DIE SONDERBARE KONZILSLOGIK
von
Walter W. E. Dettmann
Bekannt ist das Wort: "Man kann alle Leute einige Zeit und einige Leute
alle Zeit, aber nicht alle Leute alle Zeit zum Besten halten." Dieses
Wort kann man auch hinsichtlich der Liturgiekonstitution des Zweiten
Vatikanischen Konzils sagen.
Die Logik in diesem Dokument ist derartig, daß man meinen könnte, die
Konzilsbischöfe hätten sämtliche Katholiken der ganzen Erde für immer
zum Besten halten wollen.
Der zweite Absatz im Vorwort der Liturgiekonstitution lautet: "In der
Liturgie, besonders im heiligen Opfer der Eucharistie vollzieht sich
das Werk unserer Erlösung, und so trägt sie in höchstem Maße dazu bei,
daß das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums
Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird, der es
eigen ist, zugleich göttlich und menschlich zu sein, sichtbar und mit
unsichtbaren Gütern ausgestattet, voll Eifer der Tätigkeit hingegeben
und doch frei für die Beschauung, in der Welt zugegen und doch
unterwegs; und zwar so, daß dabei das Menschliche auf das Göttliche
hingeordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das
Unsichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung, das Gegenwärtige auf die
künftige Stadt, die wir suchen. Dabei baut die Liturgie täglich die,
welche drinnen sind, zum heiligen Tempel im Herrn auf, zur Wohnung
Gottes im Geist bis zum Maße des Vollalters Christi. Zugleich stärkt
sie wunderbar deren Kräfte, daß sie Christus verkünden. So stellt sie
denen, die draußen sind, die Kirche vor Augen als Zeichen, das
aufgerichtet ist unter den Völkern. Unter diesem sollen sich die
zerstreuten Söhne Gottes zur Einheit sammeln, bis eine Herde und ein
Hirt wird."
Als diese Sätze geschrieben und vom Konzil bestätigt wurden, stand die
äußere Form des heiligen Meßopfers in der römisch-katholischen Kirche
fast an allen Orten noch völlig unangetastet da. Außerdem mußte
Jedermann denken, daß es nach solchen Worten so bleiben werde, und daß
auch in Zukuntt durch das heilige Meßopfer, denen, die draußen sind,
die Kirche als Zeichen vor Augen gestellt ist, das aufgerichtet ist
unter den Völkern".
Gerade weil am Anfang des Konzils die heilige Messe noch unverändert
gefeiert wurde, konnte auch der ungeheure Gegensatz nicht bemerkt
werden, der zwischen den oben angeführten Worten und ihrer Fortsetzung
im dritten Absatz des Vorwortes besteht. Es heißt nämlich unmittelbar
nach den oben angeführten Worten: "Darum beschließt das Heilige Konzil,
für die Förderung und Erneuerung der Liturgie folgende Grundsätze ins
Gedächtnis zu rufen und praktische Richtlinien aufzustellen ..."
Heute, sechs Jahre nach dem Konzil, kann niemand mehr leugnen, daß die
Wörter "Förderung und Erneuerung" gleichbedeutend sind mit radikaler
Änderung , ja sogar Zerstörung der Liturgie.
Die sonderbare Logik der Konzilsbischöfe bestand also darin, daß sie
zuerst die alte heilige Messe in hohen Worten lobten und "Darum" die
angebliche Erneuerung, besser gesagt, die radikale Änderung der
heiligen Messe beschlossen.
So etwas Verdrehtes und Vertracktes wie die Liturgiekonstitution des
zweiten Vatikanischen Konzils hat die Menschheit von der Katholischen
Kirche in zweitausend Jahren noch nicht erlebt.
Die Konzilsbischöfe sagten:
"Die Liturgie der hl. Messe war gut, darum muß jetzt die Antwort auf
die Katechismusfrage "Was ist die hl.Messe?" geändert werden."
"Die Liturgie der heiligen Messe war gut, darum muß der Tabernakel vom Altar verschwinden."
Die Liturgie der heiligen Messe war gut, darum weg mit der Monstranz!"
"Die Liturgie der heiligen Messe war gut, darum werden alle
Kniebeugungen abgeschafft und darum wird die Abschaffung aller
Kniebänke vorbereitet."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum muß die Opferung so abgeschafft werden, daß das Volk nichts merkt."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum müssen die Wandlungsworte geändert und gefälscht werden."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum fallen alle Betstunden und alle Predigten über das heiligste Altarssakrament."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum wird die lateinische Sprache abgeschafft."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum werden die Heiligen im Kanon nicht mehr genannt."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum werden alle Gebete, alle Lesungen und alle Evangelien geändert."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum werden alle Heiligenfeste verlegt oder abgeschafft."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum müssen alle Kreuzeszeichen über dem heiligen Opfer abgeschafft werden."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum dürfen Priester und Volk
nicht mehr nach Osten, sondern müssen sich gegenseitig anschauen."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum dürfen keine alten Lieder mehr gesungen werden."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum darf der alte heilige Choral nicht mehr gesungen werden."
