ZUM BRIEF EINES LESERS
von
Hans Gliwitzky, München
R., 13.September 1971
Sehr geehrter Herr Gliwitzky,
In Sache der neuen Zeitschrift der Una Voce, "Einsicht", wollte ich mich mal an Sie wenden.
In meiner Anhänglichkeit an die wahre katholische Kirche, die römische
Liturgie und den römischen Katechismus glaube ich, nicht suspekt zu
sein. Deshalb glaube ich, wird man mir eine freie Meinungsäußerung über
die neue Zeitschrift "Einsicht" nicht falsch auslegen. Es fält sehr
schwer, Abnehmer für sie zu finden, und das muß doch einen Grund haben.
Nach meinem Dafürhalten ist es der Umstand, daß die Zeitschrift allzu
sehr einseitige Interessen und Anschanungen vertritt. So bezieht sie
allzu harte Stellung gegen den gegenwärtigen Papst Paul VI. Dieser hat
ja das II. Vatikanurn nicht selbst einberufen, er hat ja nicht die
Meinung der Konzilsväter geformt oder bestimmt, ein gerütteltes Maß am
Aufkommen von Neuerungen hat m.E. der Jesuitenorden, Pater Mario von
Galli hat im Fernsehen die neue Richtung angepriesen und gefördert, und
wieviel weitere Jesuiten sind noch am Werk gewesen und sind noch am
Werk! Und wer alles hat noch mitgeholfen, die römische Kurie zu
zerschlagen? Hat nicht auch Kardinal Frings energisch dabei milgewirkt!
Und die holländische Kirche hat sich gar zum Vormund Roms aufgeworfen
mit einem neuen Katechismus, neuen Liturgiefeiern! Da ist es nicht
gerecht, allein Paul VI. zur Verantwortung zu ziehen, die Bischöfe, die
sich heute als mitregenten das Papstes betrachten und benehmen, sie
haben den Papst allein gelassen. Somit tut man dem hl. Vater Unrecht,
ihn für alles zur Rechenschaft zu ziehen. Auf seinen Schultern ruht
eine große Last und es ist zu einfach, ihn allein für den Gang der
Dinge in der Kirche verantwortlich zu machen. Daß die Una Voce nun gar
die Absetzung Pauls VI. fordert, schockiert die Gläubigen und würde die
Kirche wirklich in eine Katastrophe führen. Diese Ausführungen, Herr
Gliwitzky, mache ich in aufrichtigem Empfinden für die Freunde der Una
Voce. um ihre Arbeit nicht unnütz werden zu lassen.
Ein weiterer Punkt, mit dem die Una Voce allein dasteht, ist die
absolute Ablehnung der Liturgiereform. Ich persönlich weiß gewiß den
gregorianischen Gesang zu schätzen und empfinde es leidvoll, daß die
lateinischen Glorias und Credos, Sanctus Sequenzen, Te deums, das dies
irae dies illa etc. nicht mehr in den Kirchen erklingen, aber ich hege
die Hoffnung, daß sie nicht für immer aus der römischen Liturgie
verschwinden. In der Zwischenzeit will man eben mal die Liturgie in der
Landessprache erproben. Und diese findet Anklang beim Volk. Sie findet
Anklang, weil sie wirklich nichts gegen den Glauben enthält, vielmehr
den Sinn der liturgischen Handlung voll verständlich macht. In den
neuen Canones ist nichts, aber auch gar nichts gegen die Glaubenslehre
enthalten. Hier muß ich allerdings sofort auf die Konsekrationsworte zu
sprechen kommen, die Abänderung statt "pro multis" in "pro omnibus",
"für alle" bei der Konsekration des Kelches. Ich persönlich pflichte
der Anschauung bei, daß zur Konsekration allein die Worte: Das ist mein
Leib, das ist mein Blut, wesentlich sind. Die Abänderung "für alle" muß
eben so verstanden werden, daß Christus für alle Menschengestorben ist,
was ja Lehre der Kirche ist. Wohl zur Vermeidung öffentlichen
Ärgernisses sind die Worte über die Konsekration des Blutes... "für
viele" abgeändert worden in:..."Für alle". Denn der einfache Gläubige
würde sich sagen: die Kirche selbst gibt zu, daß Christus nicht für
alle Menschen gestorben ist. Die Gruppe "Una Voce" motiviert die
Ablehnung der Liturgiereform mit der Festlegung des Meßkanons durch
Pius V. Es besagt jedoch nichts gegen den Glauben, wenn ein Nachfolger
Pius V. den Wortlaut der Meßgebete, ohne gegen eine Glaubenslehre zu
verstoßen, neu anordnet. Denn Pius V. hatte nicht das Recht, sich über
seine Nachfolger zu stellen und (für) den Wortlaut der Meßgebete, i.e.
der Meßliturgie sklavisch für alle Zeiten zu fixieren. (Sklavisch d.h.
für Sklaven für alle Zeit vorzuschreiben.) - Die Gruppe Una Voce
scheint das Vorhaben des II.Vatiianums zur Wiedervereinigung mehr oder
weniger als illegitim anzusehen. So darf die Sache wohl nicht gesehen
werden, denn die Reformation wurde seinerzeit unter Zwang eingeführt.
