JESUS IN DER WÜSTE - DIE VERSUCHUNG
- NACH DEN VISIONEN DER GOTTSELIGEN
ANNA KATHARINA EMMERICH -
Vor dem Sabbat gingen die jerusalemischen Freunde noch nach der Stadt
zurück. Aram und Themeni gingen mit Joseph von Arimatäa. Jesus hatte
ihnen gesagt, daß er sich einige Zeit absondern wolle, um sich auf sein
schweres Lehramt vorzubereiten. Er sagte ihnen nicht, daß er fasten
wolle.
Jesus ging vor dem Sabbat, von Lazarus begleitet, in die Herberge des
Lazarus nach der Wüste zu. Er sagte diesem auch allein, daß er nach
vierzig Tagen wieder kommen werde. Aus der Herberge setzte er seinen
Weg allein und barfuß fort. Er ging im Anfang nicht in der Richtung von
Jericho, sondern gegen Mittag, als wolle er gen Bethlehem, als wolle er
zwischen dem Aufenthalt von Annas Verwandten und dem von Josephs
Verwandten bei Maspha durch; dann wandte er sich gegen den Jordan zu,
umging alle Orte auf Fußpfaden und kam an dem Ort dicht vorüber, wo
einmal die Arche gestanden und wo Johannes das Fest gefeiert hatte.
Etwa eine Stunde von Jericho bestieg er das Gebirge und begab sich in
eine weite Höhle. Dies Gebirge zieht sich von Jericho zwischen Morgen
und Mittag über den Jordan hinüber gegen Madian hin. Jesus hat hier bei
Jericho sein Fasten begonnen, hat es in verschiedenen Teilen dieser
Wüste jenseits des Jordan fortgesetzt und hier wieder beschlossen,
wohin ihn der Teufel auf den Berg getragen. Dieser Berg hat auf seiner
Spitze eine sehr weite Aussicht. Er ist teils mit Gesträuch bewachsen,
teils einsam und kahl. Er liegt eigentlich nicht so hoch wie Jerusalem
selbst, aber er liegt auf tieferem Grunde und auf diesem mehr einsam
erhaben. Auf der Berghöhe von Jerusalem liegt der Hügel des
Kalvarienberges am höchsten, so daß er mit der Höhe des Tempelgebäudes
gleich ist. Von Bethlehems Seite und gegen Mittag liegt Jerusalem ganz
gefährlich steil; von dieser Seite ist auch kein Eingang und alles von
Palästen eingenommen.
Jesus bestieg in der Nacht den einen steilen wilden Berg in der Wüste,
den man jetzt Quarantania nennt. Es sind drei Rücken auf diesem Berg
und drei Höhlen, eine über der andern. Hinter der obersten Höhle, in
welche Jesus ging, sah man in den steilen dunklen Abgrund hinunter; der
ganze Berg war voll schrecklicher, gefährlicher Spalten. In derselben
Höhle hatte vor 400 Jahren ein Prophet gewohnt, dessen Namen ich
vergessen. Auch Elias hat einstens längere Zeit heimlich hier gewohnt;
er erweiterte die eine Höhle. Ohne daß jemand wußte woher, kam er
manchmal hier herab unter das Volk, prophezeite und stiftete Frieden.
Vor 150 Jahren hatten etwa 25 Essener hier ihre Wohnungen. Am Fuß
dieses Berges stand das Lager der Israeliten, als sie mit der
Bundeslade und den Posaunen um Jericho herumzogen. Der Brunnen, dessen
Wasser Elisäus versüßte, ist auch in der Gegend. St. Helena hat diese
Höhlen zu Kapellen einrichten lassen. Ich habe einmal in einer
derselben ein Gemälde der Versuchung an der Wand gesehen. Es ist später
auch ein Kloster da oben gewesen. Ich kann mir immer nicht denken, wie
nur die Arbeiter da hinaufkommen konnten. Helena hat sehr viele heilige
Orte mit Kirchen geschmückt. Sie baute auch jene Kirche über das
Geburtshaus der Mutter Anna, zwei Stunden vor Sephoris. In Sephoris
selbst hatten Annas Eltern auch ein Haus. Wie traurig, daß die meisten
dieser heiligen Orte bis an die Erinnerung an sie verwüstet sind! Wenn
ich als junges Mädchen vor Tag im Winter durch den Schnee nach Coesfeld
zur Kirche ging, sah ich alle diese heiligen Orte so deutlich und sah
oft, wie gute Menschen, sie vor Verwüstung zu schützen, sich vor den
zerstörenden Kriegsleuten platt in den Weg warfen.
