DIE HL. ELISABETH v.UNGARN, LANDGRÄFIN v.THÜRINGEN
Zum Fest am 19.November
von
Heinrich Strom, München
"In diesen Tagen hat Gott uns mit einem bewundernswerten Geschöpf
beschenkt, das sich selbst in der Glut der Nächstenliebe durch gute
Werke verzehrte. Dieses ausgewählte, Gott geweihte Wesen ist die
hl.Elisabeth. Sie liebte Gott so über alle Maßen, daß sie die Armen und
Schwachen in seinem Namen nährte und Christus selbst mit drei Broten
beschenkte, die ihr der himmlische Freund in der Nacht der Drangsal
gewährt hatte: dem Brot der Wahrhaftigkeit, der Nächstenliebe und des
Mutes. In ihrer leidenschaftlichen religiösen Hingabe brachte Elisabeth
dem Herrn des Himmels und der Erde drei kostbare Gerichte dar: sie
versichtete auf alles, was er untersagte, sie gehorchte seinen Geboten
und befolgte seine Ratschläge. Sie bändigte ihre menschlichen Begierden
in Nachtwachen, Fasten und Gebet, und sie unterwarf sich dem Willen des
Schöpfers. Sie machte ihre Sinne dem Verstand untertan und das Fleisch
dem Geiste. Sie ist wahrhaftig ein verehrungswürdiger Mensch, ein Werk
des allmächtigen Gottes, bewundernswert in ihrer demütigen Haltung,
ihrer Beherrschtheit und der Innigkeit ihrer menschlichen Hingabe, um
derentwillen sie alle Zeitalter achten werden."
Könnte es schönere und ergreifandere Worte des Lobes der hl.Elisabeth
geben als diese, die Papst Gregor IX. 1235 in einem Brief an die selige
Königin Blanche von Kastilien aussprach? Sie mögen uns daher auch ein
Ansporn sein, uns ein wenig mit dem Leben dieser großen Heiligen zu
beschäftigen.
Elisabeth wurde im Jahre 1207 als Tochter des Königs Andreas II. von
Ungarn und seiner Gemahlin Getrud, aus dem Geschlecht der Grafen von
Andechs, geboren. Nicht lange nach ihrer Geburt wurde bereits das
Heiratsbündnis zwischen Thüringen und Ungarn abgeschlossen, durch das
man Elisabeth förmlich mit dem ältesten Sohn des Landgrafen von
Thüringen verlobte. Im Jahre 1211 erschien dann eine thüringische
Gesandtschaft am ungarischen Hof, um Elisabeth feierlich nach
Deutschland zu geleiten, wo sie fortan auf der Wartburg, dem Sitz der
Landgrafen aufwachs und erzogen wurde.
Elisabeth war, wie die Quellen übereinstimmend berichten, ein
fröhliches Kind, in dem sich jedoch ein Zug besonders inniger
Frömmigkeit schon sehr früh bemerkbar machte. So oft es ihr möglich
war, besuchte sie die Kapelle der Burg. "Immer sah sie voller Demut
Gott vor sich und dachte bei allem, was sie tat, an ihn. Sie nannte
seinen Namen mit großer Zärtlichkeit und vertraute ihm alles an." So
wird uns das Kind Elisabeth von seiner Freundin Guda geschildert. Oft
versuchte sie, die Spiele mit den Kamaradinnen zur Kapelle zu lenken,
und wenn sie nicht eintreten konnte, so küßte sie wenigstens andächtig
die äußeren Mauern. Schenkte sie anderen Kindern etwas, so verlangte
sie als Dank nichts weiter als ein Gebet, und "aus Liebe zu Gott"
brachte sie es oftmals fertig, auf die einem Kind lieben und angenehmen
Dinge zu verzichten.
