Die magische Welt des Harry Potter 1)
von
Werner Olles
Vorbemerkung der Redaktion
Es bedarf einer Erklärung, warum ein zunächst als bloße Rezension
geplanter Beitrag als Leitartikel in diesem Heft erscheint. Die Gründe
liegen einmal in dem inzwischen zum Mythos stilisierten Umgang mit dem
Phänomen "Harry Potter", dessen Botschaft eine zutiefst
anti-christliche ist, die in die Seelen der Kinder ungehindert
eingeträufelt, ja direkt hineingelobhudelt wird. Davor wollen wir
warnen. Zum anderen liegt es an der Vorstellung dieser Buchserie durch
Herrn Olles, die - weit über den Rahmen einer bloßen Rezension
hinausgehend - auch den geistigen Horizont ausleuchtet, auf und in dem
ein solches Werk erscheinen kann. Sie legt auch dar, warum die
gefährliche Dimension von Harry's Botschaft bzw. der der Autorin
Rowling verkannt wird und wie mit dieser allgemeinen Ignoranz umzugehen
ist.
Unentschuldbar, ja beschämend sind die Reaktionen von Mitgliedern jener
Institution, die vorgibt, die kath. Kirche zu sein. Unter dem Thema
"Zur Faszination von Harry Potter" fand in der Kath. Akademie in
München am 27. Januar ein Symposium mit Referenten aus den
Fachrichtungen Anglistik, Psychologie und Theologie statt. Trotz
inzwischen bekannter Kritiken von christlichen Gemeinden in
Mittelengland oder der Schwäbischen Alb, erteilte - wie die Münchner TZ
vom 29.1.01 titelt - der Salzburger Dogmatikprofessor Gottfried Bachl
die "Absolution für Harry Potter": "Die Bände von Harry Potter
enthalten keinerlei religiöse Botschaft. Und die Magie, die der
Zauberer Harry Potter verwendet, ist lediglich literarischer Art." Auch
Befürchtungen, daß Harry Potter einen okkulten Satanskult fördern
könne, wies der Theologe zurück: "Wer sagt, Harry Potter sei
Teufelswerk, der kann sich ja mal in einer Videothek umschauen." (SZ
vom 29.1.01) Solche Aussagen bezeugen schlaglichtartig die geistige und
mentale Verwirrung dieses Herren, wenn man sich bewußt ist, welche
Botschaft Frau Rowling selbst mit ihren Büchern, d.h. via Harry Potter,
über ihr Verhältnis zum Christentum bzw. zu Christus vermitteln will,
eine Botschaft, die sie in einem Interview mit der London Times (laut
Aargauer Zeitung vom 19. Nov. letzten Jahres) wörtlich so definiert:
"Diese Bücher helfen den Kindern zu verstehen, daß der schwache,
idiotische Sohn Gottes ein lebendiger Witz ist, welcher gedemütigt
wird, wenn der Feuerregen kommt". Angesichts solcher Offenbarungen
mutet es grotesk (oder zynisch?) an, wenn Pfarrer Florian Schuller, der
die Veranstaltung der Kath. Akademie moderierte, sagt: "Man kann
aus jeder Seite des Buches eine Predigt machen, denn es vermittelt sehr
viele christliche Werte. Es zeigt, daß man sich bewußt für das Gute
entscheiden muß. Das wird bei Harry Potter deutlicher als bei manchem
Theologen." (SZ vom 29.1.01)
Vielen Eltern ist die Gefahr der anti-christlichen Faszination, die
Harry Potter auf ihre Kinder aus-übt, sicherlich nicht bewußt. Wie
sollten sie auch Verdacht schöpfen angesichts einer unübersehbaren
Kultgemeinde, in die sich jüngst auch der Bayer. Ministerpräsident Dr.
E. Stoiber einreiht, wenn er gegenüber der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG
äußerte, er finde es "himmlisch", daß so viele Kinder über Harry Potter
wieder zum Lesen gekommen seien. Mich hat erst die Lektüre der
aus-führlichen Rezension von Abbé Niklaus Pfluger "Harry Potter -
Kritische Anmerkungen zum neuen Erfolgsbuch Harry Potter und der
Feuerkelch" im "Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X.",
Nr. 264 vom Dez. 2000, dazu angeregt, mich mit dieser neuen
'Kinderbuchserie' zu beschäftigen.
