QUELLEN DER GLAUBENSLEHRE
von
Dr.theol.Otto Katzer
Es mag sein, daß aus der Kindheit noch manche Antwort auf Fragen aus
dem Katechismus nachklingt. Eine der ersten Fragen lautete: Was heißt
"christlich glauben"? Die Antwort: "Christlich glauben" heißt alles für
wahr halten, was Gott geoffenbart hat und durch die katholische Kirche
zum Glauben vorstellt.
Die Offenbarung Gottes ist es also, wie sie in der Lehre der heiligen
Kirche vorgetragen wird, woraus die Glaubenslehre besteht. Allerdings,
wie aus dem Namen selbst ersichtlich ist, reicht diese in das Gebiet
des Übernatürlichen, wo ihr Ursprung ist, und weil sie alles mit den
Augen des Glaubens betrachtet. Sollte der Glaube erlöschen, so wäre
das, was wir vor uns hätten, einer Leiche gleich, die uns nichts mehr
sagen kann. Infolgedessen betont der Papst Leo XIII. in seiner
Enzyklika "Providentissimus Deus", daß "wie gelehrt auch die religiösen
Arbeiten von Nichtkatholiken sein mögen, es notwendig ist, ihre Werke
mit äußerster Vorsicht zu lesen"; Einfache Gläubige sollten sie lieber
überhaupt nicht benützen, denn letztlich können sie nicht führen,
sondern nur verführen. An rechtgläubiger Literatur besitzt ein jeder so
viel, daß er sie nicht bearbeiten kann. In dieser Bemerkung könnte man
eine Einschränkung der persönlichen Freiheit sehen, der
Forschungsfreiheit, es sei jedoch ein Vergleich gestattet. "Am 20.
Oktober besuchte Tschaikowskij das Alexander-Theater. Nach der
Vorstellung war er mit Wladimir und einigen jungen Leuten im Restaurant
Leiner zusammen. ... Tschaikowskij verlangte ein Glas Newa-Wasser. Der
Kellner erwiderte verwundert, daß nur Mineralwasser
verabreicht würde, da zur Zeit wieder die Cholera herrsche. Darauf
schrie ihn Peter Iljitsch zum Erstaunen der übrigen Anwesenden in
heftigster Erregung an, er solle gehorchen und sich beeilen. Da trank
er das Glas in einem Zuge aus. Am anderen Morgen erkrankte er unter
verdächtigen Erscheinungen. Die Konsultierung eines Arztes lehnte er
wiederholt hartnäckig ab. Als sie nach einigen Tagen dennoch zugelassen
wurden, war es zu spät. Am 24. Oktober (nach unserer Rechnung am 6.
November) befand er sich nicht mehr unter den Lebenden."(Tschajkowskij,
von Richard Stein).
Warum wollen auch wir nicht gehorchen, wenn uns die um unser Heil so
sehr besorgte Mutter, die hl. Kirche, dieses oder jenes verbietet oder
nicht empfiehlt. Hat denn eine Mutter nicht das Recht und die Pflicht,
ihre Kinder zu warnen? Wenn wir es nun ablehnen, uns ihren
Entscheidungen zu unterwerfen, so ist es ein klarer Beweis unseres
Mißtrauens; die Folgen zeigen sich leider bald auch hier.
Da die Glaubenslehre im Übernatürlichen verankert ist, kann sie exakten
Wissenschaften nicht unterworfen sein, da sie sicherer als diese ist.
Infolgedessen muß sie in ihnen untergebene Kräfte sehen. Die
Wirklichkeit, daß wir übernatürliche Wahrheiten viel mühsamer
durchdringen als natürliche, liegt in der Unvollkommenheit der
menschlichen Natur. Schon Aristoteles betont in seiner Metaphysik (II,
1), wie schwer es ist, sich zur Betrachtung der Wahrheit
durchzudringen. Die Ursache liegt in uns, denn "so wie sich das Gesicht
der Fledermaus dem Tageslicht gegenüber verhält, verhält sich der
Intellekt der Seele zu dem, was von allem am klarsten ist." Um so mehr
muß es dort stattfinden, wo die Vernunft vom Glanze des Glaubens
geblendet ist. "Wer die Majestät erforscht, wird von der Herrlichkeit
erdrückt." (Sprüche 25,27) Aber auch in den exakten Wissenschaften
müssen wir uns der Tatsache bewußt werden, daß mit einer jeden neuen
Erkenntnis sich das Gebiet des noch Unbekannten in geometrischer Reihe
erweitert, so daß wir damit rechnen müssen, wie schon am
X.Internationalen Philosophenkongress in Amsterdam der verstorbene
Philosoph Julien Benda bemerkt hat, daß wir eines Tages an die Grenze
der Faßbarkeit ankommen werden. Wer müßte da nicht, wenn wir Gott als
das Ziel unserer Erkenntnis gesetzt haben, an die Worte des Psalmisten
denken: "Gewölk und Finsternis ist um ihn her; auf Recht und
Gerechtigkeit ist zugerichtet sein Stuhl." (96,2).