Und dann ist es ein Ärgernis, daß die Christenheit uneinig ist in ihrer
Lehre.
Über die Methode, wie man die Wiedervereinigung zustandebringen will,
kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Jedenfalls war es gut,
den getrennten Brüdern mit Liebe und Achtung zu begegnen, mit
Argumenten war ja auch in der Reformationszeit nicht weiterzukommen.
Zum Glauben gehört auch Demut und Gebet. Darum hat die Zeitschrift
"Einsicht" den wertvollen Untertitel: Credo ut intelligam. In dieser
Zeit des riesigen Fortschritts der Technik und der Naturwissenschaften
hat der Glaube nicht abgewirtschaftet, sondern zeigt der Welt, daß nur
die geoffenbarte Wahrheit eine Antwort auf die Fragen des Daseins hat.
Unterstellen wir der Kirche gute Absichten und bekämpfen entschlossen
neue dem kirchlichen Glaubensgut zuwiderlaufende Anschauungen, dann
werden wir Zustimmung aller Wohlmeinenden finden und die Kirche wieder
zur Ruhe kommen.
Mit freundlichen Grüßen G.G.
München, am Fest der hl.Theresia von Avila
****
Sehr geehrter Herr G.!
Wie ich Ihnen schon kurz angekündigt habe, möchte ich Ihren Brief vom
13.September dieses Jahres ausführlich, und zwar Punkt für Punkt
beantworten. Das will ich erstens tun, weil mir Ihre "Anhänglichkeit an
die wahre katholische Kirche" seit Jahren bekannt ist, und zweitens
auch, weil vermutlich mehrere unserer Leser Ihre Sorgen teilen. Und so
kann ich auch ihnen durch Vervielfältigung dieses Briefes die
Hauptgründe für unsere Haltung erneut vorlegen.
Wir müssen und wollen nämlich alles tun, was in unseren Kräften liegt,
um nicht durch ein Versäumnis von unserer Seite in den Verdacht zu
geraten, daß wir leichtfertig und ungerechtfertigt in einer Sache
urteilen, die unser aller ewiges Leben entscheidend betrifft.
Unserer Anstrengung entsprechend dürfen, der Bedeutung der Sache nach
aber müssen wir von unseren Freunden und Lesern als von katholischen
Christen auch erwarten, daß sie eine angemessene Anstrengung machen, um
die in unserer Zeitschrift vorgetragenen Gründe in ihrem wahren Gewicht
zu sehen und sie im Gesamturteil aber die kirchliche Lage richtig zu
veranschlagen. Wir wissen sehr wohl, daß mit der geforderten geistigen
Anstrengung Opfer verbunden sind. Aber Sie wissen auch mit uns, daß nur
diejenigen das Himmelreich an sich reißen werden, die Gewalt brauchen,
und das heißt in unserem Fall: die eine gewaltige geistige Anstrengung
machen.
Als ersten Punkt erwähnen Sie, daß es sehr schwer ist, Abnehmer für
unsere Zeitschrift zu finden. Diese Feststellung ist richtig. Gott sei
Dank! - waren die Verantwortlichen sich bei der Gründung darüber
vollkommen im Klaren, und sie wurden durch das Ergebnis in ihren
Erwartungen nur bestätigt. Es gab weder Überraschungen noch
Enttäuschungen. Wir wußten und wissen, daß wir in den Augen derer, die
sich nur noch nach Mehrheitsgesichtspunkten öffentlich zu urteilen
getrauen, eine "lächerliche" und "verschwindende" Minderheit sind.
