Die hl. Paula
von
Eugen Golla
Die durch den Kirchenlehrer Hieronymus berühmt gewordene Heilige
gehörte einer angesehenen Patrizierfamilie Roms an, deren Vorfahren den
altrömischen Geschlechtern der Cornelier, Scipionen und Gracchen
entstammten. Als sie 347 geboren wurde, waren erst vierunddreißig Jahre
vergangen, seit Kaiser Konstantin der Große das Christentum aus den
Katakomben hervorgeholt und zur Reichskirche erhoben hatte.
Genauere Nachrichten über ihre Kindheit sowie ihre Erziehung besitzen
wir nicht; fest steht aber, daß sie bereits im Alter von fünfzehn
Jahren mit Toxotius, einem Heiden, verheiratet wurde, von dem sie einen
gleichnamigen Sohn und vier Töchter bekam. Mit gut dreißig Jahren Witwe
geworden, bewog sie die gleichfalls früh verwitwete Marcella zu einem
Leben in strenger Askese nach dem Vorbild des weltentsagenden ersten
Mönchtums, das sich in der Thebaischen Wüste Ägyptens um den hl.
Antonius den Einsiedler gesammelt hatte.
Richtungweisend für ihr ganzes spätere Leben war, daß sie bald darauf
den hl. Hieronymus kennenlernte, der nicht nur ihr Seelenführer,
sondern auch ihr Lehrer und Mitarbeiter werden sollte. War der hl.
Augustinus auch der philosophisch geschultere, tiefere Denker, so ist
Hieronymus doch der belesenste aller Väter der Kirche des Altertums.
Die Stelle eines Sekretärs, die er unter Papst Damasus innehatte, wurde
ihm unter dessen Nachfolger Siricius genommen, da er sich viele Feinde
durch seinen Hang zur Übertreibung und Überspanntheit sowie seine
beißende Spottsucht gemacht hatte. Nicht nur, daß man sich über einen
satirischen Brief beklagte, auch seine neue Übersetzung der
Evangelien, welche die Fehler der kursierenden lateinischen
Übersetzungen nach den griechischen Originalen verbesserte, rief einen
Sturm der Entrüstung bei den damaligen 'Traditionalisten' hervor.
Schließlich beschuldigte man ihn auch, mit Damen der Gesellschaft
Umgang zu pflegen. All dies veranlaßte ihn, der sich unter dem Klerus
von Rom isoliert fühlte, für immer seinen Aufenthalt im Heiligen Land
zu nehmen.
Im August 385 stach er von Ostia aus in See, um ins Heilige Land zu
gelangen. Bereits kurze Zeit danach folgte ihm Paula nach, begleitet
von einigen Nonnen sowie ihrer dritten Tochter Eustochium, die später
auch heiliggesprochenen wurde und die - unter der harten Zucht
Marcellas aufgewachsen - gleichsam als geistliche Tochter von
Hieronymus gelten darf. Von Hieronymus ist uns auch Paulas Abschied von
der Ewigen Stadt, die sie nie mehr sehen sollte, überliefert, wie ihre
zurückgebliebenen Kinder, besonders der kleine Toxotius, weinend ihre
Hände nach ihr ausstreckten und sich von ihr nicht trennen wollten.
Hierbei denkt man unwillkürlich an die hl. Franziska de Chantal, die
auch ihre Kinder verließ, um unter der geistlichen Führung des hl.
Franz von Sales ein Leben im Kloster zu verbringen. Es ist schwer zu
entscheiden, ob wir Paula, die, wie Hieronymus schrieb, trockenen Auges
zum Himmel blickend mit der Liebe zu Gott den Trennungsschmerz
überwand, Mangel an Mutterliebe vorwerfen dürfen oder gar müssen.
An den Küsten Syriens und Palästinas begann ihre Karawanen-Reise unter
all den Strapazen, die damals unvermeidbar waren. Paula ruhte jedoch
nicht eher, als bis sie fast alle in der Hl. Schrift erwähnten
Orte besichtigt hatte. Wie war sie aber erst begeistert und
erschüttert, als sie unter Hieronymus' Führung den Boden Jerusalems
betrat, das erst siebzig Jahre zuvor ein christliches Heiligtum mit
einer großen Anzahl von Klöstern, Kirchen und Kapellen geworden war.
Der Prokurator Palästinas bot ihr seinen Palast als Wohnung an, aber
sie wollte an dem Ort, wo der Heiland gelitten und gestorben war,
wohnen - jeder Art von Bequemlichkeit entsagend.
Als es bekannt wurde, daß eine vornehme römische Dame als Pilgerin
angekommen sei, drängte sich viel Volk, um sie zu sehen. Zahllose Hände
streckten sich ihr entgegen, um Almosen, das sie überreichlich
spendete, zu erhalten. Mit glühender Andacht besuchte sie
alle heiligen Stätten, vor allem das Grab Christi, das Endziel Seines
Leidens und den Anfang Seiner Verherrlichung, dessen Stein sie, wie
Hieronymus berichtet, immer wieder küßte, gleichsam um "ihren Durst zu
löschen". Besonders fesselte sie Bethlehem mit seiner Geburtsgrotte. In
Verzückung über das Weihnachtsgeheimnis glaubte sie das Kind in der
Krippe, den leuchtenden Stern, die anbetenden Hirten und den Chor der
Engel, die das Gloria sangen, zu schauen.
