DIE TAUFE JESU
- NACH DEN VISIONEN DER GOTTSELIGEN
ANNA KATHARINA EMMERICH -
Die Zeit naht, da Jesus zur Taufe kommt. Johannes sah ich sehr betrübt.
Er sehnte sich sehr, Jesus möge zur Taufe kommen, dann wolle er vor ihm
nach jenseits weichen und werde nicht lange unter ihnen sein. Seine
Jünger waren sehr betrübt darüber und wollten nicht, daß er sie
verlasse.
Jesus, schneller als Lazarus wandelnd, kam an zwei Stunden vor diesem
an der Taufstelle Johannis an. Es war Dämmerung, als er in der Nähe
derselben auf dem Wege unter eine Schar Leute kam, welche auch zur
Taufe gingen. Sie kannten ihn nicht, und er wandelte unter ihnen den
Weg mit fort; aber sie schauten doch nach ihm, denn er war ihnen
auffallend. Als sie ankamen, war es Morgen. Eine ungemeine Menge
Menschen war versammelt, und Johannes lehrte mit einer großen
Begeisterung von der Nähe des Messias und der Buße, und wie er nun
weichen werde. Jesus stand mitten in dem Gedränge der Zuhörer. Johannes
fühlte seine Nähe und sah ihn auch wohl und war ungewohnt freudig und
eifrig; aber er unterbrach seine Rede nicht und fing hierauf an zu
taufen.
Er hatte schon sehr viele getauft, und es war etwa gegen zehn Uhr, als
Jesus in der Reihe der Täuflinge auch zu seiner Stelle an den Taufteich
hinabstieg. Da beugte sich Johannes vor ihm und sagte: "Ich habe nötig,
von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir!" Jesus erwiderte ihm:
"Lasse es jetzt geschehen; denn es ziemt sich, daß wir alles Rechte
erfüllen, daß du mich taufst und ich von dir getauft werde." Er sagte
ihm auch: "Du sollst die Taufe des Heiligen Geistes und des Blutes
empfangen". Da sagte ihm Johannes, er möge ihm zu der Insel folgen.
Jesus sagte, er wolle es tun, aber dann solle von dem Wasser, daraus
alle getauft wurden, in jenes Becken gelassen werden, und alle, die mit
ihm jetzt hier seien, sollten auch dort getauft werden, und der Baum,
um den er gefaßt, solle nachher an die gewöhnliche Taufstelle gepflanzt
werden, daß alle daran faßten.
Der Heiland begab sich nun mit Johanlnes und dessen zwei Jüngern
Andreas und Saturnin (Andreas war den Jüngern und Begleitern des Herrn,
von denen oben die Rede war, von Kapharnaum hierher gefolgt) über die
Brücke auf die Insel und ging in ein kleines Gezelt, das dicht an der
Morgenseite des Taufbrunnens zum Aus- und Ankleiden errichtet war. Die
Jünger folgten auf die Insel; bis an das Ende der Brücke aber standen
die Menschen und am Ufer eine große Menge. Auf der Brücke konnten etwa
drei Menschen nebeneinander stehen, einer der vordersten war Lazarus.
Die neun Jünger Jesu, welche in letzter Zeit immer mit ihm gewesen,
gingen zu dem Brunnen hinab und standen auf dessen Rand. Jesus legte in
dem Zelt seinen Mantel ab, dann den Gürtel und einen wollgelben Rock,
vorn offen, mit Schlingen geschlossen, dann jene schmale wollene Bahn
um den Nacken über der Brust gekreuzt, die sie nachts und im Wetter um
das Haupt schlangen. Nun hatte er noch ein braunes gewirktes Hemd auf
bloßen Leib, mit welchem er heraustrat und zum Rand des Brunnes
hinabstieg, wo er es über das Haupt auszog. Er hatte um die Mitte des
Leibes eine Binde, welche um die einzelnen Beine bis zu den halben
Füßen gewickelt war. Alle seine Kleider empfing Saturnin und gab sie
dem am Rande der Insel stehenden Lazarus zu halten.