In den zehn Jahren, die Elisabeth vor ihrer Heirat auf der Wartburg
verbrachte, bestand auch reichlich Gelegenheit für sie, ihren
zukünftigen Gemahl Ludwig kennen- und schätzenzulernen, und als die
Hochzeit im Jahre 1221 gefeiert wurde, war aus dem, was kühles
politisches Zweckdenken in die Wege geleitet hatte, durch Gottes Gnade
eine echte, gegenseitige Liebesbeziehung geworden.
Die Ehe Elisabeths mit Ludwig, Landgrafen von Thüringen und Hessen,
kann nicht anders denn als glücklich bezeichnet worden. Oft begleitete
Elisabet den Landgrafen auf seinen Reisen. War das jedoch einmal nicht
möglich, so kleidete sie sich während seiner Abwesenheit wie eine
Witwe, lief ihm bei seiner Rückkehr schon von weitem entgegen und
"bedeckte seinen Mund mit tausend Küssen". Den drei Kindern, die sie
ihm in den Jahren ihrer Ehe schenkte, war sie eine treusorgende,
vorbildliche Mutter. Später, als ihr Verlangen nach Gott immer tiefer
und brennender wurde, scheint sie manchmal bedauert zu haben, daß es
ihr nicht mehr möglich war, ihr Leben als Jungfrau ganz allein dem
Herrn zu weihen, doch nie ist ihr das zu einem echten Gewissenskonflikt
geworden: "Ich schließe Ludwig in meine Liebe zu Gott ein und ich
hoffe, daß Gott, der die Ehe geheiligt hat, uns ein ewiges Leben
gewähren wird." Ludwig erwies sich als würdig einer solchen Frau. Wie
sehr er sie liebte, geht aus seiner Antwort hervor, als er, noch als
Jüngling, von einem Vasallen gefragt wurde, ob er die Tochter des
Königs von Ungarn heiraten oder sie heimschicken wolle. Indem er auf
den Inselberg, Thüringens höchsten Berg, wies, sagte er: "Seht ihr
diesen Berg dort? Selbst wenn er aus reinem roten Gold wäre und mir
gehörte, würde ich ihn lieber aufgeben, als Elisabeth entbehren. Laßt
das Volk ruhig reden, ich liebe sie und sie ist mir teurer als alles
andere." Ludwig stand der tiefreligiösen Neigung seiner Frau niemals im
Wege, ja er schützte sie sogar gegen die Angriffe verständnisloser
Hofleute. Er selbst starb als frommer, der Kirche treu ergebener Christ
auf dem Kreuzzug von 1227 und wurde von seinem Volk lange wie ein
Heiliger verehrt.
Bei allem Glück an der Seite ihres Mannes vergaß Elisabeth jedoch nie
das Gebot Christi den Ärmsten und Geringsten ihrer Brüder, die auch
ihre Untertanen waren, gegenüber. Schon bald entfaltete sie auf der
Wartburg und in Eisenach eine lebhafte karitative Tätigheit. Sie
beschenkte die Armen über alles Maß, so daß sie zu manchen Empfängen
ihres Gatten kein einziges angemessenes Gewand mehr besaß. Oft sah man
sie mit ihren Hofdamen von der Burg zur Stadt hinunterzusteigen, um
dort die Hütten der Ärmsten und Kränksten zu besuchen. Sie scheute sich
nicht, auch die furchtbarsten Wunden und die entstellendsten
Krankheiten liebevoll zu pflegen, viele der Bedauernswertesten unter
den Kranken nahm sie zu diesem Zweck sogar mit auf die Burg. In der
großen Hungersnot des Jahres 1226, als ihr Mann zu einem Reichstag
abwesend war und sie die Regierungsgeschäfte in der Hand hielt, öffnete
sie in selbstloser Weise die fürstlichen Vorratskammern und ließ
täglich Brot für das hungernde Volk backen.