Das erste vatikanische Konzil macht uns darauf aufmerksam, daß wenn
auch die vom Glauben erleuchtete Vernunft sorgfältig, fromm und
besonnen suchend mit Gottes Hilfe sich zu einer gewissen fruchtvollen
Einsicht durcharbeitet, auf Grund der Analogie zu den natürlichen
Kenntnissen, als auch der inneren Verbundenheit der Mysterien
untereinander und mit dem letzten Ziele des Menschen, sie dennoch
niemals fähig wird, diese auf jene Art zu erfassen, wie sie das, was
den eigentlichen Gegenstand ihrer Erkenntnis bildet, fordert. Die
göttlichen Geheimnisse überragen nun von ihrer Natur aus so weit den
erschaffenen Intellekt, daß selbst nachdem wir sie durch die
Offenbarung empfangen haben und im Glauben angenommen, sie dennoch
durch den Schleier des Glaubens verdeckt bleiben, als ob in Dunkel
gehüllt, solange wir in diesem sterblichen Leben "Pilgrime, entfernt
vom Herrn, so lange wir im Leibe sind; denn im Glauben wandeln wir,
nicht im Schauen." (2 Kor. 5,6f; Denz. 1796)
Wenn nun der Glaube auch noch so sehr über die Vernunft hinausragt, so
kann es doch nie zu einem wirklichen Widerspruch zwischen dem Glauben
und der Vernunft kommen, denn es ist derselbe Gott, welcher Geheimnisse
offenbart wie auch den Glauben einflößt, der dem menschlichen Geist das
Licht der Vernunft geschenkt hat. Gott kann sich doch nicht
widersprechen oder im Widerspruch mit der Wahrheit sein.
Der scheinbare Widerspruch entsteht dadurch, daß die Wahrheiten des
Glaubens entweder nicht im Geiste der hl.Kirche verstanden und
ausgelegt werden, oder daß der Kirche Privatmeinungen in den Mund
gelegt werden. Infolgedessen definiert die Kirche, "daß jegliche
Behauptung, die im Widerspruch mit der Behauptung einer von Gott durch
den Glauben erleuchteten Wahrheit ist, in jeder Hinsicht falsch ist."
(Denz.1797)
Da die hl.Kirche zugleich mit dem apostolischen Lehramte auch Anordnung
bekommen hat, den Schatz des Glaubens zu hüten, hat sie das Recht und
die Pflicht, "die fälschlich sogenannte Wissenschaft" (1 Tim. 6,20) mit
dem Anathem zu belegen, damit niemand durch "Weltweisheit und leeren
Trug" (Kol. 2,8) verführt werde. Deshalb dürfen gläubige Christen
solche Anschauungen, welche im Widerspruch mit der Glaubenslehre sind,
besonders wenn sie von der Kirche verworfen wurden, nicht als legitime
Schlüsse der Wissenschaft verteidigen, sondern müssen sie als Irrtümer
betrachten, die fälschlich Wahrheit vorgaukeln. (Denz.1798)
"Wir verkünden euch das Leben - so
beginnt mit den Worten des hl.Johannes das zweite vatikanische Konzil
seine Korstitution "Dei Verbum" - das ewige, das beim Vater war und uns
sichtbar erschienen ist. Was wir also gesehen und gehört haben,
verkündigen wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Unsere
Gemeinschaft aber besteht mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus
Christus." (1 Joh. 1,2-3) In die Fußstapfen des tridentinischen und
ersten vatikanischen Konzils tretend, hat auch das zweite vatikanische
Konzil die Absicht, die wahre Lehre der göttlichen Offenbarung der Welt
darzubieten*) so daß, nachdem die ganze Welt diese Botschaft gehört
hat, sie auch glaube, glaubend hoffe und hoffend liebe.