Diese Tatsache für sich kann gute oder schlechte Gründe haben. In
unserem Falle kann ich trotz aller menschlichen Sündhaftigkeit mit Dank
gegen Gott sagen, daß sie guten Grund hat. - Ich weiß zwar, daß man
starrsinnig auf seinen persönlichen Vorstellungen bestehen und sich aus
sehr erbärmlichen Motiven sogar darein verlieben kann, eine
verschwindende Minderheit zu sein; etwa um sich als "Elite" zu genießen
und sich über andere zu erheben. Ebenso aber weiß ich, daß Einzelnen
eine Aufgabe zufallen kann, die sie nicht gesucht haben, die sie aber
pflichtmäßig erfüllen müssen. Und dieser Fall ist es nun einmal mit
uns. Wenn da die Furcht anwandelt, sich in die Lage einer
"lächerlichen" Minderheit gestellt zu sehen, der muß den Trost und die
Stärkung des Evangeliums ergreifen und sich auch vor Augen führen, wie
viele von den Anhängern Jesu und den Hosianna-Rufern noch unter dem
Kreuz standen. - Und da ich jetzt auf Ihren Haupteinwand eingehen muß,
bitte ich Sie, sich eindringlich zu vergegenwärtigen und die volle
Bedeutung der Tatsache zu erwägen, daß auch Petrus nicht bei der
"lächerlichen" Minderheit unter dem Kreuz dabei war. Sie werden sich
daran erinnern, daß Professor Lauth schon vor Jahren im "Gründonnerstag
der Kirche" darauf hingewiesen hat.
Daß unsere Haltung gegenüber Paul VI. ein wesentlicher Grund für das
zahlenmäßig geringe Echo auf unsere Zeitschrift ist, behaupten Sie
ebenfalls mit vollem Recht. Nur liegt diese Haltung nicht in unserer
Willkür, sondern in der Konsequenz der erkannten Wahrheit. Und daher
kann ich Ihnen nicht darin zustimmen, daß unsere Stellungnahme gegen
Paul VI. "allzu hart" ist.
Ich muß Sie daher, bevor ich auf die Frage der Schuldverteilung genauer
eingehe, auf die Sie in Ihrem Brief besonderes Gewicht legen, zunächst
daran erinnern, daß unsere endgültige ablehnende Haltung gegen Paul VI.
das Ergebnis aus Erkenntnisgründen ist. Ja, ich muß Sie sogar bitten,
diese Gründe in unserer Zeitschrift erneut zu studieren, da ich aus
Ihrem Brief sehe, daß Sie diese Gründe bisher nicht in ihrer Wahrheit
erkannt haben, sondern sie noch immer nur als Meinungen sehen und
erwägen. Auch wir haben viele Jahre des Erwägens hinter uns gebracht,
bis wir die wahren Bestandteile der verschiedenen Auffassungen von den
bloß willkürlichen Behauptungen geschieden hatten. Den
Erkenntnisvollzug kann aber niemand für den anderen leisten. Was wir
für einander tun können, nämlich die Gründe vorlegen, haben wir getan
und wir werden es auch weiterhin tun. Wir müssen und wollen es solange
für jeden einzelnen tun, bis er entweder den Begründungszusammenhang
erkennt und anerkennt, oder bis wir klar sehen, daß sich der andere den
Argumenten nicht mehr stellt, wie mir das leider kürzlich wieder einmal
mit einem Priester und Theologie-Professor nach langer Anstrengung
gegangen ist.
Durch den wissenschaftlich-systematischen Nachweis, daß das Blut
Christi als Blut des neuen und ewigen Bundes nur für diejenigen
vergossen werden kann, die in diesen Bund frei einwilligen (nämlich die
ausschließlich durch Jesus Christus vollzogene allgemeine Sühneleistung
annehmen wollen), und nicht für alle (z.B. Júdas Iskariot), ist
unwiderruflich gezeigt, daß der sogenannte "novus ordo missae" in den
vom Vatikan gebilligten landessprachlichen Übersetzungen mit der Formel
"für euch und für alle" in Wahrheit niemals die alte Heilige Messe
gültig ersetzen kann.
Da nun Paul VI. - ruhig einmal davon abgesehen, daß er auch für die
Billigung der Übersetzung verantwortlich ist - diese Formel selber
benutzt und in seiner eigenen Diözese gebrauchen läßt, kann er nicht
mehr als der das Gewissen der Gläubigen bindende Lehrer der Kirche
angesehen werden. Es geht also hier gar nicht um eine Beurteilung der
subjektiven Schuld G.B.Montinis - wie Sie das mit Ihrem "allzu hart"
anzunehmen scheinen, sondern nur um die Feststellung, daß Paul VI. der
unwandelbaren Lehre der Kirche, wie sie in der tridentinischen Heiligen
Messe zum Ausdruck gebracht ist, objektiv widerspricht und spätestens*
dadurch die Eigenschaft der verbindlichen Autorität verloren hat.
*Daß wir uns bisher Dr.Kellners These - Montini sei wegen Häresie oder
Apostasie gar nicht Papst geworden - nicht angeschlossen haben, liegt
nicht daran, daß wir die von ihm vorgebrachten Gründe widerlegt hätten,
sondern nur daran, daß wir noch nicht dazu gekommen sind, sie gründlich
zu studieren; und schon gar nicht etwa an irgendwelchen taktischen
Überlegungen.