Das Wort in der Schrift: "Er ward vom Geiste in die Wüste geführt",
heißt: der Heilige Geist, der in der Taufe, insofern Jesus alles
Göttliche nach seiner Menschheit an sich geschehen ließ, über ihn kam,
bewegte ihn, in dieWüste zu gehen und sich zu seinen Berufsleiden vor
seinem himmlischen Vater menschlich vorzubereiten.
Jesus betete in der Höhle mit ausgebreiteten Armen kniend zu seinem
himmlischen Vater um Kraft und Trost in allen ihm bevorstehenden
Leiden. Er sah alle seine Leiden voraus und flehte um die nötigen
Gnaden in jedem einzelnen. Ich hatte Bilder von allem Kummer und allen
Leiden und sah Jesus Trost und Verdienst für jedes empfangen. Eine
weiße Lichtwolke, groß wie eine Kirche, ließ sich über ihn nieder, und
nach den einzelnen Gebeten nahten ihm geistige Gestalten, welche in
seiner Nähe menschliche Form gewannen, ihn ehrten und ihm irgendeinen
Trost, eine Verheißung brachten. Ich erkannte, daß Jesus hier in der
Wüste allen Trost, alle Stärkung, alle Hilfe, allen Sieg in
Anfechtungen für uns erwarb, alles Verdienst im Kampf und Sieg für uns
erkaufte, allen Wert der Abtötung und des Fastens für uns vorbereitete,
und daß er hier alle seine bevorstehende Arbeit und Leiden Gott dem
Vater aufopferte, um den künftigen Geistes- und Gebetsarbeiten der an
ihn Glaubenden einen Wert zu geben. Ich erkannte den Schatz, welchen
Jesus der Kirche dadurch gründete und welchen sie in der vierzigtägigen
Fastenzeit eröffnet. Jesus schwitzte bei diesem seinem Gebete
Blut.
Nun aber sah ich, daß die Engel sich vor Jesus beugten, ihn verehrten
und fragten, ob sie ihm ihre Sendung vorstellen dürften und ob es noch
sein Wille sei, für die Menschen als Mensch zu leiden, wie dieses sein
Wille gewesen, da er aus seinem himmlischen Vater herabgestiegen sei
und Fleisch angenommen habe im Leibe der Jungfrau? Da nun Jesus
abermals diese Leiden annahm, richteten die Engel ein hohes Kreuz vor
ihm auf, welches sie in seinen einzelnen Teilen tragend herangekommen
waren. Es war dies Kreuz in der Gestalt, wie ich es immer sehe; aber es
bestand aus vier Stücken, wie ich immer die Kreuzkelter sehe. Der obere
Teil des Kreuzstammes nämlich, der zwischen den beiden eingesetzten
Armen hervorsteigt, war auch abgesondert. Fünf Engel trugen den unteren
Stamm des Kreuzes, drei den oberen Teil, drei den linken und drei den
rechten Kreuzarm, drei den Klotz, worauf seine Füße ruhten, drei trugen
eine Leiter, ein anderer einen Korb mit allerlei Stricken und Werkzeug,
andere Speer, Rohr, Ruten, Geißeln, Dornenkrone, Nägel und alle seine
Spottkleider, ja alles, was bei seinem Leiden vorkam.
Das Kreuz aber schien hohl, man konnte es auftun wie einen Schrank, und
es war in allen seinen Teilen mit unzähligen mannigfaltigen
Marterwerkzeugen angefüllt. In der Mitte aber, wo Jesu Herz gebrochen
ward, war eine Verschlingung von allen möglichen Bildern der Pein in
den verschiedensten Instrumenten, und war die Farbe des Kreuzes von
einer rührend schmerzlichen Blutfarbe.
So waren alle Teile und Stellen des Kreuzes von verschiedenen
schmerzlichen Farben, aus denen man die Pein erkennen konnte, welche da
erlitten werden sollte, und wo sie in Strahlen nach dem Herzen hinlief.