E. Heller
* * *
Harry Potter und kein Ende. In den Belletristik-Bestsellerlisten aller
Magazine und Zeitungen stehen die bisher erschienen vier Bände
"Harry Potter und der Stein der Weisen",
"Harry Potter und die Kammer des Schreckens",
"Harry Potter und der Gefangene von Azkaban" und
"Harry Potter und der Feuerkelch"
seit Monaten unangefochten auf den ersten vier Plätzen. Die
internationalen Preise und Auszeichnungen für die Autorin Joanne
K.Rowling und ihre Bücher sind inzwischen bereits Legion und reichen
vom "Deutschen Jugendliteraturpreis 1999" und dem "Kinderbuchpreis der
Jury der Jungen Leser", Wien 1999 über den "ABBY Award" der "American
Booksellers Association" bis hin zur "BUCHMARKT Autorin des Jahres
1999" und zur Ehrendoktorwürde der Universität Exeter.
Und natürlich sind auch die Literaturkritiker und jene, die sich dafür
halten, des Lobes voll. Ob Politiker wie Norbert Blüm, Schriftsteller
wie Tanja Kinkel oder Intelligenzblätter wie die "Frankfurter
Allgemeine Zeitung" und die "Die Zeit", sie können es alle kaum fassen,
der "Schöpfung eines kollektiven Geschichtenfundus für Kinder, aber
nicht nur für sie" (Monika Osbgerhaus in der FAZ v. 22.03.00) beiwohnen
zu dürfen, wähnen sich "längst mit der Pottermania infiziert" (Eisabeth
Spar-rer in der Abendzeitung v. 22.03.00) oder finden das alles
"unerschöpflich detailversessen und zum Schreien komisch" (Mannheimer
Morgen v.18.03.00).
Dabei fing eigentlich alles ganz harmlos an. 1971 schrieb die damals
sechsjährige in Gloucestershire geborene Joanne Kathleen Rowling ihre
erste Kurzgeschichte über einen Hasen namens Rabbit, der an Masern
erkrankt ist, und von einer großen Biene namens Miss Bee besucht wird.
Einer der Nachbarsjungen, mit dem die kleine Joannne und ihre jüngere
Schwester Di spielten, Ian Potter, war - wie vermutlich die meisten
Jungen in seinem Alter -, immer zu Streichen aufgelegt, während die
Mädchen sich als Hexen verkleideten. Als Elfjährige war Joanne ein
großer Jane Austen-Fan. 1983 begann sie an der Universität von Exeter
Französisch und Altphilologie zu studieren. Später arbeitete sie dann
kurzzeitig als Recherche-Assistentin bei Amnesty International in
London und danach in Manchester als Sekretärin, was ihr offenbar
überhaupt nicht lag. In ihren Pausen kritzelte die nach eigener Aussage
"schlechteste Sekretärin aller Zeiten" Romanentwürfe auf das Protokoll
und schrieb ihre Geschichten dann auf dem Computer ab. 1992 heiratete
Rowling einen portugiesischen Fernsehjournalisten, ein Jahr später kam
ihre Tochter Jessica Mitford zur Welt. Nach der Scheidung von ihrem
Ehemann kehrte sie mit einem halben Koffer voller Harry
Potter-Geschichten nach Großbritannien zurück. Ohne festen Job lebte
sie von 69 Pfund Sozialhilfe in der Woche mit ihrer kleinen Tochter in
einer Ein-Zimmer-Wohnung in Edinburgh. 1995 schickte sie das Manuskript
zu ihrem ersten Harry Potter-Band an zwei Agenten und mehrere Verleger.
1997 wurde "Harry Potter und der Stein der Weisen" in Großbritannien
bei Bloomsbury veröffentlicht, und für 105.000 Dollar gingen bei einer
Versteigerung in New York die US-Rechte für das Buch über den Tisch.
Ein Jahr später erschien bereits der zweite Band: "Harry Potter und die
Kammer des Schreckens", im Juli 1999 der dritte: "Harry Potter und der
Gefangene von Askaban", der sogar den Bestseller "Hannibal" von Thomas
Harris ("Das Schweigen der Lämmer") vom ersten Platz der
"Top-Ten-Belletristik" in der "New York Times" verdrängte. Warner
Brothers kauften daraufhin die Filmrechte für die ersten beiden Bände,
während der weltweite Verkauf der ersten drei Bände, die inzwischen in
35 Sprachen übersetzt wurden, im März 2000 35 Millionen Exemplaren
erreichte. Mit einem geschätzten Vermögen von ca. 50 Millionen
Mark galt Joanne K.Rowling nunmehr als drittreichste Frau
Großbritanniens. Am 8. Juli 2000 erschien das nunmehr vierte Buch
"Harry Potter und der Feuerkelch" gleichzeitig in den USA und in
Großbritannien. In den USA verkaufte allein die Kette Barnes &
Noble am ersten Tag 100.000 (einhunderttausend!) Bücher, während der
englische Verlag eine Erstauflage von einer Million Exemplaren drucken
ließ. Auch die deutsche Ausgabe startete Mitte Oktober mit einer
Erstauflage von 1 Mill. Exemplaren beim Carlsen Verlag. Und als
voraussichtlichen Kinostart für den auf dem Buch "Harry Potter und der
Stein der Weisen" basierenden gleichnamigen Film gibt der Verlag Herbst
2001 an.