"Auf vielfache und mannigfaltige Weise hat Gott einst durch die
Propheten zu den Vätern gesprochen. In diesen letzten Tagen hat er zu
uns gesprochen durch seinen Sohn." (Hebr. 1,1)
Gott hat eben seinen Sohn, nämlich das ewige Wort, welches alle
Menschen erleuchtet, gesandt, um unter den Menschen zu wohnen und ihnen
von den Geheimnissen Gottes zu erzählen. (vgl. Joh 1,1-18)
Jesus Christus also, das Wort, das Fleisch geworden ist, "als Mensch zu
den Menschen gesandt", "redet Gottes Worte" (Joh 3,34) und vollbringt
das Heilswerk, welches ihm der Vater anvertraut hat (vgl. Joh 5,36;
17,4), weshalb auch Er - wer Ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh
14,1) - mit seiner ganzen Gegenwart wie auch Äußerungen, in Worten und
Taten, Zeichen und Wundern, besonders aber durch seinen Tod uns seiner
glorreichen Auferstehung vom Tode, letztlich durch die Sendung des
Geistes der Wahrheit, die Offenbarung erfüllend zu Ende bringt, und
durch göttliches Zeugnis bestätigt, nämlich daß Gott mit uns ist, um
uns von der Sünde und Finsternis des Todes zu befreien und zum ewigen
Leben zu erwecken.
Dem offenbarenden Gott müssen wir aber Gehorsam bezeigen (vgl. Röm
16,26; Röm 1,5; 2 Kor 10,5-6), wodurch der Mensch sich Gott ganz frei
übergibt, indem er die volle Willfährigkeit der Vernunft und des
Willens leistet und freiwillig der von Ihm angebotenen Offenbarung
beistimmt. Um jenen Glauben zu erweisen, ist es notwendig, die
vorausgehende und helfende Gnade Gottes zu besitzen, wie auch die
innere Hilfe des Heiligen Geistes, der das Herz bewegt und auf Gott hin
richtet, die Augen des Geistes öffnet und "allen die Annehmlichkeit der
Zustimmung der Wahrheit und des Glaubens" erteilt. Um jedoch eine
tiefere Einsicht in die Offenbarung zu ermöglichen, vervollkommnet der
Heilige Geist den Glauben immerwährend vermittels seiner Gaben.
Durch die göttliche Offenbarung wollte Gott sich selbst wie auch die
ewigen, das Heil des Menschen betreffenden Dekrete seines Willens
offenbaren und mitteilen, "um die Teilnahme an göttlichen Gütern,
welche die Erkenntniskraft des menschlichen Geistes gänzlich überragen,
zu ermöglichen." (vgl. Kapitel I.)
Die Apostel sollten das Werk Jesu fortsetzen: "Geht hin, ordnet Jesus
ihnen an, und lehret alle Völker: Tauft sie im Namen des Vaters und des
Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich
euch geboten habe. Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der
Welt."(Matth. 28,19-20) Dies wurde von ihnen auch treu erfüllt durch
mündliche Predigt, das Beispiel und in Einrichtungen, womit sie das
übergeben haben, was sie aus dem Munde Christi, durch Umgang mit Ihm,
wie auch durch seine Taten empfangen haben oder worin sie vom Heiligen
Geiste belehrt wurden, wie auch von jenen Aposteln und apostolischen
Männern, welche die Heilsbotschaft durch die Inspiration desselben
Heiligen Geistes schriftlich übergaben.
So wurde der ganze Reichtum der Lehre Christi durch die Kirche
übergeben. Die heilige Tradition und die heilige Schrift sind auf diese
Weise eng miteinander verbunden und durchdringen sich, denn beide,
indem sie derselben göttlichen Quelle entspringen, vereinigen sich im
gewissen Sinne und streben nach demselben Ziele. Denn die heilige
Schrift ist die Rede Gottes, so wie sie unter Leitung des Heiligen
Geistes schriftlich erfaßt wurde; die heilige Tradition übergibt dann
das Wort Gottes unversehrt, so wie es vom Heiligen Geiste den Aposteln
anvertraut wurde, damit sie im Lichte des Geistes der Wahrheit es treu
bewahren, erklären und verbreiten. So sehen wir, daß die heilige Kirche
ihre Sicherheit von dem, was geoffenbart wurde, nicht allein auf Grund
der heiligen Schrift besitzt. Deshalb müssen beide (wie die heilige
Schrift, so die Tradition) mit gleicher Frömmigkeit und Ehre empfangen
und geehrt werden; denn sie bilden zusammen den Schatz des Glaubens, so
wie er der Kirche anvertraut wurde.
Die Aufgabe, rechtmäßig (d.i. authentisch) das Wort Gottes zu erklären,
ob es nun geschrieben ist oder mündlich tradiert, gebührt allein dem
lebendigen Lehramt der Kirche." (Kapit.II)
Die Gnade Gottes und die Tugend des Glaubens
Es wäre sinnlos, die Quellen der Glaubenslehre zu zeigen, nicht aber
jene Eigenschaften anzugeben, welche jener besitzen muß, der mit Erfolg
von ihnen Gebrauch machen will.