Auch die Instrumente auf jeder Stelle hatten die Gestalt der
zukünftigen Peinen. Es waren in dem Kreuze auch Gefäße mit Galle,
Essig; aber auch Salben und Myrrhen und etwas wie Gewürz,
wahrscheinlich auf Tod und Grablegung sich beziehend. Außerdem waren
darin eine Menge von langen aufgerollten Bahnen, wie handbreite Zettel
von verschiedenen Farben, worauf verschiedene Leiden und
Leidensarbeiten geschrieben waren. Die Farben deuteten auf verschiedene
Grade und Arten von Finsternis, welche zu erleuchten und auszubleichen
waren durch Leiden. Schwarz war das, was verloren ging, braun das
Trübe, Dürre, Trockene, Vermischte, Schmutzige, rot das Schwere,
Irdische, Sinnliche, gelb das Weichliche, Leiden scheuende. Es waren
halbgelbe, halbrote Bahnen dabei, beides mußte weiß werden. Dann waren
auch eine Menge ganz weißer Bahnen darin, wie Milchbahnen, und die
Schrift war leuchtend in ihnen; man sah sie durch. Diese be-zeichneten
das Gewonnene, Vollendete. Alle diese farbigen Bänder waren wie die
Rechnung der Arten der Schmerzen und Arbeiten, welche Jesus in seinem
Wandel und Leiden mit den Jüngern und anderen Menschen haben würde.
Auch wurden Jesus all' jene Menschen vorgeführt, durch welche er am
meisten geheime Leiden haben würde: die Tücke der Pharisäer, der
Verräter Judas, die mitleidslosen Juden bei seinem schmählichen
bitteren Tode.
Alles ordneten und entwickelten die Engel vor dem Heiland mit einer
unaussprechlichen Ehrfurcht und einer priesterlichen Ordnung; und als
das ganze Leiden vor ihm aufgerichtet und ausgesprochen war, sah ich
Jesus und die Engel weinen. Ich sah an einem späteren Tage auch, daß
die Engel Jesus den Undank der Menschen, den Zweifel, Spott, Hohn,
Verrat, Verleugnung der Freunde und Feinde bis zu seinem Tode und nach
demselben in Bildern zeigten, und alles, was von seiner Arbeit und Pein
verloren gehe. Sie zeigten ihm aber auch zum Troste alles, was gewonnen
werde. Sie zeigten mit den Händen nach den Bildern. In allen diesen
Vorstellungen des Leidens Jesu sah ich das Kreuz Jesu wie immer von
fünf Holzarten und mit eingesetzten Armen, unter jedem Arm einen Keil,
einen Ruheklotz unter den Füßen. Das Stück des Stammes über dem Haupt,
woran der Titel, sah ich einzeln aufgezapft; denn der Stamm war anfangs
zu niedrig, um die Schrift über das Haupt zu setzen. Es war aufgesetzt
wie der Deckel auf eine Nadelbüchse.
Der Satan kannte nicht die Gottheit Christi. Er hielt ihn für einen
Propheten. Er hatte seine Heiligkeit von Jugend auf gesehen und auch
die Heiligkeit seiner Mutter, die gar nicht auf den Satan merkte. Sie
nahm keine Versuchung auf. Es war kein Stoff in ihr, woran er anknüpfen
konnte. Ich tat da die innere Frage, wie es denn ihm so ganz verborgen
sei, daß Christus Gott sei? Und ich erhielt darüber Weisungen und
erkannte nun ganz deutlich den unbegreiflichen Nutzen für die Menschen,
daß der Satan und sie selber es nicht wußten, und daß sie es mußten
glauben lernen. Ein Wort sagte mir der Herr, das ich behalten, nämlich:
"Der Mensch hat nicht gewußt, daß die Schlange, die ihn verführt, der
Satan war, darum darf auch der Satan nicht wissen, daß es Gott ist, der
den Menschen erlöst." Ich sah auch, daß der Satan die Gottheit Christi
nicht eher erfuhr, als da er die Seelen aus der Vorhölle
befreite.
Jesus litt Hunger und Durst. Ich sah ihn mehrmals vor der Höhle. Gegen
Abend kam der Satan wie ein großer kräftiger Mann den Berg herauf. Er
hatte unten zwei Steine aufgehoben, von der Länge kleiner Brote, aber
eckig, denen er aufsteigend in seinen Händen die volle Gestalt der
Brote gab. Er hatte etwas ungemein Grimmiges, da er zu Jesus in die
Höhle trat. Er hatte in jeder Hand einen der Steine und sagte zu ihm
etwa so viel wie: "Du hast recht, daß du keine Früchte aßest, sie
reizen nur die Eßlust. Wenn du aber Gottes geliebter Sohn bist, über
den der Geist bei der Taufe gekommen, siehe, ich habe gemacht, daß sie
wie Brote aussehen, so mache du Brot aus diesen Steinen." Jesus sah
nicht nach dem Satan; ich hörte ihn nur die Worte sagen: "Der Mensch
lebt nicht vom Brote." Diese Worte habe ich allein deutlich behalten.