Die auf sieben Bände angelegte Serie, die bisher im Jahresabstand
erschienen sind, hat indes nicht nur einen absoluten Kultstatus bei den
"Kids", sondern auch die Literaturkritiker und Feuilletonisten aller
gehobenen Blätter auf den Plan gerufen. Dem Phänomen "Harry Potter"
sind sie jedoch bislang allesamt noch nicht auf die Schliche gekommen.
Das könnte eventuell daran liegen, daß in diesen Kreisen zwar
Hobby-Tiefenpsychologen jeglicher Coleur ihr Unwesen treiben, die aber
dem ungeheuren Erfolg dieser Bücher deswegen zu definieren und
analysieren nicht in der Lage sind, weil es der Autorin vortrefflich
gelungen ist, die Grenzen zwischen Spaß und Ernst in ihren Geschichten
mit ganz einfachen Mitteln niederzureißen. So wird im ersten Band
geschildert, wie Harrys Eltern bei einem schrecklichen Autounfall ums
Leben kommen - die Wahrheit, daß seine Eltern von dem bösen Zauberer
Lord Voldemort ermordet wurden, und er allein überlebte, gezeichnet mit
einer Narbe in Form eines Blitzes auf der Stirn, erfährt der Junge erst
als Elfjähriger -, er nun als Waisenkind bei seinen hartherzigen,
neureichen Verwandten im Besenschrank unter der Treppe leben muß und
mit elf Jahren in die Zauberakademie Hogwarts kommt, wo er sich mit
seinen gleichaltrigen Mitschülern Ron und Hermine anfreundet und so
sonderbare Schulfächer wie "Zaubertrankkunde", "Wahrsagekunst",
"Hexerei" und "Verwandlungsunterricht" absolviert. Und auch in den
beiden Folgebänden erleben Harry und seine Freunde aufregende, aber
dennoch irgendwie relativ harmlose Abenteuer, die auch dank Harrys
Zauberkünsten immer recht gut ausgehen.
Im vierten und bisher letzten Band "Harry Potter und der Feuerkelch"
geht es zuvorderst um ein Zauberturnier, das die drei bedeutendsten
Zauberschulen veranstalten und bei dem der erst vierzehnjährige Harry
seine Schule vertreten soll. Da der von einem Feuerkelch ausgewählte
Champion aber mindestens siebzehn Jahre alt sein muß, führt Harrys Wahl
zu allerlei Verwicklungen und Verstrickungen. In der Tat ist es aber
nur ein winzig kleiner Schritt von solch vordergründig harmlosen
esoterischen Spielereien zu viel gefährlicheren Praktiken. Und so zeigt
der vierte Band in der Fortschreibung dieser Tendenzen einen weiteren
Abstieg bis zu einer satanischen Tiefe, aus der es dann wohl kein
Emporsteigen mehr geben kann. Denn den Höhepunkt des Buches stellt
zweifellos ein eindeutig satanisches Ritual dar, in dem das Böse
heraufbeschworen wird und schließlich auch erscheint. Dieses Ritual
beginnt auf Seite 666 (!) mit einem tödlichen Fluch und schildert dann
auf über dreißig Seiten in einer Diktion, die einem Horrorroman für
Erwachsene, die keine Geschmacksgrenzen mehr kennen, entliehen sein
könn-e, wie das Böse durch eine blasphemische Beschwörung in Form des
mörderischen Zauberers Lord Voldemort Gestalt annimmt.
Dergleichen "Literatur" wird in einer Kultur, die inzwischen den
Kannibalismus als Endstadium erreicht hat, heute offenbar auch für
Kinder als zuträglich erachtet. Und warum eigentlich auch nicht? Von
solchen Kulturgütern wie "Big Brother" oder der Berliner "Love Parade"
bis hin zu massenhaft im Mutterleib getöteten Kindern, die dann zu
Kosmetikprodukten verarbeitet werden, von der chemischen Kriegsführung
in Form der "Anti-Baby-Pille" gegen die traditionelle Lebensform von
Ehe und Familie bis hin zu unserer glücklicherweise ohnehin
schrumpfenden gott-, sitten- und geistlosen deutschen
Zivilgesellschaft, umfaßt die Krise des abendländischen Menschen, der
die göttliche Ordnung bereits bis hinein in die einfachsten
zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört hat, längst alle
Lebensbereiche. Wo aber das Christentum nicht einmal mehr als Firnis
existiert, dort sind auch literarische Darstellungen von Kindesmord,
Toten- und Friedhofsschändung, von Gotteslästerung und Blasphemie an
der Tagesordnung.
