400 JAHRE LEPANTO
Zum Rosenkranzfest am 1. Oktober
von
Heinrich Storm, München
Der 7. Oktober 1571 ist ein wahrhaft denkwürdiger Tag: An ihm jährt
sich zum 400. Mal die berühmte Seeschlacht von Lepanto, die Schlacht,
in der das christliche Abendland unter dem Beistand der hl. Jungfrau
siegreich den Ansturm des unter dem türkischen Halbmond vereinigten
islamischen Orients zurückschlug. Da die Bedeutung dieses Ereignisses
heute oft verkannt oder absichtlich heruntergespielt wird, scheint es
zunächst angebracht, wenigstens in groben Zügen die Entstehung der
Situation, die dann 1571 zu dem gewaltigen Zusammenstoß zwischen Kreuz
und Halbmond führte, darzustellen.
Nachdem im Früh- und Hochmittelalter der erste Ansturm des Islams unter
den Arabern am Widerstand des byzantinischen Reiches, mehr als einmal
an den Mauern Konstantinopels gescheitert war, erwuchs den
Mohammedanern seit dem 14.Jahrhundert im türkischen Stamm der Osmanen
eine neue Vormacht, die ihre gesamten Kräfte straff zusammenfaßte. In
rascher Folge unterwarfen die Osmanen den christlichen Orient, und im
Jahre 1453 schließlich fiel Konstantinopel, das "2.Rom", das nun
türkische Hauptstadt wurde. Doch damit nicht genug, richtete sich der
türkische Vorstoß jetzt gegen Ungarn, das nach der Katastrophe von
Mohács (1526) zum größten Teil dem türkischen Großreich einverleibt
wurde. Für nahezu 200 Jahre sollte der Ruf "Die Türken vor Wien!" zum
Schrecken des Abendlandes werden.
Der beinahe unüberwindlichen osmanischen Landmacht gesellte sich nun im
16. Jahrhundert eine immer stärker werdende Seemacht hinzu, die im
zunehmenden Maße die Küsten Westeuropas bedrohte. Angesichts dieser
unmittelbaren Lebensgefahr befand sich das Abendland im traurigen
Zustand der durch die "Reformation" Luthers ausgelösten geistigen
Zerrissenheit, und statt der so notwendigen gemeinsamen Gegenaktion
schwächten sich die zwei mächtigsten christlichen Staaten, Frankreich
und Habsburg-Spanien, durch Kriege gegenseitig, ja, gegen die drohende
Übermacht Spaniens trafen die Franzosen sogar Geheimabsprachen mit den
Türken. So braucht es niemanden zu verwundern, daß diese vor allem zur
See immer aggressiver wurden. 1565 griffen sie Malta, die
Schlüsselstellung zum westlichen Mittelmeer, an, die von den
Johannitern noch einmal heldenhaft verteidigt werden konnte. Trotzdem
mußte spätestens jetzt jedem der Ernst der Lage klar werden.
Das Verdienst aber, die Bedeutung dieses historischen Augenblicks in
ihrer vollen Tragweite erkannt zu haben, gebührt allein Papst Pius V.
Seitdem Michele Ghislieri 1566, unter dem Einfluß des heiligen Karl
Borromäus, zum Papst gewählt worden war, wurde er nicht müde, den von
allen Seiten bedrängten katholischen Glauben zu verteidigen und ihm
neuen Ruhm zu verschaffen, sei es im Kampfe gegen die Laxisten in den
eigenen Reihen, gegen die Ketzer oder gegen die Ungläubigen. Anders als
bei den meisten Fürsten seiner Zeit war in ihm noch der Geist der
Kreuzzüge lebendig; er sah den Gegensatz zwischen den Türken einerseits
und dem Abendland andererseits nicht unter rein machtpolitischen
Gesichtspunkten, sondern erkannte, daß es hier um die Entscheidung
zwischen Halbmond und Kreuz, zwischen Glauben und Unglauben ging. Daher
wurde er nicht müde, die christlichen Fürsten Europas zum gemeinsamen
Kampf gegen die muselmanische Großmacht aufzufordern. Bereits
unmittelbar nach seiner Amtsübernahme hatte er einen flammenden Appell
an die Staaten Europas, insbesondere an Spanien, zur Unterstützung des
bedrohten Malta gerichtet.