Die Quellen sind, wie wir angedeutet haben, übernatürlich und nur dem
zugänglich, der ein dem Glauben gemäßes übernatürliches Leben führt.
Das geheimnisvolle Buch der Offenbarung Gottes kann niemand weder
öffnen noch lesen, allein in Christus mit Christus, dem mystischen
Christus, der heiligen Kirche.
Wir unterscheiden oft nicht entsprechend klar das Wissen von Gott und
den Glauben an Gott. Zum Wissen von Gott muß ein jeder kommen, der von
seiner Vernunft gebührend Gebrauch macht, und das selbst dann, wenn er
sich ablehnend gegen Ihn stellt. In diesem Sinne spricht das erste
vatikanische Konzil das Anathem über den aus, der behaupten würde, daß
man den einen und wahren Gott, unseren Schöpfer und Herrn, durch das,
was geschaffen wurde, mit dem natürlichen Licht der menschlichen
Vernunft mit Gewißheit nicht erkennen könne. (Deez. 1806)
Zum Glauben an Gott gelangen jedoch nur Menschen reinen Herzens. Der
Glaube, so betont dasselbe Konzil, ist eine übernatürliche Tugend,
durch welche wir, vermittels der Eingabe und Gnade Gottes das, was von
ihm geoffenbart wurde, für wahr halten, nicht auf Grund innerer
Wahrhaftigkeit, wie sie im natürlichen Licht der Vernunft erfaßt wurde,
sondern wegen der Autorität desselben offenbarenden Gottes, welcher
sich weder irren noch andere in den Irrtum führen kann. (Vgl.Denz.1789)
Das Wissen von Gott ist also das Endergebnis der Vernunfttätigkeit, es entspringt dem Menschen.
Der Glaube an Gott ist eine Gabe Gottes und kommt von Gott.
Es ist notwendig, daß die ganze Persönlichkeit auf Gott eingestellt
sei, die Vernunft Ihn als die ewige Wahrheit suche, der Wille als das
unaussprechlich Gute und das Herz als das ewig Schöne. Dann neigt sich
Gott zu uns herab und erleuchtet unsere durch die Erbsünde benebelte
Vernunft mit dem Glauben, kräftigt den zum Bösen geneigten Willen mit
der Hoffnung und erfüllt das von der Ichsucht durchwachsene Herz mit
der Liebe.
Glaube oder Unglaube hängen also nach der heiligen Schrift nicht so
sehr vom größeren oder kleineren Scharfsinn ab, sondern vom moralischen
Charakter, von der Entscheidung des Willens. Wer kein zerknirschtes
Herz hat, für den wird das Wort Gottes nicht Licht, sondern
Verblendung, so daß er nicht den Weg zum Heile findet, sondern zur
Verderbnis; denn das Wort Gottes "ist bestimmt zum Fall und zur
Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen des Widerspruchs." (Luk
2,34) Zum Glauben gelangen nur jene, deren Wille zum Guten gewendet
ist. "Meine Lehre stammt nicht von mir", sagt Christus, "sondern von
dem, der mich gesandt hat. Wenn jemand seinen Willen tun will, wird er
inne werden, ob meine Lehre von Gott kommt, oder ob ich aus mir selbst
rede." (Joh 7,16) Deshalb kann der Unglaube gewöhnlich so lange nicht
überzeugend widerlegt werden, wenn auch die gegen ihn angeführten
Gründe vollauf ausreichend sind, solange das Herz nicht bekehrt ist.
Wer jedoch die letzte Gabe der Gnade vergeudet hat, der muß damit
rechnen, daß sich an ihm die Worte des Propheten Isaiae verwirklichen
könnten: "Gott hat ihre Augen geblendet und ihr Herz verhärtet, daß sie
mit ihren Augen nicht sehen, mit ihrem Herzen nicht verstehen, noch
sich bekehren, daß ich sie heile." (Joh 12, 40) Bei solchen Menschen
sind alle Belehrungen, Mahnungen und Warnungen umsonst. Solchen galten
die Worte Christi: "Wer aus Gott ist, hört auf Gottes Wort, ihr hört
nicht darauf, weil ihr nicht aus Gott seid." (Joh 8,47)
Wer aber glaubt, der muß auf seinen Glauben acht geben, denn er bewahrt
diesen kostbaren Schatz in einem gebrechlichen Gefäß und muß den Herrn
bitten mit den Worten des Vaters, dessen Sohn vom stummen Geist
besessen war: "Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben." (Mark 9,24)
Gott gebe, daß wir nicht Weg werden, den jeder betreten kann, ob der
Härte unseres Herzens nicht Fels, an dem alles verdorren muß, möge in
unseren Herzen nicht das Unkraut irdischer Gelüste wachsen. Gott gebe,
daß es zum fruchtbaren Boden wird, der hundertfältige Frucht trägt, wie
wir im Gleichnis vom Sämann lesen.
