Leserbrief
Zum Problem des innerkirchlichen Klerikalismus
Im Zusammenhang mit einer geplanten Abhandlung über den Status und die
Aktivitäten der Thuc-Bischöfe, besonders aber der sogenannten, hatte
ich Herrn Prof. Wendland brieflich angekündigt, daß ich mich auf dessen
Beobachtung eines störenden Klerikalismus (bei Klerikern und bei
Laien!) stützen wolle, um gewisse Erscheinungen in diesem Personenkreis
besser verständlich zu machen. Daraufhin stellte mir Herr Wendland
folgende Überlegungen zur Verfügung, die ich nun gesondert
veröffentliche.
E. Heller
***
Sehr geehrter Herr Dr. Heller!
[...] Ich spreche in meiner Kritik (auch im Rahmen eines falschen
Traditionalismus) von einer nach-tridentinischen "Kleruskirche" mit
ihren eigentümlichen 'Priestern und Gläubigen' von einem besonderen
Kirchenwesen, das sich dann nach der Französischen Revolution in der
sog. "Amtskirche" abkapselte, einem sterilen Bürokratismus verfiel und
im öffentlichen Leben der Gesellschaft fruchtlos blieb. (Gegen das
Dritte Reich hatte der Klerus als Klerus gar nichts mehr aufzubieten.)
Diese "Kleruskirche", die nach-tridentinischen Ursprungs ist (sogar im
Spätmittelalter war so etwas noch unbekannt), trat in dem Augenblick in
Erscheinung, als in der röm.-kath. Kirche (schon im 18. Jhd.) die
Einheit von Klerus und Laienschaft restlos zerbrach. (Dies gehört auch
zu den Ursachen des Scheiterns der Gegenreformation). Schuld am
Zerbrechen dieser Einheit war nicht der anti-katholische Laizismus,
sondern der unkatholische Klerikalismus, aber auch die Tatsache, daß
die "Hierarchie" in der Kirche die "hierarchische Kirche", die in ihrem
Wesen prinzipiell eine "societas inaequalis" ist, zu ersticken drohte!
(Bereits im 19. Jhd.) Der hauptsächlich den 'Weltklerus'
verseuchende Klerikalismus war ein ganz großes Übel, ja ein Verbrechen.
Denn er entmündigte den Laien, identifizierte ihn mit dem naiven
'Kirchenvolk' und machte die Laienschaft in der Kirche zu einem bloßen
"Akzidens der Kirche (Jesu-Christi)", was bereit durch und durch
häretisch war.
NB.: von den 'Thuc-Bischöfen' waren vielleicht nur 2 keine
Klerikalisten. [...] Der Klerikalismus hat mehrere Gesichter, die man
unterscheiden können sollte. Es gibt sogar das Paradox eines 'laikalen
Klerikalismus', den man selbst heute noch unter gewissen
Traditionalisten findet. [...]
Die sog. "Kleruskirche" ist das Produkt eines innerkirchlichen
Klerikalismus, der ganz unkatholisch ist. Gebildete kath. Laien haben
ihn immer als eine große Belastung empfunden, ja sogar als
Diskriminierung.
Weder das Vatikanum I noch die nachfolgenden Päpste haben den
Klerikalismus aufheben oder beseitigen können, obwohl bereits Leo XIII.
und Pius XI. nicht mehr tatenlos zuschauten. Das Haupthindernis für
eine notwendige Reform aber waren die Diözesanbischöfe und die
außerkurialen Kardinäle mit ihren Machtgelüsten. Ich erinnere hier nur
an die von ihnen völlig unverstandene Enzyklika "Ubi arcano" Pius' XI.
von 1922 und sein Schreiben an den Kardinal Bertram und Fürsterzbischof
von Breslau (1926). Da wurde nicht einmal mehr der theologische
Terminus "actio catholica" und die eigentliche Zielsetzung des Papstes
verstanden. [...] Dabei ging es um das schon überfällig gewordene
theologische Grundproblem des Laienapostolates und dessen Lösunng,
nämlich der "Teilnahme (participatio) am hierarchischen Apostolat", um
so auch die Spaltung von Klerus und Laienschaft mit ihren verheerenden
Auswirkungen zu heilen. Es ging um eine echte "participatio" mündiger,
d.h. theologisch gebildeter Laien im Sendungsprozeß der Kirche, nicht
bloß um eine 'ergänzende' "cooperatio" (oder 'Mitarbeit' ). Hier könnte
man sogar auf Thomas v.A. in mehrfacher Beziehung zurückgreifen. [...]
Der Klerikalismus ist nicht bloß ein "geistlicher Herrschaftsanspruch",
dem die Berechtigung fehlt, und damit Herrschaftsanmaßung. Vielmehr war
er von Anfang an häretisch. Auch Pius XII. hat das gewußt und dagegen
gekämpft - leider erfolglos!!
Schon nach dem 2. Weltkrieg gab es auf dem europäischen Kontinent, der
nicht unter sowjetischem Einfluß stand, Bestrebungen in der kath.
Kirche, dem echten Laienapostolat (das nichts mit dem lächerlichen sog.
'Gebetsapostolat ' zu tun hatte) wieder zu seinem Recht zu verhelfen.