Doch schien es zunächst so, als sollte trotz allem der Ruf des großen
Papstes ungehört verhallen. Erst als im Jahre 1570 auch das
venezianische Zypern, die östlichste Bastion der Christen im
Mittelmeer, Gegenstand eines türkischen Angriffs von See her wurde,
nahmen die Verhandlungen zwischen dem Papst der Republik San Marco und
Spanien greifbare Formen an. Wenn sie arn 25.Mai 1571 ihren Abschluß in
der Heiligen Liga fanden, so war das wiederum in allererster Linie Pius
V. zu verdanken: Er war es gewesen, der die auseinanderstrebenden
Interessen der Verbündeten immer wieder auf das große Ziel richtete und
sich gelegentlich auch nicht scheute, mit einem Machtspruch die
Streitigkeiten ihrer Botschafter zu beenden. Er leistete außerdem einen
nicht geringen Beitrag zu den Kosten des Unternehmens, sei es durch
Mittel des Kirchenstaates, sei es durch Steuern und Abgaben aus dem
kirchlichen Vermögen der beteiligten Länder. Schließlich rüstete er
auch noch eine kleinere Flotte unter dem Befehl des Marc Antonio
Colonna aus.
Neben ihm zeichnete sich jedoch auch der spanische König Philipp II.
aus, der seinen Ehrentitel "Katholische Majestät" rechtfertigte, als er
im Frühjahr 1571 dem Papst schrieb, daß die Interessen der Kirche die
seinen überstiegen, und daß er das Schicksal seines Königreiches des
Papstes Gebeten und dem Schutz Gottes anvertraue. Ohne die
Unterstützung durch den damals mächtigsten Fürsten Europas hätte die
Sache der Christenheit niemals Aussicht auf Erfolg gehabt.
Wichtiger als alle äußeren Machtmittel und Interessen jedoch war für
das Zustandekommen des christlichen Bündnisses das flehentliche Gebet
der gesamten Kirche, der ihr oberster Leiter auf Erden, der Papst, ein
leuchtendes und heiligmäßiges Vorbild gab. Es wird von Pius V.
berichtet, daß er sich in den schwierigsten Phasen der Verhandlungen
zwischen Spanien und Venedig, wenn wieder einmal selbstsüchtige
politische Interessen das gesamte Unternehmen zu gefährden schienen,
tagelang von allen Amtsgeschäften fernhielt, um sich ausschließlich dem
Gebet zu widmen. Als er das mühevolle Unternehmen schließlich doch zu
einem guten Ausgang geführt hatte, war er weit davon entfernt, sich
selbst irgendein Verdienst zususchreiben. Statdessen ließ er ganz Rom
Dank abstatten durch Prozessionen und vierzigstündige Gebete. Der Name
"Heilige Liga", den sich die Bündnispartner Spanien, Venedig und der
Papst gaben, zeigt noch einmal deutlich die reinen Absichten Pius V.:
Nicht um Machtpositionen im Mittelmeer für einzelne katholische Staaten
ging es, noch um eine Erweiterung des Einflusses des Heiligen Stuhles,
wie leichtfertige Kritiker argwöhnten, sondern um die Verteidigung des
Christentums gegen die Ungläubigen, um den Erhalt christlicher Staaten
und einer christlichen Kultur überhaupt. Wie anders hätte der Papst
sonst von Anfang an jene Siegeszuversicht ausstrahlen können, die
nichts anderes war als der Ausdruck des Vertrauens auf die Hilfe Gottes
zu einer gerechten Sache. Daher versprach er schon im Sommer 1571 den
Gesandten, die ihm im Auftrag Don Juan d'Austrias für dessen Ernennung
zum Oberbefehlshaber der christlichen Flotte dankten, mit Sicherheit
den Triumph "von seiten Gottes".
Don Juan d'Austria, Sohn Kaiser Karls V. und Halbbruder Philipps II.,
mit erst 24 Jahren nun schon Führer einer so bedeutenden Streitmacht,
war von ähnlichem Geist beseelt wie der Heilige Vater. Obwohl seine
militärischen Erfahrungen sich auf die Niederschlagung des
Maurenaufstandes in Spanien beschränkten, waren seine Siegeszuversicht
und sein Kampfeseifer groß. Am 15.September stach er mit der
christlichen Flotte von Messina aus in See. Von dort aus schrieb er in
einem letzten Bericht: "Der Feind ist stärker als wir an Zahl seiner
Schiffe, aber nicht, so glaube ich, was die Kampftüchtigkeit der
Schiffe oder Männer angeht. So breche ich, so Gott will, heute Nacht
mit Kurs auf Korfu auf und fahre von dort aus, je nachdem, was ich
höre, weiter. Ich habe 208 Galeeren, 26 000 Mann und 24 Schiffe. Ich
vertraue auf den Herrn, daß er uns den Sieg schenken wird, wenn wir auf
den Feind stoßen."
Auf Korfu hatten die Türken nur allzu deutliche Zeichen ihrer
Anwesenheit hinterlassen. Jedoch war der Anblick zerstörter Kirchen und
Altäre, zerbrochener Kruzifixe und zu Zielscheiben mißbrauchter
Heiligenbilder eher dazu geeignet, die Soldaten und Seeleute der Liga
mit heiligem Zorn und umso größerer Kampfbereitschaft, als mit
Schrecken zu erfüllen. Noch größer wurde der Ingrimm auf der gesamten
Flotte, als die Nachricht vom Fall der letzten zypriotischen Festung,
Famagusta, eintraf, und sich gleichzeitig die Kunde von den dort
verübten bestialischen Greueltaten der Türken verbreitete.
