Johannes Eck - der "Achilles der Kirche"
von
Eugen Golla
Johannes Eck, eigentliclh Johannes Maier, dieser eifrige Verteidiger
des Glaubens zu Beginn der Reformation, wurde 1486 in Eck an der Günz
in Schwaben als Sohn des Bauern und Amtmannes Michael Maier geboren.
Frühzeitig wurde er seinem Onkel, dem Stadtpfarrer von Rottenhurg am
Neckar zur Erziehung übergeben, der seinen hochbegabten Neffen bereits
zwölfjährig an der Universität Heidelberg studieren ließ. Nach kurzem
Aufenthalt in Tübingen und Köln entschied er sich für die Universität
Freiburg, wo er neben dem Studium der Scholastik und der mystischen
Theologie auch Vorlesungen in Geographie, Mathematik, Astronomie und
Rechtswissenschaft belegte und 1505 den Grad eines Baccalaureus der
Theologie erhielt. Lernend und lehrend setzte der junge selbstbewußte
Dozent seine Studien fort, die 1510 durch das Doktorat in der Theologie
gekrönt worden waren. Bereits 1508 hatte er in Straßburg die
Priesterweihe empfangen, wo er den berühmten Münsterprediger Geiler von
Kaysersberg kennenlernte, der derb witzig die unter dem Klerus und der
Gesellschaft herrschenden Mißstände geißelte, ohne deshalb seiner
Religion untreu zu werden. 1510 erhielt Eck eine Theologieprofessur in
Ingolstadt; die dortige Universität des Herzogtums Bayern sollte nun
bis zu seinem Lebensende das Zentrum seines Wirken werden.
Bekannt geworden mit dem Wirtschaftsimperium der Fugger in Augsburg
überzeugte er sich, daß infolge des Aufblühens des reinen Bank- und
Geldgeschäftes das aristotelisch-thomistische Zinsverbot nicht mehr zu
halten ist. Er setzte sich daher für einen Zins von 5% ein, vor allem
in einer öffentlichen Disputation zu Bologna, wo er trotz allem
Geschick keinen Erfolg errang. Dieser Schritt eines Versuches der
Modernisierung der Wirtschaftsethik brachte ihm in der Zeit der
Reformation den Ruf ein, nicht nur ein Fuggerknecht zu sein, sondern
sogar in deren Dienst stehend die Finanzierung des in Rom laufenden
Prozesses gegen Luther betrieben zu haben.
Eine Frucht seiner Vorlesungen war sein erstes großes
theologisches Werk, der "Chryopassus", in welchem er im Geiste
Augustinus den Bezug zwischen Gnade und Vorherbestimmung behandelte,
d.h. der Mensch müsse sich mit allen seinen Kräften bemühen, der
Rechtfertigungsgnade teilhaftig zu werden.
Um diese Zeit bestand noch ein gutes Verhältnis zwischen Eck und
Luther. Es wurde aber sofort getrübt, als dieser erfahren hatte, daß
Eck seinen Kampf gegen den Ablaß kritisch beurteilte, und auf die
Verwandtschaft seiner Thesen mit den Lehren von WicIif und Hus
hinwies. Nachdem er 1518 mit Luther in Augsburg, wo dieser sich
vor dem Kardinal Cajetan verantworten mußte, verhandelt hatte, erkannte
er deutlich, daß es sich nicht nur um die Beseitigung der groben
Mißbräuche, die mit dem Ablaß getrieben wurden, handelte, sondern daß
es Luther darum ging, die gesamte Struktur der Kirche zu zerstören.
Die erste Gelegenheit, seine Schlagfertigkeit und Kenntnisse
einzusetzen, bot sich, als es ihm 1519 gelang, Luther in Leipzig zu
einer Disputation mit ihm zuzulassen. Der Reformator mußte eindeutig
seine Ansicht bekennen, daß die ökumenischen Konzilien dem Irrtum
unterworfen seien und nur die Heilige Schrift irrtumslos sei.
Nun begann die heftigste Polemik gegen Eck, dem man allerdings
bisweilen übertriebene Geltungssucht und Härte vorwerfen konnte. Luther
aber bezeichnete ihn als ein Monstrum, das aus Lügen und Häresien
zusammengesetzt sei Er scheute sich auch nicht, ihn mit beleidigenden
Schimpfworten zu belegen. Was Eck aber besonders erbitterte war, daß
ihm, der von Anbeginn des Glaubensabfalles in erster Linie stand und
genau über die Ziele der protestantischen Führung informiert war,
insbesondere von den Bichöfen wenig Hilfe und Verständnis zuteil wurde.