Neben den äußeren Werken der Barmberzigkeit versäumte sie jedoch nicht,
auch den inneren Menschen durch Gebet und Buße heranzubilden. Oft
betete sie so lange, daß sie auf dem Boden vor dem Bett ihres Mannes
einschlief, und als man sie fragte, warum sie nicht vorher in ihr
eheliches Bett zurückkehre, gab sie zur Antwort: "Wenn ich nicht immer
beten kann, will ich mir wenigstens die Entbehrung auferlegen, nicht zu
dem Mann zurückzukehren, den ich liebe." Bei allen Werken der Buße
achtete sie streng auf das Wort der Schrift: "Du aber, wenn du fastest,
salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht sehen,
daß du fastest, sondern dein Vater, der im Verborgenen ist." Die
Chronik berichtet von ihr: "Sie lachte oft..., sie war lustig ..., sie
tat alle Liebesdienste mit großer Freude und zeigte niemals Launen."
Gewiß wäre Elisabeth, wenn ihr Leben weiterhin so verlaufen wäre, eine
hervorragende Frau und Christin gewesen, aber es gefiel Gott, sie in
schweren Prüfungen zu vollenden.
Die große Wende trat in ihrem Leben ein, als ihr Mann 1227 in Otranto
starb. Bei der Nachricht von seinem Tode soll sie ausgerufen haben:
"Tot, tot sol mir nu alle werntliche froide unde ere si!" (...soll mir
nun alle weltliche Freude und Ehre sein!) Nun war es ihr möglich, ein
Leben zu führen, wie es ihr vorschwebte, seitdem sie vor allem Berichte
über den hl.Franziskus (dessen Bekehrung auf das Jahr ihrer Geburt
fällt) und seiner Anhänger mit Begeisterung angehört hatte. Schon Ende
des Jahres 1227 verließ sie, da die Kritik an ihrer Lebensführung am
Hofe immer lauter wurde, die Wartburg und mußte dann in Eisenach, da
kein Reicher sie aufnehmen wollte, ihr Leben mitten im Winter, zusammen
mit ihren Kindern, in den armseligsten Unterkünften fristen. Erst Mitte
1228 war es ihr möglich, ihren Witwensitz in Marburg zu beziehen.
Schon am Karfreitag desselben Jahres hatte sie feierlich das Gelöbnis
des 3 franziskanischen Ordens abgelegt und damit allem Besitztum und
dem eigenen Willen entsagt, um allein Gottes Ruf zu folgen. Nun ließ
sie sich auch noch das Haar abschneiden, legte die einfache Tracht des
Ordens an und betete dabei: "Gott hat mein Gebet erhört und ich werde
von nun an auf alle Güter dieser Welt, die ich bis heute geliebt habe,
verzichten. Gott ist mein Zeuge: Ich bin nicht mehr länger nur noch die
Mutter meiner Kinder, sondern ich werde sie lieben, wie ich meinen
Nächsten liebe.
Ich habe sie Gott anvertraut, damit er über sie verfüge, wie es ihm
gefällt. Ich zürne denjenigen nicht, die mich verleugnen und verachten,
denn Gott ist meine ganze Liebe." Von nun an setzte sie ihre gesamte
Lebenskraft nur noch dafür ein, ihre Liebe zu Christus durch die Sorge
für die Geringsten ihrer Brüder zum Ausdruck zu bringen. Den gesamten
Rest ihres Vermögens verschenkte sie nach und nach unter die Armen. In
einem von ihr gegründeten Hospital, in dem sie nun, zusammen mit
einigen Gesinnungsgefährtinnen, lebte, gehörte ihre fürsorgende
Aufmerkeamkeit, wie schon auf der Wartburg, besonders den Kranken, die
wegen ihrer oft ekelerregenden Wunden und Entstellungen niemand sonst
pflegen wollte. Allen Einwänden begegnete sie mit den Worten: "Welche
Freude für uns, unseren Herrn pflegen und kleiden zu dürfen!" Nie
erwartete sie Dank für ihre Barmherzigkeit: Eines Tages wurde sie von
einer Bettlerin, der sie früher einmal geholfen hatte, bei der
Überquerung eines schmutzigen Rinnsales rücksichtslos in den Kot
gestoßen: "Da liegst du gut. Wolltest du keine Landgräfin sein, als du
es warst, so liege nun arm im Kote. Ich helfe dir nicht auf." Elisabeth
aber nahm diese Demütigung nicht nur ruhig, sondern geradezu heiter
hin. Die Verachtung der Vornehmen von Marburg ertrug sie ebenso
starkmütig wie die übergroße Härte ihres selbstgewählten geistlichen
Führers, des Magisters Konrad von Marburg: "Wenn ich mich vor einem
sterblichen Mann so fürchten kann, um wieviel mehr muß ich den
allmächtigen Gott und Richter fürchten."
