der gelehrte
Karmelite Sylveira bemerkt: "Johannes der Täufer sagt nicht, daß das
Lamm etwa Krankheiten des Körpers hinwegnehme, noch Beschwerden des
Fleisches, aber die Sünde, welche eine Krankheit der Seele ist, eine
Schädigung des Geistes. Das Lamm konnte zwar die Krankheiten wegnehmen
und alles andere Elend, nun aber ist die Sünde das einzige Übel und
alle anderen sind im Vergleich mit ihr nichts."
In diesem Zusammenhang sehen wir auch, zu welcher Verkehrtheit der
Werte wir angekommen sind, da das geringste körperliche Übel uns mehr
beunruhigt als die Sünde. Selten wird der Seelenschmerz wegen einer
Sünde die Stärke auch nur des geringsten körperlichen Schmerzes
erreicht haben! Gerade umgekehrt war es beim Heiland. Die geringste
Sünde verursachte Ihm einen größeren Schmerz als das gesamte
körperliche Leiden am Kreuze. Was sagt uns dazu unser Gewissen? "Lasset
uns doch keine anderen Übel mehr in der Welt anerkennen, als die Sünde
allein!" mahnt uns der heilige Augustinus (Psalm 138), "kein anderes
Gut anstreben als Gott zu erlangen und zu dem hingatührt zu werden, was
Er uns verspricht.... Weder macht uns das Glück dieser Welt selig, noch
seine Widerwärtigkeiten unglücklich."
Ja, wir müssen mit dem hl.Johannes Chrysostomus sogar sagen: "Wenn auch
viele behaupten, daß die Hölle das größte aller Übel ist und auch das
letzte, so nehme ich dennoch an und predige, daß es viel bitterer ist,
Christus zu beleidigen, als von dem Übel der Hölle geplagt zu werden.
Ich ermahne euch und bitte, einig mit mir in dieser Sache zu sein."
(Hom.37 in Matth 10). Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn wir
durch andauernde Kontemplation uns mit der Hilfe von Oben zur
Erkenntnis der Erhabenheit Christi und Seiner jungfräulichen Mutter wie
des ganzen Himmels durchgearbeitet haben. Mögen wir doch endlich einmal
ein wirklich aktives Leben führenl! "Wenn wir Christus so lieben
würden", bemerkt der hl.Johannes Chr. an einem anderen Orte (Sermo 5 in
cap.2 ad Rom.), "so würden wir es schon anerkennen, daß es
schwerwiegender ist, Christus den Geliebten zu beleidigen, als die
Hölle zu erleben."
Nicht nur aber, daß wir uns gegen die allerheiligste Dreifaltigkeit
vergehen, in der Sünde vergehen wir uns gegen uns selbst und werden uns
selbst zur Strafe, wie der hl.Augustinus bemerkt: "Du, O Gott, hast
eben so anbefohlen, und so ist dem auch, daß ein jeder ungeordnete
Geist sich selbst zur Strafe wird." (Confess.I,12) Dabei aber dürfen
wir nicht außer acht lassen, daß dies eine Beschädigung der uns von
Gott anvertrauten Substanz ist, für welche wir uns ebenfalls werden
verantworten müssen. Niemand ist sein eigenes Eigentum, wie wir bereits
betont haben, niemand darf das Ebenbild Gottes, zu dem er geschaffen
wurde, zu einer Fratze verzerren.
Die Sünden werden von den Vätern mit Dornen verglichen, welche, indem
sie uns zur Lust ziehen, stechend die Seele wie zerreißen. (Vgl.
