Zum Problem einer möglichen Papstwahl
von
Eberhard Heller
Vorbemerkung:
Im April dieses Jahres trafen sich in Fatima/Portugal zehn Bischöfe zur
Beratung einer Papstwahl und gaben eine am 22. April unterzeichnete
Erklärung zu einer solchen Wahl heraus, in der sie sich zugleich als
Wähler eines "neuen treuen Papstes" empfehlen. Nach ihrer Auffassung
haben sie als Sedisvakantisten die ausschließliche Pflicht und unter
den gegebenen Umständen auch das Recht zu dieser Wahl.
Daneben wurde von Bischof Urbina Aznar eine längere "Grundsatzerklärung
zur Wahl eines Papstes" ausgearbeitet, die inzwischen in deutscher
Übersetzung vorliegt (erschienen im Verlag "Pro Fide catholica") und
von Herrn Rothkranz, welcher die Unternehmungen dieser Bischöfe
propagiert, mit einem Nachwort versehen wurde.
Abgesehen davon, daß man über den theologischen Standpunkt, der sich in
der Erklärung vom 22. April und der "Grundsatzerklärung" zeigt,
durchaus diskutieren könnte, muß man klären, welche Personen sich für
eine solche Wahl "unter den gegebenen Umständen" präsentieren. An der
Seite des verheirateten Bischofs Lopez-Gaston, ein 'Kardinal' der
Linus-'Kirche', finden wir Bischof (oder 'Bischof') Seiwert, einen
Palmar-de-Troja-Anhänger, die mir unbekannten Bischöfe Ignanya aus
Gabun und Xavier, Bischof Vezelis, der für sich die ordentliche
Jurisdiktion beansprucht, Bischof Thomas Fouhy - zum Priester geweiht,
verheiratet, geschieden, erneut Priester, Bischof und 'Kardinal' der
Linus-'Kirche', der Krankenpfleger Augustinus Pohl, der sich den
Beinamen "Düngen" zugelegt hat und theologisch völlig unbedarft ist,
der der sog. Alt-römisch-katholischen Kirche angehörte und dort
(ungültig) 'geweiht' wurde, dann von Lopez-Gaston sub-conditione
nachgeweiht wurde, ein Sektierer, der versucht hat, sich in Deutschland
Zugang zu den Meßzentren zu verschaffen, Bischof Alarcon, der
verheiratete Bischof Urbina und Bischof Christobal Squettino/ Mexiko.
Auffallend zunächst ist, daß die meisten der selbsternannten Wähler
entweder einer schismatischen oder sektiererischen Gruppierung
zuzurechnen sind. Als schismatisch bezeichne ich in unserer Situation
einen Bischof, der sich aus der Gemeinschaft der übrigen Bischöfe
abspaltet, um kirchliche Alleingänge zu unternehmen, als sektiererisch
beurteile ich einen Bischof, der die durch die Weihen erhaltenen
Vollmachten nach persönlichem Gutdünken einsetzt. (N.b. in meinen Augen
ist Bischof Lopez-Gaston ein Simonist mit "umgekehrten Vorzeichen": er
nimmt für Weihen kein Geld, er verschleudert sie dafür an Hinz und
Kunz!) Außerdem ist nicht zu erkennen, daß diese Bischöfe in Verbindung
mit dem rechtgläubigen (?) römischen Klerus stehen oder mit diesem
Kontakt aufnehmen wollen, dem eigentlich die Wahl des Bischofs von Rom,
der als solcher auch Papst ist, zusteht.
Auf noch eine Absonderlichkeit muß aufmerksam gemacht werden: noch vor
sechs Jahren haben die Herren Lopez-Gaston, Urbina und Fouhy Herrn v.
Pentz zum 'Papst' gewählt, der sich Linus II. nennt. Wieviele 'Päpste'
wollen sie denn noch wählen?
Es ist zu erwarten, daß durch solche grotesken Unternehmungen, die sich
den Anstrich der Legitimität geben, das eigentliche Anliegen der
Restitution der Kirche als Heilsinstitution, zu der auch eine Papstwahl
gehören würde, öffentlich weiter in Mißkredit gebracht wird -
inzwischen haben wir schon - je nach Zählweise: fünf bzw. drei 'Päpste'.
