Vom wonnevollen Müßiggang in Gott
von
Gloria Riestra De Wolff
übersetzt von Annemarie Leutenbauer
In den ewigen Büchern ist eine Stelle, die in drei Worten
mein Leben beschreibt; dort, wo da steht zu lesen:
"Vacare in Domino" ...
Genauso trifft's zu, mit aller Genauigkeit so, mein Gott,
mein Dreieiniger Gipfel der Ruhe Du in der Zeit und danach.
Was zumeist ich getan seit meinem Erscheinen hinieden,
ist wonnevoll vagabundieren in Dir ...
Du bist, in der Höhe und auch in mir, mein immerwährender
Tag auf dem Lande ...
Ich wandle von einer Seite zur andern von Dir, Du weites
Gefilde ewigen Frühlings, Dich erkundend mit einem Genuß
ohne Grenzen ...
Mein Müßiggehen in Deiner Unermeßlichkeit ist mein einziger
und mein eigentlicher Beruf ...
Dieses Müßiggehen in Dir zieht mich an, wie die Bänkchen
im Park an einem strahlenden Morgen die Beschäftigungslosen ...
die sich weigern, Arbeit zu finden ...
Es lockt mich herbei, wie Raubgesellen die Nacht; auf daß
ich ziehe, Dein Haus Dir zu plündern, um, hab' ich dort
Einbruch verübt zum tausendsten Male, weiterhin faul zu leben
von Deinen Schätzen ...
Meine Seele streckt ohne sonstige Pflicht sich hin am Gestade
des Meeres Deiner Unermeßlichkeit,
um Mittagsruhe zu halten beim Wiegenlied Deines ewigen Rauschens.
Nach den Strapazen des Weges bitten die übrigen Dich, Du
mögest ihnen sein ihre Ruhe ...
Ich, ohne jedes Verdienst kam schon zur Welt gestützt auf das
weiche Lager Deines Friedens ...
Wie jemand, der schon im vorhinein seines Erbes sich freut,
ist meine Seele stets wie ein reiches Kind, unterwegs auf
dem Spaziergang an der Hand seines Vaters ...
Ich vagabundiere dahin wie die Schmetterlinge, in Richtung
all Deiner Aromata, und fliege Dir zu, von Dir weg, in Dich
hinein, nippend ohn' Ende und ohne Ermüdung aus dem grundlosen
Becher der drei Lilien Deiner Personen ...
Mitten in meinem glückseligen Schweifen stelle ich mir die Frage:
Welch eine Laufbahn mag jene wohl sein, die alle da ziehen,
arbeitend, um jeden Tag sich erneut den eig'nen Verdruß zu erwerben?
Gäbe es doch, mein Herr, viel mehr Müßiggänger in Dir, mir
Gesellschaft zu leisten, wieviel mehr Glück besäßen die Menschen! ...
Ich streite nicht ab, daß die andern wohl prächtige Ämter besitzen.
Sie mögen sich mühen in ihnen.
Doch ruhet meines Lebens Inhalt umschlossen
in diesen drei Worten des ewigen Buches:
"Vacare in Domino".