Von den vier Erzbischöfen des Deutschen Reiches durchschaute allein der
Kurfürst-Erzbischof von Trier, Richard von Greiffenklau, von Anfang an
die von Luther ausgehende Bewegung und er versuchte auch noch auf dem
Reichstag zu Worms 1521 ihn zum Widerruf zu bewegen. Der
Kurfürst-Erzbischof von Mainz, Albrecht von Brandenburg, gleichzeitig
auch Erzbischof von Magdeburg, der erste Fürst des Reiches, war
charakterschwach, genußsüchtig und verschwenderisch; besonders im
Hochstift Magdeburg sowie in Halle, der erzbischöflichen Residenzstadt,
erfolgte der Abfall vom Glauben sehr schnell, ohne daß Albrecht
energisch Widerstand geleistet hätte. Der Kölner Kurfürst-Erzbischof
Hermann von Wied, theologisch ein Ignorant, fühlte sich in der
Hauptsache als weltli-cher Herrscher und endete abgesetzt als
Lutheraner. Der Erzbischof von Salzburg, Matthäus Lang, ein
gewandter Weltmann und HöfIing ohne solide theologische Ausbildung, war
zwar kein Begünstiger der neuen Lehre, aber auch er zeigte bis 1521,
dem Jahr des Erscheinens der Bannbulle gegen Luther, wenig Lust zum
Einschreiten.
Auch die Kurie bemühte sich nicht allzusehr, den gefärlichen Brand
schnell zu ersticken. Vielmehr schien man am Hofe des Mediceerpapstes
Leo X. die ganze Sache als einen bloßen Mönchsstreit im weitentfernten
barbarischen Norden zu behandeln. Erst zwei Jahre nach Luthers
Auftreten entschloß man sich, Eck als den besten Kenner der Materie in
die Ewige Stadt zu berufen.
Er überreichte dem Papst im April 1520 seine erste systematische
Abhandlung gegen Luther "De Primatu Petri adversus Ludderum". Es war
für die Abfassung der Bannandrohungsbulle "Exsurge Domine" förderlich,
daß Eck gleichzeitig auch eine lateinische Übrsetzung der deutschen
Schriften des Reformators vorlegte; er wurde auch beauftragt, gemeinsam
mit dem italienischen Humanisten Hieronymus Aleander die Bulle im
Deutschen Reiche zu publizieren. Dies scheint aber ein schwerer
Mißgriff gewesen zu sein, da es längst bekannt war, daß Eck, unter
Luthers Anhängern der am meisten gehaßte Mann, an der Abfassung der
BuIIe beteiligt war, so daß der Papst als ein parteiischer und nicht
als gerechter Richter erschien.
Wo auch die Bulle verkündet wurde, entwickelte sich ein
energischer Widerstand, der besonders in Mitteldeutschland gefährliche
Ausmaße annahm. Eck hatte in Rom auch die Vollmacht erhalten, weitere
Anhänger Luthers in der Bulle anzuführen und sie mit dem Bann zu
bedrohen, was ihm den Verdacht zuzog, Privatrache nehmen zu wollen. Der
Prominenteste unter ihnen war der Nürnberger Humanist Willibald
Pirkheimer, der Bruder der mutigen glaubenstreuen Äbtissin Charitas
Pirkheimer, die es erreichte, daß im protestantisch gewordenen Nürnberg
das Klarissenkloster bis zum Tode der letzten Nonne bestehen bleiben
durfte.
Wie sehr man die Bulle mit Eck identifizierte zeigte sich auch darin,
daß Luther bei ihrer Verbrennung vor dem Elstertor in Leipzig
gleichzeitig auch Ecks vorerwähnte Schrift "Chrysopassus" in das Feuer
warf.
Eck unternahm noch zwei weitere Romreisen: die erste, im Spätherbst
1521 unternommene, hatte wegen des im Dezember erfolgten Todes von
Papst Leo X. keinen Erfolg. In der zweiten, die in die Pontifikate
Hadrians VI. und Klemens VII. fiel, war er für eine Stärkung der Rechte
des bayerischen Herzogs gegenüber der Kirche tätig, da er in ihm eine
verläßlichere Stütze gefunden hatte, als in den vielfach
desinteressierten Bischöfen. In seinem für Rom bestimmten Denkschriften
verlangte er dringend eine ernstliche Reform der Kirche, insbesondere
auf den Gebieten des Ablaßwesens und der Benefizien, sowie die häufige
Abhaltung von Provinz- und Diozesansynoden. Seinen mit langen
Wartezeiten ausgefüllten römschen AufenthaIt benutzte er dazu, um sich
in der hebräischen Sprache bei dem deutschen Juden Elias Levita zu
vervollkommnen.