Im Kapitel "Die Todesesser" wird diese Lästerung Gottes allerdings auf
die Spitze getrieben. Auf wahrhaft satanische und perverse Weise wird
der göttliche Schöpfungsakt hier in sein Gegenteil verkehrt. Was eine
solch niederträchtige Darstellung in unschuldigen Kinderseelen
anzurichten vermag, kann man wohl nur dunkel erahnen. Es kann jedoch
bei den notwendigen Gegenmaßnahmen weniger darum gehen, unseren Kindern
derartige Machwerke mit allen Mitteln vorzuenthalten, denn durch eine
allmächtige Werbung und äußerst geschickt angelegte Manipulationen
werden sie ja noch weitaus stärker unter Druck gesetzt als die
Erwachsenen. Aber wir müssen uns dennoch klarmachen, daß diese Art von
Verführung letztlich nichts anderes bedeutet als die zynische
Ausbeutung der Kinder allein des Mammons wegen. Diese Usurpation durch
die Welt und das Fleisch sollte uns mehr erschrecken, als gewisse
negative Symbole - beispielsweise die Zahl 666 -, die von unseren
Feinden doch bewußt nur eingesetzt werden, um die gläubigen Christen zu
irritieren und in Angst und Schrecken zu versetzen. Solchen leicht
durchschaubaren Desinformationskampagnen und schmutzigen Tricks des
listigen alten Feindes müssen wir vielmehr mit Stärke und Klugheit
begegnen. Wenn also Rowling in einem Interview mit der London Times
(laut Aargauer Zeitung v. 19.10.00) wörtlich erklärt: "Diese Bücher
helfen den Kindern zu verstehen, daß der schwache, idiotische Sohn
Gottes ein lebendiger Witz ist, welcher gedemütigt wird, wenn der
Feuerregen kommt", wird einem ziemlich schnell klar, welcher
abgrundtiefer Haß auf das Christentum und auf die Kinder hier am Werk
ist.
Und dieser Haß ist noch um vieles abgründiger als jener des Atheismus
oder Marxismus, wenn wir uns beispielsweise ins Gedächtnis rufen, daß
Karl Marx immerhin der Meinung war, dem Christentum viel verzeihen zu
können, "denn Jesus hat uns gelehrt die Kinder zu lieben." Tatsächlich
geht es also um mehr als nur um "postmodernen Hokuspokus" (Silke
Lührmann in der "Jungen Freiheit" v. 10.11.00). Es geht auch um das
Ignorieren einer Gefahr und um unseren eigenen Positivismus bei der
Beurteilung einer vollkommen kommerzialisierten Kultur, die inzwischen
weitgehend von (neu)-heidnischen, atheistischen und satanistischen
Positionen annektiert ist. Wenn wir aber Kinder des Geistes sein
wollen, dann dürfen wir nicht länger feige dabei zusehen, wie die
Verwüstung der Seelen immer weiter voranschreitet. Der "Mythos vom
göttlichen Kind" (Sächsische Zeitung v. 9.10.00), den man uns mit den
Harry Potter-Bänden teuer verkaufen will, beschreibt in Wirklichkeit
eine Welt, die antichristlich und teuflisch ist, und in der Satan
letztlich mit Beelzebub ausgetrieben wird. Man muß also wahrlich kein
Rationalist oder Materialist sein, um diese Art Satanologie entschieden
abzulehnen. Verschlüsselte Mythologien und Mysterientheologien sind
gerade dem Katholizismus nichts Unbekanntes. Und es gibt auch
mythologische Welten, die heim-zuholen in den christlichen Kosmos eine
große Aufgabe ist. In der Gestalt der Mutter Gottes, der Jungfrau
Maria, der "Rosa Mystica" der Lauretanischen Litanei, ist die Schöpfung
heil geblieben, verwandelt durch die ewige Gnade Gottes. Was sind
dagegen schon die Metamorphosen eines Harry Potter?