Nun wurde der Satan ganz grimmig, streckte seine Krallen gegen Jesus
aus, wobei ich die beiden Steine auf seinen Armen liegen sah, und
entfloh. Ich mußte lachen, daß er seine Steine wieder mitnehmen
mußte.
Gegen Abend des folgenden Tages sah ich den Satan in der Gestalt eines
mächtigen Engels zu Jesus mit großem Gebrause heranschweben. Er war in
der Art kriegerischer Bekleidung, wie ich den heiligen Michael
erscheinen sehe; doch immer kann man durch seinen großen Glanz etwas
Finsteres und Grimmiges durchsehen. Er prahlte gegen Jesus und sagte
ungefähr: "Ich will dir zeigen, wer ich bin und was ich vermag und wie
mich die Engel auf den Händen tragen. Sieh dort Jerusalem! sieh den
Tempel! ich will dich auf seine höchste Spitze stellen; da zeige, was
du vermagst und ob Engel dich heruntertragen." In dem er so hinzeigte,
war es, als sähe ich Jerusalem und den Tempel dicht vor dem Berge
liegend; ich glaube aber, daß dies nur eine Vorstellung war. Jesus gab
ihm keine Antwort. Der Satan faßte ihn bei den Schultern und trug ihn
durch die Luft, aber niedrig schwebend, nach Jerusalem und stellte ihn
auf die Spitze eines Turmes, deren vier auf den vier Ecken des
Tempelumfanges standen, die ich sonst nicht beachtet hatte. Dieser Turm
stand an der Abendseite gegen Sion zu, der Burg Antonia gegenüber. Der
Tempelberg ging da sehr steil hinab. Diese Türme waren wie Gefängnisse;
in einem derselben wurden die kostbaren Kleider des Hohenpriesters
bewacht. Sie waren oben platt, daß man darauf herumgehen konnte. Es
erhob sich aber noch ein hohler Kegel in der Mitte dieser Fläche, der
oben mit einer großen Kugel endete, auf der wohl für zwei Menschen zum
Stehen Raum war. Man hatte da den ganzen Tempel unter sich zu
überschauen.
Auf diesen höchsten Punkt des Turmes stellte der Satan Jesus, der
nichts sagte. Der Satan aber flog hinab auf den Grund und sagte: "Wenn
du Gottes Sohn bist, so zeige deine Macht und lasse dich auch herab;
denn es steht geschrieben: er wird seinen Engeln Befehl geben, daß sie
dich auf den Händen tragen, daß du an keinen Stein stoßest." Da sprach
Jesus: "Es steht auch geschrieben, du sollst deinen Herrn nicht in
Versuchung führen." Da kam der Satan ganz ergrimmt wieder zu ihm, und
Jesus sagte: "Brauche deine Gewalt, die dir gegeben ist."
Da faßte ihn der Satan sehr grimmig wieder an den Schultern und flog
mit ihm über die Wüste hin gegen Jericho zu. Auf dem Turm sah ich gegen
Abend Dämmerlicht am Himmel. Er schien mir diesmal langsamer zu
fliegen. Ich sah ihn in Zorn und Grimm mit Jesus bald hoch, bald
niedrig und schwankend schweben wie einer, der seine Wut auslassen will
und des Gegenstandes nicht mächtig wird. Er trug Jesus auf denselben
Berg, sieben Stunden von Jerusalem, auf welchem er die Fasten begonnen
hatte.
Ich sah, daß er ihn dicht über einen alten Terebinthenbaum wegtrug, der
groß und mächtig in dem ehemaligen Garten eines der Essener stand, die
vor Zeiten hier gewohnt; auch Elias hatte sich hier aufgehalten. Er
stand hinter der Höhle nicht weit von dem schroffen Abhang. Solche
Bäume werden dreimal im Jahre angezapft und geben jedesmal einen etwas
geringeren Balsam.
