OFFENER BRIEF AN DIE PFARREI HARTKIRCHEN
Abschiedsbrief von Pfr. Dr. Anton Morhard an seine Pfarrgemeinde
Vorbemerkung der Redaktion
Ein nicht alltägliches Vorkommnis: Vor gut acht Wochen verließ Pfarrer
Dr. Anton Morhard (39) aus Glaubensgründen seine Gemeinde Hartkirchen
im Bistum Passau, die er über drei Jahre lang geleitet hatte. Der
Weggang des promovierten Kirchenrechtlers und Habilitanden an der
Universität München hat nicht nur in seiner Gemeinde für Unruhe und
Aufsehen gesorgt. Pfarrer Dr. Morhard erläuterte seinen Entschluß
gegenüber der PASSAUER NEUEN PRESSE vom 1. Febr., die sich für seinen
Schritt ineressierte, so: "Meine inneren Kämpfe rührten von der
Erkenntnis der allgemeinen Notlage in der Kirche Jesu Christi her". Und
so sehen es auch Mitglieder der Gemeinde, die den Schritt ihres
Seelsorgers verstehen. Eine Hartkirchnerin wird mit folgenden Worten
zitiert: "Dr. Morhard ist ein überzeugter Christ, er ist nicht so lala,
wie man es heute häufig bei Pfarrern sieht". (PASSAUER NEUE
PRESSE, ebd.) Der Ex-Pfarrer genießt zur Zeit Gastrecht bei der
Priesterbruderschaft St. Pius X. in Niederösterreich, der er sich
jedoch nicht anschließen will, wie er verlauten ließ.
Im folgenden veröffentlichen wir als wichtiges Zeitdokument den Brief
von Pfarrer Dr. Anton Morhard an seine Gemeinde, mit dem er seinen
Schritt erklärt und zu rechtfertigen versucht.
E. Heller
***
Liebe Pfarrgemeinde!
Dreieinhalb Jahre habe ich bei Euch verbracht. Eine Zeit, die für mich
mit vielen Erinnerungen verbunden bleibt. Ganz überwiegend waren es
menschlich gute Erfahrungen, die ich vor Ort mit Euch gemacht habe:
Eure unkomplizierte Hilfsbereitschaft und die gemütliche Rottaler Art
hätten mir unter anderen Zeitumständen Geborgenheit und Heimat für
Jahrzehnte bieten können soweit ein Priester darauf Anspruch hat.
Trotzdem habe ich mich jetzt entschlossen, aus dem Bereich des Bistums
Passau - und damit auch von Hartkirchen wegzugehen. Warum?
Die eigentliche Aufgabe des Priesters wird im real existierenden System
immer mehr verdrängt: nämlich in der Nachfolge Christi Seelenführer zu
sein, d.h. wie Er die anvertraute Herde durch Verkündigung im Wort und
Heiligung im Sakrament zum ewigen Heil zu führen und der Verdammnis zu
entreißen. Statt dessen wird man zum Funktionär einer
Diesseits-Religion degradiert: man soll sich als Manager einer
Gebietskörperschaft, säuselnder Psycho-Onkel, oder Stimmungsmacher bzw.
dekoratives Ornament bei Familienfesten betätigen.
Liebe katholische Mitchristen
dafür ist mir mein Leben und meine priesterliche Berufung zu schade!
Beheimatung findet der Priester zum einen, wie gesagt, in Nachfolge und
Nachahmung Christi. Natürlich hat sich mit dieser Haltung noch keiner
bei der Welt, wie uns das Johannes Evangelium (Joh. 17,14) sagt,
beliebt gemacht. Aber in den geordneten Zeiten der Kirche fand der zum
Herrn strebende, gem. Röm 12,2 weltwiderständige Gottesdiener das
andere Element, das ihn trägt. Verständnis bei den Mitbrüdern und
Rückhalt bei den Vorgesetzten. Dies half, das übliche Martyrium des
Alltags zu ertragen, die Verständnislosigkeit und Hetze der Angepaßten
aller Zeiten, den Spott der Biertische ebenso wie den Klatsch der
Kaffeekränzchen. Wo ist diese Solidarität der geistlichen Mitbrüder
geblieben? Ich bekenne: Mit Widerwillen und Abscheu besucht man die
diversen Zusammenkünfte der Theologenschaft und geht mit einer Mischung
aus Mitleid und Verzweiflung wieder weg. Denn dort steht im besseren
Fall Jammerei, immer öfter aber antikatholische Hetze bis zur
Selbstzerfleischung auf dem Programm. Von Re-form im wahren Sinn, d.h.
Erneuerung in Christus, neuer Heiligung des Seelsorgers und der ihm
anvertrauten Gläubigen, von der Freude, zur wahren Kirche Jesu Christi
zu gehören: Kein Wort!
Auch dieses Kreuz könnte man tragen - wenn man heutzutage wenigstens in
der Gemeinde, als Einzelkämpfer, anders als weltkonformistisch sein
dürfte. Denn was wollen die zeitgenössischen kirchlichen Behörden?
