ÖKUMENISIERUNG DES ORDINARIUMS
Brief eines Pfarrers an seinen Bischof
Dr. Georg Handrick, Pfarrer
An Seine Exellenz den Hochwürdigsten Herrn Bischof
Dr. theol. Friedrich Wetter in Speyer
Eure Exzellenz!
Hier erlaube ich mir, Euer Exzellenz, eine Bitte vorzutragen. Ich
knüpfe an die Unterredung in N. an, die Sie mir in N. gewährten.
(Dienstag, den 6.Juli 1971 gelegentlich der Firmung in N.) Es handelt
sich wiederum um die neuen Texte zur heiligen Messe. Sie bilden ja in
der lateinischen Messe das sogenannte Ordinarium. Diese Texte sollen
wahrscheinlich voraussichtlich bald verwendet werden. Meine
Stellungnahme zu diesen Texten - das sei gleich hier vorweggenommen -
ist eine negative, d.h. ich lehne den Gebrauch dieser Texte entschieden
ab, da ich die Neuformulierung für überflüssig halte, vor allem
deswegen, weil sie viel zu stark den "Evangelischen" entgegenkommen.
(Z.B. gleich beim Gloria: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf
Erden den Menschen seiner Gnade." Das ist eine Umformung der
evangelischen Formung "und den Menschen ein Wohlgefallen". Warum diese
evangelische Formung? Die bisherige Formulierung, wie sie im
katholischen Raum üblich war, "die guten Willens sind", war doch
bedeutend besser.) Diese Evangelisierung war ja bereits beim "Vater
unser" der Fall. Warum hat man damals nicht die Übersetzung nach Matth.
6, 9-13 gewählt, statt nach Lk.? Sie kam der bisherigen katholischen
Form doch viel näher, ja machte sie aus. Warum hat man hier
"ökumenisiert"? Dem "Liturgischen Institut" in Trier hatte ich einen
Autsatz "Die neuen Übersetzungen unter soziologischem Aspekt" gesandt.
Dieser Aufsatz stellt eine etwas andere Formulierung dar, wie der, den
ich Ihnen zugesandt hatte In einem Antwortschreiben von diesem Institut
heißt es: "Die Einführung der neuen ökumenischen (!) - das
Ausrufezeichen stammt von mir - Texte wird ebenso wie beim Vaterunser
nicht lange auf sich warten lassen. Es ist ja auch gut, wenn die
Ökumene nicht in großen Worten und nur in praktischen Aktionen
voranzukommen sucht, sondern in erster Linie Gemeinsamkeit des Gebetes
zum Inhalt hat."
Dem Sinn dieser Ausführungen widerspreche ich. Hier kommt zum Ausdruck,
daß man auf Umwegen "ökumenisieren" will. Diesen Ökumenismus und diese
Art zu ökumenisieren lehne ich entschieden ab, vor allem hinsichtlich
unseres katholischen Volkes wegen. Dieses wird gar nicht erst gefragt,
ob ihm die neuen Texte recht sind.
Man scheint an dieser Stelle (Lit.Institut) anscheinend gar nicht
wahrhaben zu wollen, daß katholisches Gebetsleben und Leben ganz anders
ist als evangelisches. ... Ich weise nur z.B. hin auf das "Beten" der
Adventisten, der Heilsarmee, der Freikirchen u.a., die doch auch
Evangelische sind, wie die Lutheraner und die Reformierten.
"Gemeinsamkeit des Gebetes" ist daher ein Irrtum, dem man sich hingibt,
weil man glaubt, die Evangelischen auf einen gleichen Nenner mit den
Katholiken zu bringen. Und das ist nochmals eine gewaltige Täuschung.
Weil diese Texte für den Katholiken hauptsächlich in der heiligen Messe
Verwendung finden, so ergibt sich schon daraus, daß dieser
"Ökumenismus" ein Irrtum ist. Auf diesem Wege kommen wir zu keiner
Einigung. Der Katholik soll doch nach dem hl.Papst Pius X. die heilige
Messe beten. Das kann doch kein Protestant, weil er vom wirklichen Sinn
der heiligen Messe und Beten in der heiligen Messe keine Ahnung hat und
dies auch nicht versteht.