Anmerkung:
1) Joanne K. Rowling: "Harry Potter..." 4 Bde.; aus dem Englischen von
Klaus Fritz, Carlson (Hrsg.) Hamburg 1998-2000, 335 S., 351 S., 448 S.,
767 S., ISBN 3-551-55200-2, 3-551-55168-5, 3-551-55169-3, 3-551-55193-6.
* * *
Leseprobe aus "Harry Potter und der Feuerkelch" (S. 665 ff.):
Harry spürte, wie seine Füße auf die Erde schlugen; sein verletztes
Bein knickte ein und er stürzte zu Boden; endlich konnte er seine Hand
vom Trimagischen Pokal lösen. Er hob den Kopf »Wo sind wir?«, fragte
er. Cedric schüttelte den Kopf. Er stand auf und zog Harry auf die
Beine. Sie blickten sich um. Hier mussten sie fern von Hogwarts sein;
offenbar waren sie viele, vielleicht sogar Hunderte von Kilometern
gereist, denn selbst die Berge der Umgebung von Hogwarts waren nicht
mehr zu sehen. Sie standen auf einem dunklen, überwucherten Friedhof;
hinter einer großen Eibe war der schwarze Umriss einer kleinen Kirche
zu erkennen. (...)
Sie zogen ihre Zauberstäbe. Harry schaute umher. Wieder einmal hatte er
das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werdcn. »Da kommt jemand«, sagte
er plötzlich. Angestrengt durch die Dunkelheit spähend, sahen sie eine
Gestalt, die zwischen den Gräbern hindurch geradewegs auf sie zukam.
Harry konnte ihr Gesicht nicht erkennen; doch nach dem Gang und der
Haltung der Arme zu schließen, musste die Gestalt etwas mit sich
tragen. Wer immer es war, er war klein und hatte die Kapuze des Umhangs
tief über den Kopf gezogen, um das Gesicht zu verbergen. Die Gestalt
war nun schon deutlicher zu erkennen und kam immer noch näher - und
jetzt erkannte Harry, dass das, was die Gestalt in den Armen trug, wie
ein Baby aussah ... oder war es nur ein zusammengerollter Umhang? Harry
ließ den Zauberstab sinken und sah Cedric aus den Augenwinkeln an.
Cedric versetzte ihm einen kurzen, ratlosen Blick. Dann wandten sie
sich wieder der näher kommenden Gestalt zu. Sie blieb neben einem
übermannshohen marmornen Grabstein stehen, nur zwei Meter von ihnen
entfernt. Eine Sekunde lang sahen sich Harry, Cedric und die kleine
Gestalt an. Und dann, ohne Vorwarnung, loderte Harrys Narbe vor Schmerz
auf. Eine solche Höllenqual hatte er noch nie durchlitten; der
Zauberstab glitt Harry aus den Fingern und er schlug die Hände vors
Gesicht; seine Knie gaben nach, er stürzte zu Boden, schwarze Nacht
umhüllte ihn, und sein Kopf schien im nächsten Augenblick platzen zu
wollen. Von weit oben hörte er eine hohe, kalte Stimme: »Töte den
Überflüssigen.« Harry hörte ein Sirren, und eine zweite Stimme
kreischte in die Nacht: »Avada Kedavra!« Ein gleißender Strahl grünen
Lichts drang durch Harrys Augenlider und er hörte etwas Schweres neben
sich zu Boden stürzen; der Schmerz seiner Narbe wurde so unerträglich,
dass er würgen musste, und dann ließ er nach; es graute ihm vor dem,
was er gleich sehen würde, und er öffnete seine schmerzenden Augen.
Cedric lag neben ihm auf der Erde, Arme und Beine von sich gestreckt.
Er war tot. Eine Sekunde, die eine Ewigkeit umfasste, starrte Harry in
Cedrics Gesicht, in seine offenen grauen Augen, leer und ausdruckslos
wie die Fenster eines verlassenen Hauses, auf Cedrics wie in leichter
Überraschung geöffneten Mund. Und dann, noch bevor Harry aufgenommen
hatte, was er da sah, bevor er mehr fühlen konnte als dumpfes
Erstaunen, spürte er, wie er auf die Beine gezogen wurde. (...)
TOM RIDDLE
Der Mann im Kapuzenmantel beschwor Seile herauf, die Harry vom Hals bis
zu den Fußgelenken an den Grabstein zurrten. Harry hörte flache,
schnelle Atemzüge aus der Tiefe der Kapuze; er zerrte und zog an seinen
Fesseln, und der Mann schlug ihn - schlug ihn mit einer Hand, an der
ein Finger fehlte. Jetzt wusste Harry, wer sich unter der Kapuze
verbarg. Es war Wurmschwanz. »Du!«, keuchte er. Doch Wurmschwanz
antwortete nicht; er prüfte jetzt, ob die Seile straff genug saßen. Mit
fahrig zitternden Fingern betastete er die Knoten. Als er sich
vergewissert hatte, dass Harry so straff an den Grabstein gefesselt
war, dass er sich nicht mehr rühren konnte, zog er ein Stück schwarzen
Stoffes aus dem Umhang und stopfte es grob in Harrys Mund; dann, ohne
ein Wort zu sagen, wandte er sich ab und eilte davon. Harry brachte
keinen Laut hervor, noch konnte er sehen, wo Wurmschwanz hingegangen
war; er konnte den Kopf nicht drehen und hinter den Grabstein blicken;
er sah nur, was direkt vor ihm war.