Inzwischen stieg das Gebet der ganzen Christenheit um den Sieg der
Flotte zum Himmel empor. In Rom steigerte der Papst, soweit das noch
möglich war, seine Gebets- und Bußübungen und hielt die Kardinäle,
Priester und das ganze christliche Volk zu gleichem Tun an. Er
vertraute fest auf die Macht des Gebetes, insbesondere des
Rosenkranzgebetes. Am 7.Oktober 1571 hielten die
Rosenkranzbruderschaften in Rom und in der ganzen Christenheit ihre
Prozessionen ab und flehten zur Gottesmutter um den Sieg.
Am Morgen des gleichen 7.Oktobers, eines Sonntags, ließ Don Juan auf
der ganzen Flotte die heilige Messe lesen. Man befand sich inzwischen
am Eingang des Golfes von Lepanto, der heute Golf von Patras heißt. Als
kurz darauf die aus dem Hafen von Lepanto aussegelnde türkische Flotte
gesichtet wurde, war Don Juan über das Ende der langen Wartezeit so
glücklich, daß er mit zwei Edelleuten einen Freudentanz auf dem
Waffenplatz des Flaggschiffes vollführte. Nachdem er letzte,
wohlüberlegte Anweisungen zum Kampf gegeben hatte, feuerte er seine
spanischen Soldaten noch einmal, das Kreuz in den Händen, an: "Kinder,
zum Tode sind wir fertig und bereit. Uns, wills der Himmel, gehört der
Sieg. Streitet im Namen des Herrn, damit der Feind nicht frage: wo
blieb euer Gott? Kämpft in Seinem Namen, und euer Ruhm wird unsterblich
sein, ob nun Sieg oder Tod euer Los sei." Die Wirkung dieser Worte war
unbeschreiblich: Schon vor dem ersten Schuß brach ein wahrer
Siegestaumel unter den christlichen Soldaten aus. Während sich nun auf
der türkischen Flotte die Soldaten durch lautes Kampfgeschrei
anfeuerten, kehrte bei den Christen noch einmal tiefe Stille ein: Don
Juan fiel auf einem erhöhten Platz seiner Galeere, für alle sichtbar,
vor dem Kruzifix nieder und bat ein letztes Mal den Herrn um Hilfe,
seinem Beispiel folgten sämtliche Offiziere und Mannschaften auf den
übrigen Schiffen. Dann begann die lange und blutige Schlacht, in der
zahllose Taten von unerhörter Tapferkeit vollbracht wurden. Der späte
Nachmittag schließlich sah die Flotte der Heiligen Liga als
vollständigen Sieger: Der größte Teil der gegnerischen Schiffe wurde
entweder versenkt oder erobert, ein großer Teil der türkischen
Streitkräfte fiel oder geriet in Gefangenschaft, während die Sieger zu
ihrer großen Freude 20 000 christliche Rudersklaven befreien konnten.
Alles in allem hätte der Triumph der Heiligen Liga kaum vollständiger
ausfallen können.
In Rom saß am Nachmittag der Schlacht der Papst gerade mit seinem
Schatzmeister bei der Arbeit. Plötzlich stand er auf, öffnete das
Fenster und schien eine Weile entfernten Geräuschen zu lauschen. Nach
einer Weile schloß er das Fenster wieder und entließ den Schatzmeister
mit den Worten: "Gott sei mit euch, es ist keine Zeit für Geschäfte,
sondern um Gott zu danken, denn in diesem Augenblick ist unsere Flotte
siegreich." Darauf fiel er vor dem Kreuz nieder, um zu beten. Der
Schatzmeister, nicht wenig beeindruckt, notierte sich sofort Tag und
Stunde dieses Vorfalls.
Als schließlich, lange danach, die Nachricht von dem glänzenden Sieg
die Hauptstädte Europas erreichte, war der Jubel riesig. Welche
Erleichterung und welches Aufatmen durch das ganze christliche Europa
ging, faßt der spanische Dichter Cervantes, Teilnehmer an der Schlacht,
in der er schwer verwundet wurde, zusammen, wenn er sie begeistert "das
glorreichste Ereignis, das die Vergangenheit oder die Gegenwart sah,
oder die Zukunft sehen wird" nennt. Den Siegern wurden in ihren
Heimatstädten großartige Empfänge und Ehrungen zuteil Pius V. selbst
ließ für den päpstlichen Admiral Colonna einen Triumphzug nach antikem
Muster aufführen, daneben gewährte er aber auch den Verwundeten der
Schlacht reiche Unterstützung.