Nun stieg Jesus in den Brunnen hinab, in welchem er bis an der Brust im
Wasser stand. Mit der Linken umfaßte er den Baum und hielt die Rechte
vor der Brust, die weiße Leibbinde schwamm mit aufgelösten Rändern auf
dem Wasser. Johannes stand an dem südlichen Ende des Brunnens, er hatte
eine Schale mit breitem Rand, durch welche drei Rinnen liefen. Er
bückte sich, schöpfte Wasser und ließ es in drei Strahlen über das
Haupt des Herrn fließen. Ein Strahl floß auf das Hinterhaupt, einer in
die Mitte des Hauptes, einer über das Vorderhaupt und Angesicht. Die
Worte, die Johannes beim Taufen sprach, weiß ich nicht mehr genau, aber
ungefähr: "Jehova durch Cherubim und Seraphim gieße seinen Segen über
dich aus mit Weisheit, Verstand und Stärke." Ich weiß nicht recht, ob
es gerade diese drei letzten Worte waren; aber es waren drei Gaben für
Geist, Seele und Leib, und war auch drin enthalten, so viel jeder
bedürfe, um dem Herrn Geist, Seele und Leib erneuert wieder zu
bringen.
Indem nun Jesus aus der Tiefe des Taufbrunnens heraufstieg, hüllten
Andreas und Saturnin, die zur Rechten des Täufers um den dreieckigen
Stein standen, ein Tuch um ihn, womit er sich abtrocknete und legten
ihm ein langes weißes Taufhemd um, und als er nun auf den dreieckigen
roten Stein trat, der zur Rechten des Eintritts in den Brunnen lag,
legten sie ihm die Hand auf die Schulter und Johannes auf das Haupt. Da
dieses vorüber war, standen sie eben im Begriff, die Stufen
heraufzusteigen, als die Stimme Gottes über Jesus kam, der allein,
betend auf dem Steine stand. Es kam ein großes Brausen vom Himmcl und
wie ein Donner, und alle Anwesenden bebten und schauten empor. Es
senkte sich auch eine weiße Lichtwolke nieder, und ich sah eine
geflügelte Gestalt von Licht über Jesus, die ihn wie ein Strom übergoß.
Ich sah auch, als sei der Himmel offen, und sah die Erscheinung des
himmlischen Vaters in gewöhnlicher Gestalt und hörte die Worte:
"Dieses ist mein lieber Sohn, an dem ich Wolhgefallen, habe",
in der Stimme des Donners. Jesus aber war ganz von Licht durchgossen,
und man konnte ihn kaum ansehen, seine Gestalt war ganz durchsichtig.
Ich sah auch Engel um ihn.
Ich sah aber in einiger Entfernung auf dem Wasser des Jordan den Satan,
eine schwarze dunkle Gestalt, wie eine Wolke und sah in dieser Wolke
ein Gewimmel von scheußlichem schwarzem Gewürm und Getier sich um ihn
drängen. Es war, als werde alles Böse, alle Sünde, alles Gift aus der
ganzen Gegend, da der Heilige Geist sich ergoß, in Gestalten sichtbar
und flüchte sich in diese dunkle Gestalt als ihren Urquell hinein. Es
war gräulich, aber erhöhte den unbeschreiblichen Glanz und die Freude
und Klarheit, welche sich über den Herrn und die Insel ergoß. Der
heilige Taufbrunnen leuchtete bis auf den Grund, und alles war
verklärt. Da sah man die vier Steine, auf welchen die Bundeslade
gestanden, im Grunde des Brunnens freudig schimmern, und auf den zwölf
Steinen, um den Brunnen, wo die Leviten gestanden, schienen anbetende
Engel zu stehen, denn es hatte der Geist Gottes vor allen Menschen dem
lebendigen Grundstein, dem auserwählten köstlichen Eckstein der Kirche
Zeugnis gegeben, um den wir, als lebendige Steine gebaut, ein
geistliches Haus und ein heiliges Priestertum bilden müssen, um Gott
wohlgefällige geistliche Opfer durch seinen lieben Sohn, an dem er
Wohlgefallen hat, bringen zu können.