1525 reiste Eck nach England, wo ihn König Heinrich VIII., der damals
noch ein eifriger Verteidiger des katholischen Glaubens war, ehrenvoll
empfing. Eck überreichte ihm sein ihm gewidmetes "Enchiridion locorum
communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae" ("Handbuch der
Gemeinplätze gegen Luther und andere Feinde der Kirche"). Dieses Werk
der katholischen Polemik wurde eines der am meisten gebrauchten
theologischen Bücher des sechzehnten Jahrhunderts.
Während seines Aufenthaltes in England erhielt Eck auch die Gelegnheit,
die bedeutendsten Persönlichkeiten des damaligen englischen
Katholizismus, Thomas Morus und Bischof John Fisher, näher
kennenzulernen.
Mit wachsender Sorge beobachtete er die Entwicklung der Reformation in
der Schweiz, da Zwingli nicht nur den Opfercharakter der Messe
leugnete, sondern auch die reale Gegenwart Christi im Sakrament. 1526
wurde in Baden im Kanton Aargau ein Religionsgespräch abgehalten, an
dem Zwingli allerdings nicht teilnahm. An der Kirchentüre wurden von
den sieben Thesen Ecks die ersten zwei angeheftet:
1.Der wahre Fronleichnam Christi und sein Blut sind im Sakrament des Altares gegenwärtig.
2. Die werden auch wirklich aufgeopfert im Amt der Messe für Lebende und Tote.
Die Disputation, bei welcher Eck von dem Franziskaner Thomas Murner
unterstützt wurde, einem sprachgewaltigen und zugleich witzigen
Publizisten und Volksprediger, hatte Erfolg. Allerdings schienen gerade
die größten und mächtigsten Kantone Basel, Bern, Zürich und
Schaffhausen für den Glauben verloren.
Kaiser Karl V. fürchtete, daß die immer mehr zunehmende religiöse
Zwietracht Kirche und Staat zerstören würden. Er versuchte daher
1530 auf dem Reichstag zu Augsburg die religiöse Einheit wieder
herzustellen. Eck wurde beauftragt, an der theologischen Kommission
teilzunehmen, auf welcher die Protestanten ihre "Augsburger Konfession"
vorlegten, eine im versöhnlichen Geist verfaßte Bekenntnisschrift, in
welcher man versuchte, durch Verschweigen strittiger Punkte glaubhaft
zu machen, es werde die alte Lehre der katholischen Kirche vertreten.
An der Widerlegung durch die "Confutatio", die den Neugläubigen
sehr entgegenkam, war auch Eck beteiligt. Aber alles war vergeblich,
die Vergleichsverhandlungen führten zu keinem Ergebnis, und Eck war
mehr denn je davon überzeugt, daß mit allen Konzessionen nichts
erreicht werden könne.
Wahrscheinlich aufgrund dieser Erfahrung enthielt er sich im nächsten
Jahrzehnt möglichst aller Dispute. Er, der nicht müßig sein konnte,
widmete sich nun verstärkt der akademischen Tätigkeit und der
Seelsorgearbeit. Bereits 1519 hatte er die Pfarrei St. Moritz in
Ingolstadt erhalten, die er sechs Jahre später gegen die Kirche Unserer
Lieben Frau eintauschte. Wenn er auch 1533 auf diese Pfarre
verzichtete, versah er sie jedoch auf Wunsch des Herzogs von Bayern von
1538-1540 wieder. In dieser Zeit verfaßte er auch viele Schriften
für Priester und Laien, um zu verhindern, daß mangels passender
katholischer Bücher Werke der Reformatoren verwendet wurden,
insbesondere fünf Bände Predigten für alle Sonn- und Feiertage, die
sofort ins Lateinische übersetzt wurden. 1537 gab er auch eine deutsche
Bibel heraus, die sich eng an die Vulgata hielt. Während das Alte
Testament in oberdeutcher Mundart verfaßt war, blieb er im Neuen
Testament stark abhängig von der Übersetzung des katholischen
Kontroverstheologen Hieronymus Emser. Dieses Werk, das laut
protestantischer Beurteilung in "schauderfaftem Deutsch" verfaßt war,
konnte mit der Lutherbibel nicht konkurrieren und erlebte nur sieben
Auflagen.
In den Dreißiger Jahren trafen die Kirche weitere schwere Verluste.
Während die Protestanten siegreich vordrangen, brachten die Katholiken
meist nicht einmal die Kraft zu einer Defensive auf. Der zunehmende
Abfall bewog Kaiser Karl wiederum zu versuchen, durch die Veranstaltung
von Religionsgesprächen die Eintracht im Glauben wiederherzustellen,
wobei er übersah, daß es den Neugläubigen nicht darum ging, die Kirche
zu reformieren, sondern sie zu vernichten. Auch Eck erwartete nichts
von solchen Disputationen, die in Hagenau im Elsaß und in Worms
abgehalten wurden. Der dringend eine Versöhnung wünschende Kaiser
verlegte schließlich im Frühjahr 1541 diese Verhandlungen auf den
Reichstag zu Regensburg. Absichtlich hatte er wieder möglichst
kompromißbereite Theologen als Sprecher ausgesucht, wobei er aber Eck
nicht übergehen konnte. Dieser war jedoch nicht mehr das Haupt der
katholischen Verteidigung, denn den Vorsitz führte der Legat, Kardinal
Gasparo Contarini, der bereit war, in Zugeständnissen an die
Protestanten möglichst weit zu gehen.