Da wir vom Glauben etwas mehr uns zu sagen haben, müssen wir uns klar werden, was die Gnade Gottes ist.
Die Gnade ist eine innere, übernatürliche Gabe - der lebendige Abglanz
des dreieinigen Gottes in der Seele - die uns Gott wegen der Verdienste
Jesu Christi schenkt, damit wir selig werden können, indem wir
teilnehmen an der göttlichen Natur. Wenn wir das Wort Gnade
aussprechen, müssen wir uns sofort an das heilige Kreuz erinnern, wie
auch an die heilige Wandlung, Elevation, bei welcher Golgatha wieder
gegenwärtig wird, damit wir die Frucht des heiligen Kreuzes, die Gnade
Gottes, empfangen können. Zugleich aber mit der Gnade Gottes werden uns
auch die Tugenden und Gaben des Heiligen Geistes erteilt.
Die Tugend ist ein übernatürliches Licht und eine übernatürliche Kraft,
die es uns ermöglicht, dauernd fähig und willig zu sein, das Gute zu
tun. In diesem Zusammenhange wird sich sicher ein jeder an die drei
göttlichen Tugenden erinnern: Glaube, Hoffnung und Liebe, wie auch an
die moralischen: Klugheit, Gerechtigkeit und Starkmut und Mäßigung.
Fragen wir den Katechismus nun, was der Glaube ist, so bekommen wir zur
Antwort, daß er eine übernatürliche, von Gott eingegossene Tugend ist,
durch welche wir wegen der unendlichen Wahrhaftigkeit Gottes das für
wahr halten, was Er uns geoffenbart hat und durch die katholische
Kirche zum Glauben vorlegt.
Die Grundbedingung ist die Herzensreinheit, wie wir ja in der
Bergpredigt lesen: "Selig, die reinen Herzens sind! Sie werden Gott
anschauen." (Matth 5,8) Als zweite Bedingung ist unsere Verwandtschaft
mit der Wahrheit, die sich an der Demut erkennen läßt, wie auch der
Heiland betont: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde,
daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart
hast." (Matth. 11,25). Die Demut ist eine unumgängliche Bedingung, die
Wahrheit zu erreichen, da sie von sich selbst absieht und Ausdruck des
Entschlusses ist, sich nach der erkannten Wahrheit einzurichten. Wenn
jemand sagt, er liebe die Wahrheit, dabei aber nicht willig ist,
sich nach der erkannten Wahrheit einzurichten, der liebt nicht die
Wahrheit, da er ja nicht sie sucht, sondern sich selbst, und der wird
gewissermaßen konstituell unfähig, zur Wahrheit zu gelangen. Die
Wahrheit ist nicht nur das automatische Ergebnis der Tätigkeit der
diskursiven Vernunft, sondern auch der moralischen Einstellung, deren
Belohnung sie ist. Zu einer großen Gefahr wird es, wenn jemand bei
einer Teilwahrheit stehen bleibt, das heißt, eine bestimmte Wahrheit
ohne die gebührenden Beziehungen dem Schöpfer und der Schöpfung
gegenüber wertet. Ist diese nicht in Gott als der ersten Ursache und
dem letzten Ziel verankert, wie erfolgreich sich diese von einem
gewissen Standpunkt aus zeigen möchte, zuletzt erweist sie sich in
ihren Auswirkungen nur verheerend. So bemerkt der tschechische
Kulturhistoriker Salda: "Das Genie, die höchste Kraft, kann seinem
Träger wie auch der gesamten Menschheit zum schrecklichsten Fluch
werden, wenn es nicht geweiht und gebunden ist durch den religiösen
Glauben." Dies gilt ganz besonders auf dem Gebiet der Religion. Es wird
wohl nicht notwendig sein, Beweise von den Verheerungen vorzulegen,
welche Halbwahrheiten angestiftet haben.