"Die Liturgie der hl.Messe war gut, darum darf kein levitiertes Hochamt mehr gehalten werden."
"Die Liturgie der hl.Messe ist gut, darum wird eine Blankovollmacht gegeben, um sie beliebig zu ändern."
"Die Opferliturgie der hl.Messe ist gut, darum muß sie so unklar und so undeutlich wie möglich gemacht werden."
"Die Liturgie der hl.Messe ist gut, darum muß man dafür Verständnis haben, sie der neuen Zeit anzupassen."
"Die Liturgie der hl.Messe ist gut, darum darf sie in Zukunft nur noch
von hochbetagten Geistlichen praktiziert werden, aber nicht in
Gegenwart des Volkes."
Was würden die Konzilsbischöfe sagen, wenn es auf einmal hieße: "Die
Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils ist gut, darum
werden ihre Urheber abgesetzt und exkommuniziert"?
Tatsächlich wird aber einmal der Tag kommen, an dem es heißt: "Die
Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils ist schlecht.
Darum weg mit ihren Urhebern!" Es wird heißen: Die Liturgiekonstitution
des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Quelle der Unklarheit und des
Unglaubens und des Abfalls von allem Guten: Darum ins Feuer mit ihr und
- falls diese nicht Buße tun - mit ihren Urhebern!
Jene Geistlichen, die heute noch die Liturgiekonstitution verteidigen
oder gar loben, machen sich entweder der bewußten Irreführung schuldig
oder es fehlt ihnen am nötigen Hausverstand.
Wenn die mangelnde Logik der Liturgiekonstitution bloß ein gewöhnlicher
Schönheitsfehler wäre, so wäre dies bei einer Versammlung von
zweitausend Kirchenfürsten mit Doktorgraden in Philosophie (Logik!) und
Theologie schon etwas Ungeheuerliches. Aber es handelt sich nicht nur
um einen bedauerlichen Schönheitsfehler, sondern zugleich um einen
riesigen Pferdefuß, das heißt um ein unvorstellbares Maß von Hinterlist.
Dreihundert Millionen Katholiken auf der gesamten Erde wollte man
irreführen und im wahrsten Sinne des Wortes unversehens überrumpeln.
Die Katholiken der ganzen Erde wollte man von jenen Richtlinien und
Weisungen abbringen, die wenige Jahre vor dem Zweiten Vatikanischen
Konzil von Papst Pius XII. eigene eingeschärft worden waren, siehe das
Rundschreiben "Mediator Dei" über die heilige Liturgie vom 20. November
1947.
Gegenüber diesem Rundschreiben ist die Liturgiekonstitution des Zweiten
Vatikanischen Konzils in keiner Weise eine "Erneuerung", wie fälschlich
behauptet wird, sondern ein Angriff auf Papst Pius XII. Dieser Papst
hätte das Wort "Erneuerung" in dem Sinne, wie es Montini gebraucht, mit
Entrüstung von sich gewiesen.
Wer akademisch geschult sein will und dies nicht begreift, der ist viel zu rückständig, um katholisch zu sein.
Die beiden Dokumente, nämlich das Rundschreiben "Mediator Dei" und die
Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, sind einander
entgegengesetzt wie Tag und Nacht. Sie vertragen sich so wenig wie
Feuer und Wasser.
Darum bedurfte es nicht nur der List eines einzigen Mannes wie Montini,
sondern es war eine verschworene Schar von vielen Kardinälen, Bischöfen
und anderen Mittätern erforderlich. Diese schläferten zuerst mit einem
breit und allgemein gehaltenen Lob der Meßliturgie die Aufmerksamkeit
der Gläubigen ein, um danach auf Grund einer Blankovollmacht dieselbe
Meßliturgie, die man gelobt hatte, zu zerstören.
Und ein derart unaufrichtiges Handeln nennt Montini immer wieder
"Erneuerung" des christlichen Geistes! Lassen wir den Dingen ruhig
ihren Lauf. Die Rechnung Montinis und der Konzilsbischöfe kann auf
keinen Fall aufgehen. Denn man kann zwar alle Leute einige Zeit und
einige Leute alle Zeit, aber niemals alle Leute alle Zeit zum Besten
halten.
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