DIE SCHWÄCHE DES KARDINAL ANTONIO BACCI
von
Walter W.E.Dettmann
Unter dem Datum vom 22.Februar 1967 hatte der italienische
Schriftsteller Tito Casini wegen der sogenannten Liturgie-Reform einen
scharf tadelnden Brief gegen den Erzbischof von Bologna, Kardinal
Lercaro, geschrieben.
Dieser Artikel trug den Titel "Das zerrissene Gewand" ("La tunioa
stacciata") und erschien in deutscher Sprache im Thomas-Verlag in
Zürich (92 Seiten).
Das Vorwort zu diesem Brief gegen Kardinal Lercaro schrieb Kardinal
Antonio Bacci, unter dessen "Patronat" zusammen mit Kardinal Ottaviani
auch die sogenannte "Kurze kritische Untersuchung" der neuen Messe
zustandekam. Kardinal Bacci betonte, daß er das Vorwort zur genannten
Schrift Tito Casinis gerne schreibe; er sagte:
"Ich tue es gerne, weil diese Schrift, mag sie auch einigen wenig
ehrerbietig erscheinen, doch allen deutlich sichtbar macht, daß sie nur
von einer glühenden Liebe zur Kirche und ihrer liturgischen Würde
diktiert wurde und weil der Inhalt dieses Bandes niemals gegen das
gerichtet ist, was das II.Vatikanische Konzil in seiner
Liturgiekonstitution festgelegt hat, sondern sich vielmehr gegen die
praktische Anwendung richtet, die einige wildgewordene und übertriebene
Neuerer aus besagter Liturgiekonstitution um jeden Preis machen
möchten".
In diesen Worten kommt plötzlich eine Schwäche des Kardinals Bacci zum
Vorschein. Er behauptet lobend, der Inhalt der Schrift von Tito Casini
sei niemals gegen das gerichtet, was das II.Vatikanische Konzil in
seiner Liturgiekonstitution festgelegt habe.
Mit dem Vorwort von Kardinal Bacci sollte der Brief Tito Casinis
Gewicht erhalten. Aber in Wirklichkeit hat Bacci mit seinem Vorwort
jeden kritischen Leser sowohl auf Casinis Halbheit, als auch auf seine,
Baccis, eigene Schwäche aufmerksam gemacht. Durch dieses Vorwort wurde
die Schrift Tito Casinis nicht aufgewertet, sondern abgewertet.
Im übrigen stimmt es gar nicht, daß Casinis Schrift "niemals" gegen die
Liturgiekonstitution gerichtet sei, auch wenn er diese eigens ein "an
und für sich gutes Dekret" nennt (Seite 24). Auf Seite 83 schreibt
nämlich Tito Casini gegen Kardinal Lercaro:
"Ich beziehe mich, Eminenz, auf Ihre rigorose Verordnung vom November,
wonach die Messe auf Italienisch statt der Gregorianischen Messe in
allen Hochamtern als einzige in Frage kommt und sämtliche Pfarreien sie
sich aneignen müssen. Offiziell heißt diese Messe "Vaticanum II",
inoffiziell wird sie aber nach dem Namen des Autors, Luigi Picchi,
gemeinhin "dei picchiatelli" genannt, was gleichbedeutend ist mit
"Messe der Halbverrückten". ... Jetzt muß sich das gläubige Volk
solches Zeug gefallen lassen, weil es das hohe Haupt der Liturgiereform
so bestimmt, genauer gesagt, verfügt und aufzwingt" (Seite 83f).
Mit dem hier genannten "hohen Haupt der Liturgiereform" ist zwar in
erster Linie der Kardinal Lercaro gemeint. Aber jeder Einsichtige sieht
ohne weiteres, daß mit diesem spöttelnden Ausdruck tatsächlich auch die
Liturgiereform des II.Vatikanischen Konzils getroffen ist.
Über das Wort aus der Heiligen Schrift "An den Flüssen Babylons saßen
wir und weinten" (Ps 136,1) schreibt Tito Casini weiterhin gegen
Kardinal Lercaro, den Erzbischof von Bologna: "Babylon ist in
übertragenem Sinn Bologna das liturgische Bologna, verkörpert durch
Eure Eminenz".
Auch diese Worte können unmöglich gegen Kardinal Lercaro allein
gesprochen sein. Denn Tito Casini muß doch wissen, daß es heute nicht
nur im Bistum Bologna sondern in der ganzen Kirche so schlecht
aussieht. Er hätte ohne weiteres sagen können: "Babylon ist die
liturgische Kirche der heutigen Zeit, verkörpert durch Paul VI."
Man könnte meinen, daß Tito Casini nicht den Mut hatte, Paul VI.
persönlich anzugreifen, und daß Lercaro dafür herhalten mußte.
Jedenfalls kann man nicht sagen, daß Casinis Brief "niemals" gegen die
Liturgiekonstitution gerichtet gewesen sei.
Tito Casini hat die Liturgiekonstitution nicht genau sondern nur sehr
oberflächlich gelesen, sonst hätte er niemals sagen können, sie sei ein
"an und für sich gutes Konzilsdekret". Sowohl Tito Casini als auch
Kardinal Bacci haben die vernichtende Tragweite der
Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht
durchschaut.
Es ist z.B. ein sehr oberflächliches Urteil, wenn Casini und viele
andere meinen, die Liturgiekonstitution selbst verlange den Schutz für
die lateinische Sprache im Gottesdienst.