Ich komme an der ortsprechenden Stelle Ihres Briefes nochmals auf Ihre
Auffassung des "für euch und für alle" zurück. Hier kam es mir zunächst
nur darauf an, geltend zu machen, daß von einer "allzu harten"
Stellungnahme unsererseits gegen Paul VI. streng genommen nicht mehr
die Rede sein kann, da er sich durch materiell-manifeste Häresie jedes
gerechtfertigten Anspruchs auf verbindliche Autorität begeben hat.
Da Sie jedoch, bisher jedenfalls, dieses Urteil nicht teilen, will ich
einmal vorübergehend für die Prüfung der Schuldfrage davon absehen und
annehmen, Paul VI. sei derzeit wahrhaft rechtmäßiger Papst der Kirche
und es ginge nur um eine gerechte Beurteilung von Mißständen, die
die vollwertige Zugehörigkeit der Verantwortlichen zur Kirche gar nicht
berührte.
Selbstverständlich sind wir weit davon entfernt, die erhebliche
Mitschuld des Jesuitenordens im Allgemeinen, eines Mario von Galli im
Besonderen, des Kardinal Frings, der Holländischen Reformisten usw. zu
übersehen. Und es wäre tatsächlich ungerecht, "allein Paul VI. zur
Verantwortung zu ziehen". Das aber können Sie uns eigentlich, wenn Sie
die Arbeit der Gruppe Maria und ihres Freundeskreises betrachten,
gerechterweise nicht vorwerfen. Ich erinnere unter anderem an die
Grundsatzerklärung, die verschiedenen Plakate über die Taten Julius
Döpfners im Besonderen und der Reform "katholischen" Bischöfe im
Allgemeinen, die Auseinandersetzungen unserer Mitarbeiter mit einzelnen
Reform-Theologen wie Schmaus, Jungmann usw.
Dabei stelle ich nicht in Abrede, daß nach dem Kampf um die Heilige
Messe das Schwergewicht der Auseinandersetzung auf Paul VI. gerichtet
ist. - Es war sogar der entscheidende Anstoß zur Gründung dieser
Zeitschrift, daß sich der Herauegeber des DZM nach der großen Schenkung
durch den bewußten Baron nicht mehr in der Lage sah, die von ihm noch
unmittelbar zuvor mit uns geteilte Kritik an Paul VI. zu Wort kommen zu
lassen. Wir wissen bei dieser Kritik sehr wohl, daß auf den Schultern
eines Papstes nicht nur eine "große Last ruht", sondern daß er in der
normalen Ordnung sogar die größte Verantwortungelast zu tragen hat. Es
geht aber auch nicht an, daß man auf Bischöfe und Theologen die gesamte
Schuld abwälzt, gegen sie mit den rechtgläubig scheinenden Äusserungen
Pauls VI. heftigst zu Felde zieht, während man seine
glaubenszerstörenden Taten und Worte geflissentlich überhört und
übersieht, oder sie mindestens nicht öffentlich brandmarkt, um entweder
den "kirchlichen" Amtsträgern nicht den Schein einer gerechtfertigten
Handhabe gegen sich zu liefern, oder um seine eigene Unsicherheit im
Urteil durch eine falschverstandene Papstreue zu verdecken.
Das aber ist genau der Fall mit allen Konservativen und
Traditionalisten. Das mengenmäßige Übergewicht unserer
Auseinandersetzung mit Paul VI. ist also auch daraus zu verstehen, daß
alle anderen sich darum drücken. Es geht uns nicht darum, Paul VI. eine
größere Schuld anzulasten, als ihm vor Gott zukommt, ja es geht uns
letztlich nicht einmal darum, überhaupt seinen Schuldanteil
herauszufinden. Ein solches Urteil setzt Kenntnisse voraus, die wir
nicht haben, und solange wir sie nicht haben, sollen wir es dem allein
überlassen, der diese Kenntnisse hat. Das aber heißt nicht, daß wir das
Prinzip zugeben dürfen, mit mehrerlei Maß zu messen. Es ist nicht
recht, nur von der Schuld des Jesuitenordens, eines Mario von Galli,
des Kardinal Frings, der holländischen Reformisten usw. zu sprechen,
bei Paul VI. aber nur die große Last auf seinen Schultern sehen zu
wollen. Ich muß jeden einzelnen auch an der Verantwortung messen, die
er trägt und übernommen hat. Die Haltung der Konservativen und
Traditionalisten ist uns ein Greuel: sie urteilen vernichtend über
Suenens, Alfrink, Döptner, König, Rahner usw. (übrigens natürlich mit
Recht) und sie kriechen vor Paul VI., um sich den Schein einer
Rechtgläubigkeit durch blinden Gehorsam zu bewahren. Daß sie doch dem
Kephas - wenn sie ihn schon dafür halten - um der Wahrheit willen ins
Angesicht widerständen!