Denn nur so konnten der Klerikalismus und die sog. 'Kleruskirche'
überwunden werden und aus der röm.-kath. Kirche verschwinden. Diese
Bestrebungen aber wurden von klerikalistischen Bischöfen und ihren
Trabanten in Welt- und Ordensklerus zunichte gemacht. Ich selbst habe
das als aktives Mitglied der Görresgesellschaft bis zu meinem Austritt
(1960) hautnah miterlebt. - Die nachkonziliaren Traditionalisten mit
ihrem furchterregenden Kampf gegen die 'Handkommunion' etc. waren in
der Regel Klerikalisten und wollten im Grunde ihre 'Kleruskirche'
wiederhaben (wie die eingefleischten Preußen ihren 'alten Kaiser
Wilhelm'!).
Seit ca. 100 Jahren hat jeder kath. Akademiker in Europa (auch mit nur
ein wenig theologischer Bildung) gewußt, daß sich Klerikalismus und
Laienapostolat gegenseitig radikal ausschließen. Das kath.
'Kirchenvolk' in seiner naiven Gläubigkeit aber hatte davon nicht die
mindeste Ahnung. Dafür sorgten schon die 'H.H. Pfarrer' und die noch
hochwürdigeren Herrn Patres, die manche Pfarrgemeinden beglückten.- Die
"rom. Konzilskirche" hinwiederum ist weder eine 'Kleruskirche' noch
eine 'Laienkirche', sondern ein besonderes Kirchengebilde, das indes
weder anglikanisch noch byzantinisch ist; sie ist so etwas wie eine
'kath. Hydra', aber ohne eigentlichen Kopf. Beim umhergetriebenen
Wojtyla kann man es direkt greifen, daß er kein Stellvertreter Christi
ist...
Welche zu lösenden Probleme und "Hausaufgaben" menen Sie denn, wenn Sie
schreiben, daß Sie und Herr [X] "die einzigen sind (!), die landauf,
landab überhaupt an deren Lösung Interesse haben"? Meinen Sie etwa
schon wieder die [...] "Restitution der Kirche"? Sie brauchen sich doch
darüber weder zu wundern noch zu beklagen, daß in dieser Beziehung kein
Interesse vorhanden ist [...]. Stellen Sie sich doch selbst
einmal die Frage, warum Sie ins Leere laufen und intentional
leerlaufen?? Das liegt doch nicht immer nur an der Interessenlosigkeit
der anderen. Der laikale und klerikale Durchschnittskatholik hatte
schon lange (ganz offenkundig bereits im 19. Jhd.) einen sinnentleerten
und verdrehten Kirchenbegriff und damit auch kein Sendungsbewußtsein
mehr. Und dieses 'große Loch' machte sich dann das Vatikanum 2 mit
seinen Aktivisten von Anfang an zunutze. Deshalb auch die fast
revolutionäre "Aufwertung der Laien(schaft)"; auf diese Leimrute
krochen viele! Die stupiden 'Traditionalisten' aber machten sich über
die vermeintlich 'mündigen Katholiken' lustig, ohne diese Sache
überhaupt beurteilen zu können. [...]
Mit besten Grüßen
(gez.:) D. Wendland
***
Korrektur:
In der Übersetzung des Artikels von Frau Ursula Oxfort "Der große
Verrat am Papsttum" (EINSICHT, XXIX/4 vom Okt. 1999, S. 91 ff., ist uns
bei der Überarbeitung ein sinnentstellender Fehler unterlaufen, auf den
uns die Autorin dankenswerterweise aufmerksam machte. Es muß heißen (S.
97 im Kapitel "Theologische Unterstützung"):
In meinem ersten Buch über Vatikanum
II, "Die Häresie von Papst Johannes XXIII.", wies ich darauf hin, daß
Roncallis Annahme mystischer Phäonomene als Grund seines Konzils der
mystischen Theologie des hl. Johannes vom Kreuz widerspricht, die ich
damals studiert. Wie nämlich der Kirchenlehrer erläutert, ist es das
Wesen des falschen Mystizismus, Wissen mittels übernatürlicher Kräfte
zu verlangen wie durch ein "neues Pfingsten". - "Erneuere Deine Wunder
in unseren Tagen u.a. durch ein neues Pfingsten" betete Johannes XXIII.
("Humanae salutis" vom 25. Dez. 1961). Der Hauptgrund, weshalb unter
dem Gesetz des Neuen Bundes Visionen und 'innere Worte' in der Praxis
und dem Fortschritt des Glaubens nicht mehr erforderlich sind,
erläutert der Lehrer der wahren Mystik mit folgenden Sätzen: "Seitdem
aber der Glaube in Christus begründet ist und in diesem Zeitalter der
Gnade das Gesetz des Evangeliums offenbar wurde, besteht kein Grund,
Ihn auf diese Art zu befragen, noch für Ihn zu sprechen oder zu
antworten, wie Er damals (im Alten Testament) tat, indem Er uns nämlich
Seinen Sohn - der Sein Wort ist - und Er hat kein anderes - sprach Er
für uns alle einmal und für alle in diesem einen Wort und Er hat keinen
Anlaß, noch weiter zu sprechen". ("Aufstieg zum Karmel" 2. Buch,
Kap.XXII, 2)
Hier die Redaktionsadresse des von Frau Ursula Oxfort hrsg. CCR: P.O.
Box 369, Lake Worth, Fl. 33460 / USA. Bei ihr kann das "Christian
Counter-Revolution" bestellt werden; 4 Nr.: 13 US$.
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