Um eine völlige Verwirrung zu vermeiden, veröffentlichen wir noch einmal unsere Position zum Problem einer möglichen Papstwahl.
* * *
Ausgelöst durch Überlegungen in unserer Zeitschrift ist das Problem
einer möglichen Papstwahl mehr und mehr in das Interesse der Gläubigen
gerückt, die sich hiervon eine Lösung für den desolaten kirchlichen
Zustand erhoffen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen oder um nicht falsche Vorstellungen zu
wecken, darf ich gleich eingangs feststellen: es geht mir in diesen
Anmerkungen nicht um eine eigene systematische Darlegung zu diesem
Problem, sondern nur um eine Rezeption der verschiedenen Auffassungen,
die sich dazu in letzter Zeit gebildet haben. Im Rahmen einer
kritischen Sichtung der vorgestellten Positionen genügt vorerst das
Aufzeigen der Extrempositionen.
I.
Wenn man die verschiedenen Stellungnahmen sondiert, stellt man mit
Überraschung fest, daß die Wahl eines Papstes - als entscheidender
Schritt zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit - in den Reihen
des katholischen Widerstandes völlig unterschiedlich bewertet wird.
Eingedenk der makabren 'Wahl' von Herrn Bawden aus den U.S.A. zum
'Papst' Michael I. vor gut zwei Jahren (d.i. im Jahr 1991, Anm. d.
Red.), durch die das Anliegen einer Restitution und - darin
eingeschlossen - auch der Wahl eines rechtmäßigen Papstes in massivster
Form diskreditiert wurde, wird von bestimmten Kreisen durch das
Forcieren dieses Themas als solches und der Vorbereitung zur
Realisierung einer solchen Wahl befürchtet, eine Wiederholung einer
solchen Farce könne dem Gesamtanliegen, einschließlich der Bewahrung
des Glaubensgutes nur weiter empfindlich schaden. Dadurch wären dann
die Möglichkeiten für einen tatkräftigen und effizienten Wiederaufbau
der Kirche verspielt - nach dem Beispiel des Nachtwächters, der die
Bürger einer Stadt mehrere Male mit Probealarmen aus den Betten
geschreckt hatte und narrte, der aber dann, als es tatsächlich brannte,
auch durch die heftigsten Hornstöße die Bewohner nicht mehr aus den
Betten locken konnte... weshalb die Stadt völlig niederbrannte. D.h.
man muß befürchten, daß durch solche Abenteuer das wahre Interesse
verbraucht wird und die Gläubigen durch solche unsinnigen Manöver
abstumpfen oder sie sich angewidert zurückziehen.
Dabei geht die Befürchtung eines Kritikers dieser Pläne noch weiter: er
befürchtet, daß die 'Konzils-Kirche' die tatsächlichen Nöte, d.h. die
Führungslosigkeit der wahren Katholiken mißbrauchen könnte, um Personen
aus den eigenen reformerischen Reihen mit konservativem Image in die
Gruppen des Widerstandes einzuschleusen. Dabei würde es schon genügen,
führende Personen oder Gruppierungen des Widerstandes so zu
konstellieren, daß sie zu (blinden?) Werkzeugen der 'Konzils-Kirche'
werden, um durch die Propagierung und Wiederholung einer 'Papstwahl' (a
la Bawden) das wirkliche Anliegen als solches öffentlich so lächerlich
zu machen, daß man in absehbarer Zeit nicht mehr daran denken könnte,
an der Wiederherstellung der Kirche als Heilsinstitution ernsthaft zu
arbeiten, ohne sich von vorneherein dem Gespött selbst der engsten
Verbündeten auszusetzen.
Der erwähnte Kritiker ist sogar der Auffassung, daß dieser Prozeß
bereits im Gang ist und daß gewisse Personen des Widerstandes, die er
auch namentlich nennt, bereits in ein solches Komplott mit einbezogen
wurden oder von außen in die entsprechende Richtung gesteuert werden.
Anstatt sich deshalb mit dieser, dem Allgemeinwohl nur schadenden
Materie - Überlegungen zu einer Papstwahl - zu beschäftigen, solle man
besser alle Anstrengungen auf die Bewahrung des Glaubens richten.