Einige Meter von ihm entfernt lag Cedrics Leiche. Nicht weit dahinter
leuchtete der Trimagische Pokal im Sternenlicht. Harrys Zauberstab lag
auf der Erde zu seinen Füßen. Das Umhangbündel, das Harry für ein Baby
gehalten hatte, lag ganz in der Nähe, am Fuß des Grabes. Etwas regte
sich darin, gereizt und ungeduldig, wie es schien. Noch während Harry
es beobachtete, jagte erneut der brennende Schmerz durch seine Narbe
... und plötzlich wusste er: Er wollte nicht sehen, was in diesem
Umhang war ... er wollte nicht, dass sich das Bündel öffnete
... Zu seinen Füßen raschelte es. Er blickte hinunter und
sah eine riesige Schlange durch das Gras glei-ten und einen Kreis um
den Grabstein ziehen, an den er gefesselt war. Wieder drang
Wurmschwanz' hastiges, pfeifendes Atmen an seine Ohren. Es klang, als
würde er etwas Schweres über den Boden schleifen. Er tauchte in Harrys
Gesichtskreis auf, und nun sah Harry, dass er einen Kessel an den Fuß
des Grabes schob. Er schien mit Wasser gefüllt zu sein - Harry konnte
es schwappen hören - und war größer als irgendein Kessel, den Harry je
benutzt hatte; das bauchig ausladende Gefäß war so groß, dass ein Mann
darin sitzen konnte. Das Etwas in dem Umhangbündel regte sich nun
heftiger, als wollte es sich daraus befreien. Wurmschwanz machte sich
jetzt mit dem Zauberstab am Fuß des Kessels zu schaffen. Plötzlich
züngelten knisternde Flammen vom Kessel- boden herauf. Die große
Schlange glitt in die Dunkelheit davon. Das Wasser im Kessel schien
rasch heiß zu werden. An der Oberfläche begann es zu brodeln, und
prasselnde Funken stoben in die Höhe, als ob der ganze Kessel in
Flammen stünde. Dichter Dampf wallte auf und ließ Wurmschwanz' über das
Feuer gebeugte Gestalt verschwimmen. Das Etwas unter dem Umhang schien
erregt zu zappeln. Und wieder hörte Harry die hohe, kalte Stimme.
»Beeil dich!« Das Wasser leuchtete im Licht der Funken, als wäre die
ganze Oberfläche mit Diamanten gesprenkelt.
»Es ist bereit, Meister.« - »Nun...«, sagte die kalte Stimme.
Wurmschwanz bückte sich nach dem Bündel auf der Erde und begann es
aufzuwickeln, enthüllte, was in ihm verborgen war. Harry stieß einen
Schrei aus, der in dem Stofffetzen in seinem Mund erstickte. Es war,
als hätte Wurmschwanz einen Stein umgedreht; etwas Häss-liches,
Schleimiges und Blindes war zum Vorschein gekommen - doch schlimmer
noch, hundertmal schlimmer. Was Wurmschwanz mit sich getragen hatte,
hatte die Gestalt eines zusammengekauerten menschlichen Kindes,
allerdings hatte er noch nie etwas gesehen, das einem Kind so wenig
ähnelte. Es hatte keine Haare und seine Haut schien geschuppt und von
einem dunklen, schrundigen Rotschwarz. Die Arme und Beine waren dünn
und zerbrechlich, und das Gesicht - kein lebendes Kind hatte je so ein
Gesicht gehabt - war flach und schlangengleich, mit rot schimmernden
Augen. Das Wesen schien fast gänzlich hilflos; es hob seine dürren
Arme, schlang sie um Wurmschwanz' Hals, und Wurmschwanz hob es hoch.
Dabei rutschte ihm die Kapuze vom Kopf, und Harry sah im Licht des
Feuers den Ausdruck des Abscheus in seinem schlaffen, bleichen Gesicht,
als er das Geschöpf zum Kesselrand trug. Einen Moment lang sah Harry
das böse, flache Gesicht des Wesens im Licht der Funken, die über dem
Gebrodel tanzten. Und dann tauchte Wurmschwanz das Geschöpf in den
Kessel ein; ein Zischen, und es versank; Harry hörte den zerbrechlichen
Körper leise und dumpf auf dem Kesselboden aufschlagen. Wenn es doch
ersaufen würde, dachte Harry, und seine Narbe brannte fast
unerträg-lich, bitte ... wenn es doch ersaufen würde... Wurmschwanz
sprach. Seine Stimme bebte, die Angst schien ihn um den Verstand zu
bringen. Er hob den Zauberstab, schloss die Augen und sprach in die
Nacht hinein: »Knochen des Vaters, unwissentlich gegeben, du wirst
deinen Sohn erneuern!« Die Grabplatte unter Harrys Füßen knackte. Von
Grauen erfüllt sah Harry, wie ein schmaler Staubwirbel auf Wurmschwanz'
Befehl hin aus dem Grab aufstieg und dann sanft in den Kessel fiel.