(Lassen Sie mich hier gleich noch auf eine Meinung eingehen, die Sie
zwar nicht vertreten haben, die wir aber immer wieder zu hören
bekommen. Sie lautet: Paul VI. ist ein Gefangener des Vatikans, seiner
Umgebung, der Freimaurer, oder wer weiß wessen. Die Meinung scheint mir
zwar absurd, wenn ich all die "Freiheiten" betrachte, deren sich dieser
Gefangene bedient; aber ich will sie einmal provisorisch annehmen, um
die Folgerung, die sich daraus notwendig ergibt, sichtbar zu machen.
Also angenommen, Paul VI. sei in tatsächlich zur Zeit unüberwindlicher
Unkenntnis über die für das Leben der Kirche entscheidenden Vorgänge
oder: er habe zwar Kenntnis davon, sei aber durch fremde Einwirkung zur
Zeit unüberwindlich (geistig oder physisch) gehindert, dagegen
vorzugehen, - so ist er dadurch seines Amtes ledig und die von ihm
getrennte Kirche muß folglich eine neue entscheidungs- und
handlungsfähige Autorität wählen. Denn entweder ist seine
Gefangenschaft derart, daß die wahre sichtbare Kirche noch mit ihm in
Verbindung steht, und dann weiß er, was in der Kirche vorgeht, und die
Kirche weiß, was er will - wir wüßten also dann, wenn er wirklich Papst
ist, daß der n.o.m. nicht seine Billigung hat - oder seine
Gefangenschaft ist eine totale, dann ist er nicht mehr in Verbindung
mit der sichtbaren Kirche und kann folglich auch nicht mehr Papst (das
sichtbare Oberhaupt der Gesamtkirche) sein. Die Kirche muß dann einen
neuen wählen. Ist Paul VI. ein rechtgläubiges Glied der Kirche, und
wird er aus der Gefangenschaft befreit, so wird er der Kirche
bestätigen, daß sie recht gehandelt hat.)
Nun komme ich zum nächsten Punkt Ihres Briefes: unsere "absolute
Ablehnung der Liturgiereform". Mit der Feststellung des Tatbestandes
haben Sie wiederum Recht: Wir lehnen die Liturgiereform radikal ab.
Hinreichender Grund für diese Ablehnung - ohne jede weitere
Einzeluntersuchung - ist, was Erich Fuchs in Nr.7 unserer Zeitschrift
auf Seite 35, Abs.4 und 5 (Jede Tat...hingewiesen.) ausgeführt hat. Ich
bitte Sie das nachzulesen und zu versuchen, ob Sie etwas Stichhaltiges
dagegen einwenden können. (Durch die Fülle der Argumente, die wir
vorlegen, darf man sich nicht verleiten lassen, die Kraft jedes
einzelnen für sich im Auge zu behalten.)**)
Diese in den beiden erwähnten Absätzen gekennzeichnete Auffassung von
der hl.Messe infolge des sogenannten zweiten Vatikanischen Konzils
würde genügen, um die Messe ungültig zu machen, ohne daß auch nur ein
Jota und ein Strichlein von den Texten und Zeremonien geändert worden
wäre. Denn alle, die diese Auffassung teilen, haben nicht die Intention
der Kirche, die zu einer Heiligen Messe notwendige Bedingung ist. Da
würden keine "lateinischen Glorias und Credos, Sanctus, Sequenzen, Te
deums, das dies irae dies illa etc." etwas ändern. Sie täuschen sich
sehr, wenn Sie meinen, daß nur "leidvolle Empfindungen" unser Urteil
begründen. Ihre Hoffnung, daß all das von Ihnen Vermißte "nicht für
immer aus der römischen Liturgie verschwinden" möge, erfüllt sich
ständig und wird sich weiter erfüllen bis zum Ende der Zeiten. Gott sei
Dank! - haben wir noch regelmäßig Anteil daran. Wenn es uns aber
genommen würde, wie es den meisten schon ist, werde ich niemals als
Scheinersatz an einer reformistischen Versammlung teilnehmen. Von
meinen 38 Lebensjahren bin ich bis jetzt rund 20 Jahre täglich zur
hl.Messe gegangen, weil ich vernünftigerweise glauben konnte, daß Jesus
Christus dabei durch die Kirche sein Erlösungsopfer erneuert. Vom
sogenannten n.o.m. kann man das vernünftigerweise nicht mehr glauben.