Das Studium der Quellen des Glaubens muß immerwährend getragen werden
vom Streben nach Erhaltung und Vermehrung des Glaubens, wie auch mit
Gebeten um den Glauben durchtränkt sein, natürlich den wahren Glauben;
denn nur er ist der Schlüssel, ohne welchen die Vernunft sich zu einer
wahrlich fruchtbringenden Wahrheit nicht durcharbeiten kann, und
zuletzt nur Schaden anzurichten fähig ist. "Sine tuo numine, nihil est
in homine, nihil est innoxium!" (Ohne deine Beihilfe ist nichts im
Menschen, nichts das nicht schädlich wäre!) So bitten wir auch: "Da
nobis in eodem Spiritu recte sapere", d.i. das Entsprechende erkennen,
kein sapere simpliciter, ohne Rand und Band. Die letzte Ursache der
übernatürlichen Erkenntnis, welche uns der Glaube ermöglicht, sind
nicht allein und ausschließlich philosophische Konklusionen, sondern
das Licht des Glaubens.
Der Glaube ist, wie wir bemerkt haben, eine übernatürliche Tugend,
welche dem willigen Geist die feste Überzeugung von alldem verleiht,
was uns durch die Offenbarung Gottes bekannt gemacht worden ist.
Die Gnade Gottes vervollkommnet nämlich das Wesen der Seele, welche sie
in das Göttliche erhöht und Gott ähnlich macht, d.h. ähnlich der Natur
Gottes, an welcher sie von nun an teilnehmen soll. (vgl. 2 Petr 1,4; 1
Joh 3,2) Hiermit wird sie gewissermaßen mit einer neuen Natur
ausgestattet, einer übernatürlichen und göttlichen. Diese neue Form
erweist sich nicht nur als Schmuck der Seele, etwas bloß Statisches,
sie ist ein dynamisches Prinzip, das uns ein neues Leben ermöglicht,
ein übernatürliches, welches wir für Gott leben, mit Christus in Gott
und Gott in uns.
"Der Glaube ist das feste Vertrauen auf das, was man erhofft, die
Überzeugung von dem, was man nicht sieht." (Hebr 11,1) Im Lichte des
Glaubens sehen wir bereits das Königreich Gottes, als ob es schon
gegenwärtig wäre, denn der Glaube ist sein Beginn und seine Grundlage.
Es ist ferner von höchster Bedeutung zu bedenken, daß es das
gesprochene Wort ist, des kirchlichen Lehramtes, welches von Jesus den
Aposteln und von diesen der Kirche als ordentlicher Weg für das
Erkennen und Erhalten der geoffenbarten Wahrheiten angeordnet wurde.
Die Autorität der lehrenden Kirche ist die unmittelbare Glaubensregel.
Das geschriebene Wort, wie wir es uns näher bei der Behandlung der
heiligen Schrift erklären werden, ist von allem Anfange an im Dienste
des gesprochenen Wortes, als Ergänzung für die, welche schon glauben.
Das apostolische Amt bestand in mündlicher Verkündigung, welche für
alle der Weg zum Glauben ist: "Somit kommt der Glaube aus der Predigt,
und die Predigt geschieht im Auftrage Christi." (Röm 10,17) Auf diese
Tatsache beruft sich der hl.Paulus im Brief an Titus, indem er betont,
daß "die rechte Erkenntnis der religiösen Wahrheit vom Heiland selbst
durch sein Wort in der Predigt vorgetragen wurde, mit welcher nun
Paulus betraut ist im Auftrage Gottes, unseres Heilandes." (vgl. Tit
1,1-3) Immer wird die mündliche Verkündigung vorausgesetzt, an welche
sich die Gläubigen zu halten haben. "Was wir also gesehen und gehört
haben", bemerkt der hl.Johannes,"verkündigen wir euch, damit auch ihr
Gemeinschaft mit uns habt. Unsere Gemeinschaft besteht aber mit dem
Vater und seinem Sohne Jesus Christus. Wir schreiben euch dies damit
ihr euch freut und unsere Freude vollkommen sei." (1 Joh 1,3-4) "Darum
geht hin und lehret alle Völker" (Matth 28,19), das legt der Heiland
den Aposteln ans Herz. Also nicht das tote, geschriebene Wort ist die
eigentliche Quelle des Glaubens, sondern das lebendige Wort, das Wort
der Kirche, wie der hl.Irenäus betont: "Wo die Kirche ist, dort ist der
Geist Gottes und die Gesamtheit der Gnade," (Adv. haer. 3,24,1)
Der Samen des Wortes Gottes, der in die Kirche gepflanzt wurde, wächst
und entwickelt sich und zeigt nicht nur einen Stengel, sondern auch
Blüten und Früchte. Was für einen Sinn hätte es, ein Samenkörnlein gut
zu verstecken und es ihm nicht zu ermöglichen, sich zu entfalten. Wir
werden uns zeigen müssen, daß dieses Samenkörnlein ob der der Kirche
verliehenen Gabe der Unfehlbarkeit nur gedeihen kann.