Vorbehalte gegen eine Papstwahl werden aber nicht nur aus taktischen Gründen angemeldet, sondern auch
a) aus Resignation bzw. Skepsis (eine
Papstwahl löse nicht alle Probleme; der Erwählte würde möglicherweise
wiederum nur einen kleinen Kreis repräsentieren, dem eine allgemeine
Anerkennung dann versagt bliebe),
b) aus theoretischen (theologisch-rechtlichen) Gründen, weil nach
Ansicht der Personen, die diese Vorbehalte haben, eine solche Wahl
unter Beachtung der kirchenrechtlichen Bestimmungen unmöglich sei; denn
nach dem derzeit geltenden Wahlrecht dürften nur Kardinäle den Papst
wählen, aber Kardinäle, die gültig
wählen könnten, gibt es auf Grund deren Apostasie nicht mehr. (Damit
wäre der circulus vitiosus beschrieben, in dem sich die reinen
Legalisten, d.h. die Vertreter einer Verabsolutierung der de facto
geltenden Rechtsnormen, drehen.)
Gegenüber diesen negativen Einstellungen hinsichtlich einer Papstwahl
betonen die Befürworter mit gutem Recht, daß die Kirche als societas
perfecta nur in und durch all ihre Glieder hindurch existieren könne
und daß der Papst als Garant der Einheit und sichtbares Oberhaupt für
die Führung und das Leben der Kirche als Heilsinstitution unabdingbar
sei.
Dabei gehen die Vorstellungen der Befürworter über den bloß
prinzipiellen Bereich, in dem auf die Bedeutung des Papstes für die
Kirche hingewiesen wird, weit hinaus. Es werden auch schon Konzepte
vorgestellt, wie eine solche Wahl durchzuführen sei. Ebenso werden die
pastoralen Wirkungen beschrieben, die davon ausgehen könnten. So
schreibt z.B. Herr Dr.jur. B. Klominsky aus Gablonz (Tschechische
Republik), Herausgeber der Zeitschrift TRIDENT, in einem offenen Brief,
man solle sich auf einen der rechtgläubigen Bischöfe konzentrieren, der
gegebenenfalls als Kandidat in Frage käme. Die übrigen Bischöfe sollten
sich darauf festlegen, ihn zu unterstützen und die Kleriker und die
Gläubigen in aller Welt darüber zu informieren. Dieser Bischof, der
neben einer guten psychi-schen Konstitution auch die pastorale
Bereitschaft zeigen muß, die verschiedensten Gruppierungen weltweit
zusammenzuführen, falls noch nicht geschehen, ein Seminar gründen,
ebenso Orden. Informationen oder Verlautbarungen sollten über ein
Nachrichtennetz laufen.
Der Bischof, der sich als Kandidat für das Papstamt qualifizieren würde
und sich durch seinen Glaubenseifer profilieren sollte, müßte über ein
allseits verbreitetes Organ verfügen, um Nachrichten und Informationen
absetzen zu können. Die pastorale Wirkung, die allein von einem solchen
Bischof ausgehen würde, hält Herr Klominsky für sehr entscheidend: es
würden auch Zauderer, die bisher nicht den entsprechenden konsequenten
Schritt getan hätten, sich an diesen Bischof wenden, der im Verbund mit
den anderen Bischöfen, Priestern und Laien eine natürliche Autorität
ausstrahlen würde. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt wären, könnte
dann endlich nach den von Herrn Tello vorgelegten Wahlmodi die
Papstwahl durchgeführt werden, die auf einem Konvent stattfinden
sollte, zu dem alle rechtgläubigen Bischöfe eingeladen werden
müßten. Auf diesem Konvent könnten dann auch strittige Fragen behandelt
werden... ähnlich wie auf einem Konzil.
II.