Folglich werde ich, wenn uns die Heilige Messe genommen werden sollte,
unter täglicher Lesung der Meßtexte zuhause warten, bis Gott die Strafe
beendet, sei es auch, daß ich das in dieser Welt nicht mehr erlebe.
Wenn Sie schreiben, daß man in der Zwischenzeit (also zwischen den
früheren und künftigen "lateinischen Glorias und Credos" etc.) "eben
mal die Liturgie in der Landessprache erproben" will, so muß ich mich
doch wenigstens sehr über Ihre Auffassung von Liturgie wundern. Wie
kann man mit der innerlichsten und heiligsten Beziehung zu Jesus
Christus Experimente machen? Und wenn Sie schreiben, daß die neue
"Liturgie" in der Landessprache "Anklang beim Volk" findet, und zwar
deswegen, "weil sie wirklich nichts gegen den Glauben enthält", so muß
ich Sie fragen, ob das "Anklang beim Volk finden" (ich habe darüber
übrigens gegenteilige Erfahrungen) hinreichender Grund für die Annahme
seiner Rechtgläubigkeit ist, oder woher Sie sonst Ihre Meinung von der
Rechtgläubigkeit des Volkes haben? Was würden Sie dazu sagen, wenn
jemand behauptete: die protestantische "Abendmahlsfeier" findet Anklang
beim protestantischen Volk, "weil sie wirklich nichts gegen den
[wahren] Glauben enthält, vielmehr den Sinn der liturgischen Handlung
voll verständlich macht"?
Nun aber zum wichtigsten Punkt Ihres Briefes, zu Ihrer Meinung über das "für euch und für alle"!
Ich gehe dabei mit Ihnen von der bekannten und von den meisten
Theologen vertretenen Lehre aus, daß zur wesentlichen Form der
Konsekration alleine die Worte des Herrn genügen: Das ist mein Leib -
Das ist mein Blut.
**) Wenn wir in der letzten Zeit unser besonderes Augenmerk auf die
Formel "für euch und für alle" gerichtet haben, so heißt das eben
keineswegs, daß der sogenannte n.o.m. in der lateinischon Urfassung zu
einer gültigen Heiligen Messe tauglich wäre, sondern es ging dabei nur
darum, den kürzesten schlüssigen Beweis zu führen. Allein die Tatsache,
daß die Definition (oder wie die Reformer jetzt vorsichtshalber lieber
wollen: die Circumscription) der neuen "Messe" zurückgenommen werden
mußte, zeigt hinlänglich, daß die Väter des n.o.m. mit einer dem
heiligen Gegenstand völlig unangemessenen Leichtfertigkeit zu Werke
gegangen sind, und schon deshalb niemals eine gültige Form für die
Heilige Messe schaffen konnten, ganz abgesehen von dem Fluch, mit dem
sie schon durch den Heiligen Papst Pius V. belegt waren und anderem
mehr.
Nehmen Sie nun einmal an, es würde ein Priester sprechen wollen: Das
ist mein Blut, das für euch nicht vergossen wird. (Es handelt sich
hierbei zunächst nur um eine Hilfsüberlegung, auf die früher schon Herr
Banauch im DZM hingewiesen hatte.)
Bisher habe ich noch keinen gefunden, der behaupten würde, daß durch
diese Worte eine Konsekration zustande kommen könnte. Begründen können
Sie die Ungültigheit - wie es hier noch scheint - auf doppelte Weise:
Entweder Sie nehmen an daß der Nebensatz, der eine nähere Bestimmung
des Hauptsatzes ist, die Form beeinträchtigt und ungültig macht, oder
Sie halten daran fest, daß die nach der bekannten kirchlichen Lehre
festgesetzte Form gewahrt ist; dann aber müssen Sie sagen, daß der
Nebensatz, der ausdrücken will, daß das Blut nicht für euch vergossen
wird, aus einer nicht zu rechtfertigenden Intention kommt und dadurch
eine Konsekration unmöglich macht.