Ruhe, nicht das widerständige priesterliche Zeugnis gegen einen
falschen Zeitgeist ist die erste Forderung der Mitbrüder und
Vorgesetzten. Vor nichts haben die Ordinariate mehr Angst, als mit
negativen Schlagzeilen oder agressiven Medienberichten konfrontiert zu
werden. Dieses Gefühl kann ich noch nachempfinden. Aber ich kann mich
mitunter des Eindrucks nicht erwehren, daß man höheren Orts
Ruhigstellung bzw. Entsorgung von Priestern, die nicht im
weltangepaßten Trend liegen, nicht nur widerstandslos hinnimmt, sondern
zumindest nicht ganz ungern sieht. (Zurückhaltender kann ich es ohne
Verletzung der Wahrheitsliebe nicht ausdrücken.)
Wohlgemerkt: ich treffe keine Schuldzuweisung. Über alle Menschen
richtet zuletzt und einzig Gott. Doch will ich zum Abschied nicht
schweigen über den Zustand der Kirche und ihrer Priesterschaft, der zum
Himmel schreit, und mich seit Jahren fragen läßt: woher dieser
Zusammenbruch? Hier ist nicht der Ort, um meine Antworten detailliert
auszubreiten. Zum Thema kann ich Euch aber zwei Bücher besonders
empfehlen: "Die Krise der Kirche..." von Prof. Georg May, sowie
"Athanasius und die Kirche unserer Zeit" von Bischof Dr. Rudolf Graber.
Deren Ergebnisin Kürze: Wir Christen sind, wenigstens was die
Konsequenzen angeht, Opfer des - mit rühmlichen Ausnahmen wie Ratzinger
- vergötzten Großereignisses "Zweites Vatikanisches Konzil". Es war vom
naiven Fortschrittsoptimismus der 60er Jahre geprägt. Mehrdeutig bis
nebulös in der Formulierung, wurde in der Anwendung des Konzils der
Mensch an die Stelle Gottes gesetzt. Nicht mehr der Mensch hat sich
Gottes Offenbarung zu unterwerfen, sondern der Mensch selbst bestimmt,
was er gerade zu glauben geruht. Damit ist natürlich die Religion auf
den Kopf gestellt. Entsprechend wurde die Kirche im allgemeinen
Bewußtsein von der göttlich gestifteten Heilseinrichtung zur menschlich
gemanagten Sozialbedürfnisanstalt. Öffnung zur Welt - mit Verlaub - als
kriecherische Anbiederung!
Natürlich war der Boden für den antikatholischen Umsturz schon lange
bereitet - außer- und innerhalb der Kirche. Namen, Organisationen und
Irrlehren brauche ich nicht zu nennen. Haben nicht z.B. die großen
Pius-Päpste über hundert Jahre lang unermüdlich vor den Verderbern
gewarnt und die heutige Lage exakt vorausgesehen? Doch die satte
Selbstzufriedenheit und verblendete Selbstsicherheit der Kirche -
einsame Mahner ausgenommen - in der Nachkriegszeit war der richtige
Humus für die offene Zerstörung ab dem Konzil. Seitdem ist die Kirche -
statistisch belegbar - in offenem und sich beschleunigendem Niedergang.
Gottesdienstbesucherzahlen und Berufungen gehen rapide zurück. Der
katholische Glaube (ver)schwindet - weniger, weil er in einer
heidnischen Gesellschaft "verdunstet", sondern weil er von kirchlichen
Stellen über Jahrzehnte zu mindest verkürzt dargestellt wurde.
Eine Wende ist nicht in Sicht. Menschlich gesehen besteht keine
Hoffnung. Doch der Herr verläßt seine Kirche nicht und wird eingreifen.
Bange fragen wir uns freilich: wann? Für die Menschen gibt es noch
viel, evtl. jahrzehntelang, kaputtzumachen. Wird z.B. die Darstellung
des Gekreuzigten in 10 Jahren noch in öffentlichen Gebäuden zu finden
sein? Wird das Kreuz da noch einen zentralen Platz wenigstens in den
Kirchen haben? Wenn Ihr mich für einen rabenschwarzen Pessimisten
haltet, dann bedenkt, wie rabiat fast alle Kommunionbänke, ja selbst
viele Altäre und Tabernakel, schon aus den Kirchen gerissen worden
sind. Wenn das der "Konzilsgeist" ist, erübrigt sich ein Kommentar!
Denn ist das nicht Ausdruck von Gleichgültigkeit bis Haß gegenüber dem
Aller-Heiligsten, das wir besitzen?
Angesichts des "Greuels der Verwüstung an heiliger Stätte" (Dan 8,13)
frage ich Euch: Darf man weiter in den verlogenen Chor der
Triumphalisten einstimmen, die das Konzil als "Neues Pfingsten" feiern?