Zu den vorstehend skizzierten Positionen möchte ich folgendes sagen:
1. Das Problem einer berechtigten
Papstwahl tritt in unserer Situation nur für konsequente Vertreter des
Sedisvakantismus im Zusammenhang mit einer umfassenden Restitution der
Kirche als der von Christus gegründeten Heilsinstitution auf. (Für
Gruppierungen, die der Theorie von + Mgr. Guerard des Lauriers
anhängen, wonach der jetzige Okkupant materialiter, aber nicht
formaliter Papst ist, stellt sich dieses Problem nicht: sie warten
darauf, daß sich Mgr. Wojtyla bekehrt, damit er als materialiter Papst
es auch - wieder - formaliter wird.)
2. Die theologische Debatte, die die Lösung der Restitution der Kirche
zum Ziel hat, muß intensiviert und weitergeführt werden; denn ohne die
Besinnung auf die Prinzipien, die der Gründung der Kirche durch
Christus zugrundeliegen, läßt sich die besondere Situation, die wir
ertragen müssen, nicht exakt bestimmen. Ohne eine solche genaue
theologische Ortsbestimmung lassen sich wiederum nicht die
Möglichkeiten erörtern, die zu einer Restituierung der Kirche bzw. zu
deren Wiederaufbau führen könnten. Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht
stellen, stünde unser Widerstand ohne eigentliche Rechtfertigung da.
Wir würden dann unweigerlich ins Sektierertum abdriften, das seinen
Nährboden längstens in dem latenten Heilsegoismus vieler Gläubiger
gefunden hat, und würden jegliches Bewußtsein für das Besondere des
kirchlichen Status, den Christus seiner Gründung verliehen hat,
verlieren. D.h. wir müssen uns mit dem Problem der kirchlichen
Ortsbestimmung beschäftigen, wenn wir unseren Glauben bewahren wollen.
In dieser Hinsicht ist bisher nicht allzuviel getan worden. Das Problem
blieb in den bekannten Journalen und Zeitschriften bisher unbearbeitet.
Je eher wir mit der "Sanierung dieser Altlast" beginnen, um so eher
bahnen sich auch Aussichten auf eine stufenweise Rückgewinnung der
Sichtbarkeit und Hohheit der Kirche an. Innerhalb dieser
Grundsatzdiskussion wird endlich auch das Problem einer Papstwahl
abzuhandeln sein, weil sich nämlich sehr schnell zeigen ließe, welche
zentrale Bedeutung dem Petrusamt für die lebendige Existenz der Kirche
zukommt. In dieser Hinsicht sind die Abhandlungen von Herrn Tello /
Spanien zu begrüßen, die bereits in unserer Zeitschrift (und in KYRIE
ELEISON) erschienen sind, obwohl in ihnen der Aspekt einer umfassenden
Restititution m.E. etwas unterbelichtet bleibt. In diesem Zusammenhang
wäre es dann wichtig, die Geschichte des Papstwahlrechtes zu studieren.
In den Köpfen vieler Gläubiger ist ein Papst nur eine Art kirchlicher
Souverän. Daß aber ein Papst nur Papst ist, weil er Bischof von Rom
ist, diese Doppelkonstruktion in eben dieser Verknüpfung ist den
wenigsten bewußt.
3. So dringend eine Behebung des chaotischen Zustandes, in dem
wir mehr oder weniger hilflos umherirren (und fast verzweifeln), auch
sein mag, so bedürfte, nachdem die theologischen und rechtlichen
Probleme durchgeklärt wären, die praktische Durchsetzung der
Restitution eines sehr geduldigen und behutsamen Vorgehens und einer
sehr sorgfältigen, umsichtigen Planung, damit nicht Fehler unterlaufen,
die unsere Aktivitäten der Lächerlichkeit preisgeben würden.
Vorbedingung solcher Aktivitäten wäre m.E. der weltweite Zusammenschluß
von Klerikern und Laien, die die (Rest)Kirche ausmachen. Ohne ein
solches Zusammengehen trügen alle Anstrengungen in der angegebenen
Richtung wiederum den Stempel des Sektierertums an sich.
An diesen Unierungsbemühungen bzw. der Re-Unierung, die eines der
Hauptanliegen von + Mgr. Carmona in den letzten Jahren war,
mitzuarbeiten, sind wir alle aufgerufen.
(leicht modifizierter Wiederabdruck aus EINSICHT XXIII/2 vom Juli 1993, S. 30 ff.) |