Durch diese ökumenischen Texte soll nun auf einmal der Katholik und da
wieder besonders der Priester, wenn er zelebriert, in der heiligen
Messe ökumenisch, d.h. doch hier "evangelisch" beten. Das Beispiel, das
Sie, Hochw.Herr Bischof, mir aus dem Sanctus angaben, ist mir wenig
stichhaltig. Gerade in einer Zeit, in der das Militärische derart
hochgespielt wird: Heerscharen von Paraden mit Panzern, Flugzeugen
usw., wie in der Ostzone, in Rußland, in China, bei Demonstrationen
u.a.O., sind doch jedem Kind "Heerscharen" in Fülle bekannt. Wenn Gott
seine Heerscharen - vgl. Matth.26, 53 - 72000 Engel - zur Verfügung
hat, können sie auch in der heiligen Messe beim Sanctus angerufen
werden. "Man muß auch hier wieder fragen: Streben wir eine Einheit an
durch Liquidierung des katholischen Glaubens?" (Off.Zeitung, Nr.12,
Dez.1970, S.6)
Noch ein Wort über die Einführung der neuen Texte. (O.V.Bl.Nr.12,
9.Juli 1971, S.565) Dort heißt es. "Die Einführung der Texte in den
Kirchen und Gemeinden geschieht nach der jeweiligen kirchlichen
Rechtsordnung". Und weiter: "Die Texte können ab sofort im
Gottesdienste der römisch-katholischen Kirche Deutschlands verwendet
werden. Warum diese angebotene Eile? Geht es den "Progressisten" nicht
schnell genug, die heilige Messe zu ökumenisieren, d.h. katholisch
auszuhöhlen? Und damit der gehörige Druck ausgeübt werden kann, kann
man es mit der "jeweiligen kirchlichen Rechtsordnung" beschleunigen.
Der jeweilige Pfarrer kann also einfach anordnen: Vom nächsten Sonntag
an werden die neuen Texte gebetet und verwendet. Das nenne ich Diktatur
in der katholischen Kirche. Die Meßbesucher werden gar nicht erst
gefragt, ob sie sowohl mit den Texten als auch mit dieser Einführung
einverstanden sind. Ebensowenig die Priester. Dagegen wehre ich mich.
Dann sind mir die Texte sogar ein Ärgernis. Dann soll man auf Kommando
gerade am Sonntag mit innerer und äußerer Verärgerung und mit
Widerwillen an den Altar treten und Gebete dabei verwenden, die man
ablehnt. Das ist gegen das Gewissen. Hier wird auf diese Weise Ärgernis
gegeben, vor dem der Heiland besonders gewarnt hat. Wenn der Pfarrer
die Anwendung der neuen Texte anordnet, die einem zuwider sind, kann er
das nicht verlangen - sogar der Bischof kann hier nicht kommandieren.
Ich habe dem Pfarrer von N. bereits erklärt, daß ich mich gegen diese
neuen Texte und gegen die kommandomäßige Einführung wehre und mich
weigere sie anzuwenden, weil ich keine ökumenischen Gebete in der
heiligen Messe beten will. (...) Diese neuen Texte sind eine
unzumutbare Neuerung, die unnötig ist. Ihnen also zuzustimmen lehne ich
ab. Es gilt für die Kirche z.Zt. wichtigere Dinge und Aufgaben
durchzuführen, als daß irgend ein ökumenisches Gremium nachsinnen soll,
wie man auch noch auf solch merkwürdigen Wegen Liturgiereformen und
Neuerungen durchführen kann. Die Liturgiereform - wenn sie überhaupt
noch Reform genannt werden kann - muß endlich ein Ende haben. (Siehe
dazu: "Anzeiger für die kath.Geistlichkeit", Nr.6, Juni 1971, S.195:
"Ende der Liturgiereform?")
Nachdem ich hier offen dargelegt habe, wie ich mich zu den neuen Texten
und deren Einführung stelle, bitte ich nun Euer Exzellenz, mir
mitzuteilen, wie ich mich bei einer eventuellen Einführung verhalten
soll bzw. kann. Wie ich zur Einführung stehe, habe ich oben dargelegt.
Das gab es einmal, daß einfach dekretiert wurde, und wenn der Priester
nicht gehorchte, wußte er, welche Folgen das für ihn haben würde. Ich
bin so viele Jahre, ja Jahrzehnte katholischer Priester gewesen und
will es bis zum Ende bleiben. Ich bin aber kein ökumenischer Priester;
ich will die hl.Messe nach katholischer Liturgie feiern und dabei keine
ökumenischen Gebete verwenden. Ich stelle noch die Frage: Was sollen
denn die Evangelischen überhaupt mit diesen Texten anfangen, die doch
hauptsächlich die hl.Messe betreffen? Sämtliche evangelischen Kirchen,
mit Ausnahme der Altkatholiken, haben doch keine Meßliturgie. Der
ökumenische Weg, der sich allmählich herausbildet, ist kein Weg zur
Einheit, sondern ein Irrweg, der nicht zu Gott hinführt, sondern von
ihm wegführt.
Euer Exzellenz ehrerbietigst
Dr. Georg Handrick, Pfarrer
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