Darf man schweigen zu dieser neuen babylonischen Verwirrung, zur
Zersetzung von Glaube und Moral als Folge? Und vor allem: Soll man
achselzuckend den zu befürchtenden Massenruin unsterblicher Seelen
hinnehmen, für deren Rettung der Seel-Sorger doch zu wirken hat? Darf
man eine Messe feiern, die auf die Zerstörung ihrer selbst abzielt?
Gott und sich selbst kann niemand belügen. "Quid sum miser tunc
dicturus" - was soll ich dem Richter am Jüngsten Tag antworten, wenn er
fragt: Weshalb hast du den Menschen mehr gehorcht als mir? Wieso hast
du wider besseres Wissen mitgemacht bei der Zerstörung meiner Kirche?
Weswegen hast du dich auf "inneren Widerstand" herausgeredet? Warum
hast du durch Schweigen kollaboriert?
Was soll ich kleiner Pfarrer tun? Auch Hartkichen ist keine Insel der
Seligen. Bei allem Vertrauen, das ich in Euch hege: einen Seelsorger
ohne Gegner gibt es nicht. Vertritt ein Ortsgeistlicher aber eine auch
nur halbwegs bewahrend-konservative Position, hat er schon bei einem
Judas in seiner Gemeinde keine Chance. Der o.g. Mechanismus der Macht
tritt unerbittlich in Aktion. Will ich mein Gewissen nicht dauernd
vergewaltigen, wäre jetzt bald der kritische Punkt erreicht, wo der
offene Konflikt ausbricht. Eine solche Auseinandersetzung, evtl. mit
medialen Schlammschlachten und emotionalen Weiterungen auf
Gemeindeebene, will ich Euch und mir ersparen. Ich gehe: lieber ein
Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!
Glaubt mir: Einfach war die Entscheidung nicht. Mein Inneres war
zuletzt nur noch ein durch Seelenkämpfe verwüstetes Schlachtfeld. Lange
habe ich zwischen den Möglichkeiten von Resignation, Widerstand oder
Exil geschwankt. Schweren Herzens habe ich mich für letzteres
entschieden, da ich weder für die Rolle des gleichgültigen Fatalisten,
noch die des selbstmörderischen'Einzelkämpfers geeignet bin. Ich bitte
Euch inständig um Verzeihung. Aber auch um Verständnis, daß ich meinem
Gewissen folgen muß. Einfach ist es auch so nicht. Für mich ist eine
Welt zusammengebrochen und mit vierzig Jahren muß ich noch einmal neu
anfangen. In das real existierende "Kirchen-System" kann ich mich indes
nicht länger einfügen, ohne seelisch zu zerbrechen und völlig
unterzugehen. Stand ich doch in den letzten Jahren z.T. schon bis zum
Zerreißen unter Spannung, habe daher oft überreagiert und manchen zu
Unrecht wehgetan. Ich bitte auch dafür um Verzeihung und Nachsicht!
Was und wo ist meine Zukunft? Ich gehe dorthin, wo mutige Hirten die
Notlage der Kirche längst erkannt und sich für den wahren Gehorsam
entschieden haben: gegenüber dem katholischen und apostolischen Glauben
aller Zeiten, nicht gegenüber einer verworrenen Kirchenversammlung und
ihren unglücklichen Vollstreckern. Herz und Verstand führen mich zur
Tradition. Unter ihren Schutz stelle ich mich, bis die Zeiten gemäß
Gottes Willen wieder anders werden. Dort bin ich als Priester
willkommener Bruder, dort will ich andere und mich mit meinen schwachen
Kräften heiligen. Euch aber bleibe ich verbunden im Gebet und ihm Hl.
Meßopfer aller Zeiten. Betet bitte auch Ihr für mich! Vielleicht
erleben wir schließlich den Tag, an dem die Krise der Kirche überwunden
ist, den Tag, an dem in unserer Pfarrkirche St. Petrus nicht mehr Altar
gegen Altar steht und wir zusammen zum Herrn hin das Heilige
Meßopfer aller Zeiten im sieghaften katholischen Glauben feiern.
Noch einmal: Vergelt's Gott für alles Gute, das Ihr mir getan habt! Gott segne Hartkirchen! Gott segne Euch alle!
Hartkirchen, 17.01.1999Euer Pfarrer
(sig.:) Anton Morhard
* * *
Hinweis für angehende Theologiestudenten:
Interessenten können sich, nachdem sie sich hier das nötige Wissen
angeeignet haben (bei Priestern, Privatdozenten, Universitäten),
spirituell in den Seminarien von Hermosillo/Mexiko und in den USA von
Bischof Pivarunas aus- und weiterbilden. Er erklärte in diesem
Zusammenhang, daß er gerne bereit ist, Kandidaten in seinem Seminar
aufzunehmen. Seminaristen wenden sich direkt an S.E. Bischof Mark
Anthony Pivarunas. Hier seine Adresse: Military Ave. 7745, Omaha, NE
68134, USA, Tel: 001 402 571 4404. |