Hl.Gregor, Mor.I, 10,12) "Ja", bemerkt der hl.Gregor an einer anderen
Stelle, "die Sünde ist eine Wunde der Seele, von welcher der Prophet
Isaias sagt: "Wohin soll ich euch noch schlagen, wenn ihr Sünde auf
Sünde häufet? Das ganze Haupt ist krankt das ganze Herz betrübt. Von
der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm, sondern
Wunden, Striemen, hohe Beulen die nicht verbunden, nicht mit
Heilmitteln versehen, nicht mit Öl gelindert sind." (1,5-7)
Wie bitter kommt uns im Leben so manches vor, wie selten aber verspüren
wir, wie bitter die Sünde ist, bitter für Christus und Seine heiligste
Mutter, bitter aber auch für uns. Ist denn die Sünde nicht eine
"Wurzel, die Gift und Wermut sprößt"? (Deut. 29,17) Gilt es da nicht,
ob der Gewissenebisse, die früher oder später eintreten müssen, und je
später umso beißender; und das, was der Prophet Isaias sagt: "Bitter
ist den Zechern der Trank"? Wenn wir es auch nicht zulassen wollen,
weil unsere Eitelkeit und Eigenliebe es fordert, daß wir bitter
enttäuscht sind ob des "neuen Frühlings" in der Kirche, und daß unser
so hinausposaunter Fortschritt, zu einem Schreckgespenst geworden ist,
wie auch daß die Früchte unserer Sünden wirklich bitter schmecken, so
gelten dennoch die Worte der Sprüche: "Ihr End' ist bitter wie Wermut
und scharf wie ein zweischneidiges Schwert." (5-4), da wir durch alles
hindurch den Hauch der Vergänglichkeit verspüren müssen und ab und zu
mit dem Buch Sirach sagen müssen: "O Tod, wie bitter ist dein Andenken
dem Menschen, der sein Glück in seinem Vermögen findet!" (41,1) Wenn
auch solche Menschen ein weiteres Fortleben nicht annehmen, ruft ihnen
dennoch das Gewissen zu: "Deine Bosheit wird dich anklagen und deine
Entfernung von mir dich schelten. Du sollst inne werden und einsehen,
wie böse und bitter es ist, daß du den Herrn, deinen Gott verlassen und
die Furcht vor mir nimmer bei dir ist, spricht Gott, der Herr der
Heerscharen." (Jerem. 2,19) Was bleibt uns da anderes übrig, als uns
vor Gott, jetzt unserem gerechten Richter zu neigen und mit dem
Propheten zu sagen: "Ich will vor dir alle meine Jahre überdenken in
der Bitterkeit meiner Seele." (Is. 38,18)
Wer kann uns das Leben mehr vergiften, als wir selbst es tun! Gelten da
nicht etwa auch von uns die Worte der Geheimen Offenbarung vom
sündhaften Weibe: "In ihrer Hand hielt sie einen goldenen Becher voll
ihrer greulichen schmutzigen Buhlerei." (17,5) Dazu bemerkt der
hl.Bonaventura, daß alle die, welche von der Schönheit und Lieblichkeit
der Geschöpfe zur Sünde verführt werden, gleichsam aus goldenen Gefäßen
Gift trinken. (Sermo 2, Dom.3, Pent.)
Schlangenbiß ist die Sünde, sagt der hl.Rupert, von welchen die
Menschen geplagt werden, seitdem der erste Mensch von der Schlange, dem
Teufel, zur Sünde verleitet wurde.
Nach alter indischer Symbolik ist die Schlange Symbol der göttlichen
Gerechtigkeit, und es ist sicher nicht Zufall, daß der böse Geist die
Gestalt einer Schlange annahm und hiermit die Gerechtigkeit Gottes dem
Menschen vorgaukelte. Lautet doch die Versuchung: Ihr selbst werdet
dekretieren, was gut und böse ist, also an der Allwissenheit Gottes
teilnehmen. Wie verlockend mußte diese Versuchung sein, wie verlockend
ist diese Versuchung auch heute noch, da wir fast ausschließlich alle
ohne Gott wie Gott sein wollen. Zum Herrschen bestimmt, ließ sich der
Mensch dazu verführen, Alleinherrscher zu werden - mußte aber den
Schlangenbiß verspüren und wäre für die ganze Ewigkeit gestorben, wenn
Gott selbst nicht Mensch geworden wäre und am Kreuze das Gift an Seinem
heiligsten Leibe nicht hätte auswirken lassen. Und so wie einst der
fromme Blick auf die eherne Schlange in der Wüste den von den Schlangen
gebissenen zur Rettung war, ist auch uns zur Rettung der Blick auf das
hl.Kreuz, an dem die GERECHTIGKEIT selbst sich der Gerechtigkeit Gottes
als Sühnopfer dargebracht hat.
Wie leicht geben wir nun vergänglichen Dingen den Vorrang und handeln
zu unserem eigenen zeitlichen und ewigen Schaden gerade dem Geiste des
Evangeliums entgegengesetzt. Der hl.Chrysostomus vergleicht die Seele,
die den Sünden verfallen ist, mit einem Garten im Winter, ja einem noch
viel schlimmeren, da hier weder Frost noch Regen einsetzt, Schlamm sich
bildet, tiefer Sumpf, sondern nooh etwas viel Schlimmeres; dieser
Winter gebiert die Hölle und Höllenqualen. Und wie bei starkem Frost
die Glieder gefrieren und tot sind, so kommt während des Schauders des
Winters der Sünde die Seele nicht mehr ihren Verpflichtungen nach, da
das Gewissen wie lahmgelegt ist ob des eisigen Winters der
Sündhaftigkeit. (Vgl. Hom. 7 in 2 Cor. 3)
In Anbetracht dessen wollen wir mit dem Psalmisten rufen:"Erbarme dich
meiner, o Gott! nach deiner großen Barmherzigkeit; und nach der Menge
deiner Erbarmnisse, tilge meine Missetat... Wende ab dein Angesicht von
meinen Sünden; und alle meine Missetaten tilge!
Ein reines Herz erschaff in mir, o Gott! und den rechten Geist erneuere in meinem Innern!"
(Psalm 50)
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