Schon zu ihren Lebzeiten hat Gott die Treue und den Opferwillen der hl.
Elisabeth belohnt, indem er sie in Gesichten einen Abglanz seiner
Herrlichkeit schauen ließ. Im Frühling 1228 berichtete sie von einer
Vision: "Ich sah den Himmel offen, und Christus neigte sich herab, um
mich für all meine Leiden zu trösten." Ein mystisches Erlebnis während
der Feier des hl.Opfers gab sie einmal mit den Worten wieder: "Es ist
nicht gut für euch, von dem zu erzählen, was ich sah, aber glaubt mir,
ich hatte die große Freude, mich in die Geheimnisse Gottes zu
vertiefen." Konrad von Marburg sagte nach ihrem Tod im
Heiligsprechungsprozeß aus: "Mönche und Nonnen beobachteten oft, wie
sich ihr Gesicht auf wunderbare Weise auftollte und ihre Augen
strahlten, wenn sie vom Gebet kam."
Der hl.Elisabeth war kein langes Leben beschieden. Ihr rastloser Eifer
und die freiwilligen Entbehrungen hatten die Widerstandskraft ihres
Körpers so ausgehöhlt, daß sie sich bereits 1231, im 25. Jahr ihres
Lebens, auf das Sterbebett legen mußte. Am 17.12.1231 nahm Gott sie zu
sich in die ewige Herrlichkeit. Ihre letzten Worte an die sie
umgebenden trauernden Mitbrüder und -schwestern waren die des Heilandes
auf dem Kreuzweg: "Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich,
sondern über euch!"
Unmittelbar nach ihrem Tode setzte eine gewaltige Bewegung der
Verehrung der heiligmäßigen Landgräfin ein. Zahlreiche Wunder auf ihre
Anrufung hin sind uns überliefert. In besonderer Weise erhörte sie
dabei die Bitten derjenigen, denen ihr Herz auch zu irdischen Lebzeiten
gehört hatte, nämlich die der Armen und Kranken.
Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, daß ihr
Heiligsprechungsprozeß rasch voranschritt: Schon dreieinhalb Jahre nach
ihrem Tod, am 27.5.1235 erhob Gregor IX.sie zur Ehre der Altäre, und
ein Jahr später erfolgte die feierliche Überführung des Leichnams im
Beisein des Kaisers. - Vor genau 300 Jahren - 1671 dehnte Klemens X.
das Fest der großen Heiligen auf die gesamte Kirche aus. Die hl.
Elisabeth ist die Patronin für die Werke der christlichen Nächstenliebe.
"Gesegnetes Weib! Wunderbare Frau! O
Elisabeth, deren Name daran erinnert, wie du in Gott lebtest, und daß
du dir durch die Pflege der Armen das Brot der Engel verdient hast!
Ruhmreiche Witwe, die du durch die Gnade das zu erlangen suchtest, was
uns die Natur nicht gewähren kann. Du siegtest über die grausamen
Feinde deiner Seele mit dem Schild des Glaubens, der Waffe der
Gerechtigkeit, dem Schild des Geistes, dem Helm der Errettung und dem
Speer der Standhaftigkeit!"
(Aus der Kanonisationsbulle Gregors IX. von 1235)
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