Das Gegenteil davon wird durch folgende Tatsache unwiderleglich
bewiesen: Im Jahre 1966, sofort nach Schluß des Konzils und ein ganzes
Jahr vor der Veröffentlichung von Tito Casinis Arbeit, gaben Karl
Rahner und Herbert Vorgrimmler im Auttrag der deutschen Bischöfe alle
Konstitutionen und Dekrete des Konzils im Druck heraus. Dabei schrieben
diese beiden sonderbaren Herdertheologen und Konzilsberater in der
Einleitung folgenden, für Laien schwer verständlichen Satz, der sich
auf den Artikel 36 der Lit.Konst. bezieht:
"Es ist heute nachdem die nachkonziliare liturgische Arbeit in der
Sprachenfrage entschlossen vorangegangen ist, leicht, die Forderung
einer arkanen Sakralasprache als Nonsens und diese selbst als museales
Relikt und als Widerspruch gegen das kommunikative Wesen der Sprache zu
entlarven. Die Verdienstlichkeit dieses Artikels sollte darüber nicht
vergessen werden" ("Kleines Konzilskompendium" 7 Seite 42).
Bevor auf die bösartige Tragweite dieses Satzes eingegangen wird, möge ein für allemal folgendes festgestellt sein:
Die lateinische Sprache der heiligen Messe, besonders alle dem Volk
bekannten Wechselgebete und Gesänge, angefangen vom ersten Dominus
vobiscum bis zum Ite missa est, entsprechen dem "kommunikativen Wesen
der Sprache" hundertmal mehr als das entsetzlich komplizierte Gerede
und Geschreibsel des Herrn Karl Rahner.
Aber nun zur Hauptsache: Wie lächerlich steht doch die ganze
Versammlung der zweitausend Konzilsbischöfe mit ihren riesigen weißen
Mützen da, wenn Karl Rahner, der Hauptberater des Konzils, sofort und
unmittelbar nach dessen Schluß schreiben darf: "Es ist heute leicht,
die Konzilsforderung nach der lateinischen Sprache beim Gottesdienst
als einen Unsinn ("Nonsens") zu entlarven, weil diese Forderung durch
die Ereignisse überholt wurde".
Karl Rahner durfte einen solchen Satz nur deshalb sagen, weil er genau
wußte, daß die überwiegende Mehrheit der Bischöfe die Forderung nach
der lateinischen Sprache von Anfang an nicht im geringsten ernst nahm.
Tito Casini und Kardinal Bacci hätten sofort antworten müssen: Die
gesamte Liturgiekonstitution ist ein einziger Unsinn, weil sie durch
die Ereignisse, nämlich durch den totalen Abfall vom Glauben an das
heiligste Altarssakrament, überholt wird.
Kardinal Bacci hätte sagen müssen: Wenn zweitausend Konzilsbischöfe
sofort nach Schluß der Sitzungen in einem so wichtigen Punkt genau das
Gegenteil von dem tun, was sie beschlossen haben, dann taugt die ganze
Liturgiekonstitution so gut wie nichts.
Außerdem hätten Tito Casini und Kardinal Bacci sagen müssen: Der
Artikel 36 der Liturgiekonstitution wird durch den beliebig dehubaren
Artikel 54 aufgehoben, und auch deshalb ist die Liturgiekonstitution
schlecht.
Der Artikel 36 lautet: "Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in
den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht (Es
handelt sich nur um winzige Gemeinschaften, z.B. die mozarabische
Liturgie in Toledo) entgegensteht."
Dagegen lautet der dritte Absatz von Artikel 54: "Wenn ... irgendwo der
Gebrauch der Muttersprache bei der Messe in weiterem Umfang angebracht
zu sein scheint, so ist die Vorschrift des Artikels 40 einzuhalten"
(d.h. es sind mit Genehmigung von Rom die "notwendigen Vorversuche" zu
machen).
Casini und Bacci mußten doch sehen, daß sich die Konzilsbischöfe in
ihrer Liturgiekonstitution noch schlimmer verhielten als der römische
Statthalter Pontius Pilatus. "Ich finde keine Schuld an ihm", sagte
dieser und ließ Jesus kreuzigen.
Die Konzilsbischöfe sagten: "Latein soll erhalten bleiben - wenn aber
irgendwo auf der Welt die Muttersprache angebracht zu sein scheint,
dann soll Latein vorsichtig und nach entsprechenden Vorversuchen auf
der ganzen Welt gekreuzigt werden."
Kardinal Bacci hätte doch sehen müssen, wie unbeschreiblich miserabel
die Konzilsbischöfe mit ihrem Artikel 54 dastehen: Kaum haben sie
gesagt: "Wenn irgendwo der Gebrauch der Muttersprache bei der Messe in
weiterm Umfang angebracht zu sein scheint, ...", da schreien sie
schon nicht nur irgendwo sondern auf der ganzen Welt die Wandlungsworte
in gefälschten Übersetzungen aus ihren Hälsen und versuchen krampfhaft,
wider besseres Wissen ihre eigene Fälschung zu verteidigen.
Kardinal Bacci hätte ruhig fast alle seine bischöflichen Kollegen als "wildgewordene Neuerer" bezeichnen dürfen.
Casini und Bacci haben tatsächlich die Liturgiekonstitution des II.
Vatikanischen Konzils ganz und gar falsch beurteilt. Dieses
Konzilsdokument ist von A bis Z nichts wert. Es ist eine Katastrophe
und eine Schande für die römisch-katholische Kirche, wie schon oft
bewiesen wurde und wie es auch in Zukunft noch deutlicher vorgeführt
werden soll.
Nicht nur der verstorbene Kardinal Bacci hat sich in der Beurteilung
der Liturgiekonstitution getäuscht, sondern vielen Tausend Priestern
der heutigen Zeit geht es ebenso.
Aber das klare Urteil über die Liturgiekonstitution darf deshalb nicht
weniger hart ausfallen. Denn die Katastrophen, die im Eiltempo auf die
ganze Menschheit zukommen, werden eine noch viel härtere und
unerbittlichere Sprache führen.
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