Als Grundlage diente das sogenannte Regensburger Buch, welches
das Gemeinsame in den Vordergrund rückte, während die strittigen Punkte
versöhnlich oder katholisch verkleidet gebraucht wurden. Schließlch
akzeptierte es auch Eck, wenn auch begreiflicherweise widerwillig. Als
aber die Protestanten nicht nur die Transsubstantiation verwarfen,
sondern auch erklärten, der Leib Christi sei nur für den Genießenden
vorhanden, folglich die Anbetung Abgötterei, sah es Contarini als
unnütz, ja unmöglich an, weiter zu verhandeln. In diesen Tagen zog sich
Eck, krank geworden, zurück und verließ bald darauf Regensburg.
Trotz seiner Krankheit verfaßte er aber die sogenannten "Annotationes",
welche das vorerwähnte von ihm schließlich auch gebilligte Regensburger
Buch vollständig ablehnten. Für die Verfassung dieser Schrift dürfte in
der Hauptsache Ecks Landesherr, der Herzog von Bayern, maßgebend
gewe-sen sein, der sich nur von einer kriegerischen Auseinandersetzung
und nicht von Religionsgesprächen eine Lösung versprach. Bei der
Würdigung von Ecks Charakter muß man aber doch davon ausgehen, daß ihn
sein Gewissen nicht ruhen ließ, bis er diese Schrift verfaßt
hatte.
Seine letzten Arbeiten setzten sich mit dem vom Glauben abgefallenen
Dominikaner Martin Butzer auseinander, einem eifrigen und vielseitigen
Reformator, den der Kaiser als einen der Sprecher der Protestanten für
den Reichstag zu Regensburg ausgesucht hatte und den Contarini -
natürlich vergebens - durch Milde zu gewinnen suchte, wurde er doch
kurz nach Ecks Tod vom Kölner Erzbischof Herman von Wied zur
Protestantisierung seines Erzstiftes berufen.
Nicht mehr gesund geworden, starb Eck infolge Überanstrengung in
Ingolstadt am 10. Februar 1543. Seine letzte Ruhestätte erhielt er in
der Kirche Zu Unserer Lieben Frau, die auch die Universitätskirche war.
Eck war kein Mensch, der die Herzen im Sturm erobern konnte. War er
doch in hohem Grade selbstbewußt, hartnäckig, ungestüm und rastlos
geschäftig. Die Folge davon war, daß ihn selbst viele treugebliebene
Katholiken als rücksichtslos und undiplomatisch ablehnten. Auch unter
den Historikern der Reformation gibt es manche, die seine führende
Stellung im Glaubenskampf als ein Unglück betrachten. Allerdings stellt
sich die Frage, ob ein Priester wie Erasmus von Rotterdam, der sich
selbst mehr als Humanist denn als Theologe fühlte und theologisch
verschwommen und unbestimmt möglichst lange zwischen Rom und Wittenberg
zu verhandeln suchte, eher imstande gewesen wäre zu retten, was noch zu
retten war.
Sein außergewöhnliches Gedächtnis, verbunden mit großer
Schlagfertigkeit, schenkte ihm in seinen Reden vielfach Erfolg, doch
fehlte ihm trotz dieser formalen Gewandtheit und Wissensfülle religiöse
und theologische Tiefe. Mit anderen Worten: er war kein originaler und
tiefer Denker. Leider war er auch kein Mann, der den Verlockungen des
Materialismus und der Genußsucht immer zu widerstehen vermochte. Wenn
aber die Protestanten nach seinem Tode verbreiteten, er sei der
Unzucht, Völlerei und Habgier verfallen gewesen, so ist dies zu einem
großen Teil Verleumdung.
Benutzte Literatur:
May, Georg: "Die deutschen Bischöfe angesichts der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts" Wien 1983.
Pastor, Ludwig von: "Geschichte der Päpste", Bd. IV/1, 2 und V, Freiburg.
Artikel "Johannes Eck" in: "Dictionnaire de spiritualite" Bd. 4, Paris 1960.
"Gestalten der Kirchengeschichte" hrsg. von Martin Greschat, Bd. 5, Stuttgart 1985.
"Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche" Band 5, Leipzig 1898. |