DER HL. OTTO VON BAMBERG
von
Eugen Golla
Das Erzbistum Bamberg besitzt als seine Patrone nicht nur das
Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde, sondern auch seinen achten
Bischof, den heiligen Otto, der allerdings nicht die Volkstümlichkeit
von Heinrich und Kunigunde erlangte.
Wie bei den meisten Personen des Mittelalters sind wir über seine
Kindheit und Jugend sehr wenig unterrichtet. Fest steht nur, daß er
einem schwäbischen Adelsgeschlecht, das im Bodenseegebiet beheimatet
war, entstammte und daß sein Geburtsjahr zwischen 1060 und 1063
anzusetzen ist. Es wird berichtet, seine Eltern seien früh verstorben
und sein älterer Bruder habe es ihm ermöglicht, sich die Grundlagen
seiner Bildung in einer Klosterschule anzueignen.
Für ihn bedeutete es daher einen Glücksfall, daß er schon um das Jahr
1080 in den Dienst der ungarischen Königin Judith Sophie treten konnte.
Sie war eine Schwester Kaiser Heinrichs IV. und lebte nach der
Vertreibung ihres Gatten, des Königs Salomon, von ihm getrennt in
Regensburg. Wahrscheinlich war es auch sie, die es ihm ermöglichte,
dort die Priesterweihe zu empfangen. Wenig später weilte er am Hofe des
Polenherzogs Wladislaw als Erzieher und Hofkaplan, wo er die polnische
Sprache erlernte, was ihm in späteren Jahren bei seiner missionarischen
Tätigkeit in Pommern zugute kommen sollte.
Als besonderer Vertrauenserweis darf gelten, daß er vom Herzog den
Auftrag erhielt, am Hofe Hein-richs IV. seine Heirat mit Judith Sophie,
die inzwischen Witwe geworden war, in die Wege zu leiten und sie nach
Polen zu begleiten. Im Jahr 1096 übernahm ihn der deutsche Kaiser als
Hofkaplan in seinen Hofdienst. Der erste große und verantwortungsvolle
Auftrag war die Fortsetzung des Spey-erer Dombaues. Otto übernahm die
Leitung der Dombauhütte. Unter seiner Ägide erhielten das Kreuzgewölbe
und die Krypta der Basilika, die als Grablege der Salier diente - eine
der größten, die es gibt -, ihre endgültige Gestalt. Schnell stieg Otto
daraufhin in der Gunst seines Herrn weiter: 1102 ernannte er ihn zum
Reichskanzler und bot ihm die erledigten Bistümer Augsburg und
Halberstadt an, die er aber ablehnte. Als aber im Sommer 1102 auch das
Bistum Bamberg vakant geworden war, vermochte Otto seine Wahl nicht
abzulehnen, obwohl er den Kaiser dringend bat, dieses hohe Amt einem
Würdigeren zu übergeben, zumal eine bürgerliche Opposition einen Mann
aus hohem Adel als Bischof wünschte.
Damals herrschte noch immer der Investiturstreit, denn der Kaiser war
stark genug gewesen, Ge-genpäpste einzusetzen, die es aber nicht
verhindern konnten, daß schließlich dem Lebenswerk Gregors VII. der
Sieg zufallen sollte. Da im Deutschen Reiche den Bischöfen weltliche
Herrscherrechte verliehen worden waren, erwuchs ihnen die doppelte
Pflicht, auf der einen Seite feste Stütze des Königs und zugleich im
Dienst der Kirche seeleneifrige Hirten zu sein, um sich so in dieser
Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat zu
behaupten - eine Stellung voller Konfliktmöglichkeiten,
widerstreitender Interessen und Parteilichkeiten. In diesem Kampfe
entschied sich Bischof Otto, möglichst beiden Parteien gerecht zu
werden und die Rolle eines Vermittlers zu übernehmen.
Dies zeigte sich bereits, als seine Investitur mit Ring und Stab durch
die weltliche Macht erfolgte, an deren Spitze jedoch der
exkommunizierte Kaiser Heinrich stand. Otto, von Gewissensangst
gepeinigt, weigerte sich, sein Amt als Bischof anzutreten, bevor er
nicht von der Kirche rechtmäßig konsekriert worden war. Sein Wunsch,
vom Papst konsekriert zu werden, ging in Erfüllung, als er 1106 eine
Romreise antreten konnte. In Anagni, wo sich Papst Paschalis II.