Die heilige Schrift
Die heilige Schrift ist eine Sammlung von Büchern, welche auf Grund der
Inspiration des Heiligen Geistes geschrieben wurden und von der Kirche
als Wort Gottes anerkannt wurden. Es sind insgesam 72 Bücher, von
welchen 45 dem Alten Testament angehören, 27 dem Neuen.
Das erste, was wir bei der heiligen Schrift beachten müssen, ist die
Eingebung, die Inspiration. Zuerst wollen wir uns zeigen, wie sich das
Wirken Gottes bei der natürlichen Eingebung offenbart, und welche
Eigenschaften der haben muß, auf den sie sich bezieht, dann das Wirken
Gottes bei der übernatürlichen Ispiration.
Als Antwort auf die verliehene Ehrenbürgerschaft der Stadt Prag im
Jahre 1950 antwortete der bekannte Komponist J.B.Foerster: "In Rührung
und Verlegenheit stehe ich heute vor euch. Gerührt von der Ehre, die
mir zuteil wurde; denn ich komme mir heute vor wie jener Mann aus dem
Evangelium, der ohne das Hochzeitskleid zum Festmahl gekommen ist - ich
habe kein Verdienst."
Das künstlerische Werk wächst aus dem Geheimnisvollen. Aristoteles
spricht von einem heiligen künstlerischen Wahn. Plato sagt: "Wen Gott
berührt hat, der ist verwandelt. Nach einer solchen Berührung vonseiten
der höheren Macht sehnt sich der Künstler, und sie wird ihm zuteil in
Augenblicken der Begnadigung, wenn sein "Ich" still geworden ist und er
in einem Reiche von unaussagbarer Schönheit, in dem das Licht
vergänglicher Werte erloschen ist, dem Worte Gottes zulauschen darf.
Was er in diesen weihevollen Stunden erlebt hat, teilt er mit. Die
Schönheit, die ihm anvertraut worden ist, verkündet er in seinem
Werke." Ähnliche Worte hören wir von Beethoven: "Wenn ich dann und wann
versuche, meinen aufgeregten Gefühlen in Tönen eine Form zu geben -
ach, dann finde ich mich schrecklich getäuscht: ich werfe mein
besudeltes Blatt voll Verdruß auf die Erde und fühle mich fest
überzeugt, daß kein Erdgeborener je die himmlischen Bilder, die seiner
aufgeregten Phantasie in glücklicher Stunde vorschwebten, durch Töne,
Farbe oder Meissel darzustellen im Stande sein wird.
Was ist das alles gegen den großen Tonmeister oben - oben - oben - und
mit Recht allerhöchst, wo hier unten nur Spott damit getrieben wird -
die Zwerglein allerhöchst!? (So im Original!)
... Ja, von oben muß es kommen das, was das Herz treffen soll; sonst
sinds nur Noten, Körper ohne Geist. Was ist Körper ohne Geist? Dreck
oder Erde..." (Beethovens Denkmal im Wort, von Richard Benz, Piper,
München)
Es ist nicht unbekannt, daß große Künstler oft ihre herrlichsten Werke
vernichtet haben - Brahms beinahe fabriksmäßig - denn, wenn sie das,
was sie geschaffen hatten, wie hinreißend es auf die Hörer auch
einwirken mußte, mit dem verglichen, was ihnen zu erleben gewährt
wurde, zeigte sich ihr Werk mehr als Beleidigung denn Loblied.
"Ich bin ein Werkeug höherer Macht", so lesen wir im Tagebuch des
19jährigen berühmten Komponisten Smetana, "mit Hilfe und durch die
Gnade Gottes werde ich einmal in der Technik ein Liszt und in der
Komposition ein Mozart."
Aus dem Gesagten sind drei Tatsachen ersichtlich: Daß der Künstler ein
Werkzeug ist, und wie er selbst zugibt, ein erbärmliches im Vergleich
mit der Erhabenheit dessen, was ihm von Gott anvertraut wurde.