Hierauf aber stieg Jesus die Stufen hinan und begab sich unter das Zelt
bei dem Taufbrunnen, und Saturnin brachte seine Kleider hinein, die
Lazarus gehalten hatte, und Jesus legte sie an. Angekleidet trat er aus
dem Zelt und von seinen Jüngern umgeben auf den freien Platz der Insel
zur Seite des mittleren Baumes. Johannes aber redete mit großer
Freudigkeit zu dem Volk und gab Zeugnis von Jesus, daß er der Sohn
Gottes und der verheißene Messias sei. Er führte alle Verheißungen der
Patriarchen und Propheten an, welche nun erfüllt seien und sprach aus,
was er gesehen und die Stimme Gottes, die sie alle gehört und daß er
nun bald, so Jesus zurückkehre, hier weichen werde. Auch sprach er von
diesem Ort, daß hier die Lade des Bundes gestanden, als Israel das Land
der Verheißung empfangen und daß nun der Erfüller des Bundes hier
selbst von seinem Vater, dem allmächtigen Gott, bezeugt worden sei. Er
wies auch alle zu ihm und pries den Tag der erfüllten Sehnsucht von
Israel selig.
Es waren unterdessen noch viele Leute und auch Freunde Jesu gekommen.
Nikodemus, Obed, Joseph von Arimathia, Johannes Markus und andere sah
ich unter der Menge. Johannes sagte auch dem Andreas, er solle in
Galiläa die Taufe des Messias verkünden. Auch Jesus bestätigte einfach,
Johannes habe die Wahrheit gesprochen, sagte auch, er werde eine kurze
Zeit sich entfernen, dann sollten alle Kranken und Betrübten zu ihm
kommen, er wolle sie trösten und ihnen helfen; sie möchten sich bis
dahin vorbereiten mit Buße und guten Werken. Er werde sich entfernen
und dann das Reich, welches ihm sein himmlischer Vater gegeben,
antreten. Jesus sprach dieses in einer Art Parabel, wie von einem
Königssohn, der, ehe er seinen Thron in Besitz nehme, sich absondere,
den Beistand seines Vaters erflehe und sich sammle usw.
Es waren unter den vielen Anwesenden auch einige Pharisäer, welche
diese Worte ganz lächerlich auslegten. Sie sagten: "Er ist vielleicht
doch nicht des Zimmermanns Sohn, sondern das untergeschobene Kind
irgendeines Königs und wird nun hingehen und sich seine Leute sammeln
und in Jerusalem einziehen." Es kam ihnen das sehr kurios und
unbesonnen vor. Johannes fuhr aber fort, alle Anwesenden nun auf der
Insel im Taufbrunnen Jesu an diesem Tage zu taufen. Es waren meistens
Leute, die später zur Gemeinde Jesu kamen. Sie traten in das Wasser,
das den Rand des Brunnens umgab, und der Täufer stand sie taufend auf
demselben. Jesus aber mit den neuen Jüngern und einigen, die hier zu
ihm kamen, verließ die Taufstelle. Es folgten Lazarus, Andreas und
Saturnin. Sie hatten auf seinen Befehl einen Schlauch mit Wasser aus
Jesu Taufbrunnen gefüllt und trugen ihn mit sich. Die Anwesenden warfen
sich vor Jesus nieder und flehten, er möge bei ihnen bleiben. Er
versprach aber wiederzukehren und ging von dannen.
Von hier ging Jesus mit seinen Jüngern ein paar Stunden weiter gegen
einen Hof, der die vorletzte Herberge Mariä vor Bethlehem gewesen war,
wovon es etwa vier Stunden entfernt sein mochte. Es kamen ihm Männer
aus dem Haus entgegen und warfen sich vor ihm auf dem Weg nieder, ihn
einzuladen. Er ward hier sehr freudig aufgenommen. Diese Leute gingen
fast täglich zu der Lehre Johannis und wußten das Wunder seiner Taufe.