aufhielt, legte er in tiefer Reue Ring und Stab dem Papst zu Füßen,
sich anklagend, daß er sich von Simonie nicht freigehalten habe, da er
anscheinend das Bistum als Lohn für seine Dienste vom Kaiser erhalten
habe. Paschalis entschied, er müsse auf sein Bistum verzichten; aber -
gerührt durch dessen Demut - entschied er, als sich Otto bereits auf
der Heimreise befand, anders: er ließ ihn zurückrufen und erteilte ihm
am 13. Mai 1106 im Dom zu Anagni die bischöfliche Konnekration. Trotz
des bedingungslosen Anschlusses Ottos an den Papst, wie es sich bei
seiner Romfahrt gezeigt hatte, und des Wohlwollens Kaiser Heinrichs
IV., der zuletzt noch von seinem Sohn unbarmherzig bekämpft worden war,
war ihm auch der neue Kaiser Heinrich V. nicht ungünstig gesinnt, so
daß Bischof Otto 1107 an einer Gesandtschaft nach Châlons teilnehmen
konnte, wo - wenn auch vergebens - über eine Lösung der Investiturfrage
verhandelt wurde.
Als Heinrich V. 1110 anläßlich seiner Krönung zum Kaiser eine Romfahrt
unternahm, begleitete ihn auch Bischof Otto. Es kam zu einem Streite
zwischen dem Papst und dem Kaiser. Heinrich nahm den Papst gefangennahm
und zwang ihn zur Vornahme der Krönung. Wahrscheinlich für
Vermittlerdienste in dieser gefährlichen Situation erhielt Otto im
Jahre 1111 vom Papst das Pallium, das Standeszeichen des Erzbischofs.
Daß ihm jede Art von Radikalismus fernlag, zeigte er auch im Jahre
darauf, als Heinrich IV., der im Banne starb, dennoch feierlich in der
geweihten Krypta des Speyerer Domes beigesetzt wurde, und er an dieser
Zeremonie teilnahm.
Im Laufe der nächsten Jahre zog sich aber Otto aus Resignation über
manche vergeblichen Vermittlungversuche immer mehr vom kaiserlichen
Hofe zurück, was ihm unverdient sogar den Verdacht zuzog, er nehme an
Verschwörungen gegen den auch im Bann befindlichen Kaiser Heinrich V.
teil. Ungebrochen blieb aber sein Wirken auf geistlichem Gebiet. Er war
kein Mann der Wissenschaft, aber ein Praktiker und Organisator, und
seine Lebensführung war geprägt von strenger Askese und Werken der
christlichen Nächstenliebe. Ja, er wollte sich sogar im
Benediktinerkloster auf dem St. Michaelsberg, das er besonders in sein
Herz eingeschlossen hatte, als einfacher Mönch einkleiden lassen, was
jedoch der Abt nicht zuließ.
Oft predigte er und bemühte sich, das sittliche Leben seines Klerus zu
bessern; und um die Liebe zu den Wissenschaften zu entfachen,
erweiterte und verbesserte er Bambergs Domschule, ein wichtiges
Bildungszentrum des Mittelalters. Besonders eifrig förderte er die
Klöster. Insgesamt errichtete er in sieben Diözesen Klöster oder
reformierte solche, welche die ursprüngliche Regel nicht mehr treu
befolgten, wobei ihn die strenge Hirsauer Observanz, die den Geist
Clunys ausstrahlte, Vorbild war. Nicht minder trug er Sorge um den Bau
oder die Wiederherstellung von Gotteshäusern. Den 1081 bis auf die
Grundmauern abgebrannten Dom ließ er neu errichten. Wenn auch der Dom,
wie er jetzt besteht, hauptsächlich dem nachfolgenden Jahrhundert
angehört, sind die Hochmauern von Ottos errichtetem Bau im neuen zum
Teil noch enthalten. Als 1117 ein Erdbeben die Kirche auf dem
Michaelsberg schwer beschädigte, ließ er sie von Grund auf schöner und
größer wieder herstellen; aber dies genügte ihm nicht, er wollte, daß
sein Lieblningskloster wie eine Burg über Bamberg throne und umgab es
mit einer Mauer. Insgesamt ließ er in verhältnismäßig kurzer Zeit
vierzehn neue Kirchen in seiner Diözese errichten. Der heilige Otto
vernachlässigte aber auch nicht seine Aufgaben als weltlicher Herrscher
des Bistums. Mit Hilfe einer klugen Territorialpolitik gelang es ihm,
das Gebiet des Bistums Bamberg zu erweitern, und es durch Burgen auch
militärisch abzusichern.
Als im Laufe der Jahre eine Aussöhnung zwischen Kaiser und Papst immer
dringender wurde, nahm er wieder seine Versuche der Friedenvermittlung
auf. So wohnte er auch dem 1122 zu Worms abgeschlossenen Konkordat bei,
das durch Kaiser Heinrichs Verzicht auf die Investitur mit Ring und
Stab einen Ausgleich herbeiführte. Otto, seiner Vermittlerrolle getreu,
unterschrieb: “Otto, Bischof von Bamherg, der Gott gab, was Gottes ist,
aber auch dem Kaiser, was des Kaisers ist“.