(...) Und jetzt konnte er Wurmschwanz wimmern hören. Er zog einen
langen, silbern schimmernden Dolch aus seinem Mantel. Seine Stimme war
ein abgehacktes, vor Angst versteinertes Schluchzen. »Fleisch - des
Dieners - w-willentlich gegeben - du wirst - deinen Meister - wieder
beleben.« Er streckte die rechte Hand aus - die Hand mit dem fehlenden
Finger. Er packte den Dolch fest mit der Linken und schwang ihn nach
oben.
Harry wurde erst in letzter Sekunde klar, was Wurmschwanz da tat - er
schloss die Augen, so fest er konnte, doch den Schrei, der die
nächtliche Stille zerriss, musste er hören, und er durchstach Harry,
als ob der Dolch in ihn eingedrungen wäre. Er hörte etwas zu Boden
fallen, hörte das angstgequälte Keuchen von Wurmschwanz, dann ein
Brechreiz erregendes Platschen von etwas, das in den Kessel fiel. Harry
konnte es nicht ertragen hinzusehen ... doch das Gebräu hatte ein
brennendes Rot angenommen, so hell, dass es durch Harrys geschlossene
Augenlider leuchtete... Wurmschwanz keuchte und stöhnte unter seinen
Qualen. Erst als Harry seinen angst-erfüllten Atem auf seinem Gesicht
spürte, wurde ihm jäh bewusst, dass er direkt vor ihm stand. »B-Blut
des Feindes - mit Gewalt genommen - du wirst - deinen Gegner wieder
erstarken lassen.« Harry konnte nichts tun, um es zu verhindern, die
Seile waren zu straff um ihn gespannt ... er blickte hinunter, sträubte
sich verzweifelt gegen die Fesseln, und dann sah er den silbernen Dolch
in Wurmschwanz' verbliebener Hand zittern. Er spürte, wie sich die
Spitze durch die Beuge seines rechten Armes bohrte und Blut den Ärmel
seines zerrissenen Umhangs hinabsickerte. Wurmschwanz, vor Schmerz
immer noch keuchend, stöberte in seiner Tasche nach einer Phiole und
hielt sie unter Harrys Wunde; ein dünnes Blutrinnsal tröpfelte in das
Glas. Mit Harrys Blut stolperte Wurmschwanz zurück zum Kessel. Er
schüttete es hinein. Sofort nahm das Gebräu im Kessel ein blendend
helles Weiß an. Nun, da er seine Arbeit getan hatte, fiel Wurmschwanz
neben dem Kessel auf die Knie, sackte zur Seite und blieb auf der Erde
liegen, keuchend und schluchzend, und verbarg den blutenden Armstumpf
unter seinem Körper. (...) Weißer Dampf quoll in dicken Schwaden aus
dem Kessel und tauchte alles vor Harry in weißes Nichts, so dass er
weder Wurmschwanz noch Cedric noch sonst etwas sehen konnte, nur den
Dampf, der in der Luft hing... es ist fehlgeschlagen, dachte er... es
ist ertrunken ... bitte... bitte, lass es tot sein ... Doch dann - und
eine eisige Woge des Grauens überkam ihn -, dann sah er durch den Nebel
hin-durch, wie der dunkle Umriss eines Mannes, groß und dürr wie ein
Skelett, langsam aus dem Innern des Kessels aufstieg. »Meinen Umhang«,
sagte die hohe, kalte Stimme hinter der Nebelwand, und Wurmschwanz,
schluchzend und wimmernd, den verstümmelten Arm noch immer schützend an
den Leib gepresst, stolperte hinüber und griff nach dem schwarzen
Umhang auf der Erde, richtete sich auf, streckte seine verbliebene Hand
aus und zog den Umhang über die Schultern seines Gebieters. Der dürre
Mann stieg langsam aus dem Kessel und starrte Harry an ... und Harry
starrte zurück in dieses Gesicht, das ihn drei Jahre lang in seinen
Alpträumen verfolgt hatte. Weißer als ein Schädel, mit weiten,
scharlachrot lodernden Augen und einer Nase, die so platt war wie die
einer Schlange, mit Schlitzen als Nüstern ... Lord
Voldemort war wieder erstanden.