Unter der Führung von Hieronymus besuchte Paula später auch die
Eremiten, die in der im nord-westlichen Ägypten gelegenen Nitrischen
Wüste Mönchskolonien gegründet hatten. In großer Anzahl kamen zu ihr
die langhaarigen bärtigen Anachoreten, vor denen sie niederkniete und
um die Annahme ihrer Geschenke bat.
386 ließen sich Paula, Eustochium sowie Hieronymus in Bethlehem nieder.
Umgehend entwarfen sie Pläne für die Errichtung eines Männer- und
Frauenklosters, deren Leitung Hieronymus bzw. Paula übernahmen, sowie
einer Herberge, "damit", wie Paula sagte "Jesus und Maria nicht ohne
Obdach seien". Der Bau ging langsam vonstatten. Während der Bauzeit von
drei Jahren bezogen Paula und Eustochium eine ärmliche Unterkunft und
machten unter der geistlichen Führung von Hieronymus in der Führung
eines monastischen Lebens: sie übten sich in Demut und Gehorsam. Ihre
reichlichen Almosen führten teilweise dazu, daß sie in finanzielle Nöte
gerieten.
Die Gebäude hingen nicht miteinander zusammen: das Frauenkloster
bestand aus drei nach dem sozialen Rang der Nonnen getrennten
Abteilungen, die aber alle der gleichen Disziplin unterworfen waren,
wie strenge Klausur, Gottesdienste in den Oratorien, dem gesungenen
Chorgebet, d.h. die Gesänge aus dem Psalter zu gewissen Stunden zu
singen. Auch mußten einige Schwestern allelujah-singend durch die
Schlafräume gehen, um ihre Gefährtinnen aufzuwecken.
Aber auch das Studium wurde nicht vernachlässigt: außer dem Psalter
mußten sie die Bibel sowie die Kirchenväter studieren, sicherlich aber
auch die Arbeiten des unermüdlich forschenden und schreibenden
Hieronymus. Paula erlernte sogar Hebräisch. Sie verfaßte zwar keine
Ordensregel wie z.B. der hl. Benedikt, aber sie verlangte dennoch
strenge Zucht und Ordnung: niemals Wein, Fleisch nur fur die Kranken,
keinen Verstoß gegen das Stillschweigen und die Pflicht zur Sanftmut.
Die Mißachtung dieser Vorschriften wurde durch Absonderung von der
Gemeinschaft und dem Beten an der Türe geahndet. Paula, die bereits in
den letzten Jahren ihres Aufenthaltes in Rom fast alles, was zum Stil
einer verwöhnten römischen Dame gehörte, abgelegt hatte, führte nun ein
Leben so harter Entsagung, daß Hieronymus sie oft zur Mäßigung anhalten
mußte. Sie hielt es nicht unter ihrer Würde, sich an den Arbeiten der
dienenden Schwestern zu beteiligen. In einem Brief an ihren
Schwiegersohn Pammachius schrieb Hieronymus über sie und Eustochium:
"Sie, die einst in einem Stuhl von Eunuchen getragen worden waren und
unter der Seidenrobe wie unter einer Last ächzten, sind nun elend
gekleidet ... sie bereiten die Lampen vor, machen Feuer, fegen den
Boden, reinigen das Gemüse ... decken den Tisch, bringen die Gläser."
Als Paula fünfundfünzig Jahre alt geworden war, erkrankte sie schwer
und war fortan an das Bett gefesselt. Während ihrer Krankheit erhielt
sie die Nachricht vom Tod ihrer Tochter Rufina und von der schweren
Erkrankung ihres Sohnes Toxotius. Eustochium pflegte sie mit
aufopfernder Liebe, nicht minder besorgt war Hieronymus; er betete
inbrünstig um ihre Genesung. Zeitweise schränkte er sogar seine
wissenschaftliche Arbeit ein.
Als sich die Nachricht von ihrem zu erwartenden Ableben verbreitete,
versammelten sich der Bischof Johannes von Jerusalem, sein Klerus,
Mönche und Nonnen an ihrem Bett. Sie wurden Zeugen, wie Paula unter dem
Beten von Psalmen - sich noch einmal bekreuzigend (sie liebte das
Bekreuzigen sehr) - in den Armen ihrer Tochter Eustochium am 26. Januar
404 verschied. Bis zu ihrer Beisetzung wurden in hebräischer,
lateinischer griechischer und syrischer Sprache Psalmen vor ihrem
aufgebahrten Leichnam gesungen. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in der
Geburtskirche Bethlehems, in deren unmittelbarer Nähe sie fast die
letzten zwanzig Jahre ihres Lebens verbracht hatte. In einem in den
Felsen gehauenen Raum, in der Nähe der Krippe des Herrn, befand sich
die gemeinsame Gruft von ihr und Eustochium; daneben lag die Ruhestätte
von Hieronymus, der erst 420 im Alter von etwa neunzig Jahren starb.
Während seine Reliquien später nach Rom in die Basilika St. Maria
Maggiore übertragen wurde, ist unbekannt, wo die sterblichen Überreste
der beiden heiligen Frauen geblieben sind. Paulas Fest wird von der
Kirche am 26. Januar begangen.
Benützte Literatur:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd.1, Hamm 1975
Dictionnaire d'Archeologie chretienne et de Liturgie, 13. Bd. Paris 1938
Manns, Peter: "Die Heiligen in ihrer Zeit", 1. Bd., Mainz 1966
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet.
Ordnung", Band 4., Augsburg 1875
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