Zwei Jahre später entschloß er sich auf Bitten des polnischen Herzogs
Boleslaw II., eines Sohnes der Judith, die ihn vor mehr als vierzig
Jahren in Regensburg aufgenommen hatte, mit einer Gefolgschaft von etwa
zwanzig Begleitern im Alter von über 60 Jahren zu einer Missionsreise
nach Pommern, wo kurz vorher ein Wanderbischof vergeblich versucht
hatte, der slawischen Bevölkerung das Christentum zu predigen. Er nahm
seinen Zug durch Böhmen und Schlesien nach Gnesen, wo er vom Herzog
feierlich empfangen und mit allem, was zur beschwerlichen Weiterreise
erforderlich war, versorgt wurde. Im übrigen darf man auch die
politische Komponente nicht vergessen: Pommern gehörte zur
Interessenssphäre Polens, das sich Boleslaw mittels der Missionierung
zum Christentums völlig unterwerfen wollte. Erfolg und Mißerfolg
wechselten ständig bei dieser Mission ab. In manchen Orten meldeten
sich viele zur Taufe. Aber in Wollim, nahe der Mündung der Oder in die
Ostsee, dessen Bewohner vielfach Seeräuber und wegen ihrer Grausamkeit
berüchtigt waren, geriet Bischof Otto in Lebensgefahr, als er von einer
Brücke in den Seeschlamm hinabgeworfen wurde und auch manche seiner
Begleiter mißhandelt wurden. Dennoch soll es nach Ende seiner
Missionsreise nicht weniger als zweiundzwanzigtausend Neubekehrte
gegeben haben. Als aber der Bischof nach drei Jahren erfuhr, daß in
Pommern das Christentum doch keinen festen Fuß gefaßt habe und viele
ins Heidentum zurückgefallen oder zu mindest religiös gleichgültig
geworden waren, entschloß er sich, obwohl inzwischen etwa
fünfundsechzig Jahre alt, noch einmal zu missionieren.
Dieses Mal war es besonders Heinrichs V. Nachfolger, Kaiser Lothar, der
dieses Unternehmen förderte, da sie ihm für die Erweiterumg der
Ostgrenze des Deutschen Reiches über die Elbe hinaus sehr wichtig
erschien. Diese wieder mit großem Gefolge unternommene Reise führte ihn
diesmal über Magdeburg und galt besonders Stettin, dessen Bewohwer ihm
vor drei Jahren hartnäackigen Widerstand leisteten, ehe sie sich
teilweise bekehrten.
Obwohl er vernahm, daß seine Feinde auch vor einem Morde nicht
zurückschrecken würden, segnete er die Versammelten und vernichtete in
einer Kirche, die von ihm errichtet war, ein neben dem Hauptaltar
aufgestelltes Götzenbild. Vierzehn Tage später bekehrten sich viele
Bewohner zum Christentum. Bald danach erhielt er aber ein Schreiben vom
Kaiser, er habe umgehend seine Heimreise anzutreten, da Bamberg seinen
Bischof dringend benötige. Es war ihm nicht mehr vergönnt, den Erfolg
seines Missionswerkes mitzuerleben; es blieb auf diesem steinigen Boden
noch viel zu tun übrig. Aber seine tiefe Frömmigkeit, sein eifriges
Predigen, sein gewaltfreies Missionieren, manchmal wohl auch sein
glanzvolles, der bischöflichen Würde entsprechendes Auftreten
erreichten vieles, vor alIem auch den Aufbau eines einheimischen Klerus
- die Grundlagen für die Errichtung einer eigenen kirchlichen
Hierarchie. Diese erfolgte bereits 1140 - ein Jahr nach seinem Tode -
durch die Errichtung eines Bistums in Wollin, das später nach Cammin
verlegt wurde. Otto starb am 30. Juni 1139. Sein Wunsch, seine letzte
Ruhestätte im Kloster auf dem St. Michelsberg zu erhalten, ging in
Erfüllung. Bereits 1189 wurde er auf Bitten des Kaisers, aber auch der
dankbaren Pommern heiliggesprochen. Die Kirche feiert sein Fest am 2.
Juli.
Benützte Literatur:
Biographisch-Bibliographisches KirchenIexikon, Bd. 6, Herzberg 1993. Dtsche Biographie, 24. Bd., Berlin 1887/1907
Leidel, Aug.: ^Bistumspatrone in Deutsschland, München-Zürich 1984.
Manns, Peter: "Die Heiligen in ihrer Zeit", 1.Band, Mainz 1966.
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabetischer Ordnung“, Band 4, Augsburg 1875.
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