Doch bei allem irdischen Jubel wurde nicht vergessen, wem man letztlich
den Sieg zu verdanken hatte. Daher fanden in allen katholischen Ländern
noch einmal feierliche Dankgottesdienste und Prozessionen statt, es gab
wohl kaum eine Kathedrale, in der nicht zum Gedenken dieses Tages das
Te Deum angestimmt wurde. Insbesondere wurde der Macht des
Rosenkranzgebetes, d.h. der Fürbitte der hl.Jungfrau, der Sieg
zugeschrieben. In vielen Kirchen wurden seitdem Altäre errichtet für
"Maria della Vitoria" (Maria vom Sieg), und unter ein Gemälde der
Schlacht, das in Venedig hängt, ließ Papst Pius V. die Worte setzen:
"Non virtus, non arma, non duces, sed Maria Rosarii victores nos
fecit." (Nicht Tapferkeit, nicht Waffen noch Feldherrn, sondern Maria
vom Rosenkranz hat uns zu Siegern gemacht.) Zum Dank an die
Gottesmutter setzte er auf den Tag der Schlacht ein neues Fest für
"Unsere Liebe Frau vom Siege" ein. Sein Nachfolger, Gregor XIII.,
änderte den Namen dieses Festes in "Fest U.L.Frau vom Rosenkranz" um
und ließ es am jeweils 1.Sonntag im Oktober feiern. Als im Jahre 1716,
offenbar wiederum durch die Macht des Rosenkranzgebetes, ein
entscheidender Sieg über die Türken durch den Prinzen Eugen errungen
wurde, dehnte Papst Klemens XI. das Fest auf die ganze Kirche aus.
Der heilige Papst Pius V. überlebte den Sieg, an dem er einen solch
entscheidenden Anteil hatte, nicht lange. Als er im Frühjahr 1572
merkte, daß sein Tod nahe war, ermahnte er sein Gefolge noch einmal,
nicht von dem von ihm so glühend verfochtenen Werke abzulassen: "Ihr
werdet nicht leicht jemanden finden, den stärker danach verlangt, die
Widersacher des christlichen Glaubens und des Kreuzes auszurotten; aber
Er, der aus diesen Steinen die Nachkommenschaft Adams zu erwecken
vermag, kann Euch einen besseren und stärkeren Führer schenken. Die
Heilige Liga hat ein großes Werk begonnen. (...) Aber beim Blute Jesu
Christi beschwöre ich Euch ... so schnell wie möglich einen eifrigen
Nachfolger zu wählen und die Wahl nicht nur nach weltlichen
Gesichtspunkten zu treffen. Das Jahr ist schon weit fortgeschritten;
was getan werden muß, muß bald getan werden; und wenn dieses Jahr ohne
eine bemerkenswerte Aktion vorübergeht, wird das Feuer in den Menschen
erlöschen und Unsere Arbeit und der große Sieg werden fruchtlos sein."
Die Hoffnungen des großen Papstes haben sich leider nicht erfüllt. Denn
obwohl sein Nachfolger, Gregor XIII. sich mit Eifer für die Fortsetzung
des Kampfes einsetzte, war die Seele der Heiligen Liga mit Pius V. ins
Grab gestiegen. Durch Eifersucht und kleinlichen Hader zerfiel das
Bündnis nach und nach. Man hat daher oft versucht den Sieg von Lepanto
als einen fruchtlosen und unnützen Sieg hinzustellen. Doch übersehen
solche Kritiker, daß die Heilige Liga ihr primäres Ziel, nämlich die
Abwehr der unmittelbaren Gefahr, glänzend erfüllt hat: Niemals sind die
Türken nach Lepanto so gefährlich für das gesamte Abendland gewesen,
als sie es vorher waren.
Für uns Christen hat dieses Ereignis jedoch eine viel tiefergehende
Bedeutung. Suleiman der Prächtige, der größte der osmanischen Sultane,
soll einmal über Pius V. gesagt haben: "Ich fürchte mehr die Gebete
dieses Papstes als alle Truppen des Kaisers." Aus diesen Worten eines
heidnischen Fürsten können wir mehr lernen als aus allen noch so
detaillierten Schlachtberichten: Lepanto bleibt ein ewiges Mahnmal für
die Macht des Gebetes. Vertrauen wir daher auf die Macht des
Rosenkranzgebetes, auf daß auch uns nicht Tapferkeit, Waffen oder
Feldherrn, sondern Maria, die Rosenkranzkönigin, zu Siegern mache!
(Wertvolle Anregungen zu diesem Beitrag entnahm der
Verfasser vor allem dem Buch "Don Juan d'Austria"von Charles Petrie
sowie dem Artikel "400 Jahre" in der Zeitschrift "Betendes Volk", Nr.3,
Jg.20.)
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