Wenn wir das nun im natürlichen Reich begreifen, umso klarer wird es
sich auf dem Gebiete des Übernatürlichen zeigen. Angefangen von Moses
bis zum hl.Johannes dem Täufer ergreift alle Schauder ob ihres
Auserwähltseins, indem sie sich ihrer äußersten Unwürdigkeit und
Unfähigkeit bewußt werden, das der Welt zu verkünden, was sich vor
ihren erstaunten Augen, wenn auch nur in matten Umrissen, gezeigt
hatte. Wenn schon die natürlichen Schönheiten das empfindliche Herz des
Künstlers so sehr ergreifen, daß er am liebsten von ihrer Verlautbarung
ablassen möchte, um wie viel mehr muß die Erhabenheit Gottes das Herz
Seiner Auserwählten zermalmen.
"Nicht doch, Herr", ruft Moses in äußerster Verzweiflung aus, "ich bin
kein Mann, der zu reden versteht. Ich war es früher nicht und bin es
auch jetzt nicht, seitdem du mit deinem Diener redest, sondern bin mit
Mund und Zunge unbeholfen." Doch der Herr antwortete ihm: "Wer hat dem
Menschen den Mund gegeben? Wer macht ihn stumm oder taub? Wer sehend
oder blind? Tue ich es nicht, der Herr? So geh denn hin! Ich will mit
deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst."... Moses
erschrak noch mehr und sagte deshalb: "Nein, Herr! Sende, wen du
willst!" Jetzt wurde der Herr über Moses zornig und sagte: "Ist nicht
dein Bruder Aaron noch da, der Levit? Ich weiß, daß dieser sehr gut
reden kann. Er ist schon unterwegs, dir entgegenzugehen. Wenn er dich
sieht, wird er sich herzlich freuen. Sprich mit ihm. Lege ihm die Worte
in den Mund! Ich will deine und seine Rede lenken und euch eingeben,
was ihr tun sollt. Er rede an deiner Statt zum Volke. Er sei Sprecher
an deiner Statt, und du stehst für ihn an Gottes Stelle!" (Exod 4,10-17)
Imposant ist die Berufung Isaias: "Im Jahre, da der König Ozias starb,
sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen erhabenen Throne, und das, was
unter ihm war, erfüllte den Tempel.
Seraphim standen darauf; sechs Flügel hatte der eine und sechs Flügel
der andere, mit zweien bedeckten sie ihr Angesicht, mit zweien
bedeckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. Und es rief einer
dem anderen zu, und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott
der Heerscharen, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit! Und es
erbebten die Schwellen der Türen vor der Stimme der Rufenden, und das
Haus war voll Rauches.
Da sprach ich: Weh mir, daß ich geschwiegen habe, weil ich ein Mann von
unreinen Lippen bin, und unter einem Volk von unreinen Lippen wohne,
und den König, den Herrn der Heerscharen, mit meinen Augen sah!
Da flog zu mir einer von den Seraphim und hatte einen glühenden Stein
in der Hand? den er mit der Zange vom Altare genommen hatte. Und er
berührte meinen Mund und sprach: Siehe, dieser berührt deine Lippen und
deine Missetat weiches und deine Sünde ist versöhnt.
Und er sprach: Geh hin und sag diesem Volke ... " (Is 6,1-9)
Von der Berufung des Propheten Jeremias lesen wir nun wie folgt:
"...Und das Wort des Herrn erging an mich und sprach: Eh ich dich
bildete im Mutterleibe, kannt ich dich; und eh du herausgingest aus dem
Mutterschoß, heiligte ich dich und verordnete dich zum Propheten für
die Völker. - Und ich sprach: Ah, Ah, Ah! Herr und Gott! Siehe ich kann
nicht reden, denn ich bin ein Kind! - Und der Herr sprach zu mir: Sag
nicht: Ich bin ein Kind; sondern du sollst überall hingehen, wohin ich
dich sende,und alles reden, was ich dir gebieten werde. ... So gürte
denn deine Lenden und mach dich auf und rede zu ihnen alles, was ich
dir gebiete! Fürchte dich nicht vor ihnen; damit ich nicht mache daß du
Grund hast, dich vor ihnen zu fürchten!" (Jerem 1,6-17;
hebr.syrisch.Text)
Wem wäre die Demut des hl.Johannes des Täufers nicht bekannt, den
selbst der Sohn Gottes zwingen mußte, das zu tun, was ihm von Gott
angeordnet wurde, wie wir es auch bei allen anderen Aposteln lernen bis
zum hl.Paulus, der "geheimnisvolle Dinge vernahm, die auszusprechen
keinem Menschen vergönnt ist." (2 Kor 12,4)
Anmerkung:
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(*) Wir sind der Ansicht, daß man dem "II.Vatikanum" diese
rechtgläubige Absicht nicht mehr zubilligen kann. Vgl.z.B.: EINSICHT
Nr.4,5-13! - Anm.d.Red.
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