Sie können eine weitere Hilfsüberlegung machen, die zunächst sogar
zugunsten Ihrer Auffassung zu sprechen scheint. Bei näherem Hinsehen
aber wird sich zeigen, daß es auch nur so scheint: Nehmen Sie an, ein
Priester will die Worte des Herrn zur Konsekration sprechen. Infolge
eines von ihm selbst unbemerkten Sprechfehlers (lapsus linquae) sagt
er: Das ist nicht mein Blut. Wird man die Gültigkeit der Konsekration,
wenn sonst alle Bedingungen erfüllt sind, bestreiten können? Die
Theologen müßten vermutlich sagen: ecclesia supplet. Ist diese
Konsekration gültig - und ich sehe nicht, wie man es leugnen kann -, so
könnte man sich zu der Meinung verleiten lassen, es komme also auf die
Worte gar nicht an, sondern nur auf die Intention. Damit wären wir
selbst in der Häresie. Schauen wir also genauer hin: Der Priester muß
das Wort (das sinnliche Zeichen), welches Wort der Wahrheit ist,
wollen. Anders ausgedrückt: Er muß die Worte des Herrn sprechen wollen,
die als solche in Wahrheit erkannt und daher von der wahren Kirche
festgelegt sind. Also er muß nicht nur abstrakt wollen, sondern er muß
konkret wollen, und das heißt: er muß ein sinnliches Zeichen überhaupt
wollen und er muß ein bestimmtes sinnliches Zeichen wollen. - Daß das
sinnliche Zeichen überhaupt von der Kirche als auswechselbar angesehen
wird, sieht man daraus, daß sie ja nicht nur die hebräischen oder
aramäischen Worte des Herrn, sondern z.B. auch ihre sinngemäße
lateinische Übersetzung als die Konsekration bewirkend anerkennt.
Da das sinnliche Zeichen auswechselbar ist, kann an diesem für sich
allein nicht über die wahre Gültigkeit einer Sache entschieden werden.
Daraus folgt, daß eine Messe mit den Worten: "Das ist der Kelch meines
Blutes..., das für euch und für alle vergossen wird", unter der
Bedingung gültig sein kann, daß der Priester die wahren bestimmten
Worte des Herrn aussprechen will, ohne sich bewußt zu sein, daß er das
Gegenteil tut. ***} Daß er das Gegenteil tut, hat Franz Bader in Nr.5
unserer Zeitschrift in der Abhandlung "Das Blut des Bundes"
unwiderleglich nachgewiesen, indem er gezeigt hat, daß der Priester,
der spricht: Das ist mein Blut des Bundes ...., das für euch und für
alle vergossen wird, notwendigerweise sagt: Das ist mein Blut des
Bundes, welcher nicht mein Bund ist. Ich bitte Sie, diesen Artikel
nicht nur mehrfach zu lesen, sondern ihn zu studieren, zu widerlegen zu
versuchen und mir dann Ihre eventuellen sachlichen Einwände mitzuteilen.
Damit ist die These vom Hochwürdigen Herrn Dr.Katzer, daß in einem ganz
bestimmten Grenzfall trotz der häretischen Formel "für euch und für
alle" eine gültige Konsekration bewirkt sein kann, - mit der These, daß
die Formel "für euch und für alle" keine gültige Wandlungsformel sein
kann, widerspruchslos vereinigt. Der vom Hochwürdigen Herrn Dr.Katzer
vorgesehene Fall wäre ein dem lapsus linguae analoger lapsus mentis,
d.i. ein Nichtbewußtsein bzw. Nichtintendierthaben auch nur der
Fragwürdigkeit der Formel "für euch und für alle".
Es folgt daraus jedoch keine Unsicherheit für unser Urteil über die
Ungültigkeit einer "Messe" mit der Formel "für euch und für alle". Denn
jeder Priester, der von dem Streit auch nur gehört hat, darf die neue
Formel nach dem Grundsatz der via tutior nicht benutzen, bis er zur
klaren Erkenntnis über die Frage gekommen ist. Erkenntnis aber erlaubt
nur die Form: Das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen
Bundes, der für euch und für viele vergossen wird.
***) Dabei ist nicht zu vergessen, daß das nur in einer ansonsten
gültigen Meßliturgie der Fall sein kann, was für den n.o.m. ohnehin
nicht in Frage kommt
Ein blindes Sich-Berufen auf Autorität ist schon in sich unsittlich,
und wer sich in der heutigen Lage manifester Häresie der "kirchlichen"
Amtsträger damit entschuldigen will, hat seinen Glauben sicher verloren.
Wohl bewußt bin ich mir allerdings, daß diese weitere Unterscheidung
zur Lösung eines bisher nicht ausdrücklich gelösten Problems weitere
Versteckmöglichkeiten für die Abgefallenen und Glaubenszersetzer
bietet. Aber am bösen Willen können wir grundsätzlich niemanden hindern
und wir erörtern diese Gründe nur mit denen, die guten Willens sind,
damit sie sich der satanischen Feinde erwehren können.