Es ward ihm ein Mahl bereitet und auch ein Bad, wel-ches warm war, auch
hatten sie ihm ein schönes Lager gemacht. Jesus lehrte hier. Es lobte
die Frau noch, welche vor dreißig Jahren die Heilige Familie beherbergt
hatte. Sie wohnte in dem Hauptgebäude allein, die Kinder wohnten
daneben und sendeten ihr die Speisen. Als Jesus sich gewaschen hatte,
ging er auch zu der Frau. Sie war blind und seit mehreren Jahren ganz
zusammengekrümmt. Jesus sprach zu ihr von der Barmherzigkeit und
Gastfreiheit, von unvollendeten Werken und von dem Eigennutz und
stellte ihr jetziges Elend als eine Strafe dafür dar. Die Frau war sehr
gerührt und gestand ihren Fehler ein, und Jesus heilte sie. Er befahl
ihr, sich in das Wasser zu legen, worin er sich gewaschen hatte. Da
gewann sie das Licht der Augen wieder und ward gerade und gesund. Er
befahl ihr aber, nicht davon zu reden.
Die Leute fragten ihn hier ganz einfältig wieder: Wer denn nun größer
sei, er oder Johannes? Er antwortete: "Der, von dem Johannes Zeugnis
gibt." Sie sprachen auch von Johannis Stärke und Eifer und von der
schönen kräftigen Gestalt Jesu. Jesus sagte ihnen, in vierthalb Jahren
würden sie keine Gestalt mehr an ihm sehen und ihn nicht
wiedererkennen, so würde dieser Leib verunstaltet werden. Er sprach von
der Kraft und dem Eifer des Johannes, als einem, der an das Haus der
Schlafenden anpoche vor der Ankunft des Herrn, als einem, der den Weg
durch die Wüste breche, auf daß der König einziehen könne, als von
einem Strom, der das Flußbett reinige. Morgens bei Tagesanbruch ging
Jesus mit seinen Jüngern und einer nachziehenden Schar, die sich hier
zu ihm gesammelt hatte, gegen den Jordan, welcher von hier drei
Stunden, wo nicht mehr, entlegen sein mochte. Der Jordan fließt in
einem breiten Tal, welches auf beiden Seiten wohl eine halbe Stunde
ansteigt. Es war ein schöner Anblick von des Johannes Taufteich zu den
beiden Ufern aufwärts, welche sehr fruchtbar waren. Der eigentlich
recht lustige Strich von Obst und Reichtum war am Galiläischen Meere;
hier aber und um Bethlehem war mehr Feldbau und Durra, Knoblauch und
Gurken und Wiesen.
Jesus war schon am Bundesladenstein vorüber und zog etwa eine
Viertelstunde weit von Johannis Hütte, wo dieser lehrend stand, durch
eine Talöffnung eine sehr kurze Strecke vorüber, wo man Johannes ferne
sehen konnte. Jesus war hier dem Täufer nicht länger als ein paar
Minuten sichtbar. Johannes aber ward vom Geiste ergriffen, er deutete
auf Jesus hin und rief aus: "Siehe das Lamm Gottes, welches die Sünden
der Welt hinwegnimmt." Jesus wandelte vorüber, seine Jünger in Haufen
zerstreut, vor und nach. Die Schar, welche sich zuletzt angehängt
hatte, war die letzte. Es war am frühen Morgen. Sehr viele Leute liefen
auf dieWorte des Johannes heran. Aber Jesus war schon vorüber. Sie
riefen ihm ein Lobpreisen nach; aber sie sprachen ihn nicht mehr.
Als die Leute zurückkehrten, sagten sie zu Johannes: es zögen so viele
Menschen mit Jesus. Sie hätten auch vernommen, daß seine Jünger schon
getauft hätten; was das werden solle? Johannes wiederholte ihnen
nochmals, daß er bald diesen Ort vor Jesus verlassen werde, denn er sei
nur ein Vorläufer und Knecht gewesen. Es war dies den Jüngern gar nicht
recht, sie waren auf die Jünger Jesu etwas eifersüchtig. Jesus nahm nun
die Richtung seines Weges nordwestlich, ließ Jericho rechts und ging
nach Gilgal, welches etwa zwei Stunden von Jericho lag. Er verweilte
auf diesem Weg an manchen Orten, wo ihn die Kinder teils lobsingend
begleiteten, teils in die Häuser liefen und die Eltern herausholten.
(aus: "Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi" nach
den Gesichten der gottseligen Anna Katharina Emmerich, Augustinerin des
Klosters Agnetenberg zu Dülmen, Aschaffenburg (Pattloch) 1971, S. 104
ff.)
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