Der Satan stellte den Herrn auf der höchsten Spitze des Berges an einer
überhängenden unzulänglichen Klippe hin, viel höher als die Höhle. Es
war Nacht; aber indem der Satan um sich her zeigte, war es hell, und
man sah die wunderbarsten Gegenden nach allen Richtungen der Welt. Der
Teufel sagte ungefähr zu Jesus: "Ich weiß, du bist ein großer Lehrer
und willst jetzt Schüler berufen und deine Lehre ausbreiten. Sieh! hier
alle diese herrlichen Länder, diese mächtigen Völker! und sieh hier das
kleine Judäa dagegen! Dorthin gehe! ich will dir alle diese Länder
übergeben, wenn du niederkniest und mich anbetest." Mit diesem Anbeten
meinte der Teufel eine Erniedrigung, welche damals oft unter den Juden
und besonders den Pharisäern vor hohen Personen und Königen üblich war,
wenn sie etwas von ihnen erlangen wollten. Der Teufel hatte hier eine
ähnliche, nur erweiterte Versuchung vor wie damals, als er in Gestalt
eines Beamten des Herodes aus Jerusalem zu Jesus kam und ihn nach
Jerusalem in das Schloß forderte, ihn dort zu unterstützen in seiner
Sache. Als der Satan so umherzeigte, sah man große Länder und Meere,
dann ihre Städte, dann ihre Könige in Pracht und Triumph und mit vielen
Kriegsvölkern und Aufzügen umgeben einherziehen. Man sah dies alles
ganz deutlich, als sei man nahe dabei, und noch deutlicher; man war
wirklich überall darin, und jedes Bild, jedes Volk war verschieden in
Glanz und Pracht, Sitten und Gebräuchen.
Der Satan strich auch die einzelnen Vorzüge der Völker heraus und
zeigte besonders nach einem Lande, wo sehr große und prächtige Leute,
schier wie Riesen, waren, ich meine, es war Persien, und riet ihm vor
allem, dahin lehren zu gehen. Palästina zeigte er ihm aber ganz klein
und unbedeutend. Es war dies ein ganz wunderbares Bild. Man sah so viel
und so klar! und alles war so glänzend und prächtig! Jesus sprach
nichts als die Worte: "Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm
allein dienen. Weiche von mir, Satanas!" Da sah ich den Satan in einer
unbeschreiblich gräulichen Gestalt sich von dem Felsen wegheben und in
die Tiefe niederstürzen und verschwinden, als verschlinge ihn die
Erde.
Gleich hierauf sah ich eine Schar von Engeln sich Jesus nahen, vor ihm
sich beugen und ihn, wie auf den Händen, sanft mit ihm an den Felsen
niederschwebend, in die Höhle tragen, in welcher Jesus die
vierzigtägige Fasten begonnen hatte. Es waren zwölf Engel und dienende
Scharen, welche auch eine bestimmte Zahl hatten. Ich weiß nicht mehr
gewiß, ob 72; aber ich bin geneigt, es zu glauben, denn ich hatte
während des ganzen Bildes eine Erinnerung an Apostel und Jünger. Es
ward nun in der Höhle ein Dank- und Siegesfest und ein Mahl gefeiert.
Ich sah die Höhle von den Engeln inwendig mit einer Weinlaube
überzogen, von der herab eine Siegeskrone von Laub über Jesus schwebte.
Alles dieses geschah in wunderbarer Ordnung und Feierlichkeit und war
sinnbildlich und leuchtend und bald vollendet; denn das in einer
Intention Hingepflanzte oder Gebrachte folgte der Intention ganz
lebendig nach und breitete sich nach seiner Bestimmung aus.
Die Engel hrachten auch eine anfangs kleine Tafel heran mit himmlischen
Speisen besetzt, welche sich schnell wachsend vergrößerte. Die Speisen
und Gefäße waren solche, wie ich sie immer an Himmelstafeln sehe, und
ich sah Jesus und die zwölf Engel und auch die andern ihrer teilhaftig
werden. Denn es war kein Essen durch den Mund und durch ein
Zusichnehmen und Übergehen der Fruchtgestalten in die Genießenden und
ein Erquickt- und Teilhaftigwerden derselben. Es war, als wenn die
innere Bedeutung der Speisen nun in den Genießenden überginge. Es ist
das nicht auszusprechen.
Am Ende der Tafel stand ein leuchtender großer Kelch und kleine Becher
um ihn hin in der Gestalt, wie bei Einsetzung des Abendmahles, nur
geistig und größer, und auch ein Teller mit solchen dünnen
Brotscheiben. Ich sah, daß Jesus aus dem großen Kelch in die Becher
eingoß und Bissen des Brotes in dieselben tauchte, und daß die Engel
dieselben erhielten und wegbrachten. In dieser Handlung ging dies Bild
vorüber, und Jesus verließ die Höhle gegen den Jordan
hinabgehend.