Wenn Sie nun weiter schreiben: "Wohl zur Vermeidung öffentlichen
Ärgernisses sind die Worte über die Konsekration des Blutes... "für
viele" abgeändert worden in:... "für alle", so sollten Sie eigentlich
bemerken, daß Sie damit ein mit Recht vernichtendes Urteil über die
Reformer fällen. Ein Ärgernis beseitigen, welches Jesus gesetzt hat,
heißt Jesus selbst verwerfen. Jeder Christ muß wissen, daß Jesus
Christus für die Sünden aller Sühne geleistet hat, er muß aber genauso
wissen, daß er für sich nur in den Genuß der Gnade kommt, wenn er diese
Sühneleistung in Liebe annimmt, und das heißt auch: wenn er dieser
Sühneleistung entsprechend lebt.
Unsere Berufung auf Pius V. sehen Sie auch nicht richtig. Wir sagen
nicht, daß die hl.Messe unaufhebbar gültig ist, weil ein Heiliger
Papst, Pius V., sie als ewig gültig behauptet hat, sondern wir sagen,
daß er sie in feierlicher Form als ewig gültig und damit als
unaufhebbar erklärt hat, weil er sie als Heilige Messe der Wahrheit
nach erkannt hat. Derjenige, der in Wahrheit etwas erkennt, bindet
notwendigerweise alle seine Nachfolger, nicht weil er will, sondern
weil es die Wahrheit ist. "Sklavisch" ist nur der gebunden, der sich
der Wahrheit verschließt.Wer sich ihr eröffnet, bindet sich in Liebe.
(Wir hören auch immer wieder das Scheinargument: die feierlichen
Sanktionen Pius'V. hätten keine Bedeutung, und er hätte ernsthaft
natürlich seine Nachfolger damit nicht binden wollen; denn das sei nur
die Sprachweise der Päpste oder dieser Zeit. Darauf ist zu antworten,
daß in Wahrheit die Form dem Inhalt immer zu entsprechen hat.
Mißbraucht jennand eine feierliche Form für einen nicht entsprechenden
Gehalt, so läßt sich daraus nicht auf eine allgemeine
Bedeutungslosigkeit der feierlichen Form schließen. Denn aus dem
Mißbrauch einer Sache kann man grundsätzlich nicht deren Wert erkennen.)
Schließlich schreiben Sie: "Die Gruppe Una Voce scheint das Vorhaben
des II.Vatikanums zur Wiedervereinigung mehr oder weniger als illegitim
anzusehen." Das "Vorhaben" des sogenannten 2.Vatikanums sehen wir
allerdings nicht nur mehr oder weniger, sondern einfachhin als
illegitim an, weil eine Wiedervereinigung nur in der Wahrheit und nicht
um den Preis der Wahrheit gesucht werden kann. Die Lehre des
sogenannten 2.Vatikanums über die Religionsfreiheit, deren Untersuchung
durch Michel Martin kürzlich in Übersetzung von G.Mevec in Nr.4 unserer
Zeitschrift erschienen ist, zeigt hinlänglich, was von diesem
sogenannten Konzil zu halten ist.
Unverständlich ist mir noch, was Sie mit Ihrer Behauptung sagen wollen:
"die Reformation wurde seinerzeit unter Zwang eingeführt".Meinen Sie
damit das Verfahren nach dem Grundsatz: cuius regio eius religio? Diese
Art von Zwang sucht man heute auch auszuüben, indem man den n.o.m. im
Herrschaftsbereich (regle) der Reformer, welches die ganze Erde ist,
durcheetzen willo Sollten sich die noch rechtgläubigen Priester zum
n.o.m. "zwingen" lassen, so werden wir uns noch lange nicht "zwingen"
lassen, ihm beizuwohnen, bevor man uns nicht mit Gewalt dahin schleppt.
Meinen Sie wirklich physischen Zwang oder nur irgend eine Art von
Nötigung, sei sie auch mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden?
Ihrem letzten Absatz kann ich, wie Sie leicht aus allem soeben
dargelegten folgern können, so nicht zustimmen. Die Kirche kann man
überhaupt nur mit guten Absichten als Kirche denken, denn sie ist unter
anderem gerade die Gemeinschaft derer, die guten Willens sind.
Keineswegs aber kann man all denen (und heute den meisten), die den
Namen Kirche in Anspruch nehmen, gute Absichten unterstellen. Die
Zustimmung aller in Wahrheit Urteilenden werden wir sicher finden. Und
wenn das Ende noch nicht da ist, wird die Kirche wieder Ruhe finden
nach der klaren Trennung von den abgefallenen "kirchlichen" Amtsträgern
und ihrem Anhang. In der Hoffnung, Ihnen den Weg zum Verständnis der
von uns vertretenen Haltung ein wenig erleichtert zu haben, grüße ich
Sie
mit den besten Wünschen Hans Gliwitzky
|