***
NOCH EINMAL HARRY POTTER
Pfr. Florian Schuller, Direktor der katholischen Akademie in Bayern, wehrt sich...
Schuller, der die Veranstaltung der Kath. Akademie mit dem Thema
"Zur Faszination von Harry Potter" am 27. Januar dieses Jahres
moderierte, hatte auf seine naiv-makabre Behauptung "Man kann aus jeder
Seite des Buches eine Predigt machen, denn es vermittelt sehr viele
christliche Werte" kritische Briefe erhalten. In einem Interview,
welches er dem "Münchner Merkur" gab, versucht er die Vorwürfe seiner
Kritiker zu widerlegen... indem er die Kritiker in die Ecke der
Fundamentalisten und Ignoranten steckt. Hier die angesprochene
Stellungnahme:
Potter-Kritiker auf dem Irrweg. Akademie: Vorwürfe gründen auf
gefälschtem Interview München (Kna) - Christliche Harry-Potter-Kritiker
stützen ihre Vorwürfe gegen die erfolgreichen Kinderbü-cher und deren
Autorin Joanne K. Rowling offensichtlich auf ein gefälschtes
Zitat eines amerikanischen Internet-Satiremagazins. Dabei geht es um
die angebliche Aussage der Schriftstellerin: "Diese Bücher helfen den
Kindern zu verstehen, daß der schwache, idiotische Sohn Gottes ein
lebender Witz ist." Das Interview-Zitat stamme aber gar nicht von der
Autorin und wurde auch nicht, wie von den Kritikern behauptet, in der
Londoner "Times" gedruckt, sagte der Direktor der katholischen Akademie
in Bayern, Florian Schuller, gestern in München.
Gleich fünf verschieden Protestbriefschreiber schickten Schuller Kopien
dieses Satzes, weil er eine Tagung über das Phänomen Harry Potter in
der Akademie veranstaltet hatte (wir berichteten). Die umstrittene
Aussage und auch andere Texte, in denen es um dämonische Praktiken
gehe, seien in dem bekannten Internet-Satiremagazin "The Onion" (Die
Zwiebel/www.theonion.com) abzurufen. Die Satiremacher hätten damit die
"Potter-Manie" und die chrisltichen Ängste auf ihre "nicht sehr
vornehme Schippe" genommen.
Die satirischen Seiten zu Harry Potter hält Schuller "weder für witzig
noch für geistreich". Diese "hanebüchene Geschichte" zeige aber auch,
wie in Kreisen christlicher Fundamentalisten häufig diskutiert werde.
Zunächst mißverstehe man einen Text völlig, dann gebe man die
belastenden Aussagen ungeprüft weiter. Keiner habe in der
entsprechenden Ausgabe der "Times" nachgesehen. ("Münchner Merkur" vom
07.02.2001)
Replik der Redaktion EINSICHT:
Besagtes Zitat haben wir wiedergegeben nach der Darstellung der
"Aargauer Zeitung" vom 19. Nov. letzten Jahres, die die TIMES zitiert.
Auch wenn sich dieses Zitat in dem Internet-Satiremagazin "The Onion"
findet, heißt es noch lange nicht, daß es nicht authentisch ist. Eine
Gegendarstellung der Autorin ist uns nicht bekannt. Daß Herr Schuller
eine Passage in der TIMES nicht findet, heißt nicht, daß es diese nicht
gibt. Aber gehen wir ruhig davon aus, daß dieses Zitat nicht von der
Autorin selbst stammt, sondern ihr nur unterschoben wurde, dann bleiben
- und das dürfte auch von Herrn Schuller nicht bestritten werden - die
Bücher von Frau Joanne K. Rowling, aus denen wir ja eine Leseprobe
entnommen haben und die eine deutliche Sprache reden...für den, der
verstehen will. Das bewußte Zitat faßt nur das, was die Autorin über so
viele Seiten verbreitet, wie in einem Fokus zusammen. Es würde ganz
einfach zu einer Autorin passen, die im Kapitel "Die Todesser" auf
gotteslästerliche Weise die Schöpfung pervertiert.
Und nun muß uns, den Fundamentalisten, die überdies nicht lesen (können
?), der mediengewandte Modernist Schuller erklären, wie man "aus jeder
Seite des Buches eine Predigt machen [kann], denn es vermittelt sehr
viele christliche Werte". Denkt er dabei an die Seiten über satanischen
Rituale auf dem Friedhof oder an die über die erwähnten "Todesser"?
Oder hat er diese vielen Seiten einfach mißverstanden? Welches Publikum
für seine Predigten hat Herr Schuller im Auge? Okkultisten?
E. Heller
* * *
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