Die Engel, welche Jesus dienten, erschienen in verschiedener Form und
Ordnung; die, welche zuletzt mit Wein und Brot verschwanden, waren in
priesterlicher Kleidung. Ich sah aber in demselben Augenblick allerlei
wunderbaren Trost über die jetzigen und späteren Freunde Jesu kommen.
Ich sah Jesus der Heiligen Jungfrau in Kana im Gesicht erscheinen und
sie erquicken. Ich sah Lazarus und Martha gerührt und von Liebe zu
Jesus erfüllt. Ich sah die stille Maria von einem Engel mit der Gabe
vom Tische des Herrn wirklich gespeiset. Ich sah den Engel bei ihr und
sie es ganz kindlich empfangen. Sie hatte alle Leiden und Versuchungen
Jesu immer mitgesehen und lebte ganz in diesem Schauen und Mitleiden
und wunderte sich nicht. Auch Magdalena sah ich wunderbar bewegt. Sie
war mit Schmuck zu einem Fest beschäftigt, als sie eine plötzliche
Angst über ihr Leben und innere Begierde nach Rettung überfiel, so daß
sie ihren Schmuck an die Erde warf und von ihrer Umgebung verlacht
wurde. Viele nachmalige Apostel sah ich auch erquickt und voll
Sehnsucht. Den Nathanael sah ich in seiner Wohnung an alles denken, was
er von Jesus gehört, und sehr von ihm gerührt, aber wie er es wieder
aus dem Sinne schlug. Petrus, Andreas und alle andern sah ich gestärkt
und gerührt. Es war dies ein sehr wunderbares Bild.
Johannes war in dieser Zeit immerfort mit Taufen beschäftigt. Herodes
bemühte sich, daß er zu ihm komme; er sandte auch an ihn, über Jesus
ihn auszuholen. Johannes behandelte ihn aber immer geringschätzig und
wiederholte sein altes Zeugnis von Jesus. Auch Abgesandte von Jerusalem
waren wieder bei ihm, ihn über Jesus und ihn selbst zur Rede zu
stellen. Johannes antwortete wie immer, er habe ihn früher nicht mit
Augen gesehen, er sei aber gesandt, seinen Weg zu bereiten. Seit der
Taufe Jesu lehrte Johannes immer, daß das Wasser durch die Taufe Jesu
und den Heiligen Geist, der auf Jesus gekommen, geheiligt sei; und daß
aus dem Wasser sehr viel Böses gewichen sei. Es war wie ein
Exorzisieren des Wassers. Jesus ließ sich taufen, damit das Wasser
geheiligt werde. Die Taufe Johannis war nun reiner und heiliger; darum
sah ich auch Jesus in einem abgesonderten Becken taufen und aus diesem
in den Jordan und das allgemeine Taufbad leiten und auch Jesus und die
Jünger von dem Wasser mitnehmen zu fernerer Taufe.
Andreas war noch nicht eigentlich zum Jünger aufgenommen. Jesus hatte
ihn nicht gerufen, er war selbst gekommen und hatte sich angeboten, er
wolle gern bei ihm sein. Er war dienstbegieriger und sich anbietender
als Petrus, der dachte gar leicht, dazu bin ich zu gering, das ist über
meine Kräfte, und dabei ging er seinen Geschäften nach. Auch Saturnin
und die beiden Vettern Josephs von Arimathäa, Aram und Themeni, hatten
sich so angeschlossen an Jesus. Es wären aber noch viele andere Jünger
Johannis zu Jesus gekommen, dessen Taufstelle immer leerer ward, wenn
nicht einige eigensinnige Jünger Johannis, welchen das übel gefiel, sie
davon abgehalten hätten. Diese klagten gegen Johannes darüber und
meinten, es sei unrecht von Jesus, hier zu taufen, das sei seine Sache
nicht; und Johannes hatte genug zu tun, ihre Kurzsichtigkeit zu
belehren. Er sagte ihnen, sie sollten sich seiner Worte erinnern, wie
er das immer vorausgesagt, daß er nur den Weg bereite, und daß er nun
bald ganz diesen Wandel verlassen werde, wenn die Wege bereitet seien.
Sie hatten aber Johannes sehr lieb, und es wollte ihnen das gar nicht
in den Kopf. Es war schon so voll bei Jesu Taufstelle, daß er zu seinen
Jüngern sagte, sie wollten morgen weiter wandeln.
(aus: "Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi" nach
den Gesichten der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Augustinerin des
Klosters Agnetenberg zu Dülmen, Aschaffenburg (Pattloch) 1971, S. 113
ff.)
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